TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/16 97/21/0482

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Veröffentlicht am 16.06.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des J in Waldhausen, geboren am 16. Jänner 1967, vertreten durch Dr. Hubert Maier, Rechtsanwalt in 4310 Mauthausen, Bahnhofstraße 138, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. Juni 1996, Zl. St 245/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 15, 17 und 19 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen wie folgt: Der Beschwerdeführer halte sich seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens (am 28. September 1993) insofern rechtswidrig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, als ihm seit diesem Zeitpunkt weder ein Sichtvermerk noch eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei. Eine etwaige vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz (gemeint: Asylgesetz) sei ihm nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens zugekommen. In Anbetracht seiner persönlichen Situation werde durch die Ausweisung sicherlich in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Der Beschwerdeführer sei am 16. September 1991 nach Österreich eingereist. Seit dem 28. September 1993, somit seit ca. zweieinhalb Jahren, sei dieser Aufenthalt unrechtmäßig. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt nach und trotz rechtskräftiger Abweisung des Sichtvermerksantrages oder Antrages nach dem Aufenthaltsgesetz gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß, die Ausweisung sei demnach zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Während des Laufes eines Verfahrens nach dem Aufenthaltsgesetz - der Beschwerdeführer habe drei als Erstanträge zu wertende Anträge nach diesem Gesetz gestellt - sei kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet gegeben. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben würden, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen; desgleichen, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte.

Der Verfassungsgerichtshof trat die an ihn gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab (Beschluss vom 23. September 1996, B 2379/96).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die Aufhebung des Bescheides.

Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung

einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zu Grunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde. Die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.

Die Beschwerde lässt die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid hegt der Gerichtshof gegen die darauf gestützte Ansicht der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben sei, keinen Einwand.

Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid indes im Grund des § 19 FrG, indem sie auf die Integration des Beschwerdeführers mit seiner insgesamt sechsköpfigen Familie in Österreich verweist. Sie wirft der belangten Behörde vor, die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers nicht erhoben und keine zureichende Interessenabwägung vorgenommen zu haben.

Gemäß § 58 Abs. 2 und § 60 iVm § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1999, Zl. 97/21/0478).

Diesen Erfordernissen entspricht der angefochtene Bescheid nicht.

§ 19 FrG verpflichtet die Behörde im Fall einer beabsichtigten Ausweisung zur Prüfung, ob - falls durch die Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde - diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung des Beschwerdeführers aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung einen hohen Stellenwert eingeräumt hat. Er lässt jedoch Feststellungen vermissen, die eine Beurteilung zuließen, mit welcher Intensität durch die Ausweisung in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen würde. Diesbezüglich beschränkte sich die belangte Behörde auf folgende Ausführung: "In Anbetracht Ihrer persönlichen Situation wird durch die Verfügung der Ausweisung sicherlich in Ihr Privat- und Familienleben eingegriffen." Die belangte Behörde wäre vor Durchführung der gesetzlich gebotenen Interessenabwägung verpflichtet gewesen, die privaten und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers festzustellen, zumal dieser schon in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf seine familiären Verhältnisse und in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid auf seine insgesamt sechsköpfige in Österreich aufhältige Familie hingewiesen hatte. In Ermangelung ausreichender Feststellungen kann nicht geprüft werden, welchen Sachverhalt die belangte Behörde der nach § 19 FrG vorgenommenen Interessenabwägung zu Grunde gelegt hat und ob diese Beurteilung in rechtmäßiger Weise erfolgt ist.

Die Relevanz dieses Verfahrensmangels ist gegeben, weil angesichts der Behauptungen des Beschwerdeführers betreffend seine familiäre Situation in Verbindung mit seinem Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 1991 nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die Beurteilung nach § 19 FrG zu seinen Gunsten ausschlägt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Juni 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997210482.X00

Im RIS seit

22.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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