TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/20 W164 2135731-1

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Veröffentlicht am 20.12.2017
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Entscheidungsdatum

20.12.2017

Norm

AuslBG §32a
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W164 2135731-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Josef STIGLITZ (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) und Josef HERMANN (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde des Herrn XXXX , geb. XXXX , STA Kroatien, vertreten durch Dipl Ing XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 28.7.2016, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 31.8.2016, GZ 08115/167 5966, betreffend Ausstellung einer Freizügigkeitsbestätigung gemäß § 32a Ausländerbeschäftigungsgesetz nach nicht öffentlicher Beratung vom 20.12.2017 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 07.06.2016 beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden BF) beim Arbeitsmarktservice Esteplatz die Ausstellung einer Freizügigkeitsbestätigung nach § 32a AuslBG.

Der BF legte diesem Antrag folgende Dokumente in Kopie bei:

-

Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger gemäß NAG für den BF vom 13.11.2015 als Selbständiger gemäß § 51 Abs 1 Z 1 NAG;

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Auszüge aus dem zentralen Melderegister betreffend den BF und seinen Vater, Herrn XXXX , geb. XXXX ; daraus geht hervor, dass der BF ab 24.7.2015 in Österreich gemeldet war.

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1. Seite der Pässe des BF und seines Vaters;

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Erklärung der Unterhaltsgewährung des Vaters des BF vom 06.06.2016; Der Vater des nunmehrigen BF bestätigt darin, dass er seinem Sohn seit der Geburt bis 1997 den vollen Unterhalt und ab 1997 teilweisen Unterhalt für die Wohnungskosten in Kroatien von monatlich € 420,-- gewährt habe. Am 24.7.2015 sei der Sohn nach Wien gekommen, habe zuerst in einer Wohnung neben der seines Vaters in XXXX Wien, XXXX gasse XXXX gewohnt – die Miete für diese Wohnung habe der Vater bezahlt – seit dem 27.01.2016 würden sie gemeinsam mit einer dritten Person in einer Wohnung wohnen. Der Vater bezahle die Hälfte der Miete, der Sohn trage keine Wohnungskosten;

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EU Freizügigkeitsbestätigung vom 3.2.2016 für den Vater des BF;

-

Arbeits- und Entgelts-Bestätigung für den Vater des nunmehrigen BF durch seinen Dienstgeber vom 17.05.2016.

Der BF gab an, dass er verheiratet sei, jedoch getrennt lebe.

Mit Schreiben vom 8.7.2016, zugestellt am 13.7.2016, teilte das Arbeitsmarktservice (im Folgenden AMS) dem BF nach Nennung der anzuwenden Gesetzesbestimmung mit, dass er die Voraussetzungen des § 32a AuslBG nicht erfülle. Der BF habe die Möglichkeit der Stellungnahme. Der BF beantwortete dieses Schreiben nicht.

