TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/2 W261 2158890-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.01.2018
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Entscheidungsdatum

02.01.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2158890-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von Mag. XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 10.04.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin beantragte erstmals im Jahr 2016 einen Behindertenpass beim Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet). Die belangte Behörde gab in der Folge ein auf einer persönlichen Untersuchung basierendes Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin in Auftrag, in welchem diese folgende Leiden feststellte:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Kreuzbandruptur rechts 2012 Rezidivierende Operationen, zuletzt 4/2016 wegen Re-Ruptur

02.05.22

40

2

Diabetes mellitus-insulinpflichtig Oberer Rahmensatz bei funktioneller Insulintherapie

09.02.02

40

3

Bewegungseinschränkung rechtes Schultergelenk nach Unfall 2015 Fixer Rahmensatz

02.06.01

10

Die Gutachterin

stellte den Gesamtgrad der Behinderung mit 50 v.H. fest, weil Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht werde, da es sich dabei ebenfalls um ein schwerwiegendes Leiden handle. Weiters wurde festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorliegen würden. Die Beschwerdeführerin sei mit Verwendung von Unterarmstützkrücken stark in ihrer Mobilität eingeschränkt. Die Sachverständige empfahl eine Nachuntersuchung im Jänner 2017, da eine Verlaufskontrolle von Leiden 1 durchgeführt werden solle.

Die belangte Behörde stellte der Beschwerdeführerin daraufhin am 01.06.2016 einen befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. aus. Der Behindertenpass enthielt außerdem die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".

Aufgrund der Befristung des ausgestellten Behindertenpasses stellte die Beschwerdeführerin am 18.01.2017 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Verlängerung des befristeten Behindertenpasses und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 07.03.2017 erstatteten Gutachten vom 09.04.2017 führte die medizinische Sachverständige Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und um Tippfehler bereinigt wiedergegeben – aus:

"Anamnese:

Zustand nach AE, TE, CHE

Zustand nach Meniscusoperation linkes Kniegelenk mit 16 Jahren, Zustand nach Steißbeinfraktur 2011

Zustand nach Schulterverletzung rechts (Luxatio acromioclavicularis; operative Korrektur 4/2015)

Schiunfall 2/2012: Ruptur vorderes Kreuzband rechts. Vordere Kreuzbandplastik 3/2012 (Semitendinosus)

Septische Revision und Entfernung des Transplantates 4/2012 Narbenkorrektur 6/2012. Neuerliche Kreuzbandplastik 9/2012 (Lig. patellae)

2/2013 erneute Arthroskopie (LARS-Bandplastik) wegen Giving-way-Attacken

Reruptur des vorderen Kreuzbandes, daher erneute Operation am 4.4.2016: arthroskopische LARS-Band- und Schraubenentfernung Knochenkanalauffüllung am rechten Kniegelenk mit vier Spongiosazylindern aus dem rechten Beckenkamm

Diabetes mellitus seit 2013 (insulinpflichtig). Funktionelle Insulintherapie. HbAlc zuletzt anamnestisch 7.1%

Essentielle Thrombozytose. Anamnestisch 2008 diagnostiziert (DD Myeloproliferatives Syndrom)

Nickel- und Eucerinallergie

Derzeitige Beschwerden:

Wegen Instabilität des rechten Kniegelenkes (vor allem beim Stiegensteigen) war Herbst 2016 eine erneute Operation geplant.

Da allerdings Beschwerden im linken Daumensattelgelenk bestanden (seit 8/2016) und eine Operation (3/2017) erforderlich war (Resektions-Suspensions Arthroplastik) wurde die Knie-Operation verschoben (weil nach der Knieoperation Unterarmstützkrücken für einige Wochen erforderlich sind).

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:

Levemir, NovoRapid, Intron A, Lyxumia Bei Schmerzen Novalgin, Voltaren, Seractil

Sozialanamnese:

37 Jahre, lebt alleine. Logistikangestellte

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Aus dem Patientenbrief Lorenz Böhler Unfallkrankenhaus vom 4.3.2017:

Rhizarthrosis incipiens sin.

Diabetes mellitus Typ I Myeloproliferatives Syndrom

Untersuchungsbefund:

Klinischer Status - Fachstatus:

Kopf und Hals:

Pupillen mittelweit, isocor, prompt; Schleimhäute gut durchblutet; Halsvenen nicht gestaut. Schildrüse nicht vergrößert, schluckverschieblich

Thorax:

Pulmo: VA

Cor: Herztöne rein, rhythmisch

Abdomen:

Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar, kein Druckschmerz, keine Resistenz tastbar

Wirbelsäule : kein Klopfschmerz. FBA: 10 cm

Extremitäten:

OE: Rechtes Schultergelenk: Abduktion 100°. Die anderen großen Gelenke sind funktionell unauffällig. Schiene mit Daumenring links (für drei Wochen)

UE: Die großen Gelenke der linken UE sind funktionell unauffällig.

