Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W***** F*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloss und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei G*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Franz Müller, Rechtsanwalt in Krems, wegen 25.101,60 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Mai 2017, GZ 13 R 3/17g-16, womit das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 9. November 2016, GZ 6 Cg 57/16s-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger betreibt in der von ihm gemieteten Eigentumswohnung eine ärztliche Ordination. Die beklagte Partei ist Wohnungseigentümerin einer angrenzenden Eigentumswohnung. Die beklagte Partei hat die Wohnhausanlage errichtet und das vom Kläger gemietete Objekt an die Eigentümerin jener Wohnung verkauft, in der der Kläger die Ordination betreibt.
Im Jänner 2015 führte ein Schaden in der Fernwärmeübergabestation (Wohnungsstation) in der Wohnung der beklagten Partei zum Austritt von Wasser, wodurch ua in der vom Kläger gemieteten Wohnung Wasserschäden entstanden sind. Dieser Wärmetauscher ist Bestandteil einer Fernwärmeanlage. Ein solcher Wärmetauscher befindet sich in jeder Eigentumswohnung der Wohnhausanlage. Die Funktion dieses Wärmetauschers besteht darin, dass das von der Fernwärme gelieferte Wasser bzw die darin gespeicherte Wärme an den Heizkreislauf der betreffenden Wohnung übertragen wird. Es handelt sich nicht um einen allgemeinen Teil des Hauses, sondern um einen Bestandteil der jeweiligen Eigentumswohnung.
Der Kläger begehrt wegen des Wasserschadens 25.101,60 EUR an Schadenersatz und stützte sich dabei – für das Revisionsverfahren noch von Relevanz – auf die analoge Anwendung des § 364a ABGB.
Das Erstgericht sprach mit seinem Teil- und Zwischenurteil aus, dass das Begehren von 6.245,60 EUR sA (Kosten des Aus- und Einräumens) dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es verneinte mangels ausreichender Tatsachenbehauptungen eine Haftung nach § 1318 ABGB (worauf der Revisionswerber nicht mehr zurückkommt), ging aber von einer Haftung nach § 364a ABGB analog aus. Ungeachtet des Umstands, dass seiner Meinung nach keine überzeugende Begründung für eine verschuldensunabhängige Haftung nach § 364a ABGB analog vorliege, bejahte das Erstgericht eine solche Haftung wegen der von der überwiegenden Rechtsprechung geteilten Meinung.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im abweisenden Sinn ab. In Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sei eine Haftung analog § 364a ABGB zu verneinen. Die Rechtsprechung verlange einen Sachzusammenhang zwischen der Schädigung und der Verfügungsmacht des Eigentümers. Der Kläger habe das Bestehen einer besonderen Gefahrensituation, die den Eintritt eines Schadens kalkulierbar gemacht hätte, nicht behauptet. Allein der Umstand, dass es durch einen Schaden in der dem Objekt der beklagten Partei zugeordneten Wohnungsstation zu einem Wassereintritt in das vom Kläger gemietete Objekt und dadurch zu Schäden des Klägers gekommen sei, führe nicht zur Haftung des beklagten Wohnungseigentümers analog § 364a ABGB. Nicht einmal nach § 1318 ABGB begründe ein Wasserrohrbruch ohne weiters eine verschuldensunabhängige Haftung des Wohnungsinhabers. Es müssten vielmehr Umstände vorliegen, die auf die mögliche Gefahr eines Wassereintritts hinwiesen.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Nachträglich änderte es seinen Zulässigkeitsausspruch auf Antrag des Klägers ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es bedürfe einer Klarstellung, ob eine Wohnungsstation ein kalkulierbares Risiko sei und ob ein Alleineigentümer als späterer Wohnungseigentümer für die von ihm vor Begründung des Wohnungseigentums veranlassten Maßnahmen wegen § 364a ABGB hafte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine solche Rechtsfrage ausgeführt.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die beklagte Partei dem Kläger nach § 364a ABGB (analog) haftet.
2. Eine analoge Anwendung von § 364a ABGB wird von der Rechtsprechung in ähnlichen Fällen zum Teil verneint (vgl etwa 6 Ob 2323/96b [Rauchentwicklung bei Zentralheizungsanlage]; 7 Ob 193/11z [Wasserrohrbruch]), zum Teil bejaht (1 Ob 28/82 = SZ 55/172 [Rohrbruch der Ammoniakzuleitung zu einer Kunsteisbahn]; 1 Ob 48/87 = SZ 60/265 [Wasserrohrbruch]; darauf Bezug nehmend: 8 Ob 48/07b und 5 Ob 82/13i [jeweils Wasserrohrbruch]), wobei in einigen Entscheidungen zu § 364a ABGB eine Haftung selbst dann bejaht wird, wenn – wie hier – keine behördliche Genehmigung einer Anlage vorliegt (5 Ob 3/99y; RIS-Justiz RS0111420; aA aber etwa 6 Ob 239/98k; 6 Ob 180/05x).
3. Der Umstand, dass die Rechtsprechung im Zusammenhang mit einer allfälligen analogen Anwendung von § 364a ABGB nachbarrechtliche Haftungsfragen im Allgemeinen und im Besonderen auch bei Schäden, die durch Wasseraustritte, eine Heizungsanlage oder durch ähnliche Ursachen ausgelöst wurden, unterschiedlich beurteilt, begründet im Anlassfall nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels.
4. Selbst wenn man nämlich zugunsten des Klägers jene Rechtsprechung heranzieht, die eine analoge Anwendung des § 364a ABGB bei einem vom Nachbargrundstück (von der Nachbarwohnung) ausgelösten Wasserschaden auch dann bejaht, wenn keine behördliche Bewilligung vorliegt, hat das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Voraussetzungen im Anlassfall vertretbar verneint.
5. Dieser Judikatur liegt nämlich die Überlegung zugrunde, dass der geschädigte Nachbar der Schadensgefahr ausgeliefert und der Eintritt des Schadens für den Haftpflichtigen ein kalkuliertes Risiko war, das er zu seinem Nutzen eingegangen ist (5 Ob 3/99y; 2 Ob 193/01y; RIS-Justiz RS0111420). Neben der Nutzziehung ist daher auch die besondere Gefährlichkeit maßgebliches Kriterium einer auf § 364a ABGB gestützten nachbarrechtlichen Gefährdungshaftung (5 Ob 130/00d). Durch die Herstellung einer Anlage muss somit eine besondere Gefahrensituation geschaffen worden sein, die auch für den, der die Anlage herstellt oder durch einen Dritten herstellen lässt, Schadensfolgen zumindest objektiv kalkulierbar macht (1 Ob 48/87 = SZ 60/265; 1 Ob 39/90 = SZ 64/3; 10 Ob 33/00a; 1 Ob 196/06i; RIS-Justiz RS0010448 [T3]). Um eine reine Erfolgshaftung und damit eine uferlose Haftungsausweitung zu vermeiden, wird in diesen Fällen die objektive Vorhersehbarkeit der Schadensfolgen durch den Schädiger für erforderlich erachtet (1 Ob 196/06i).
6. Ob aber eine Gefahrensituation für den, der sie herbeiführt, objektiv erkennbar ist (was vom Geschädigten zu behaupten und zu beweisen ist, vgl 2 Ob 193/01y), kann nur anhand des Einzelfalls beurteilt werden (9 Ob 225/02g; RIS-Justiz RS0010668 [T12]; vgl auch 1 Ob 196/06i). Das Berufungsgericht hat das klägerische Prozessvorbringen, auf dem der eingangs referierte unstrittige Sachverhalt basiert, dahin ausgelegt, dass im Anlassfall durch das Bestehen der Fernwärmeübergabestation keine besondere Gefahrensituation bestanden hätte, die den Eintritt eines Schadens kalkulierbar gemacht hätte (zu § 502 ZPO bei Auslegung des Prozessvorbringens siehe RIS-Justiz RS0042828; vgl auch zur Behauptung einer Gefährdung: RIS-Justiz RS0005103). Es handelt sich dabei jedenfalls um keine krasse Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung bedarf.
7. Damit kommt es für die Prüfung des § 364a ABGB auch nicht darauf an, ob die beklagte Partei als frühere Alleineigentümerin die Errichtung der Fernwärmeübergabe-
station veranlasst hat.
8. Da die Revisionswerberin auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, erweist sich ihre Revision als unzulässig. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Textnummer
E120301European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00200.17S.1121.000Im RIS seit
11.01.2018Zuletzt aktualisiert am
29.05.2018