TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/5 W198 2130030-1

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Veröffentlicht am 05.01.2018
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Entscheidungsdatum

05.01.2018

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W198 2130030-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX GmbH als Rechtsnachfolgerin der XXXX GmbH, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Paul Philipp PÖLLINGER, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 25.04.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.12.2017 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß §§ 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) sowie § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) stattgegeben, der angefochtenen Bescheid behoben und festgestellt, dass Herr XXXX auf Grund der Tätigkeit für die Beschwerdeführerin im Zeitraum 23.01.2013 bis 30.09.2013 nicht der Versicherungspflicht gem. § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit a AlVG unterlag.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (im Folgenden: NÖGKK) hat mit Bescheid vom 25.04.2016, Zl. XXXX , festgestellt, dass Herr XXXX aufgrund seiner Tätigkeit für die XXXX Gmbh (im Folgenden: Beschwerdeführerin) im Zeitraum vom 23.01.2013 bis 30.09.2013 als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensions-)versicherungspflicht und der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege.

Begründend wurde ausgeführt, dass Herr XXXX von 12.01.2013 bis 16.12.2014 Gesellschafter der Beschwerdeführerin mit einem Anteil von 25% am Stammkapital gewesen sei. Die Beschwerdeführerin betreibe ein Lokal und Herr XXXX sei in diesem Lokal als Kellner mit Inkasso und Oberkellner tätig gewesen. Er habe während der Öffnungszeiten im Lokal anwesend sein müssen. Er habe sich nicht vertreten lassen können. Außerhalb des gewöhnlichen Arbeitsablaufs habe er keine Geschäftsentscheidungen fällen können. Rechtlich sei zu erwägen, dass der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass Herr XXXX aufgrund der Sperrminorität im Gesellschaftervertrag als selbständig zu qualifizieren sei, nicht gefolgt werden könne. Er habe mit seiner Beteiligung von 25% keinerlei beherrschenden Einfluss auf die Beschwerdeführerin gehabt. Bei einer Stimmgewichtung von unter 50% der Anteile sei weiter zu prüfen, ob die durchgeführte Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erfolge. Im gegenständlichen Fall sei Herr Sala Fello kontroll- und weisungsunterworfen gewesen. Die Bindung an den Arbeitsort ergebe sich aus der Natur des Betriebes. Die Arbeitszeit sei ihm konkret vorgegeben worden. Eine Vertretung sei weder vereinbar gewesen noch sei es je zu einer Vertretung gekommen. Es liege sohin ein Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 2 erster Satz ASVG vor.

2. Gegen diesen Bescheid der NÖGKK hat der damalige Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 27.05.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde ihre Feststellungen einzig auf die Angaben von Herrn XXXX stütze. Zwischen den Parteien sei niemals ein Dienstverhältnis gewollt gewesen. Herrn XXXX seien die 25% der Geschäftsanteile lediglich deshalb überlassen worden, weil er ausdrücklich als Selbständiger tätig werden wollte, wozu nach Auskunft des Steuerberaters eine 25%ige Beteiligung notwendig gewesen sei. Relativ bald habe sich Herr XXXX als Minderheitsgesellschafter angemaßt, die GmbH quasi im Alleingang zu führen und habe das Geschäft so betrieben, als würde es sich um ein Einzelunternehmen handeln. So habe er im Zeitraum 14.05.2013 bis 18.05.2013 das Lokal umgebaut und Betriebs- und Geschäftsausstattung angeschafft, ohne Zustimmung des Geschäftsführers. Weiters seien ohne Zustimmung des Geschäftsführers weitere Mitarbeiter angemeldet worden und habe Herr

XXXX eine Namensänderung der Lokale durchgeführt. Er habe Preise von Speisen und Getränken eigenmächtig geändert, Investitionen getätigt und Lieferanten gewechselt. Weisungen habe er zu keinem Zeitpunkt entgegengenommen. Herr XXXX habe diverse nicht genehmigte Abhebungen vom Geschäftskonto getätigt. Zusammenfassend sei auszuführen, dass Herr XXXX keinen Weisungen unterlegen sei, seine Arbeitszeit frei einteilen habe können, faktisch beherrschenden Einfluss auf die Beschwerdeführerin ausgeübt habe, wesentliche unternehmerische Entscheidungen allein getroffen habe und vollen Zugriff auf die Geschäftskonten gehabt habe. Er sei daher keinesfalls als Dienstnehmer zu qualifizieren.

3. Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 15.07.2016 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

4. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.07.2016 wurde dem damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin aufgetragen, die in der Beschwerde erwähnten Stellungnahmen von Mag. XXXX (Steuerberaterin der Beschwerdeführerin) vorzulegen.

5. Am 04.08.2016 übermittelte der damalige Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die Stellungnahme von Mag. XXXX vom 14.05.2016.

6. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.08.2016 wurde die Stellungnahme von Mag. XXXX vom 14.05.2016 an die NÖGKK übermittelt.

7. Am 26.08.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine mit 23.08.2016 datierte Stellungnahme der NÖGKK ein.

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.12.2016 wurde die Stellungnahme der NÖGKK vom 23.08.2016 dem damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin übermittelt.

9. Am 10.01.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein mit 09.01.2017 datiertes Schreiben der nunmehrigen Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein, in welcher ausgeführt wurde, dass die XXXX GmbH nicht mehr existiere und mit der XXXX GmbH als aufnehmender Gesellschaft verschmolzen worden sei. Die Firma der XXXX GmbH sei in weiterer Folge auf XXXX GmbH geändert worden.

10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.01.2017 wurde die Eingabe des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin vom 09.01.2017 an die NÖGKK übermittelt.

11. Am 17.01.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein mit 16.01.2017 datierter Schriftsatz der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein. Weiters wurde ein Konvolut an Unterlagen vorgelegt.

12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.02.2017 wurde die NÖGKK sowie Herr XXXX vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt.

13. Am 22.02.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein mit 17.02.2017 datiertes Schreiben des Herrn XXXX ein. Darin führte er aus, dass er als Dienstnehmer der Beschwerdeführerin Arbeitsleistungen erbrachte habe. Er sei als Kellner mit Inkasso beschäftigt gewesen. Die Behauptungen der Beschwerdeführerin werden zur Gänze bestritten. Des Weiteren wurde ein Konvolut an Urkunden vorgelegt.

14. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 15.12.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführerin mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter, Herr XXXX , Herr XXXX sowie Herr XXXX und ein Vertreter der belangten Behörde persönlich teilnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 13.01.2013 erfolgte die Gründung der XXXX GmbH. Herr XXXX war als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen. Herr XXXX war Gesellschafter der Beschwerdeführerin mit einem Anteil von 25% am Stammkapital. Er war Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität und ohne organschaftliche Funktion. Die Beschwerdeführerin betrieb am Standort XXXX einen Betrieb. Es wurden ein Eissalon und – ab Juni bis Mitte August 2013 – ein Restaurant betrieben. Der Entschluss, das Restaurant zu betreiben, wurde von Herrn XXXX mit Herrn XXXX , dem Vater des Herrn XXXX , welcher jedoch nicht bevollmächtigt war, besprochen.

Herr XXXX war bei Ausübung seiner Tätigkeit im Betrieb naturgemäß an den Standort der Beschwerdeführerin gebunden. Seine Tätigkeiten als Geschäftspartner des Herrn XXXX hat Herr XXXX teilweise von zuhause aus erledigt. Seine Arbeitszeit (Stundeneinsatz) hat er an die betrieblichen Erfordernisse selbständig und weisungsfrei angepasst. Er hat zwar Stundenaufzeichnungen geführt; diese Aufzeichnungen wurden jedoch von niemandem gegengezeichnet. Er hat seine eigenen Dienstpläne sowie die Dienstpläne der Mitarbeiter erstellt, hat die Anwesenheit der Mitarbeiter aufgeschrieben und Anwesenheitslisten geführt. Herr XXXX hat sämtliche für den Betrieb nötigen Bestellungen selbst gemacht.

