TE Vwgh Beschluss 2017/12/14 Ro 2016/07/0013

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2017
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
AVG §68 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;
WRG 1959 §112 Abs2;
WRG 1959 §27 Abs1 litg;
WRG 1959 §27 Abs2;
WRG 1959 §27 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der A B in E, nunmehr Verlassenschaft nach der verstorbenen A B, vertreten durch die Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 8. Juli 2016, Zl. LVwG-AV-652/001-2016, betreffend eine Frist nach § 27 Abs. 3 WRG 1959 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Amstetten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten (BH) vom 3. April 2015 wurde u.a. der Rechtsvorgängerin der nunmehr revisionswerbenden Verlassenschaft und der Gemeinde E. gemäß § 27 Abs. 3 WRG 1959 aufgetragen, den ordnungsgemäßen Betrieb einer näher beschriebenen Wasserversorgungsanlage bis "31. April 2016" aufzunehmen, andernfalls das Wasserbenutzungsrecht für erloschen erklärt werde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

2 Mit an die BH gerichtetem Schreiben vom 27. April 2016 beantragte die Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Verlassenschaft, die Frist zur Aufnahme des ordnungsgemäßen Betriebs der Wasserversorgungsanlage bis 30. April 2018 zu erstrecken, weil der Betrieb ohne ihr Verschulden nicht habe hergestellt werden können. Sie habe die Gemeinde E. bislang erfolglos aufgefordert, die "für die Herstellung des ordnungsgemäßen Betriebs erforderlichen Handlungen" vorzunehmen, weshalb sie nunmehr ein gerichtliches Verfahren gegen die Gemeinde E. angestrengt habe.

3 Mit Bescheid vom 11. Mai 2016 berichtigte die BH den Bescheid vom 3. April 2015 gemäß § 62 Abs. 4 AVG unter Spruchpunkt I. dahingehend, dass die festgesetzte Frist nicht am "31. April 2016", sondern am 30. April 2016 ende. Unter Spruchpunkt II. wurde dem Antrag der Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Verlassenschaft auf Erstreckung der Frist zur Wiederaufnahme des ordnungsgemäßen Betriebs der gegenständlichen Wasserversorgungsanlage nicht stattgegeben, was damit begründet wurde, dass eine Fristverlängerung nicht vorgesehen und die Angemessenheit der Frist bereits "im abgeführten Verfahren" abgehandelt worden sei.

4 2. In ihrer gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides gerichteten Beschwerde brachte die Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Partei im Wesentlichen vor, die Gemeinde E. habe den Eigentümern des Grundstücks, auf dem sich die gegenständliche Quelle befinde, den Wasserbezug in Form einer eigenen Wasserleitung genehmigt, wodurch der Wasserbezug der Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Partei verhindert worden sei. Es sei daher nur rechtens, von der Gemeinde E. die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu verlangen, was nunmehr im Klagsweg durchzusetzen sei. Vor diesem Hintergrund sei die Frist zur Wiederaufnahme des ordnungsgemäßen Betriebes der Wasserversorgungsanlage angemessen zu erstrecken.

5 3. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. Juli 2016 wurde die Beschwerde abgewiesen.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Kern aus, die BH habe keine Sachentscheidung getroffen, weshalb Spruchpunkt II. des Bescheides vom 11. Mai 2016 als Zurückweisung des Fristerstreckungsersuchens zu werten sei. Eine Verlängerung der gegenständlich festgesetzten Frist zur Wiederinbetriebnahme der Wasserversorgungsanlage, mithin eine Abänderung des rechtskräftigen Bescheides in Bezug auf die festgelegte Zeitdauer, wäre nur dann zulässig, wenn eine gesetzliche Bestimmung die Durchbrechung der Rechtskraft (des ursprünglichen Bescheides) ermöglichte. Eine solche Ausnahmebestimmung sei im WRG 1959 in Bezug auf die nach § 27 Abs. 3 WRG 1959 festzulegende (materiellrechtliche) Frist von vornherein nicht vorgesehen. Vielmehr hätte die Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Verlassenschaft bereits im vorangegangenen Verfahren die nicht in ihrer Sphäre gelegenen Hindernisse für die Wiederinbetriebnahme der Wasserversorgungsanlage geltend machen müssen.

7 Die Revision ließ das Verwaltungsgericht mit der Begründung zu, dass bislang keine Rechtsprechung zur Frage der Verlängerbarkeit von nach § 27 Abs. 3 WRG 1959 für die Wiederinbetriebnahme von Wasserbenutzungsanlagen festgelegten Fristen vorliege.

8 4. Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat. Die BH hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, ohne darin Aufwandersatz zu beantragen.

9 Mit Schreiben vom 6. Juli 2017 teilte die BH mit, dass die Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Partei mittlerweile verstorben sei. Aufgrund einer Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes gab der Rechtsvertreter der Rechtsvorgängerin der nunmehr revisionswerbenden Verlassenschaft mit Schreiben vom 28. August 2017 deren Eintritt in das gegenständliche Revisionsverfahren bekannt.

10 5. Der revisionswerbenden Partei mangelt es aus nachstehenden Gründen an der Berechtigung zur Erhebung der Revision:

11 5.1. Die revisionswerbende Partei erachtet sich im Recht auf "Gewährung einer im Konkreten angemessenen Frist zur Wiederaufnahme des Betriebs" der gegenständlichen Wasserversorgungsanlage verletzt.

12 Die Frist für die Wiederaufnahme des Betriebs der gegenständlichen Wasserversorgungsanlage gemäß § 27 Abs. 3 WRG 1959 wurde mit rechtskräftigem Bescheid der BH vom 3. April 2015 iVm dem Berichtigungsbescheid vom 11. Mai 2016 festgesetzt. Die Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Verlassenschaft beantragte mit Schreiben vom 27. April 2016 die Verlängerung dieser Frist.

