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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des F K in O, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 2. August 2017, Zl. LVwG-M-9/001-2017, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde betreffend erkennungsdienstliche Behandlung, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 22.3.2017 forderte die belangte Behörde den Revisionswerber formlos auf, sich wegen des Verdachts einer von ihm am 28.10.2016 begangenen, näher bezeichneten gerichtlich strafbaren Handlung einer erkennungsdienstlichen Behandlung - am 27.3.2017 oder 31.3.2017 - zu unterziehen. Dieser Aufforderung kam der Revisionswerber nicht nach.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7.4.2017 wurde der Revisionswerber gemäß § 65 Abs. 1 und 4 SPG zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung - am 25.4.2017 - verpflichtet. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (das mit "Beschluss" vom 24.5.2017 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannte sowie gleichzeitig den angefochtenen Bescheid behob und das Verfahren an die belangte Behörde zurückverwies).
3 Mit Fax vom 25.4.2017 teilte der Revisionswerber der belangten Behörde mit, dass er krankheitsbedingt nicht zur angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung erscheinen könne und um Terminverschiebung ersuche. Er werde sich nach seiner Gesundung zwecks neuer Terminvereinbarung melden.
4 Am 10.5.2017 wurde der Revisionswerber vom Landesgericht Krems rechtskräftig wegen §§ 15, 201 Abs. 1 StGB und § 107 Abs. 1 und 2 StGB verurteilt.
5 In seiner Maßnahmenbeschwerde vom 22.6.2017 brachte der Revisionswerber vor, er sei am 11.5.2017 von Inspektor H. von der PI O telefonisch aufgefordert worden, "umgehend" zur erkennungsdienstlichen Behandlung zu erscheinen, widrigenfalls Inspektor H. "nun zu ihm kommen und ihn zwangsvorführen werde."
Dagegen richte sich die Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG.
6 Aus den vom Verwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Revisionswerber am 18.5.2017 auf der PI O erschienen ist und sich der angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen hat.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die erwähnte Maßnahmenbeschwerde im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass an der PI O ein Beamter namens "H." keinen Dienst verrichte, weshalb sich die Beschwerde gegen ein angeblich rechtswidriges Handeln eines "nicht existenten Organwalters" richte. Ein tauglicher Anfechtungsgegenstand liege sohin nicht vor.
8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 In den Zulässigkeitsgründen wird im Wesentlichen vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von - näher bezeichneter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Inhalts- und Formerfordernissen einer Maßnahmenbeschwerde gemäß § 9 Abs. 1 und 4 VwGVG abgewichen. Gegebenenfalls wäre dem Revisionswerber ein Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu erteilen gewesen.
13 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, weil das Schicksal der Revision nicht von der Lösung dieser Frage abhängt.
14 Nach der - zu Bescheidbeschwerden nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 - ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt einer Beschwerde, die nach (freiwilliger) Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung erhoben wird, die Berechtigung zu ihrer Erhebung. Dies im Wesentlichen deshalb, weil dann die Verhängung der - nur für den Fall der unentschuldigten Nichtbefolgung - angedrohten Sanktion nicht mehr in Betracht kommt. Derartige Beschwerden wurden vom Verwaltungsgerichtshof daher zurückgewiesen (vgl. etwa VwGH 15.3.2012, 2011/01/0155, mit Hinweis auf VwGH 11.11.2010, 2010/17/0213, zum Kriterium der "Freiwilligkeit").
15 Diese Rechtsprechung ist auf die vorliegende Konstellation übertragbar.
16 Selbst wenn man - dem Vorbringen des Revisionswerbers folgend - davon ausgeht, dass die Aufforderung an ihn, sich der erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, durch ein Organ der PI O am 11.5.2017 tatsächlich erfolgt ist und man diese Aufforderung als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG qualifizieren wollte, fehlt es an der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde. Im vorliegenden Fall ergibt sich nämlich unzweifelhaft, dass sich der Revisionswerber der erkennungsdienstlichen Behandlung (erst) am 18.5.2017 freiwillig im Sinne der erwähnten hg. Rechtsprechung unterzogen hat, zumal seinen eigenen Angaben zufolge die Aufforderung des Polizeibeamten vom 11.5.2017 auf ein "umgehendes" Erscheinen unter der Androhung sofortiger Zwangsvorführung (argumento "widrigenfalls er nun zu ihm kommen und ihn zwangsvorführen werde") gerichtet war, und sohin zwischen der für denselben Tag angedrohten - in weiterer Folge aber nicht effektuierten - Zwangsvorführung und dem tatsächlichen Erscheinen des Revisionswerbers zur erkennungsdienstlichen Behandlung sieben Tage lagen.
17 Den Grundsätzen der erwähnten hg. Rechtsprechung folgend hat das Verwaltungsgericht daher die erst am 22.6.2017, nach dieser (freiwilligen) Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung, erhobene Beschwerde (wenn auch nur im Ergebnis) zu Recht zurückgewiesen.
18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. Dezember 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017010349.L00Im RIS seit
12.01.2018Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018