Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Nikolai G*****, geboren am ***** 2011, SOS-Kinderdorf *****, über den Revisionsrekurs des Landes ***** als Kinder- und Jugendhilfeträger, vertreten durch den Stadtmagistrat *****, dieser vertreten durch Dr. Heinz Knoflach und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 24. April 2017, GZ 78 R 7/16a-215, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Imst vom 2. November 2016, GZ 1 Ps 4/16d-198, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird in ihrem Punkt II.) 3.) dahin abgeändert, dass insoweit der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Text
Begründung:
Der minderjährige Nikolai ist das Kind von O***** und V*****, die nicht miteinander verheiratet sind beziehungsweise waren; am 26. 11. 2012 wurde der Mutter die Obsorge in den Bereichen Pflege und Erziehung einschließlich gesetzlicher Vertretung entzogen und dem Land ***** als Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT) übertragen. Nikolai lebt im SOS-Kinderdorf *****.
Mit Beschluss vom 14. 10. 2015 räumte das damalige Pflegschaftsgericht der Mutter ein (unbegleitetes) Kontaktrecht alle zwei Wochen jeweils von Samstag 9:00 Uhr bis Sonntag 16:00 Uhr ein, welches diese auch anfangs wahrnahm und wahrnehmen konnte. Nachdem die Mutter allerdings im Frühjahr 2016 von ***** nach Oberösterreich verzogen war, legte der KJHT am 22. 7. 2016 fest, dass Kontakte, welche die Mutter ohne geeignete Begleitperson wahrnehme, nur mehr auf dem Gelände des Kinderdorfs und in der vom Kinderdorf zur Verfügung gestellten Besucherwohnung stattfinden dürften; im Beisein von Assistenzpersonen dürften auch Außenaktivitäten vorgenommen werden. Darüber hinaus hätten die Kontakte an zwei aufeinander folgenden Tagen zu erfolgen, Nikolai habe jedoch im Kinderdorf zu übernachten.
Aufgrund divergierender Kontaktrechtsanträge der Mutter einerseits und des KJHT andererseits änderte das Rekursgericht (insoweit rechtskräftig) das mit Beschluss vom 14. 10. 2015 geregelte Kontaktrecht der Mutter dahin ab, dass ihr unbegleitete Kontakte mit Nikolai alle zwei Wochen jeweils von Freitag 14:30 Uhr bis Sonntag 16:00 Uhr eingeräumt wurden; eine Einschränkung der Kontakte auf das Gelände des Kinderdorfs erfolgte nicht.
Parallel zu ihrem Kontaktrechtsantrag hatte die Mutter außerdem die zwangsweise Durchsetzung des ihr laut Beschluss vom 14. 10. 2015 zustehenden Kontaktrechts begehrt, welchen Antrag das Erstgericht abwies.
Über Rekurs der Mutter entschied das Rekursgericht zugleich mit seiner (neuen) Kontaktregelung in Punkt II.) 3.) der angefochtenen Entscheidung dahin, dass „zur zwangsweisen Durchsetzung des mit Beschluss vom 14. 10. 2015 geregelten Kontaktrechts der Mutter über das Land ***** gemäß §§ 110, 79 AußStrG eine Geldstrafe von 1.000 EUR verhängt“ werde. Insoweit sei der Revisionsrekurs zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob Zwangsmittel nach § 110 AußStrG auch gegenüber dem KJHT als Teilobsorgeberechtigten verhängt werden dürfen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
Das Gericht hat – auf Antrag oder von Amts wegen – zur Durchsetzung von Kontaktrechtsregelungen denjenigen, der den Vollzug der Regelung vereitelt, durch die Verhängung angemessener Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG zur Einhaltung der Regelung zu bewegen. Zweck der in § 79 Abs 2 AußStrG angeführten Maßnahmen ist es allerdings nicht, für die Vergangenheit zu bestrafen, sondern einem Kontaktrecht in Zukunft zum Durchbruch zu verhelfen (RIS-Justiz RS0007310&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0007310 [T10]), weshalb solche Zwangsmittel (als Beugestrafen) zur Durchsetzung eines (früheren) Kontaktrechts ausscheiden, wenn – wie im vorliegenden Fall – aufgrund geänderter Umstände zugleich eine neue Kontaktrechtsregelung rechtskräftig beschlossen wird, die die frühere Regelung nicht bloß erweitert, sondern die Modalitäten wesentlich ändert (vgl 9 Ob 98/03g; ebenso Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 110 Rz 7). Damit war aber der abweisliche Beschluss des Erstgerichts (insoweit) wiederherzustellen; auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es nicht an.
Textnummer
E120311European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00147.17M.1025.000Im RIS seit
14.01.2018Zuletzt aktualisiert am
20.01.2022