TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/22 I413 2009854-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.12.2017

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

I413 2009854-1/30E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über den Antrag von XXXX, StA Ägypten, vertreten durch Dr. Martin DELLASEGA, Dr. Max KAPFERER, Rechtsanwälte, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2017, Zl. I413 2009854-1/25E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2017, Zl. I413 2009854-1/25E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens wird gemäß § 32 Abs 1 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die wiederaufnahmewerbende Partei (in weiterer Folge kurz als "wP" bezeichnet), ein Staatsangehöriger Ägyptens, stellte am 23.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag stützte er zusammenfassend einerseits darauf, dass er in seiner Heimat keine Arbeit mehr gefunden habe und es ihm finanziell nicht so gut gegangen sei sowie dass er in dieser schlechten wirtschaftlichen Situation sein Leben nicht weiterführen wolle und andererseits darauf, dass er vom Vater eines von ihm angefahrenen und verletzten Mannes verfolgt werde.

2. Mit dem bekämpften Bescheid vom 26.06.2014, Zl. XXXX, wies das BFA den Antrag der wP auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte es dem wP keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist. Als Frist für seine freiwillige Ausreise legte es einen Zeitraum von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt III.). Seine Entscheidung begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass es das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf seinen Unfall resultierende private Verfolgung als nicht glaubhaft erachte.

3. Gegen den Bescheid richtet sich die gegenständliche, fristgerecht erhobene Beschwerde vom 01.07.2014. Begründend führte der wP im Wesentlichen aus, dass sich das BFA mit der aus der Unfallsituation resultierenden Verfolgung nicht auseinander gesetzt habe und spreche es seinem Vorbringen pauschal die Glaubhaftigkeit abspreche, obwohl es sich lediglich mit einzelnen Punkten seines Vorbringens auseinandergesetzt habe.

4. Am 13.01.2017 erfolgte in Anwesenheit des wP eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, welche mangels Erscheinens des ordnungsgemäß geladenen Rechtsvertreters nicht durchgeführt werden konnte und vertragt werden musste.

5. Mit Eingabe vom 18.01.2017 gaben die Rechtsanwälte Dres. Dellasega und Kapferer ihre rechtsfreundliche Vertretung des wP infolge der Erteilung der Vollmacht bekannt.

6. Am 30.01.2017 erfolgte in Anwesenheit des wP und seines Rechtsanwalts vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung. Im Rahmen dieser Verhandlung brachte er hierbei erstmalig in Ergänzung zu seinen Fluchtgründen zusammenfassend vor, dass er im Jahr 2015 den Einberufungsbefehl zur Absolvierung seines Militärdienstes erhalten habe. Bei seiner Rückkehr befürchte er nunmehr zudem festgenommen und zur Absolvierung des Militärdienstes nach Sinai geschickt zu werden. Dort befürchte er von Terroristen getötet zu werden. Er wolle jedoch in Frieden leben, keine Waffen tragen und seinen Militärdienst nicht ableisten.

7. Mit Urkundenvorlage und Mitteilung vom 07.02.2017 reichte der wP auftragsgemäß die Übersetzungen der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten originalen Dokumente (Kopie der Geburtsurkunde, Urkunde über den Abschluss der Grundschule) vor und teilte mit, dass er XXXX mit der Beschaffung der Einberufungsbefehle in Ägypten beauftragt habe und dass diese versuchen werden, diese in ihrem Ägypten-Urlaub zu erhalten. Diese Einberufungsbefehle wurden nicht vorgelegt.

8. Mit Mitteilung vom 19.04.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht bekannt gegeben, dass das Ehepaar XXXX mit der Beschaffung der Einberufungsbefehle nicht erfolgreich waren. Der wP müsse selbst nach Ägypten kommen, um Einberufungsbefehle erneut zu erhalten.

9. Mit Erkenntnis vom 28.04.2017, Zl. I413 2009854-1/25E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der erste Satz des ersten Spruchteils des Spruchpunkts III. wie folgt lautet: "Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird Bassiuiony BASSIUIONY nicht erteilt." Zudem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig ist. Dieses Erkenntnis begründete das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass der Beschwerdeführer lediglich wirtschaftliche Gründe und Privatverfolgung vorgebracht hatte und damit keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) glaubhaft machen konnte. Hinsichtlich des Vorbringens, dass er aus Furcht vor Ableistung seines Militärdienstes nicht in seinen Herkunftsstaat zurückkehren möchte und er daraus eine Verfolgung von Seiten der ägyptischen Behörden zu befürchten habe, führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass selbst bei Wahrunterstellung kein asylrelevanter Grund vorliege, zumal keine Gründe vorlägen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die Einberufung oder die unterschiedliche Behandlung während des Wehrdienstes aus einem in der GFK genannten Gründen erfolgt sei oder dass dem wP aus solchen Gründen eine strengere Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder der Desertion drohe als anderen Staatsangehörigen.

