Entscheidungsdatum
29.12.2017Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I405 2179896-1/5Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Philipp TSCHERNITZ, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.11.2017, Zl. 16-1124778304-161071836, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. stattgegeben und
dieser ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, ihren eigenen Angaben zufolge eine Staatsangehörige aus Nigeria, stellte am 01.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen, und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei. Mit Spruchpunkt IV. wurde festgelegt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde unter Spruchpunkt V. gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig bei der Behörde eingebrachte Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 i.d.F. BGBl. I 22/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Das Bundesamt stützt die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf §18 Abs 1 Z 5 BFA-VG. Diese Bestimmung folgt konzeptionell dem § 38 Abs 1 AsylG 2005, welche voraussetzt, dass "das Vorbringen des Asylwerbers zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht". Die "schlichte" Unglaubwürdigkeit des Vorbringens kann daher die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach dieser Bestimmung nicht tragen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum gleichlautenden § 6 Z 3 Asylgesetz 1997 in der Fassung vor der Asylgesetznovelle 2003 war die (bloß) "schlichte" Unglaubwürdigkeit kein entscheidungswesentliches Begründungselement (VwGH 7. 9. 2000, Zl. 99/01/0273; 22. 5. 2001, Zl. 2000/01/0294; 7. 6. 2001, Zl. 99/20/0429; 19. 7. 2001, Zl. 99/20/0385; 21. 8. 2001, Zl. 2000/01/0214; 31. 5. 2001, Zl. 2000/20/0496; 31. 1. 2002, Zl. 2001/20/0381; 11. 6. 2002, Zl. 2001/01/0266). Kam die Asylbehörde auf dem Boden ihrer Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen eines/einer Asylwerbers/Asylwerberin als unglaubwürdig zu werten war, so war damit noch nichts darüber ausgesagt, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreichte, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 Asylgesetz 1997 erfüllt war. Dies konnte nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorlagen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der Angaben vor Augen führten. Es musste unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig war. Dieses Urteil musste sich quasi "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte mussten klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" substantiell unbestritten blieben. Im Ergebnis setzte die erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedurfte, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines/einer Asylwerbers/Asylwerberin nicht den Tatsachen entsprach (VwGH 21. 8. 2001, Zl. 2000/01/0214). Bei der Anwendung des § 6 Asylgesetz 1997 konnte es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19. 12. 2001, Zl. 2001/20/0442).
Diese Rechtsprechung ist auch auf 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG anwendbar. Der belangten Behörde ist zwar beizupflichten, dass keine Berichte vorliegen, wonach Entführungsopfer von Boko Haram als Sympathisanten bezichtigt werden und dass die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Flucht bzw. ihrem Fluchtweg nach Österreich nicht nachvollziehbar sind, jedoch ist die geforderte "Offenkundigkeit" und "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" ohne weitwendige Überlegungen oder lange Argumentationsketten im Sinne dieser Bestimmung nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht erfüllt; im vorliegenden Fall ist allenfalls von einer schlichten Unglaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin auszugehen und der Anwendung des § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG daher der Boden entzogen.
Es bestehen schließlich keine Anhaltspunkte, dass im gegenständlichen Fall einer der sonstigen Tatbestände des § 18 Abs. 1 BFA-VG heranzuziehen wäre.
Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides ist daher ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.
Ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG war zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkte V spruchreif war und die Trennung – auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen – auch zweckmäßig erscheint. Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wird gesondert entschieden werden.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzloseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:I405.2179896.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.01.2018