TE OGH 2017/11/21 4Ob203/17g

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Veröffentlicht am 21.11.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Markenschutzsache der Antragstellerin A***** KG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Gewährung des Schutzes der internationalen Bildmarke IR 1169244, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. Juli 2017, GZ 133 R 37/17i-3, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Patentamts, mit dem dieses der Antragstellerin den Schutz für ihre internationale Bildmarke in Österreich zur Gänze verweigerte. Die Marke hat folgendes Aussehen:

Dem angemeldeten Zeichen für eine quadratische Folienverpackung in zweifärbiger Ausführung sei die originäre Unterscheidungskraft mit Blick auf die angemeldeten Waren der Klasse 30 (Zuckerwaren, Schokoladewaren, Feine Backwaren, insbesondere gefüllte Waffelschnitten) abzusprechen. Der Antragstellerin sei es auch nicht gelungen, den Nachweis der Verkehrsgeltung (auch nur) in Bezug auf den gesamten, nach Einschränkung noch relevanten Schutzumfang unter Beweis zu stellen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin, mit dem sie ihren Antrag auf Schutzgewährung – inzwischen eingeschränkt auf die Ware „gefüllte Waffelschnitten“ – weiter verfolgt, zeigt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

1. Ob eine Marke unterscheidungskräftig iSd § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ist, muss unter Berücksichtigung aller Tatumstände nach Maßgabe der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise beurteilt werden (RIS-Justiz RS0079038). Dabei kommt es wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an, sodass – grobe Fehlbeurteilungen ausgenommen – regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RIS-Justiz RS0121895).

Im Hinblick auf das Gebot richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG im Sinn des gleichlautenden Artikel 4 Abs 1 lit b der Richtlinie (EU) 2015/2436 (MarkenRL) ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (C-417/16P, August Storck KG), mit dem er die originäre Unterscheidungskraft der gleichartig gestalteten Form- und Bildmarke mit umfassender Begründung zu Art 7 Abs 1 lit b VO (EG) Nr 207/2009 (GMV) verneinte, maßgebend. Wenn die Vorinstanzen diese Beurteilung ihrer Entscheidung zugrundegelegt haben, stellt sich in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0117100).

2. Die Auffassung der Vorinstanzen erweist sich auch insoweit als nicht korrekturbedürftig, als sie den Nachweis erworbener Verkehrsgeltung als misslungen ansahen.

Dass der EuGH die Angabe „abstrakter“ Prozentsätze verweigerte, spricht nicht dagegen, die Entscheidung über die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft (Verkehrsgeltung, Verkehrsdurch-setzung) aufgrund des mit einer Umfrage ermittelten Kennzeichnungsgrades des strittigen Zeichens zu treffen. Es kann nur nicht von vornherein gesagt werden, dass ab einem bestimmten Kennzeichnungsgrad immer Unterscheidungskraft anzunehmen wäre. Vielmehr hängt das im Einzelfall davon ab, wie stark die originäre Unterscheidungskraft des Zeichens ausgeprägt ist (4 Ob 38/06a, Shopping City). Damit steht auch die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des EuGH (C-217/13, Oberbank) im Einklang (insbesondere Rz 43: „Das Unionsrecht verbietet es nicht, dass die zuständige Behörde, wenn sie auf besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Frage stößt, ob die Marke, deren Eintragung oder Ungültigerklärung beantragt wird, infolge Benutzungunterscheidungskraft erworben hat, diese Frage nach Maßgabe ihres nationalen Rechts durch eine Verbraucherbefragung klären lässt“).

Selbst wenn man im Sinn der Ausführungen der Antragstellerin einen Kennzeichnungsgrad von 34 % der Beurteilung zugrundelegt, erweist sich die Verneinung erworbener Verkehrsgeltung im Hinblick auf die geringe originäre Unterscheidungskraft des Zeichens (vgl EuGH C-417/16 P, August Storck KG, Rz 42: „commonplace“) unter Einbeziehung des behaupteten Marktanteils für die gekennzeichneten Produkte von (nur) 11 % als nicht korrekturbedürftig. Zu dem nach der Rechtsprechung gleichfalls zu berücksichtigenden Werbeaufwand (vgl 4 Ob 38/06h, Shopping City) führt die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs nichts aus.

3. Da sowohl die originäre als auch die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft selbst in Bezug auf die eingeschränkte Warengattung „gefüllte Waffelschnitten“ im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtsprechung verneint wurde, kommt den weiteren von der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der Auffassung des Rekursgerichts, eine eingeschränkte Betrachtung bloß mit Bezugnahme auf „gefüllte Waffelschnitten“ sei unzulässig, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen aus (4 Ob 120/17a; RIS-Justiz RS0088931).

Schlagworte

Waffelverpackung,

Textnummer

E120300

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00203.17G.1121.000

Im RIS seit

11.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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