Mit Bescheid vom 28.7.2016 hat das AMS den Antrag des BF auf Ausstellung einer EU-Freizügigkeitsbestätigung nach § 32a Abs 4 AuslBG abgewiesen. In der Begründung berief sich das AMS auf das dem BF gewährte Parteiengehör, auf das der BF nicht reagiert habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte vor, sein Vater sei im Besitz einer EU-Freizügigkeitsbescheinigung. Der BF sei zu seinem Vater nach Wien nachgekommen und habe zuerst ab 24.7.2015 in der Wohnung neben seinem Vater gewohnt. Der Vater habe die Miete bezahlt. Seit 2016 würden sie beide in einer anderen Wohnung gemeinsam wohnen und diese mit einer weiteren Person teilen. Der Vater zahle die Hälfte der Monatsmiete, also € 266,70. Der Beschwerdeführer trage keine Kosten für diese Wohnung. Ihm sei auch bis zum 24.10.2015 ein teilweiser Unterhalt für die Wohnungskosten in Kroatien regelmäßig (monatlich) in der Höhe von € 420,-- gewährt worden. In Österreich werde ihm weiterhin Unterhalt in der genannten Höhe geleistet. Dies habe sein Vater schon in der Erklärung der Unterhaltsgewährung vom 06.06.2016 bestätigt. Der BF sei 39 Jahre alt, verheiratet (getrennt lebend) und besitze seit dem 13.11.2015 eine Anmeldebescheinigung "Selbstständiger". Auf ihn treffe die Ausnahme von der Altersbeschränkung des §32a Abs.4 (gemeint ist offensichtlich Abs 3) Ausländerbeschäftigungsgesetz zu, da ihm sein Vater Unterhalt gewähre, dies teilweise schon seit vielen Jahren, als er noch in Kroatien lebte und bis jetzt. Der BF legte erneut die bereits genannten Dokumente und zusätzlich einen Jahreslohnzettel und Beitragsgrundlagennachweis 2015 betreffend seinen Vater in Kopie vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31.8.2016, GZ 08115/167 5966 wies das Arbeitsmarktservice diese Beschwerde ab, dies mit folgender Begründung: Zur Erfüllung der Bedingung des §§ 32a Abs. 3 AuslBG, nämlich der Unterhaltsgewährung durch einen Verwandten in gerader absteigender Linie, im Fall des Beschwerdeführers durch den Vater, habe dieser einen fortgesetzten und regelmäßigen Unterhalt zu leisten, der es dem Beschwerdeführer ermöglichen würde, den wesentlichen Teil seines Lebensunterhaltes zu decken. Die bloße Bestätigung des Vaters, wonach er die Hälfte der Monatsmiete bezahle und der Beschwerdeführer keine Wohnungskosten tragen müsse, stelle keinen ausreichenden Nachweis über eine dementsprechende Unterhaltsgewährung dar. Dem Verfahren liege daher keine Unterhaltsleistung durch den Vater im nötigen Umfang zu Grunde, weshalb das Erfordernis des § 32 a Abs. 3 AuslBG nicht erfüllt sei. Allenfalls in der Vergangenheit geleistete Unterhaltszahlungen des Vaters würden im gegenständlichen Verfahren keine Berücksichtigung finden können. Der Beschwerdeführer sei noch nie zum inländischen Arbeitsmarkt zugelassen gewesen, er erfülle keine der Voraussetzungen des § 15 AuslBG und sei nicht seit fünf Jahren im Bundesgebiet dauernd niedergelassen. Die Bedingungen zur Bestätigung der Freizügigkeit seien nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag und brachte vor, ihm sei mittels Parteiengehör vorgehalten worden, dass sein Antrag wegen der Anmeldebescheinigung "Selbständiger" nach dem NAG 2006 abzuweisen sei. Dieser Vorhalt habe sich als unrichtig erwiesen. Der BF habe davon ausgehen können, dass die anderen Voraussetzungen und die Nachweise zur Erteilung einer Freizügigkeitsbestätigung nach §32a Abs 4 (gemeint ist offensichtlich Abs 3) AuslBG erfüllt wären. Die Voraussetzungen seien jedoch unvollständig und fehlerhaft dargestellt worden. Denn die Beschwerdevorentscheidung nenne nun einen anderen Abweisungsgrund.