13 5.2. § 27 WRG 1959, BGBl. Nr. 215 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 74/1997, lautet auszugsweise:

"Erlöschen der Wasserbenutzungsrechte.

§ 27. (1) Wasserbenutzungsrechte erlöschen:

(...)

g) durch den Wegfall oder die Zerstörung der zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen, wenn die Unterbrechung der Wasserbenutzung über drei Jahre gedauert hat, wobei der Wegfall oder die Zerstörung wesentlicher Teile der Anlage dem gänzlichen Wegfall oder der gänzlichen Zerstörung gleichzuhalten ist;

(...)

(2) Die Wasserrechtsbehörde kann die im Abs. 1 lit. g bestimmte Frist bei Vorliegen außerordentlicher oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten bis zu fünf Jahren verlängern.

(3) War nach erfolgter Herstellung und Inbetriebsetzung einer genehmigten Anlage der ordnungsgemäße Betrieb während dreier aufeinanderfolgender Jahre eingestellt, ohne daß die Voraussetzungen des Erlöschens nach Abs. 1 lit. g vorliegen, so kann dem Berechtigten, falls nicht die Betriebseinstellung erweislich durch die Betriebsverhältnisse oder außerordentliche vom Willen des Berechtigten unabhängige Umstände bedingt war, von Amts wegen oder auf Antrag anderer Interessenten von der zur Genehmigung der Anlage berufenen Behörde eine angemessene, mindestens mit einem Jahre zu bemessende Frist zur Wiederaufnahme des ordnungsmäßigen Betriebes mit der Ankündigung bestimmt werden, daß nach fruchtlosem Ablaufe der Frist das Wasserbenutzungsrecht als erloschen erklärt würde.

(...)"

14 5.3. Im WRG 1959 ist keine Bestimmung vorgesehen, nach der die gemäß § 27 Abs. 3 WRG 1959 gesetzte Frist zur Wiederaufnahme des ordnungsgemäßen Betriebs einer Anlage verlängert werden kann. Insbesondere sind auch die in der Revision angesprochene Bestimmung des § 27 Abs. 2 WRG 1959 und die Fristverlängerungsbestimmung des § 112 Abs. 2 WRG 1959 auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. § 27 Abs. 2 WRG 1959 bezieht sich ausdrücklich nur auf die Möglichkeit der Verlängerung der gesetzlich bestimmten dreijährigen Erlöschensfrist nach § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 für den Fall des Wegfalls oder der Zerstörung der zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen. § 112 Abs. 2 hat wiederum nur die Verlängerung von Baubeginns- und Bauvollendungsfristen, die bei der Bewilligung einer Wasseranlage vorzuschreiben sind, zum Gegenstand (vgl. VwGH 21.9.1995, 95/07/0068).

15 5.4. Das in Rede stehende Ansuchen um Verlängerung der Frist zur Wiederaufnahme des Betriebs einer Wasseranlage kann daher nur als Antrag auf Abänderung des rechtskräftigen wasserbehördlichen Auftrages gemäß § 27 Abs. 3 WRG 1959 angesehen werden (vgl. VwGH 13.12.1994, 94/07/0164, und 29.10.1996, 96/07/0148, zur Erstreckung von in wasserpolizeilichen Aufträgen festgesetzten Erfüllungsfristen; wiederum VwGH 95/07/0068 zur Verlängerung der Frist zur Vornahme einer letztmaligen Vorkehrung; aus jüngerer Zeit VwGH 20.10.2009, 2008/05/0151, zur Verlängerung einer Mängelbeseitigungsfrist gemäß § 13 Abs. 1 Oö. Feuerpolizeigesetz), zumal im Verfahren keine wesentlichen Änderungen der Sach- und Rechtslage vorgebracht wurden:

16 Zum einen erfolgte nämlich die - nach dem Vorbringen der Revisionswerberin von der Gemeinde E. genehmigte - Nutzung der gegenständlichen Quelle durch die Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich diese befindet, bereits vor Erlassung des Bescheides vom 3. April 2015. Zum anderen wird mit dem Vorbringen, die Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Partei habe gegen die Gemeinde E. aufgrund deren Untätigkeit ein zivilgerichtliches Verfahren angestrengt, nicht ausreichend konkret dargetan, inwiefern dieses Gerichtsverfahren der faktischen Wiederaufnahme des Betriebs der Wasserversorgungsanlage durch die revisionswerbende Partei entgegenstehe.

17 5.5. Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes steht niemandem ein Anspruch zu (§ 68 Abs. 7 erster Satz AVG).

18 Aus dieser Rechtslage folgt, dass eine Partei keinen Rechtsanspruch auf Ausübung des behördlichen Aufsichtsrechtes hat. Die Ausübung des Aufsichtsrechtes kann zwar angeregt, nicht aber erzwungen werden. Auf die Erstreckung der Frist eines in Rechtskraft erwachsenen Auftrages nach § 27 Abs. 3 WRG 1959 steht somit niemandem ein Rechtsanspruch zu (vgl. etwa nochmals VwGH 94/07/0164 sowie 2008/05/0151, jeweils mwN).

19 6. Die revisionswerbende Partei kann daher in dem von ihr geltend gemachten subjektiven Recht nicht verletzt werden, weshalb die Revision mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war (vgl. etwa wiederum VwGH 96/07/0148, 95/07/0068 und 2008/05/0151).

Wien, am 14. Dezember 2017

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016070013.J00

Im RIS seit

12.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten