Entscheidungsdatum
29.12.2017Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
I405 1411804-4/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2016, Zl. 13-791031910-160096326, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid
behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 27.08.2009 einen Asylantrag.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.02.2010, Zl. 09 10.319-BAG, wurde der Asylantrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), sowie gleichzeitig gemäß § 10 Abs. 1 AsylG die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgesprochen (Spruchpunkt III.).
3. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 19.09.2012, A6 411804-1/2010, wurde der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.01.2013, Zl. 09 10.319-BAG, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten erneut gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
5. Der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.12.2014, Zl. W185 1411804-3/14E, hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 12.12.2015 erteilt.
6. Am 10.11.2015 stellte der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.
7. Mit Bescheid des BFA vom 26.11.2015, Zl. 791031910-1190347, wurde dem BF gemäß § 8 Absatz 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 12.12.2017 erteilt (Spruchpunkt I.).
8. Am 28.12.2015 stellte der BF gegenständlichen Antrag auf Ausstellungen eines Fremdenpasses. Dem Antrag beiliegend reichte der BF eine mit 22.12.2015 datierte Bestätigung der nigerianischen Botschaft ein, wonach der BF die Ausstellung eines Reisepasses beantragt habe, jedoch kein Reisepass ausgestellt werden könne.
9. In dem vom BFA am 20.01.2016 ergangen Parteiengehör stellte die belangte Behörde fest, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Der BF habe eine Bestätigung der nigerianischen Botschaft vorgelegt, welche nachweise, dass der BF am 22.12.2015 einen neuen Reisepass beantragt habe, jedoch habe der BF nicht ausreichende Dokumente vorgelegt, weshalb ihm bis dato kein nigerianischer Reisepass ausgestellt worden sei. Fernerhin weise der BF eine strafrechtliche Verurteilung nach § 27 SMG vor. Weiters stellte das BFA folgende Fragen: " - Zu welchem Zweck benötigen Sie den Fremdenpass, - Welche Kriterien des § 88 Abs. 1 FPG liegen bei Ihnen genau vor, - Im Falle der Ausstellung ist das Passgesetz anzuwenden. Sie werden aufgefordert, ihre Identität zweifelsfrei nachzuweisen, ansonsten stellt dies einen Versagungsgrund dar, - Sie können einen nigerianischen Reisepass bekommen, was auch die Botschaft bestätigt, welche Gründe sprechen gegen die Ausstellung bzw. was hindert Sie daran, der Botschaft die erforderlichen Dokumente vorzulegen; - Sie geben Ihr Geburtsdatum am Antrag mit XXXX an, im Verfahren haben Sie jedoch immer Ihr Geburtsdatum mit XXXX angegeben, können Sie dafür einen Grund oder einen Nachweis erbringen?"
Das BFA trug ihm unter Setzung einer zweiwöchigen Frist die Möglichkeit zur Stellungnahme auf und wies darauf hin, das Verfahren werde ohne nochmalige Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt, falls er die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht wahrnehme.
10. Mit Stellungnahme vom 04.02.2016 beantwortete der BF vertreten durch den MirgantInnnen Verein St. Marx, die an ihn gestellten Fragen. Die Ausstellung des Fremdenpasses wünsche sich der BF insbesondere zu dem Zwecke, seine Mutter zu besuchen, die dazu in eines der Nachbarländer reisen würde. Er beantrage die Ausstellung des Fremdenpasses im Hinblick auf § 88 Abs. 2a FPG, nicht § 88 FPG, da er den subsidiären Status habe. Der BF sei nicht in der Lage, Dokumente vorzulegen, jedoch sei seine Identität bereits vom Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis W185 1411804-3 festgestellt worden. Der BF habe die erforderlichen Dokumente nicht, um einen nigerianischen Reisepass erhalten zu können und könne er auch nicht mehr nach Nigeria reisen, sohin sei die Ausstellung eines nigerianischen Reisepasses daher unmöglich. Bezüglich des Geburtsdatums sei dem BF ein Schreibfehler unterlaufen – XXXX sei richtig.