Der BF legte eine Ergänzung zur oben genannten Erklärung seines Vaters vom 06.06.2016 betreffend Unterhaltsgewährung vor. Diese lautet wie folgt: "Ich, XXXX , geboren am XXXX , Glaser/Schlosser (Freizügigkeitsbestätigung seit 03.02.2016, PG-Daueraufenthalt seit 28.09.2011) wohnhaft in Wien, XXXX gasse XXXX , XXXX Wien, bestätige hiermit, dass ich meinem Sohn XXXX den vollen Unterhalt seit der Geburt bis zum Jahr 1997 gewährt hatte, nachher auch einen teilweisen Unterhalt für die Wohnungskosten in Kroatien, regelmäßig (monatlich) in der Höhe von € 420,-- gewährt hatte. Mein Sohn ist am 24.07.2015 nach Wien, Österreich nachgekommen, zuerst hatte in der XXXX gasse XXXX , XXXX Wien, in einer Wohnung neben mir gewohnt (Miete habe ich auch bezahlt) und hatte ich auch einen Unterhalt (monatlich) in der Höhe von € 520,-- für Lebens-und Reinigungsmittel, Drogerie-Sachen und andere Lebensbedürfnisse gewährt. Seit dem 27.01.2016 wohnen wir mit noch einer Person zusammen (ich zahle die Hälfte der Monatsmiete, € 533,40, d.h. € 266,70). Er trägt keine Wohnungskosten und weiters gewähre ich ihm noch monatlich für seine Lebensbedürfnisse einen Unterhalt in der Höhe von Euro 500,--. XXXX (Unterschrift des Vaters).

Mit Schreiben vom 31.08.2017 forderte das Bundesverwaltungsgericht den BF zur Vorlage von Nachweisen über seine Einkünfte aus seiner seit seinem Aufenthalt in Österreich ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit.

Mit Schreiben vom 18.09.2017 führte der BF aus, sein diesbezügliches Einkommen habe im Jahr 2015 € 8222,36 und im Jahr 2016 € 8584,27 betragen. Als Nachweis legte der BF die Einkommenssteuerbescheide 2015 und 2016 vor und führte aus, dass er weiterhin selbständig erwerbstätig sei. Der BF legte eine Vollmacht für seinen nunmehrigen Vertreter vor.

Das AMS erhielt diese Auskunft im Sinne des Parteiengehörs zur Kenntnis und enthielt sich einer Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Bezüglich der Feststellung des Sachverhaltes wird auf die unter Punkt 1 "Verfahrensgang" gemachten Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, weiters durch Einholung der Einkommenssteuerbescheide 2015 und 2016 des BF im Beschwerdeverfahren. Der hier wesentliche Sachverhalt ist unbestritten. Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung war daher abzusehen.

II. Rechtliche Beurteilung:

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde mit 01.01.2014 (Art. 151 Abs. 51 Z 6 B-VG) das Bundesverwaltungsgericht (Art. 129 B-VG) eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – im vorliegenden Fall das AMS.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 20f Abs. 1 AuslBG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A):

§ 32a AuslBG lautet wie folgt:

Übergangsbestimmungen zur EU-Erweiterung

(1) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die am 1. Jänner 2007 aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (Beitrittsvertrag von Luxemburg), Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 157 vom 21. Juni 2005, Seite 11, der Europäischen Union beigetreten sind, genießen keine Arbeitnehmerfreizügigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. l, es sei denn, sie sind Angehörige eines gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigten Staatsangehörigen eines anderen EWR-Mitgliedstaates gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG.

(2) EU-Bürger gemäß Abs. 1 haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie

1. am Tag des Beitritts oder nach dem Beitritt rechtmäßig im Bundesgebiet beschäftigt sind und ununterbrochen mindestens zwölf Monate zum Arbeitsmarkt zugelassen waren oder

2. die Voraussetzungen des § 15 sinngemäß erfüllen oder

3. seit fünf Jahren im Bundesgebiet dauernd niedergelassen sind und über ein regelmäßiges Einkommen aus erlaubter Erwerbstätigkeit verfügen.

(3) Ehegatten und eingetragene Partner von EU-Bürgern gemäß Abs. 2 und deren Verwandte in gerader absteigender Linie, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und darüber hinaus, sofern ihnen von diesen Unterhalt gewährt wird, haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie mit diesen einen gemeinsamen rechtmäßigen Wohnsitz im Bundesgebiet haben.