Rechtes Kniegelenk: Weichteilschwellung. Beugung 100 °

Fußpulse allseits palpabel ,keine Varizen, keine Ödeme

Gesamtmobilität – Gangbild:

Sicheres, vorsichtiges Gangbild ohne Hilfsmittel

Status Psychicus:

Stimmung unauffällig, allseits orientiert

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage Oberer Rahmensatz bei funktioneller Insulintherapie.

09.02.02

40

2

Kreuzbandruptur rechtes Kniegelenk 2012 Fixer Rahmensatz Rezidivierende Operationen, zuletzt 4/2016 wegen Re-Ruptur

02.05.20

30

3

Funktionseinschränkung rechtes Schultergelenk nach Unfall Fixer Rahmensatz

02.06.01

10

 

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch die nachfolgenden Leiden nicht erhöht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Zustand nach Operation der Rhizarthrose links erreicht keinen Grad der Behinderung (von einer Verbesserung der Rhizarthrose nach operativer Korrektur 3/2017 innerhalb von 6 Monaten ist auszugehen).

Die Bluterkrankung kann ohne fachärztliche Befunde nicht beurteilt werden.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden 1 (im Vorgutachten Leiden 2) wird wie im Vorgutachten bewertet. Leiden 2 (im Vorgutachten Leiden 1) wird wegen Verbesserung um eine Stufe besser bewertet. Leiden 3 wird wie im Vorgutachten bewertet (keine Verbesserung).

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Reduktion um eine Stufe, da bei Leiden 2 eine Verbesserung eingetreten ist.

Reduktion des Gesamtgrades der Behinderung von 50% auf 40%.

[x] Dauerzustand

"

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.04.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe, und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die belangte Behörde übermittelte mit dem Bescheid das ärztliche Sachverständigengutachten an die Beschwerdeführerin.

Mit E-Mailnachricht vom 21.05.2017 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Darin brachte sie vor, eine unfallchirurgische Begutachtung des rechten Knies am 18.05.2017 habe entgegen den Ausführungen im Sachverständigengutachten sehr wohl eine noch immer anhaltende massive Instabilität dokumentiert. Es sei definitiv keine Verbesserung des Zustandes eingetreten. Eine erneute Operation, mittlerweile die achte, sei für den 12.10.2017 angesetzt, wobei Narbenlösungen am Schienbeinkopf rechts sowie ein Ersatz des vorderen Kreuzbandes mit der Rectussehne rechts vorgenommen würden. Die Beschwerdeführerin schloss der Beschwerde eine Operationseinwilligung sowie einen Bericht über die Nachbehandlung des Unfallkrankenhauses Lorenz Böhler vom 18.05.2017 an.

Das Bundesverwaltungsgericht informierte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 01.06.2017 darüber, dass ihre Beschwerde am 26.05.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt sei, und dass ab diesem Zeitpunkt die Neuerungsbeschränkung nach § 46 BBG gelte, wonach Befunde und sonstige Unterlagen, die nach diesem Zeitpunkt vorgelegt werden, bei der Beurteilung nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Aufgrund der Einwendungen in der Beschwerde holte das Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie ein.

In dem nach einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.09.2017 erstellten Gutachten vom 13.10.2017 führte die medizinische Sachverständige – hier im Wesentlichen und um Tippfehler bereinigt angeführt – Folgendes aus:

" Vorgeschichte:

02/2016 Ruptur vorderes Kreuzband rechts 03/2012 vordere Kreuzbandplastik, Semitendinosus-Ersatz 04/2012 septische Revision und Entfernung des Plan Transplantats 06/2012 Narbenkorrektur

09/2012 neuerliche Kreuzbandplastik mit Lig. patellae

02/2013 Arthroskopie, LARS-Bandplastik wegen giving way Attacken 04/2016 Reruptur des vorderen Kreuzbands, neuerliche Operation mit LARS-Bandentfernung und Schraubenentfernung. Knochenkanal-Auffüllung im rechten Knie aus dem Beckenkamm - insgesamt 7. Operation des rechten Kniegelenks. Für Frühjahr 2017 wäre eine neuerliche Operation geplant gewesen mit 4. Kreuzbandplastik, es wird jedoch zuerst eine Operation im Bereich des linken Daumensattelgelenks durchgeführt.

