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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §28 Abs2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2000/21/0084 E 19. November 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde
1. des M Y, (geb. am 3. November 1995), 2. der F Y, (geb. am 2. September 1997), und 3. der A Y (geb. am 15. Dezember 1968), alle in Leobersdorf, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch die Drittbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Joseph-Ring 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 29. Dezember 1999, Zl. Fr 3212/99, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 29. Dezember 1999 wurden die Beschwerdeführer, alle türkische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass die Drittbeschwerdeführerin am 13. Jänner 1995 nach Österreich eingereist sei. Die österreichische Botschaft in Ankara habe in deren Reisepass eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung, ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch am 9. August 1994, lautend auf eine am 25. März 1978 geborene namensgleiche Person, angebracht. Die Anbringung dieser Vignette habe auf einem Versehen beruht, und es sei die diesbezügliche Aufenthaltsbewilligung nicht der Drittbeschwerdeführerin sondern einer anderen Person erteilt worden. Die Drittbeschwerdeführerin sei damit, ohne hiezu berechtigt gewesen zu sein, am 13. Jänner 1995 eingereist und habe bei ihrem Ehegatten in Berndorf Aufenthalt genommen. Die Bezirkshauptmannschaft Baden (die erstinstanzliche Behörde) habe ihr am 12. Dezember 1995 diesen Sachverhalt niederschriftlich zur Kenntnis gebracht und sie gleichzeitig aufgefordert, das Bundesgebiet zu verlassen. Dieser Aufforderung sei die Drittbeschwerdeführerin bisher jedoch nicht nachgekommen. Am 3. November 1995 habe sie den Erstbeschwerdeführer und am 2. September 1997 die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich zur Welt gebracht. Während der Ehegatte der Drittbeschwerdeführerin und Vater des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin über einen bis 31. Dezember 2003 befristeten Aufenthaltstitel verfüge, hätten die Beschwerdeführer keinen derartigen Titel. Auf Grund ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes sei die Drittbeschwerdeführerin von der erstinstanzlichen Behörde bisher viermal rechtskräftig bestraft worden. Zuletzt sei über sie am 12. November 1998 eine Geldstrafe verhängt worden, wobei der diesbezügliche Strafbescheid jedoch noch nicht rechtskräftig sei.
Am 5. April 1994 habe die Drittbeschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, der mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 25. November 1996 und im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. April 1997 abgewiesen worden sei. Die von der Drittbeschwerdeführerin gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sei mit hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 97/19/1050, als unbegründet abgewiesen worden.
Da keiner der Beschwerdeführer jemals über eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich verfügt habe und sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, sei der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt.
Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse, und es mache ein schon länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden dessen Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung (insbesondere auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten. Gemäß § 37 FrG könnten sich Fremde nur auf jene familiären oder privaten Beziehungen stützen, die während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich entstanden seien. Da die Drittbeschwerdeführerin seit ihrer Einreise in Österreich, somit seit über vier Jahren, illegal im Bundesgebiet aufhältig sei und während ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes die übrigen Beschwerdeführer geboren worden seien, wobei auch diese niemals legal in Österreich aufhältig gewesen seien, könne man davon ausgehen, dass kein maßgebliches Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer in Österreich im Sinn der vorgenannten Gesetzesbestimmung bestehe. Aber selbst wenn man im Sinn dieser Gesetzesbestimmung von einem maßgeblichen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben ausginge, wäre auf Grund ihrer jahrelangen "Ignoranz" fremdenrechtlicher Bestimmungen ihre Ausweisung zum Schutz der im Art. 8 EMRK genannten öffentlichen Interessen auf jeden Fall geboten. Durch einen länger andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt solle ein Aufenthaltsrecht in Österreich nicht erzwungen werden können. Darüber hinaus könnten die Beschwerdeführer ihren Aufenthalt vom Inland her nicht legalisieren. Die Ausweisung der Beschwerdeführer sei daher auch bei Berücksichtigung ihres Familienlebens gemäß § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten.
Darüber hinaus zeige sich die Drittbeschwerdeführerin schon seit längerer Zeit auf besonders "ignorante Art" in keiner Weise ausreisewillig. Die Behörde sehe sich außer Stande, auch unter Berücksichtigung der "Kann-Bestimmung" des § 33 Abs. 1 FrG von der Verhängung einer Ausweisung abzusehen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass die am 9. August 1994 für eine mit der Drittbeschwerdeführerin namensgleiche (jedoch an einem anderen Tag geborene) Person ausgestellte Aufenthaltsbewilligung von der österreichischen Botschaft in Ankara in Form einer Vignette versehentlich im Reisepass der Drittbeschwerdeführerin ersichtlich gemacht worden war - durch diesen Vorgang hatte diese kein Aufenthaltsrecht erlangt (insoweit wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 12. März 1999, Zl. 97/19/1050, verwiesen) - und dass (auch) den übrigen Beschwerdeführern bisher kein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Auf dem Boden der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen begegnet die - von der Beschwerde nicht bekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG verwirklicht sei, keinem Einwand.