(4) Das Recht auf unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt gemäß Abs. 2 und 3 ist von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu bestätigen. Die Bestätigung ist vor Beginn der Beschäftigung einzuholen. Der Arbeitgeber hat eine Ausfertigung der Bestätigung im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten. Die Bestätigung erlischt bei Ausreise aus dem Bundesgebiet aus einem nicht nur vorübergehenden Grunde.

[ ]

Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Der BF stützt seine Beschwerde auf § 32a Abs 3 AuslBG. Sein Vater ist EU-Bürger iSd § 32a Abs 2 AuslBG. Der BF hat mit seinem Vater einen gemeinsamen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet.

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob dem BF, der das 21. Lebensjahr überschritten hat, weiterhin von seinem Vater Unterhalt in der Weise gewährt wird, dass die Voraussetzung des § 32a Abs 3 AuslBG erfüllt wird.

Das AMS vertritt dazu die Auffassung, dass die vom Vater in seiner Unterhaltsbestätigung angeführten Unterhaltsleistungen nicht den von § 32a Abs 3 AuslBG geforderten Umfang erreichen. Es liege kein fortgesetzter regelmäßiger Unterhalt vor, der es dem BF ermöglichen würde, den wesentlichen Teil seines Lebensunterhaltes zu decken.

Dazu wird folgendes ausgeführt:

Der hier maßgebliche Begriff des § 32a Abs 3 AuslBG ("Verwandte in gerader absteigender Linie von EU-BürgerInnen gemäß Abs 2 über das 21. Lebensjahr hinaus, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird") wurde mit BGBl I Nr. 25/2011 in § 32a Abs 3 AuslBG aufgenommen. Vor dieser Novelle stellte § 32a Abs 3 AuslBG auf den Begriff "Kind iSd § 1 Abs 2 lit l AuslBG" ab.

In den zu BGBl I Nr. 25/2011 ergangenen Erläuternden Bemerkungen (1077 der Beilagen XXIV.GP) wird bezüglich dieser eben genannten Änderung des § 32a Abs 3 AuslBG nichts angemerkt.

Die genannte Formulierung deckt sich allerdings mit der Begriffsbestimmung "Familienangehöriger" iSd Art 2, Ziffer 2, Buchstabe c der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.

Mit dem letztgenannten Begriff hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil C423/12 vom 16.1.2014 (Flora May Reyes) - auseinandergesetzt und festgestellt, dass ein Verwandter in gerader absteigender Linie, der 21 Jahre oder älter ist – um als Person, der Unterhalt gewährt wird, und somit als von der Definition des "Familienangehörigen" im Sinne dieser Vorschrift erfasst angesehen zu werden – folgendes nachzuweisen hat:

Es muss das Vorliegen eines tatsächlichen Abhängigkeitsverhältnisses nachgewiesen werden. Diese Abhängigkeit ergibt sich aus der tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der materielle Unterhalt des Familienangehörigen durch den Unionsbürger, der von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat oder von dessen Ehegatten, sichergestellt wird.

Es ist nicht erforderlich, die Gründe für diese Abhängigkeit zu ermitteln. Es ist auch nicht der Nachweis darüber erforderlich, dass die betreffende Person vergeblich versucht hat, Arbeit zu finden, von den Behörden seines Herkunftslandes Hilfe zum Lebensunterhalt zu erlangen und/oder auf andere Weise ihren Unterhalt zu bestreiten. Auch der Umstand, dass ein Familienangehöriger aufgrund persönlicher Umstände wie Alter, Ausbildung und Gesundheit gute Voraussetzungen dafür mitbringt, eine Arbeit zu finden und darüber hinaus beabsichtigt, im Aufnahmemitgliedstaat einer Arbeit nachzugehen, schadet nicht.