04/2015 Sturz auf die rechte Schulter, Luxation des AC-Gelenks, operative Versorgung. Beweglichkeit eingeschränkt, immer wieder geringe Schmerzen.

2011 Operation einer Steißbeinfraktur, seither gebessert mit 16 Jahren Meniskusoperation linkes Knie.

Diabetes mellitus, bekannt seit 2013, medikamentöse Therapie für ein Jahr, dann funktionelle Insulinbehandlung. Letzter HbA1c 6,9 %

03/2017 Resektion-Suspension-Arthroplastik linker Daumen

Zwischenanamnese seit letzter Begutachtung am 7. 3. 2017:

Keine Operationen, kein stationärer Aufenthalt.

Befunde:

Bericht UKH Lorenz Böhler vom 18. 5. 2017 (mit der Daumensattelgelenks Operation zufrieden, Operation rechtes Knie gewünscht. Stufensteigen bergab nur einzeln möglich, muss sich festhalten. Lachmanntest und CT Untersuchung von 08/1016 dokumentieren Instabilität und aufgefüllte Knochenkanäle, Operationstermin für 12. 10. 2017 vereinbart.)

Nachgereichte Befunde, es gilt die Neuerungsbeschränkung ab 26. 5. 2017:

Informationsblatt zur praeoperativen Evaluierung vom 13. 12. 2016 (geplante Operation: Resektion-Suspension-Arthroplastik linker Daumen)

Sozialanamnese: ledig, keine Kinder, lebt alleine in Wohnung im 1. Stockwerk ohne Lift

Berufsanamnese: Angestellte Logistikabteilung

Medikamente: Insulin NovoRapid, Levemir, Schmerzmittel bei Bedarf

Allergien: Nickel

Nikotin: gelegentlich

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , XXXX

Derzeitige Beschwerden:

"Durch die Operation am linken Daumensattelgelenks bin ich zwar nicht beschwerdefrei, aber deutlich gebessert, das Greifen muss ich erst lernen. Sobald die Beschwerden abgeklungen sind, ist eine Knieoperation rechts geplant. Ich habe eine Instabilität, giving way Attacken, stehe und gehe schief, eine Operation ist geplant. Teilweise habe ich eine Schwellung, habe keine Kontrolle über das rechte Bein, würde stürzen, wenn ich mich nicht festhalten würde."

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 173 cm, Gewicht 81 kg, RR 160/90 Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Schulter rechts: Narbe über dem AC-Gelenk, geringgradig Druckschmerzen, keine Instabilität.

Daumensattelgelenk links: Narbe und Schiene. Druckschmerz über dem Daumensattelgelenk, geringgradige Umfangsvermehrung, Opponensfunktion zum Zeigefinger uneingeschränkt möglich, zum Kleinfinger 2 cm Abstand, geringgradige Stauchungsschmerzen.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern rechts S 0/170, F 0/160, links S und F 0/180, Rotation nicht eingeschränkt, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind links uneingeschränkt, rechts endlagig eingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Muskelverhältnisse: Oberschenkel rechts 49,5 cm, links 50 cm, Unterschenkel rechts 38,3 cm, links 39 cm.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Kniegelenk rechts: keine Überwärmung, keine Umfangsvermehrung, kein Erguss, medial und lateral Seitenbänder stabil, präpatellar Narbe medial und über den Tibiakondyl medial, kleine Narben lateral, vorderes Kreuzband: Lachman positiv, vordere Schublade+++ mit weichem Anschlag.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie 0/0/140, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Kein Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild hinkfrei und unauffällig.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert: Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig: Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Einschätzung des Grades der Behinderung

1) insulinpflichtiger Diabetes mellitus 09.02.02 40%

Oberer Rahmensatz, da funktionelle Insulinbehandlung bei stabiler Stoffwechsellage.

2) Vordere Instabilität rechtes Kniegelenk 02.05.20 30%

Wahl dieser Position, da zwar gute Beweglichkeit und keine relevanten Arthrosezeichen feststellbar, jedoch Zustand nach mehrmaliger Operation mit Bandplastiken des vorderen Kreuzbands und Reruptur.