10. Der in weiterer Folge beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Verfahrenshilfeantrag des wP wurde abgewiesen, sodass das Erkenntnis vom 28.04.2017, Zl. I413 2009854-1/25E, unbekämpft blieb und in Rechtskraft erwuchs.

11. Mit Antrag vom 13.11.2017, eingelangt am 15.11.2017, beantragte der wP die Wiederaufnahme des Verfahrens. Begründend führte er aus, dass das abweisliche Erkenntnis vom 28.04.2017, Zl. I413 2009854-1/25E, damit begründet worden sei, dass eine Einberufung nicht glaubhaft gemacht werden konnte, da keine schriftliche Bestätigung des Einberufungsbefehls vorgelegt werden konnte. Bereits während des Verfahrens habe er sich bemüht, eine Bestätigung zu erhalten. Am 02.11.2017 habe der Arbeitgeber des wP, XXXX, seinen Vertretern mitgeteilt, dass in Ägypten der hiermit beauftragte Rechtsanwalt keine Bestätigung erhalten habe und er selbst keine Möglichkeit mehr sehe, eine schriftliche Einberufung oder zumindest eine Bestätigung über die Einberufung zu erhalten. Der Bruder des wP sei selbst bei der Militärbehörde gewesen und habe ebenfalls keine Bestätigung erhalten. Hierzu legte der wP zwei E-Mails/Briefe dem Antrag bei. Dass es keine schriftliche Bestätigung über die Einberufung oder einen Einberufungsbefehl gebe, habe ohne Verschulden im Verfahren nicht vorgebracht werden können, da im Verfahren noch davon ausgegangen worden sei, eine schriftliche Bestätigung in Vorlage zu bringen. Erst am 02.11.2017 stehe fest, dass es weder einem Anwalt noch anderen Personen möglich sei, einen schriftlichen Einberufungsbefehl oder eine Bestätigung zu erhalten. Aus dem neuen Beweismittel gehe hervor, dass es faktisch und rechtlich nicht möglich sei, einen schriftlichen Einberufungsbefehl bzw eine Bestätigung über den Einberufungsbefehl zu erhalten. Die Beweismittel hätten für sich allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt, da die Einberufung des Antragstellers als glaubwürdig gewertet hätte werden müssen, was in der Folge zur Zuerkennung von Asyl geführt hätte. Der Wiederaufnahmeantrag sei rechtzeitig, da sowohl der Arbeitgeber XXXXals auch der wP selbst und der Vertreter am 02.11.2017 Kenntnis vom neuen Beweismittel und der absoluten Unmöglichkeit einen Einberufungsbefehl oder eine Bestätigung über die Einberufung in Vorlage zu bringen, erlangt hätten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I (mit Ausnahme der vorgebrachten inhaltlichen Wiederaufnahmegründe) getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und den vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, einschließlich des rechtskräftigen Erkenntnisses vom 28.04.2017 und in den Antrag vom 13.11.2017 samt den beigeschlossenen E-Mails vom 02.11.2017.

Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht ist in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Mit Fuchs (in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 32 VwGVG, Anm 13) ist der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge – als selbstständige Entscheidungen – in Beschlussform zu erfolgen haben (ebenso Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 32 VwGVG K 29).

Zu A) Abweisung des Antrages

3.2. Rechtslage

Gemäß § 32 Abs 1 Z 2 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 32 Abs 2 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 Blg NR, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.

3.3. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Rechtsfall

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.04.2017 rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren wiederaufzunehmen.

Vorab sei festgehalten, dass die dem Antrag zugrunde liegende Prämisse, das gegenständliche Erkenntnis sei damit begründet worden, dass eine Einberufung nicht glaubhaft gemacht werden konnte, da keine schriftliche Bestätigung des Einberufungsbefehls nicht vorgelegt werden konnte, nicht den Tatsachen entspricht. Das Bundesverwaltungsgericht hat im rechtskräftigen Erkenntnis vom 28.04.2017 die Abweisung des Asylantrages ua darauf gestützt, dass das Vorliegen eines Einberufungsbefehls bzw die Pflicht im Herkunftsstaat nach Rückkehr in diesen Wehrdienst leisten zu müssen für sich allein keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd GFK glaubhaft machen kann und der wP keine Gründe glaubhaft machte, die auf eine asylrelevante wohlbegründete Gefahr der Verfolgung aus Gründen der Wehrdienstpflicht schließen ließen.