Herr XXXX erhielt bei Ausübung seiner Tätigkeit keine Weisungen und wurde er nicht kontrolliert. Ihm wurde eine Verfügungsberechtigung über das Firmenkonto der Beschwerdeführerin eingeräumt. Herr XXXX hat von dieser Verfügungsberechtigung auch tatsächlich Gebrauch gemacht und hat sämtliche Zahlungen, die bei der Beschwerdeführerin angefallen sind, veranlasst, Überweisungen getätigt und Bankbehebungen durchgeführt. Zudem hat er die Gehälter der Mitarbeiter der Beschwerdeführerin persönlich in bar an die Mitarbeiter ausgezahlt. Herr XXXX hat sich von Mai bis August 2013 seine eigenen Überstunden "selbst ausgezahlt", das heißt er hat das Geld dafür selbst aus dem Firmenkonto entnommen.

Herr XXXX hat eigenständig Mitarbeiter eingestellt sowie den Namen des Betriebes geändert. Die Namensänderung hat er ausschließlich mit Herrn XXXX besprochen. Im Mai 2013 baute Herr XXXX den Betrieb ohne Zustimmung des Geschäftsführers, Herrn XXXX , um und schaffte Betriebs- und Geschäftsausstattung an. Im Juni und Juli 2013 wurden ohne Zustimmung des XXXX von Herrn XXXX Gartenmöbel angekauft. Weiters wurden von Herrn XXXX eine neue Markise sowie eine Eisvitrine bestellt. Er hat die Speisepläne für das Restaurant gemacht.

Während eines Zeitraums von ca. einem Monat, in welchem Herr XXXX aufgrund eines Burn-Outs nicht arbeitsfähig war, führte Herr XXXX den Betrieb allein und eigenständig weiter. Er hat die Endabrechnung am Abend gemacht, das Geld auf das Firmenkonto übertragen und Bestellungen getätigt.

Der Steuerberater der XXXX GmbH war zugleich der Steuerberater des Herrn XXXX

Eine persönliche Arbeitspflicht des Herrn XXXX konnte nicht festgestellt werden, es kam faktisch jedoch nicht zu Vertretungen des Herrn XXXX durch Dritte.

2. Beweiswürdigung:

Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie der mündlichen Beschwerdeverhandlung und wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Strittig ist, ob die festgestellte konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit des Herrn XXXX bei der Beschwerdeführerin als selbstständige Tätigkeit oder als unselbstständige Tätigkeit auf Basis eines Dienstvertrages rechtlich zu beurteilen ist, bzw. vom Überwiegen welcher Merkmale auszugehen ist und welchen dieser Merkmale entscheidende Bedeutung bei der Beurteilung der Tätigkeit des Herrn XXXX bei der Beschwerdeführerin zukommt.

Die Gründung der XXXX GmbH ist unstrittig; es ist jedoch beweiswürdigend festzuhalten, dass es unüblich erscheint, dass für eine "Kellnertätigkeit mit Inkassofunktion" – wie von Herrn Sala Fello vorgebracht - eine Gesellschaft gegründet wird.

Die Feststellung, wonach Herr XXXX Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität und ohne organschaftliche Funktion war, ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag zwischen Herrn XXXX und Herrn XXXX sowie aus dem Firmenbuch.

Die Feststellungen zu Arbeitszeit und Arbeitsort sowie die Feststellung, wonach Herr XXXX bei Ausübung seiner Tätigkeit keine Weisungen erhielt und nicht kontrolliert wurde, ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben des Herrn XXXX sowie des Herrn XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellung zu der Verfügungsberechtigung des Herrn XXXX über das Firmenkonto der Beschwerdeführerin ergibt sich ebenfalls aus den übereinstimmenden Angaben des Herrn XXXX sowie des Herrn XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus der Erklärung der Volksbank Wien vom 12.01.2017 (OZ 16).

Die Feststellung, wonach von Herrn XXXX Gartenmöbel angekauft worden seien, ergibt sich aus der diesbezüglichen Auftragsbestätigung (OZ 17).

Die Feststellung, wonach Herr XXXX während eines Zeitraums von ca. einem Monat, in welchem Herr XXXX aufgrund eines Burn-Outs nicht arbeitsfähig war, den Betrieb allein weitergeführt hat, ergibt sich ebenfalls aus den übereinstimmenden Angaben des Herrn XXXX sowie des Herrn XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. So führte Herr XXXX aus, dass der Betrieb leer gestanden wäre, wenn Herr XXXX nicht tätig geworden wäre.