3) Geringgradige Funktionseinschränkung rechtes Schultergelenk nach AC Luxation

und operativer Versorgung 02.06.01 10%

Zustand nach Rhizarthrose-Operation links mit gutem Ergebnis erreicht kein Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens.

ad 2) Gesamtgrad der Behinderung: 40 %

Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da jeweils kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

ad 3) Stellungnahme zu den Einwendungen, Beschwerdevorbringen, Stellungnahme zu Befunden

Stellungnahme zu Beschwerdevorbringen Abl. 28:

Es liege eine massive Instabilität im rechten Knie vor und eine neuerliche Operation sei geplant.

Festzuhalten ist, dass die vordere Instabilität in vollem Umfang in der Einschätzung von Leiden 2 erfasst ist. Eine höhere Einstufung ist nicht möglich, da eine gute Beweglichkeit vorliegt und kein Hinweis für eine maßgebliche Arthrose besteht, insbesondere wird auf das unauffällige Gangbild verwiesen.

Stellungnahme zu Befunden:

In Abl. 29 ist die Operation für 12. 10.2017 terminisiert, in Abl. 30 wird in Ambulanzbericht UKH Lorenz Böhler vom 18. 5. 2017 eine vordere Instabilität dokumentiert, Knochenkanäle sind aufgefüllt, eine Operation somit für den 12. 10. 2017 vereinbart.

Diese Befunde bestätigen die objektivierbare vordere Instabilität, neue Erkenntnisse können den Befunden nicht entnommen werden.

ad 4) Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis abweichenden Beurteilung:

Keine abweichende Beurteilung zu Gutachten vom 7. 3. 2017.

Im Vergleich zu Gutachten vom 20. 4. 2016, welches ein vorsichtiges und langsames Gehen mit 2 Unterarmstützkrücken dokumentiert, ist die Mobilisation nun ohne Gehhilfe hinkfrei möglich.

ad 5) Dauerzustand. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte mit Schreiben vom 06.11.2017 der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde das eingeholte Sachverständigengutachten vom 13.10.2017 und räumte den beiden Parteien die Möglichkeit ein, bis längstens 23.11.2017 schriftlich Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 21.11.2017 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab, in welcher sie im Wesentlichen ausführte, es sei nicht nachvollziehbar, wie eine Verbesserung des Zustandes im rechten Knie ohne jegliche Intervention plötzlich und unerwartet hätte eintreten können. Es bestehe nach wie vor eine Knieschiefstellung (aufgrund der fehlenden Implantate und vorhandenen Abnützung im rechten Kniegelenk inklusive Knorpelschaden) und damit einhergehend eine massive Instabilität. In dem von ihr im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befund werde ausgeführt, dass der Lachman Test und die CT-Untersuchung eine massive Instabilität dokumentieren würden. Ebenso sei ein zweitgradiger Knorpelschaden (von vier möglichen Stadien) im rechten Knie dokumentiert. Zudem sei der Meniskus teilreseziert worden. Die Beschwerdeführerin sei daher von den behandelnden Unfallchirurgen mehrere Male darauf hingewiesen worden, dass sie in absehbarer Zeit mit einem Kniegelenkersatz im rechten Knie zu rechnen habe. Aufgrund der nachweislich geringeren Muskelmasse, die eine Schonung des betroffenen rechten Knies belege, resultiere ein geändertes und nicht korrektes Gangbild und eine Schonhaltung - und nicht wie im Sachverständigengutachten vom 13.10.2017 angegeben ein hinkfreies und unauffälliges Gangbild. Die medizinische Sachverständige habe bei der Begutachtung am 13.09.2017 keine einzige Röntgenaufnahme, MRT-Bild noch CT angesehen, welche die angegebenen Beschwerden eindeutig nachweisen würden. Bei Beachtung dieser bildgebenden Befunde wären die daraus resultierenden Behinderungen sofort ableitbar und würden keiner weiteren Erklärung bedürfen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.12.2017 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin ist und ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 18.01.2017 den gegenständlichen Antrag auf Verlängerung des befristet ausgestellten Behindertenpasses bzw. auf Ausstellung eines neuen Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-

Insulinpflichtiger Diabetes mellitus

-

Vordere Instabilität rechtes Kniegelenk

-

Geringgradige Funktionseinschränkung rechtes Schultergelenk nach AC Luxation und operativer Versorgung

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens des Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten eines einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 13.10.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus der seitens des Bundesverwaltungsgerichts am 05.12.2017 durchgeführten Abfrage aus dem Zentralen Melderegister, aus der sich ein Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet ergibt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die Feststellung zum Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 13.10.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.09.2017.

Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweisen, oben im Original wiedergegebenen Ausführungen aus dem Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Betreffend die einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Einschätzung sowie den Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 v. H. wird damit auch das Ergebnis des bereits seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.04.2017 bestätigt.

Insoweit die Beschwerdeführerin ausführt, es sei nicht zutreffend und auch nicht nachvollziehbar, dass sich ihr Zustand im rechten Knie seit dem Vorgutachten vom 19.05.2016 verbessert habe, obwohl seither kein operativer Eingriff stattgefunden habe, so ist auf die schlüssigen Ausführungen des Sachverständigengutachtens zu verweisen. Bei der persönlichen Untersuchung am 20.04.2016, auf deren Grundlage das Vorgutachten erstellt wurde, erschien die Beschwerdeführerin mit einer Orthese und Unterarmstützkrücken und war in ihrer Mobilität stark eingeschränkt. Sowohl bei der Untersuchung vor der belangten Behörde am 07.03.2017 als auch im Rahmen der seitens des Bundesverwaltungsgerichtes veranlassten Untersuchung am 13.09.2017 konnte sich die Beschwerdeführerin wieder ohne Gehhilfe, zwar vorsichtig aber dennoch sicher und hinkfrei, fortbewegen. Eine Besserung des Zustandsbildes ist somit – auch ohne stattgehabte medizinische Intervention – objektiv nachvollziehbar und hat die Beschwerdeführerin auch selbst nicht vorgebracht, weiterhin eine Orthese oder Hilfsmittel zur Fortbewegung zu benötigen. Die nach wie vor bestehende vordere Instabilität im rechten Knie ist in vollem Umfang berücksichtigt. Es liegt ein Zustand nach mehrmaliger Operation mit Bandplastiken des vorderen Kreuzbandes und Reruptur vor und ist eine weitere Operation geplant. Die Beweglichkeit in den Kniegelenken ist von der unfallchirurgischen Sachverständigen im Rahmen der Statuserhebung mit 0/0/140 festgestellt worden, das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Aufgrund dieser guten Beweglichkeit besteht somit im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2016 im rechten Kniegelenk keine Funktionseinschränkung schweren Grades mehr. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach laut ihrer behandelnden Ärzte in näherer Zukunft mit der Implantation einer Kniegelenksendoprothese zu rechnen sei, ist festzuhalten, dass bei der Beurteilung des zur Einschätzung des Grades der Behinderung zu Grunde zu legenden Leidens der beschwerdeführenden Partei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Sachlage maßgebend ist (vgl. etwa VwGH 26.11.2002, 2001/11/0404 und 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118). Hierbei ist es daher rechtlich unerheblich, dass künftig mögliche Verschlechterung des Leidenszustandes drohen könnten, weil es auf eine aktuelle Beurteilung zum Entscheidungszeitpunkt ankommt und keine Prognose zu treffen ist, wie und unter welchen Voraussetzungen sich Funktionseinschränkungen entwickeln könnten.

Die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde bestätigen die vordere Instabilität des rechten Kniegelenks, weiters werde ein Operationstermin für 12.10.2017 festgesetzt. Die darin diagnostizierten Leidenszustände im rechten Knie sind in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverständigengutachten vollständig berücksichtigt, ein allfälliges weiteres Leiden oder eine in größerem Ausmaß vorliegende Funktionseinschränkung ist in den vorgelegten Beweismitteln nicht erwähnt. Die vorgelegten Befunde waren somit nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Mit Schreiben vom 01.06.2017 informierte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin von der Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG, wonach nach Einlangen der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht am 26.05.2017 keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden dürfen. Nach diesem Zeitpunkt vorgelegte Befunde bzw. sonstige Unterlagen könnten bei der Beurteilung nicht berücksichtigt werden. Im Rahmen der Stellungnahme zum Parteiengehör vom 21.11.2017 führte die Beschwerdeführerin aus, die unfallchirurgische Sachverständige habe bei der Untersuchung am 13.09.2017 die von ihr vorgelegten Röntgenaufnahmen, MRT- sowie CT-Befunde nicht beachtet. Diese unterliegen jedoch der Neuerungsbeschränkung nach § 46 BBG und konnten daher dieser Entscheidung nicht mehr zugrunde gelegt werden.

Die Beschwerdeführerin ist mit dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 13.10.2017 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens vom 13.10.2017, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.09.2017, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauerhafter Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 40 v.H. beträgt.

Die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde waren nicht geeignet, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen, oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, auf alle Einwände und die sowohl im Verfahren vor der belangten Behörde als auch im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Atteste in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchen die Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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