In seinem Urteil C1/05 vom 9.1.2007 (Jia) hat der Europäische Gerichtshof bezogen auf Art Art 1 Abs 1 Buchstabe d der Vorgänger-Richtlinie 73/148/EWG zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs und bezogen auf den Begriff "Verwandte in aufsteigender und absteigender Linie dieser Staatsangehörigen und ihrer Ehegatten, denen diese Unterhalt gewähren" folgendes festgestellt:

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem "Unterhalt gewährt" wird, aus einer tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet wird, dass der erforderliche Unterhalt vom Gemeinschaftsangehörigen, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat oder seinem Ehegatten materiell sichergestellt wird. Die Eigenschaft, als Familienangehöriger, dem Unterhalt gewährt wird, setzt keinen Unterhaltsanspruch voraus. Es ist nicht erforderlich, die Gründe des Unterhaltsbedarfs zu ermitteln und zu prüfen, ob der Betroffene in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt durch Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit zu bestreiten. Es ist lediglich zu prüfen, ob der Verwandte eines Unionsbürgers in Anbetracht seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht in der Lage ist, seine Grundbedürfnisse selbst zu decken. Der Unterhaltsbedarf muss im Herkunftsland des Verwandten in dem Zeitpunkt bestehen, in dem er beantragt, dem Gemeinschaftsangehörigen zu folgen.

Die diesen Urteilen zugrundeliegenden Fälle betrafen Tatbestände, welche eine Antragstellung vor der Einreise des/der Familienangehörigen in den Mitgliedstaat erforderten. Dem gegenüber setzt § 32a Abs 3 AuslBG einen bereits bestehenden gemeinsamen Wohnsitz im Bundesgebiet voraus. Dieser Umstand ist in die hier vorzunehmende Interpretation des § 32a Abs 3 AuslBG mit einzubeziehen.

Im vorliegenden Fall war daher zu prüfen, ob der BF in Anbetracht seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage seine Grundbedürfnisse für seinen Aufenthalt in Österreich selbst decken konnte.

Da § 32a Abs 3 AuslBG sowohl auf das Gewähren von Unterhalt, als auch auf das Zur- Verfügung-Stellen einer Wohnung durch den Unterhaltsleistenden abstellt, geht der Gesetzgeber erkennbar davon aus, dass § 32a Abs 3 AuslBG eine materielle Abhängigkeit in der Weise fordert, dass jene Person, die Unterhalt erhält, trotz der Möglichkeit, beim Unterhaltsleistenden zu wohnen, nicht in der wirschaftlichen und sozialen Lage ist, ihre materiellen Grundbedürfnisse selbst zu decken. Es sind daher die Kosten für Wohnung in die hier anzustellende Berechnung der Grundbedürfnisse nicht einzubeziehen.

Der BF hatte laut Einkommenssteuerbescheid 2015 Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von € 5.115,05 und Einkünfte aus einer von 14.09. bis 16.11.2015 beim Dienstgeber Weismann Isolierglaserzeugung ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit in Höhe von € 3.167,31. Nach Abzug des Pauschalbetrages für Werbungskosten und des Pauschalbetrages für Sonderausgaben ergibt sich ein Jahreseinkommen von € 8.222,36. Umgelegt auf die Monate seines Aufenthaltes in Österreich ergibt dies ein durchschnittliches monatliches Einkommen von über 900,-- €.

Im Jahr 2016 hatte der BF laut Einkommenssteuerbescheid 2016 Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von € 8.644,27. Nach Abzug des Pauschalbetrages für Sonderausgaben ergibt sich ein jährliches Einkommen von € 8.584,27. Umgelegt auf die Monate des Jahres 2016, ergibt dies ein durchschnittliches monatliches Einkommen von über € 700,--.

Daraus ergibt sich insgesamt, dass der BF, der seit Antragstellung bei seinem Vater kostenlos wohnen kann, in der Lage ist, seine (darüber hinausgehenden) wirtschaftlichen Grundbedürfnisse selbst zu decken.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und zu der es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Schlagworte

Freizügigkeitsbestätigung, Revision zulässig, Unterhaltszahlung,
Verwandtschaftsverhältnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W164.2135731.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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