Ein Vertretungsrecht wurde weder ausdrücklich vereinbart noch ausgeschlossen. In der mündlichen Verhandlung wurde von beiden Seiten nicht von der Inanspruchnahme eines Vertretungsrechtes ausgegangen. Ein solches wurde zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, es wurde aber stillschweigend von beiden Seiten davon ausgegangen dass ein solches nicht erforderlich sei. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine Vertretung faktisch nicht stattgefunden hat.

Beweiswürdigend ist abschließend festzuhalten, dass Herr XXXX selbst angab, dass er als Geschäftsmann tätig werden wollte. Die Geschäftsidee war darauf gegründet, gemeinschaftlich mit Herrn XXXX einen Betrieb zu führen. Herr XXXX bezeichnete Herrn XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mehrmals als seinen Geschäftspartner. Zudem war – wie oben festgestellt – der Steuerberater der XXXX GmbH unstrittig zugleich der Steuerberater des Herrn XXXX und erscheint es nicht üblich, dass ein Dienstnehmer einen eigenen Steuerberater hat, der ihn auch in sozialversicherungsrechtlichen Fragen berät.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. In der vorliegenden Angelegenheit wurde kein derartiger Antrag gestellt. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG unterliegen die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach gem. § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

Aufgrund der Bestimmungen des § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen, selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um 1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder 2. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen oder 3. Bezieher/innen von Geld- oder Sachleistungen nach dem Freiwilligengesetz.

Als Dienstgeber gilt gemäß § 35 ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht) geführt wird, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in den Dienst genommen hat, oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter anstelle des Entgelts verweist.

Für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert sind gemäß § 1 Abs. 1 AlVG Dienstnehmer, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind, (...) soweit sie in der Krankenversicherung auf Grund gesetzlicher Vorschriften pflichtversichert sind oder Anspruch auf Leistungen einer Krankenfürsorgeanstalt haben und nicht nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen versicherungsfrei sind.

Gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 ASVG stehen den Dienstnehmern im Sinne des ASVG Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen.

Persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit:

Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des VwGH vom 10.12.1986, Slg. Nr. 12.325/A) davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist. Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z.B. einer längeren Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder eines das Arbeitsverfahren betreffenden Weisungsrechtes des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgeblicher Bedeutung sein (vgl. z.B. VwGH 20.02.2008, 2007/08/0053).

Richtet sich die Arbeitszeit nach den bei der Leistungserbringung vorgefundenen äußeren Rahmenbedingungen, kann sie kein unterscheidungskräftiges Merkmal für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit sein (VwGH vom 22.12.2009, 2006/08/0317).

Die Bindung an die Arbeitszeit oder den Arbeitsort sind dann hinsichtlich des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung nicht unterscheidungskräftig, wenn sie sich gleichsam aus der Natur der Sache ergeben, ein selbständig Erwerbstätiger also ebensolchen Sachzwängen bei einer bestimmten Tätigkeit unterläge wie ein unselbständig Beschäftigter (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0186, mwN). In einem solchen Fall kommt anderen Merkmalen der Abgrenzung besondere Bedeutung zu, wie etwa der Kontrollbefugnis des Dienstgebers oder dem einzelnen gestalterischen Spielraum des Tätigen (VwGH vom 04.06.2008, 2006/08/0206).

Für den Beschwerdefall bedeutet das:

Herr XXXX war bei Ausübung seiner Tätigkeit im Betrieb naturgemäß an den Standort der Beschwerdeführerin gebunden. Seine Tätigkeiten als Geschäftspartner des Herrn XXXX hat Herr XXXX teilweise von zuhause aus erledigt. Seine Arbeitszeit (Stundeneinsatz) hat er an die betrieblichen Erfordernisse selbständig und weisungsfrei angepasst.