11. Am 04.02.2016 erfolgte eine weitere Stellungnahme des BF, in welcher der BF vorbrachte, dass er bereits einen Reisepass bei der nigerianischen Botschaft beantragt habe, jedoch verweigere diese ihm die Ausstellung eines Passes, da er keine Geburtsurkunde oder ein Bestätigungsschreiben der örtlichen Behörden vorlegen könne. In Nigeria lebe lediglich ein Bruder des BF, zu welchen er keinen Kontakt pflege. Um die geforderten Dokumente zu erlangen, müsste der BF nach Nigeria reisen, welches ihm nicht möglich sei. Er benötige den Fremdenpass, um seine Freundin in Deutschland zu besuchen. Bezüglich der strafrechtlichen Verurteilung legte der BF die endgültige Strafnachsicht des LG XXXX bei.
12. Mit Bescheid des BFA vom 08.03.2016, Zl. 13-791031910-160096326, wurde der Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Absatz 2a FPG abgewiesen.
Ohne Feststellungen zu treffen, referierte das BFA beweiswürdigend, dass den Angaben und dem persönlichen Erscheinungsbild des BF hätte nicht entnommen werden können, dass er nicht in der Lage sei, zu seiner Botschaft nach Wien zu fahren, um sich einen Reisepass des Heimatlandes zu besorgen. Dies gehe auch aus dem von ihm vorgelegten Schreiben hervor, welches belege, dass er bei der nigerianischen Botschaft in Wien gewesen sei.
Den Angaben, wonach er um die Ausstellung eines Fremdenpasses angesucht habe, um seine Freundin in Deutschland und seine Mutter zu besuchen, könne kein Glauben geschenkt werden. Seine Behauptungen, dass er keinen Reisepass von seiner Botschaft in Wien ausgestellt bekommen könne, hätten nicht nachvollzogen werden können. In seinem Asylverfahren sei seine Staatsangehörigkeit sowie seine Identität rechtskräftig festgestellt worden. Seit dem Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung sei keine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten. Aufgrund der festgestellten Staatsangehörigkeit und Identität sei es möglich, bei der nigerianischen Botschaft in Wien ein Reisedokument zu bekommen. Fernerhin habe er einen Bruder und eine Mutter in Nigeria, welche ihm eine Geburtsurkunde besorgen können. Weiters sei es ihm möglich, mit den nigerianischen Behörden Kontakt aufzunehmen. In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde unter anderem aus, dass es amtsbekannt sei, das immer wieder nigerianische Staatsbürger bei der nigerianischen Botschaft Dokumente besorgen und auch erhalten.
13. Mit dem am 05.04.2016 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob die bevollmächtigte Vertretung des BF fristgerecht Beschwerde und machte darin die inhaltlich falsche Entscheidung und die mangelhafte Verfahrensführung geltend. Begründend wurde ausgeführt, es sei unbestritten, dass der BF subsidiär Schutzberechtigt sei und über keine Reisedokumente von Nigeria verfüge. Dem BF sei entsprechend der gesetzlichen Grundlagen ein Fremdenpass auszustellen. Zwingende Gründe, welche der nationalen Sicherheit oder der öffentliche Ordnung entgegenstünden sei von der belangten Behörde nicht behauptet worden. Strittig sei daher die Frage, ob der BF sich ein gültiges Reisedokument des Heimatstaates beschaffen könne oder nicht. Die Bemühungen des BF zur Erlangung eines Reisedokumentes seien von der belangten Behörde nicht in Frage gestellt worden, jedoch würden die Mutmaßungen des BFA, wonach der BF automatisch ein Reisedokument erhalten würde, das er in seinem rechtskräftigen Asylverfahren als Nigerianer erkannt worden sei, ins Leere gehen und seien nicht nachvollziehbar. Auch wenn andere Nigerianer ein Reisedokument erhalten hätten, würde dies nicht zwangsläufig heißen, dass dies auch für den BF möglich sei. Weiters gebe die persönliche Motivation zum Antrag auf einen Fremdenpass gesetzlich keinen Ausschlag zum Verfahrensergebnis. Die dem BF unterstellte Unglaubwürdigkeit in Bezug auf diese Motivation sei logisch nicht nachvollziehbar. Zusammenfassend hätte die belangte Behörde dem BF einen Fremdenpass ausstellen müssen. Letztlich wurden noch die Anträge gestellt: "Beantragt wird daher, nach mündlicher Verhandlung die bekämpfte Entscheidung zu beheben und festzustellen, dass ein Fremdenpass auszustellen ist."
14. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und sind am 08.04.2016 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen, Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser ergibt sich bedenkenlos aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
2.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
2.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu Spruchteil A):
2.2. Zur Zurückverweisung:
2.2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Vor dem Hintergrund der soeben zitierten Bestimmung hatte die gegenständliche Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur -soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft- anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme der genannten Einschränkungen die im Erk. des VwGH vom 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG). Der VwGH hat nun zusammengefasst in ständiger Rechtsprechung betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des für die Entscheidung jeweils maßgebenden Sachverhaltes durch das Bundesasylamt als Asylbehörde erster und nunmehr auch letzter administrativbehördlicher Instanz durchzuführen ist.
Eine Zurückweisung der Sache gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch in qualifizierter Weise unterlassen worden.
§ 88 Fremdenpolizeigesetz FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:
Ausstellung von Fremdenpässen
§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für
1.-Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;
2.-ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;
3.-ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – EU" (§ 45 NAG) gegeben sind;
4.-ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder
5.-ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.
(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Paßgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.
(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Paßgesetzes entsprechend.
Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP) geht zu Abs. 2 und Abs. 2a des § 88 FPG Folgendes hervor:
"Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, unter anderem in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat, vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie sieht diesbezüglich vor, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wird durch § 88 Abs. 2a umgesetzt, indem subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich."
Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die "zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Szymanski in Schrefler- König/Szymanski (Hrsg.), Fremdenpolizei und Asylrecht, Fremdenpolizei- und Asylrecht [2014] § 88 FPG Anm. 2).
Das in § 88 Abs. 2a normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechtes des Herkunftsstaates bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zugrunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokumentes wenden müssen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, K 8 zu § 88 FPG 2005).
2.2.3. Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:
Dem durchgeführten Ermittlungsverfahren mangelt es an entsprechenden Erhebungen bzw. Feststellungen, um zu dem Ergebnis gelangen zu können, der BF sei in der Lage, sich Reisedokumente vom Heimatstaat zu besorgen. So führt das BFA ohne zunächst im Bescheid Feststellungen getroffen zu haben, beweiswürdigend aus, dass es amtsbekannt sei, dass sich immer wieder nigerianische Staatsbürger bei der nigerianischen Botschaft Dokumente besorgen und auch erhalten. Die belangte Behörde wäre vielmehr angehalten gewesen, Erhebungen (etwa durch Anfrage an die Vertretungsbehörde) durchzuführen und nach Vorhalt dieser an den BF im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme, anhand der Ergebnisse, dahingehend Feststellungen zu treffen.
Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob der BF auch konkret in der Lage gewesen wäre, sich ein gültiges Reisedokument zu beschaffen. Zwar führt das BFA in seiner Begründung aus, dass aufgrund der festgestellten Staatsangehörigkeit und Identität im Asylverfahren es dem BF möglich wäre, ein Reisedokument zu erlangen, doch basiert dies auf einer aktenwidrigen Annahme des BFA. So wurde im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren nur die Staatsangehörigkeit des BF festgestellt und nicht wie vom BF behauptet und von der belangten Behörde übernommen auch die Identität des BF.
Es bleibt auch fernerhin unklar, auf welcher Grundlage die belangte Behörde davon ausgeht, dass sich der BF von seiner Mutter oder seinem Bruder eine Geburtsurkunde hätte zukommen lassen können oder er selbst mit den nigerianischen Behörden in Kontakt treten hätte können. Es wäre zu klären gewesen, ob es dem BF tatsächlich möglich gewesen wäre, die dafür notwendigen Dokumente etwa über seine Mutter oder seinen Bruder beizuschaffen. Die belangte Behörde hat es diesbezüglich gänzlich unterlassen, dahingehende Ermittlungen anzustrengen bzw. den BF dazu zu befragen, um diesen entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu klären.
Der Sachverhalt ist somit in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Wie dargestellt wurden zunächst im Bescheid keinerlei Feststellungen getroffen. Des Weiteren wurden die dargestellten Ermittlungen unterlassen, so etwa im Hinblick auf die Ausstellung von Reisedokumenten durch die nigerianische Botschaft in Wien oder der möglichen Erlangung einer Geburtsurkunde in Nigeria durch die Verwandten des BF.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungs-gericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem weil das BFA als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist, sowie aufgrund des Umstandes, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerde-verfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
2.3. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, liegen vor.
Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR/EuGH stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behördenpraxis, Einzelfallprüfung, Ermittlungspflicht, Fremdenpass,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:I405.1411804.4.00Zuletzt aktualisiert am
12.01.2018