2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beurteilung im Grund des § 37 FrG und bringt vor, dass durch einen (weiteren) Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich die öffentliche Ruhe und Ordnung nicht gestört werde, jedoch durch eine Ausweisung deren Privat- und Familienleben zerstört würde. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf deren Lebenssituation wögen schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer befinde sich seit 1989 in Österreich, habe hier sämtliche familiären und sozialen Bindungen, eine eigene Wohnung und eine ordentliche Beschäftigung und sei hier vollständig sozial integriert. Zu seiner früheren Heimat Türkei habe er keine Bindung mehr.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Unter der - im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern geltend gemachten familiären Bindungen und die Dauer ihres Aufenthalts in Österreich zutreffenden - Annahme eines mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriffs im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde ebenso zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der hg. Rechtsprechung den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Einhaltung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0106, mwN). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse haben die Drittbeschwerdeführerin durch ihren seit ihrer Einreise am 13. Jänner 1995 sowie die übrigen Beschwerdeführer durch ihren seit Geburt an unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich erheblich beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass die Drittbeschwerdeführerin, obwohl sie (unbestrittenermaßen) von der erstinstanzlichen Behörde bereits am 12. Dezember 1995 zum Verlassen des Bundesgebietes aufgefordert und wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich bisher viermal rechtskräftig bestraft worden war, ihren Aufenthalt in Österreich jeweils fortgesetzt hat. Die von der Beschwerde ins Treffen geführten persönlichen Interessen der Beschwerdeführer vermögen das besagte öffentliche Interesse an ihrer Ausweisung nicht zu überwiegen. Dem Beschwerdevorbringen, dass der Ehegatte der Drittbeschwerdeführerin und Vater der übrigen Beschwerdeführer in Österreich eine Wohnung und Beschäftigung habe, die es ihm erlaube, für seine Familie in ausreichender Weise zu sorgen, ist zu erwidern, dass nicht zu erkennen ist, inwieweit er gehindert wäre, von Österreich Unterhaltsleistungen für seine im Ausland befindlichen Familienmitglieder zu erbringen. Im Übrigen kann ein (wenn auch eingeschränkter) Kontakt zwischen ihnen dadurch aufrecht erhalten werden, dass die Beschwerdeführer von ihm im Ausland besucht werden. Von daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass die vorliegende Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, im Ergebnis keinem Einwand.
2.3. In diesem Zusammenhang sei in Bezug auf die beschwerdeführenden Kinder noch auf Folgendes hingewiesen:
Nach der zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangenen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 15. Jänner 1999, Zl. 97/21/0582, und vom 16. Dezember 1999, Zl. 96/21/1038) rechtfertigte in Fällen, in denen sich der Vater eines in Österreich geborenen, hier unrechtmäßig aufhältigen minderjährigen Fremden seit mehr als zwei Jahren auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder gemäß § 1 Abs. 3 Z. 4 und 5 Aufenthaltsgesetz - AufG, somit rechtmäßig, hier aufhielt, die allein im bisherigen unrechtmäßigen Aufenthalt dieses minderjährigen Kindes begründete Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses regelmäßig nicht den mit der Erlassung einer Ausweisung verbundenen Eingriff in das Familienleben des Kindes. Diese Rechtsprechung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass einem solchen Kind gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG eine Bewilligung zu erteilen gewesen wäre, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1 leg. cit.) vorlag und es nach den auf Grund der §§ 2, 3 Abs. 5, § 6 Abs. 2 und § 10 leg. cit. erlassenen Verordnungen der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG berechtigt gewesen wäre, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausnahmsweise im Inland zu stellen. Mit Ablauf des 31. Dezember 1997 sind das Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, und das Aufenthaltsgesetz außer Kraft getreten (vgl. § 111 Abs. 3 erster Satz FrG).
Nach der mit 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Regelung des § 23 Abs. 6 erster Satz FrG ist Fremden, die auf Dauer niedergelassen bleiben, aber als in Österreich geborene Kinder aus dem Grund des § 28 Abs. 2 keinen Aufenthaltstitel benötigten, auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Gemäß § 28 Abs. 2 FrG sind in Österreich geborene Kinder Fremder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, während ihrer ersten drei Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt; dies gilt jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin besteht.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 2000, G 1/00, (Kundmachung im BGBl. I Nr. 20/2000, ausgegeben am 28. April 2000) wurde die in § 28 Abs. 2 leg. cit. enthaltene Wendung, ", sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt; dies gilt jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin besteht", als verfassungswidrig aufgehoben sowie ausgesprochen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten und die Aufhebung mit Ablauf des 31. März 2001 in Kraft tritt. In seinem Erkenntnis vertrat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, dass das Prinzip des Gesetzgebers, die befristete Sichtvermerksfreiheit des Kindes an die fremdenrechtliche Stellung der Mutter zu knüpfen, nicht in Frage gestellt werde, es jedoch besondere Fallkonstellationen gebe, in denen der Vater die (alleinige) Obsorge über das Kind zu übernehmen habe - wie etwa im Fall des Todes der Mutter bei der Geburt, bei einer die Betreuung des Kindes hindernden schweren Erkrankung der Mutter oder in ähnlichen das Wohl des Kindes gefährdenden Situationen -, die im Hinblick auf die ansonsten für das Kind eintretenden besonders gravierenden Rechtsfolgen nicht als Härtefälle hingenommen werden könnten, sodass die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung ob ihrer absoluten Vorbehaltlosigkeit dem durch das BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander widerspreche.
Anders als nach der zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangenen hg. Rechtsprechung kann im vorliegenden Fall daraus, dass die beschwerdeführenden Kinder in Österreich geboren wurden, und unter Zugrundelegung der Annahme, dass sich ihr Vater bereits länger als zwei Jahre rechtmäßig hier aufhielt, für ihren Standpunkt nichts gewonnen werden, hatte doch ihre Mutter, die Drittbeschwerdeführerin, unbestritten zu keinem Zeitpunkt über ein Aufenthaltsrecht verfügt. Auch von daher begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung der beschwerdeführenden Kinder dringend geboten und deshalb gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, keinen Bedenken.
3. Vor dem Hintergrund der obigen Erwägungen macht die Beschwerde keine besonderen Umstände geltend, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführer Gebrauch zu machen.
4. Da nach dem Gesagten bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. Juni 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000210032.X00Im RIS seit
20.11.2000