TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/4 LVwG-2017/33/2491-1

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Veröffentlicht am 04.01.2018
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Entscheidungsdatum

04.01.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze;

Norm

ZustG §13
ZustG §16

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Visinteiner über die Beschwerde des AA, vertreten durch Rechtsanwälte BB & CC, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 05.10.2017, Zahl ****, mit dem der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 20.03.2017 als verspätet zurückgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.10.2017 wurde der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Z vom 20.03.2017, Zl ****, als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die gegenständliche Strafverfügung vom 20.03.2017 nicht an die Firma DD GmbH mit Adresse Y, Adresse 2, sondern an die Firma EE GmbH & Co KG mit Sitz in Y, Adresse 3, zugestellt worden sei. Laut Rückschein sei die Strafverfügung vom 20.03.2017 von einem Empfangsbevollmächtigten namens „D“ übernommen worden, der jedoch keinerlei Tätigkeit in der Firma DD GmbH ausübe. DD sei lediglich Prokurist der Firma EE GmbH & Co KG. Die Übernahme der gegenständlichen Strafverfügung sei somit nicht durch einen zuständigen oder sonst in irgendeiner Form gesetzlich ermächtigten Empfangsbevollmächtigten erfolgt, sodass keine rechtmäßige Zustellung nach den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen vorliege. Die Strafverfügung sei nicht an den Beschuldigten übergeben worden. Es wird daher beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge der Beschwerde Folge geben, den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 05.10.2017 ersatzlos beheben und die Rechtssache zur Durchführung des ordentlichen Verfahrens an die Behörde erster Instanz zurückverweisen.

Mit Schreiben vom 24.08.2017 ersuchte die belangte Behörde das Einwohnermeldeamt Y im Zuge der Amtshilfe den derzeitigen Aufenthalt des Beschwerdeführers auszuforschen und darüber berichtzuerstatten.

Daraufhin teilte das Einwohnermeldeamt Y mit Schreiben vom 04.09.2017 mit, dass AA seit 01.12.2015 an der Adresse 4, Y gemeldet sei.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zl ****, sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zu Zl LVwG- 2017/33/2491.

II.      Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Mit Strafverfügung vom 20.03.2017, Zl ****, hat die Bezirkshauptmannschaft Z AA, geboren am xx.xx.xxxx, mehrere Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt und über ihn vier Geldstrafe von insgesamt Euro 1.400,00 verhängt.

Als Zustelladresse ist in dieser Strafverfügung die Adresse „Adresse 2, Y, Deutschland“ angeführt. Es handelt sich hierbei um die Adresse der DD-GmbH, bei welcher der Beschwerdeführer beschäftigt ist.

Die gegenständliche Strafverfügung wurde am 27.03.2017 an eine an der Abgabestelle anwesende Person („Empfangsbevollmächtigen“) mit dem Nachnamen „D“ ausgehändigt. Es kann nicht festgestellt werden, ob es sich bei der Person, an die die Strafverfügung ausgehändigt wurde, um FD, Geschäftsführerin der DD-GmbH, oder wie vom Beschwerdeführer behauptet, um DD handelt.

Die näheren Umstände hinsichtlich der Aushändigung des Schriftstückes (Strafverfügung) ergeben sich aus dem Rückschein.

Die Negativfeststellung betreffend die Person, der die Strafverfügung am 27.03.2017 ausgehändigt wurde, musste getroffen werden, da auf dem Rückschein lediglich der Name „D“ vermerkt ist und auch der Unterschrift der Vorname des „Empfangsbevollmächtigten“ nicht entnommen werden kann.

III.    Rechtslage:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Zustellgesetzes – ZustG, BGBl Nr 200/1982 idF BGBl I Nr 40/2017, lauten wie folgt:

§ 13

(1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.

(2) Bei Zustellungen durch Organe eines Zustelldienstes oder der Gemeinde darf auch an eine gegenüber dem Zustelldienst oder der Gemeinde zur Empfangnahme solcher Dokumente bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf dem Dokument ausgeschlossen ist.

(3) Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist das Dokument einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen.

[…]

§ 16

(1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist.

[…]

IV.      Erwägungen:

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass gemäß § 49 Abs 1 VStG der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen kann. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Gemäß § 11 Zustellgesetz sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Gemäß Art 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist im Art 10 des genannten Vertrages geregelt.

Nach Art 10 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990, werden Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig” und „Rückschein” zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit. Auch wenn seit der Novelle BGBl I 2013/33 Strafverfügungen nicht mehr zu eigenen Handen zuzustellen sind, wird jedenfalls ein Zustellnachweis iSd Art 10 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, benötigt.

Im vorliegenden Fall wurde die gegenständliche Strafverfügung in Deutschland zur Post gegeben und durch die deutsche Post zugestellt.

Im Beschwerdefall wurde entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Zustellnachweis über die erfolgte Zustellung betreffend die Strafverfügung der belangten Behörde vom 20.03.2017 benötigt (vgl VwGH 19.11.2009, 2009/07/0137, 22.12.2008, 2004/03/0160 ua). Es hätte daher nach der zuvor zitierten Bestimmung des Art 10 Abs 1 des Rechtshilfevertrages vorgegangen und das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" versendet werden müssen (vgl VwGH 23.04.2008, 2006/03/0152, 19.11.2009, 2009/07/0137 mwN).

Im gegenständlichen Fall wurde die Strafverfügung von einer Person mit dem Namen „D“ als Empfangsbevollmächtigten übernommen. Da nicht festgestellt werden kann, wer die Strafverfügung übernommen hat und ob diese Person eine entsprechende Postvollmacht zur Übernahme einer an den Beschwerdeführer gerichteten "eigenhändigen" Postsendung hatte, ist deshalb aufgrund der fraglichen Berechtigung von einem Zustellmangel auszugehen.

Dieser Zustellmangel ist jedoch heilbar. Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass für die Frage der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung grundsätzlich § 7 ZustellG maßgeblich ist (vgl VwGH 15.1.1986, 85/01/0244; VwGH 23.06.2003, 2002/17/0182 ua), es sei denn, aus einem internationalen Abkommen ergebe sich ausdrücklich oder von seiner Zwecksetzung her Gegenteiliges (vgl VwGH 18.12.1997, 97/11/0274). Ausschlaggebend für die Heilung ist die tatsächliche Empfangnahme des Dokumentes durch den in der Zustellverfügung angegebenen Adressaten. Dabei reicht für die Heilung des Zustellmangels nicht aus, dass der Adressat bloße Kenntnis des Inhalts des Schriftstückes erlangt (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 242).

Der Beschwerdeführer bringt vor, erst vor kurzem von der gegenständlichen Strafverfügung erfahren zu haben. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer erst mit der Mahnung vom 12.09.2017, welche an die Adresse 4, Y zugestellt wurde, Kenntnis von der gegen ihn erlassenen Strafverfügung erlangt hat.

Mangels Zustellung der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Z vom 20.03.2017 an den Beschwerdeführer konnte gegen diese auch kein (verspäteter) Einspruch erhoben werden, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Visinteiner

(Richter)

Schlagworte

Zustellmangel;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.33.2491.1

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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