Den oben getroffenen Feststellungen folgend erhielt Herr XXXX bei Ausübung seiner Tätigkeit keine Weisungen und wurde er nicht kontrolliert. Von einer "stillen Autorität" des Dienstgebers ist in der Rechtsprechung (VwGH 2005/08/0051) dann die Rede, wenn die Überwachung im Sinne des Weisungs- und Kontrollrechtes des Dienstgebers von diesem nicht stets nach außen erkennbar ausgeübt wird, wie dies z.B. häufig bei leitenden Angestellten der Fall ist. Es muss aber für den Arbeitgeber zumindest die Möglichkeit der Ausübung des Weisungs- und Kontrollrechtes bestanden haben. Für die Annahme des Vorliegens einer "stillen Autorität des Dienstgebers" bedarf es daher der Feststellung von konkreten Anhaltspunkten, die zumindest einen Schluss auf das Vorliegen solcher Weisungs- oder Kontrollrechte zulassen. Dabei ist auch in Betracht zu ziehen, dass in Fällen in denen der Arbeitnehmer von sich aus weiß wie er sich im Betrieb des Dienstgebers zu bewegen und zu verhalten hat, in der Regel das Weisungsrecht überhaupt nicht zu Tage tritt, sondern nur in Form von Anhaltspunkten für Kontrollrechte erkennbar wird (Sonntag, § 4 ASVG, Rz 37 mwH).

Im gegenständlichen Fall unterlag Herr XXXX keinerlei Weisungen und wäre die Freiheit des Herrn XXXX äußerst ungewöhnlich für die Annahme eines (freien) Dienstverhältnisses. Auch sonst gab es keine Kontrollen, die eine Anwesenheit des Herrn XXXX durch eine "stille Autorität" herbeigeführt oder begründet hätten.

Persönliche Arbeitspflicht (Vertretungsbefugnis):

Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG (und damit für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis) ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG schon deshalb nicht vor (vgl. VwGH 25.04.2007, VwSlg. 17.185/A, VwGH 25.04.2013, Zl. 2013/08/0093; VwGH 15.04.2013, Zl. 2013/08/0124).

Die persönliche Arbeitspflicht fehlt einerseits dann, wenn dem zur Leistung Verpflichteten ein "generelles Vertretungsrecht" zukommt, wenn er also jederzeit nach Gutdünken beliebige Teile seiner Verpflichtung auf Dritte überbinden kann. Damit wird vor allem die Situation eines selbständig Erwerbstätigen in den Blick genommen, der - anders als ein letztlich nur über seine eigene Arbeitskraft disponierender (abhängig) Beschäftigter - im Rahmen einer unternehmerischen Organisation (oft werkvertragliche) Leistungen zu erbringen hat und dabei Hilfspersonal zum Einsatz bringt oder sich eines Vertreters (Subunternehmers) bedient (VwGH 24.04.2014, Zl. 2013/08/0258).

Die Vereinbarung eines Vertretungsrechts kann - unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) - die persönliche Arbeitspflicht nur dann ausschließen, wenn diese Befugnis entweder in der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich gelebt worden wäre oder wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ernsthaft damit hätten rechnen können, dass von der generellen Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden würde und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen im Widerspruch stünde (VwGH 17.10.2012, Zl. 2010/08/0256, mwN).

Im vorliegenden Fall bleibt die Frage nach einem Vertretungsrecht letztendlich unbeantwortet. Es wurde einerseits weder ausdrücklich vereinbart noch ausdrücklich ausgeschlossen. Grundsätzlich wäre eine Vertretung möglich gewesen, andererseits ist anzumerken, dass ein Vertretungsrecht in der Praxis nicht gelebt wurde und insofern auch nicht ausdrücklich vereinbart wurde. Es wurde von beiden Seiten nicht von der Inanspruchnahme eines Vertretungsrechtes ausgegangen. Die Vertretungsmöglichkeit wurde aber jedenfalls nicht dezidiert ausgeschlossen.

Aufgrund der angegebenen Fakten ist in einer Gesamtbetrachtung nicht von einer persönlichen Arbeitspflicht auszugehen.

Darüber hinaus ergibt das Gesamtbild ein eher unternehmerisches als dienstnehmerhaftes Verhältnis. Auch in der Gesamtschau der Kriterien gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist aufgrund eines Überwiegens der Freiheiten des Herrn XXXX sowie der Weisungsfreiheit von einer persönlichen Unabhängigkeit auszugehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Dienstverhältnis, Pflichtversicherung, Selbstständigkeit,
Weisungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W198.2130030.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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