Betreffend die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Verfahrenshilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Zl Ra 2017/20/0193, im gegenständlichen Verfahren nicht gewährt worden ist, die Revisionsfrist ungenützt verstrichen und daher eine weitere Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes nicht mehr zulässig ist. Damit sind die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs 1 VwGVG gegeben.

An der Rechtzeitigkeit des Antrages auf Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs 2 VwGVG bestehen ausgehend von der Behauptung, dass erst am 02.11.2017 offenkundig wurde, dass eine schriftliche Bestätigung betreffend den behaupteten Einberufungsbefehl oder dieser selbst nicht zu erlangen sei, keine Zweifel. Der am 14.11.2017, 17:13 Uhr per E-Mail dem Bundesverwaltungsgericht übermittelte Antrag erreichte das Bundesverwaltungsgericht außerhalb der kundgemachten Amtsstunden (sie enden gemäß § 20 Abs 1 Geschäftsordnung an jedem Arbeitstag, mit Ausnahme des Karfreitags, des 24. Und des 31. Dezember um 15:00 Uhr). Der Antrag gilt daher selbst dann, wenn er bereits in den elektronischen Verfügungsbereich des Bundesverwaltungsgerichts gelangt wäre, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden um 08:00 Uhr an jedem Arbeitstag - § 20 Abs 1 Geschäftsordnung) als eingebracht (und eingelangt) (vgl bspw VwGH 23.05.2012, 2012/08/0102, VwGH 22.04.2009, 2008/04/0089, 16.11.2017, Ra 2017/07/0076; 23.10.2017, Ra 2017/01/0295; sowie Hengstschläger/Leeb, AVG I2, 2014, Rz 36/1). Die Frist endete – gerechnet vom 02.11.2017 – am 16.11.2017. Da der Antrag am 15.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt ist, war er iSd § 32 Abs 2 VwGVG rechtzeitig.

Der Antrag auf Wiederaufnahme erweist sich aber als nicht berechtigt, da die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens – die Wiederaufnahmegründe sind taxativ in § 32 Abs 1 VwGVG aufgezählt – nicht vorliegen. Im gegenständlichen Fall stützt sich der Wiederaufnahmeantrag auf § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG. Voraussetzung für neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel iSd § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG ist das Vorliegen eines von der antragstellenden Partei nicht verschuldeten Tatsachenirrtums des Bundesverwaltungsgerichts. Abgestellt wird auf sogenannte "nova reperta", die bereits vor Abschluss des Verfahrens vorhanden waren, aber erst später bekannt wurden (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 882 mwN) Bei neu hervorgekommenen Tatsachen handelt es sich um Geschehnisse im Seinsbereich, bei neu hervorgekommenen Beweismitteln handelt es sich zB um Urkunden, Gutachten udgl. Mit dem VwGH können auch "neu entstandene Beweismittel" zur Wiederaufnahme des Verfahrens führen, sofern sie sich auf "alte", also nicht ebenfalls neu entstandene Tatsachen beziehen (VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159).

Neu entstandene Tatsachen ("nova causa superveniens"), also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl dazu VwGH 17.02.2006, 2006/18/0031; 07.04.2000, 96/19/2240, 20.06.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25. 11. 1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.02.1992, 90/12/0224 ua). Im gegenständlichen Fall war die Behauptung des Beschwerdeführers bereits im Verfahren bekannt, dass er einen Einberufungsbefehl in Ägypten in seiner Abwesenheit bekommen haben soll. Es waren auch die erfolglosen Bemühungen um den Erhalt dieses Einberufungsbefehls bzw einer Bestätigung über dessen Existenz zum Zeitpunkt des Verfahrens bekannt. Dass diese Bemühungen erfolglos waren, war ebenfalls bereits zum Zeitpunkt des Verfahrens bekannt (Mitteilung vom 19.04.2017, dass das Ehepaar XXXX mit der Beschaffung der Einberufungsbefehle nicht erfolgreich waren und dass der Beschwerdeführer selbst nach Ägypten kommen müsse, um Einberufungsbefehle erneut zu erhalten; vgl Pkt. I.9. des Erkenntnisses vom 28.04.2017). Es liegen daher keine neu entstandenen Tatsachen vor.

