Entscheidungsdatum
29.12.2017Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W217 2180579-1/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 09.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich seiner am selben Tag erfolgten Erstbefragung führte er zu seinen Fluchtgründen aus, in Afghanistan gebe es an jeder Ecke Anschläge. Er habe selbst gesehen, wie ein Freund am Fuß verletzt wurde und habe der Beschwerdeführer deshalb Angst gehabt, weiter in Afghanistan zu bleiben. Es habe mehrere Anschläge am Tag gegeben. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, Opfer eines Anschlages zu werden.
2. Bei der am 04.08.2017 abgehaltenen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) führte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund aus, er habe in Kabul, im Bezirk XXXX gelebt. In Afghanistan gebe es keine Sicherheit. Es gebe ständig Krieg und Kriegszustände. Täglich würden 300 bis 400 Personen sterben. Ständig sei er mit dem Tod und Blut konfrontiert gewesen. Er habe immer Angst gehabt zu sterben. Persönlich sei er nie betroffen gewesen, es hätte aber jederzeit etwas passieren können. Er habe nie gewusst, ob er am nächsten Tag noch leben würde. Diese Ungewissheit habe ihm das Leben schwer gemacht, deshalb habe er sich entschlossen zu fliehen.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 09.11.2015 gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
Begründet wurde die unter Spruchpunkt V. ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgründe glaubhaft vorbringen habe können. Für die belangte Behörde stehe fest, dass für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei, er bedürfe daher nicht des Schutzes Österreichs.
4. Gegen diesen Bescheid vom 20.11.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der unter anderem die Rechtswidrigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt V. geltend gemacht wird. Beantragt wird in diesem Zusammenhang, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend wird diesbezüglich insbesondere ausgeführt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG nur dann zulässig sei, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer sei strafgerichtlich unbescholten und gefährde sein Aufenthalt in Österreich weder die öffentliche Ruhe oder Ordnung noch die nationale Sicherheit oder das wirtschaftliche Wohl. Er sei seit knapp zwei Jahren mit einer österreichischen Staatsbürgerin liiert, mit der er ein gemeinsames Kind namens XXXX habe. Er sei darüber hinaus schon sehr gut in die österreichische Gesellschaft integriert und spreche gut Deutsch. Die belangte Behörde habe nicht dargelegt, woraus sie den Schluss ziehe, dass für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei. Die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage sei derart prekär, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auch eine Verletzung seiner von Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte drohe. Hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung sei zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer in Anbetracht seines Familienlebens in Österreich keineswegs zumutbar sei, in seinem Herkunftsstaat den Ausgang seines Beschwerdeverfahrens abzuwarten.
Unter einem legte der Beschwerdeführer eine Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft hinsichtlich des am 19.10.2017 geborenen
XXXX vor. Darin anerkannte der Beschwerdeführer die Vaterschaft zu
XXXX .
5. Die Beschwerde langte am 22.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
§ 18 BFA-VG lautet auszugsweise:
"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
[ ]
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.
Das Bundesamt stützt sich in seiner gegenständlichen Entscheidung in Spruchpunkt V. auf § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG.
Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht getroffen werden. Der BF macht jedoch ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen (Art. 2 und 3 sowie 8 EMRK) geltend, indem er auf den Umstand hingewiesen hat, mit einer österreichischen Staatsbürgerin liiert zu sein und Vater des am 19.10.2017 geborenen XXXX zu sein. Sohin behauptet der Beschwerdeführer einerseits, die Ausweisung stelle einen (unzulässigen) Eingriff in sein Familienleben dar, auch sei die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage derart prekär, dass ihm im Falle einer Rückkehr auch eine Verletzung seiner von Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte drohe.
Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens muss – entgegen der Ansicht des Bundesamtes - prima facie davon ausgegangen werden, dass für den BF ein Gefährdungsrisiko besteht und es sich somit um "vertretbare Behauptungen" handelt.
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Partei als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
Das Bundesverwaltungsgericht betont ausdrücklich, dass in der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keinerlei Vorentscheidung der Beschwerde in der Sache liegt, zumal der Vollzug der angefochtenen Entscheidung die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens - insbesondere die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung - im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wesentlich erschwert hätte.
Daher war der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.
Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wird gesondert entschieden werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W217.2180579.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.01.2018