Mit den vorgelegten E-Mails vom 02.11.2017 wird die Mitteilung vom 19.04.2017, wonach das Ehepaar XXXX mit der Beschaffung der Einberufungsbefehle nicht erfolgreich waren und dass der Beschwerdeführer selbst nach Ägypten kommen müsse, um Einberufungsbefehle erneut zu erhalten, nochmals bestätigt. Die E-Mail vom 02.11.2017, 12:59 Uhr zeigt lediglich auf, dass die Bemühungen von XXXX einen "Einberufungsbefehl" für den wP zu erhalten, weiterhin (also auch nach dem 19.04.2017) gescheitert sind. Die E-Mail vom 03.11.2017, 11:31 Uhr, enthält eine Übersetzung einer Bestätigung des Bruders des wP, dass sich dieser nach Rückkehr in Ägypten umgehend beim Militär melden müsse. Damit werden "nova producta" aufgezeigt, wenn auch hiermit lediglich die Tatsache bewiesen wird, dass XXXX und der Bruder des wP sich um eine Bestätigung eines Einberufungsbefehls oder um diesen selbst bemühten.

Der bloße Umstand, dass neue Tatsachen oder Beweismittel ("nova producta") hervorgekommen sind, reicht für die Wiederaufnahme des Verfahrens allerdings nicht aus. Voraussetzung einer Wiederaufnahme ist neben dem Vorliegen von "nova producta", dass sie entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, eine im Hauptinhalt des Spruchs anders lautende Entscheidung herbeizuführen (VwGH 19.01.2017, Ra 2016/18/0197; 19.04.2007, 2004/09/0159). Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197; 19.04.2007, 2004/09/0159).

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl VwGH 14.01.2010, 2005/09/0084; 19.04.2007, 2004/09/0159).

Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Die nun vorgelegten E-Mails vom 02.11.2017 bzw 03.11.2017 sowie der angebotene Zeugenbeweis vermögen lediglich das erfolglose Bemühen um den Erhalt eines Einberufungsbefehl oder eine Bestätigung hierüber durch XXXX und den Bruder des wP zu beweisen. Dass der wP keinen Einberufungsbefehl selbst erhalten kann und ob er überhaupt je solche Anstrengungen unternommen hat, ist damit nicht unter Beweis gestellt. Aufgrund dieser E-Mails kann sich das Bundesverwaltungsgericht kein Bild über die Intensität der Bemühungen, noch davon machen, ob tatsächlich der wP keinen Einberufungsbefehl selbst erhalten kann. Damit stellten diese E-Mails keine tauglichen Grundlagen dafür dar, die rechtliche Würdigung, die nach Rückkehr des wP nach Ägypten diesem drohende Pflicht zur Erfüllung der Wehrdienstverpflichtung (Ableistung des Wehrdienstes) in Ägypten stelle keine asylrelevante Verfolgung gemäß der GFK dar, in Zweifel zu ziehen. Wären die nun vorgelegten Beweismittel daher bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht vorgelegen, hätten diese keine andere rechtliche Würdigung erfahren.

Aus diesen Gründen besteht hinsichtlich der vorgelegten "nova producta" keine Eignung, eine andere, allenfalls günstigere Entscheidung zugunsten des wP herbeizuführen. Es lagen daher im Sinne der oben zitierten Judikatur keine Gründe vor, dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattzugeben.

Im Sinne der oben zitierten Judikatur sei darauf verwiesen, dass es dem wP frei steht, gegebenenfalls einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, sollte er einen Einberufungsbefehl erhalten haben und vorlegen können. Diese Änderung des Sachverhalts würde eine Wiederaufnahme des Verfahrens erübrigen und könnte allenfalls im Wege eines neuen Antrages (auf internationalen Schutz) geltend gemacht werden. Zum Ausgang eines solchen Verfahrens können keine Ausführungen getroffen werden, um nicht einem allfälligen zukünftigen Asylverfahren vorzugreifen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Der gegenständliche Beschluss stützt sich auf die ständige oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und weicht nicht von dieser ab. Im Übrigen liegen lediglich auf den Einzelfall bezogene Rechtsfragen vor, die für sich nicht reversibel sind.

Schlagworte

Bescheinigungsmittel, Einberufungsbefehl, mangelnder
Anknüpfungspunkt, nova producta, Rechtsanschauung des VwGH,
Wiederaufnahme, Wiederaufnahmsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I413.2009854.1.01

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten