Entscheidungsdatum
23.05.2017Index
66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
ASVG §4 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Fegerl über die Beschwerde des Finanzamtes Wien für die Bezirke ..., Finanzpolizei Team ..., vom 20.6.2016 gegen den an Herrn I. G. gerichteten Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 12.5.2016, Zahl MBA … - S 11903/16, betreffend Einstellung des Strafverfahrens wegen des Vorwurfes einer Übertretung des § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung am 31.3.2017 (Datum der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses), zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Amtsbeschwerde gegen den Einstellungsbescheid Folge gegeben, die Einstellung aufgehoben und der Mitbeteiligte Herr I. G. folgender Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und folgende Strafe verhängt:
Sie haben es als unbeschränkt haftender Gesellschafter und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der K. KG mit Sitz in Wien, K.-straße, zu verantworten, dass es diese Gesellschaft als Dienstgeberin bis 18.2.2016 unterlassen hat, den von ihr in der Zeit von 21.1.2016 bis 18.2.2016 beschäftigten, nach dem ASVG pflichtversicherten Herrn J. M., geb. am ... 1992, vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.
Wegen dieser Übertretung des § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG idF BGBl. I Nr. 31/2007 iVm § 9 Abs. 1 VStG wird über den Beschuldigten Herrn I. G. gemäß § 111 Abs. 2 zweiter Strafsatz ASVG idF BGBl. I Nr. 31/2007 eine Geldstrafe von € 2.180,--, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen, verhängt. Die K. KG haftet gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die Geldstrafe zur ungeteilten Hand.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit dem an den Beschuldigten gerichteten Bescheid der belangten Behörde vom 12.5.2016 wurde gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich des Vorwurfes:
Sie haben es als unbeschränkt haftender Gesellschafter und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der K. KG mit Sitz in Wien, K.-str., das ist der Ort, von dem aus die erforderlichen Meldungen zu erstatten gewesen wären, zu verantworten, dass es diese Gesellschaft als Dienstgeberin bis 18.02.2016 um 10:58 Uhr unterlassen hat, die von ihr in der Zeit von 01.01.2016 bis 18.02.2016 in Wein, K.-str., beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person.
M. J., geb.: ... 1992
vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, wobei die Anmeldeverpflichtung so erfüllt hätte werden können, dass die Dienstgerberin in zwei Schritten meldet, und zwar vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummern, Namen und Versicherungsnummern, bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung), weil die Dienstgeberkontonummern, die Namen und die Versicherungsnummern, bzw. die Geburtsdaten der oben angeführten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme vor Arbeitsantritt nicht dem zuständigen Krankenversicherungsträger gemeldet worden waren.
Verwaltungsübertretung nach:
§ 33 Abs. 1 ASVG iVm § 111 Abs. 1 Z 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 in der geltenden Fassung
abgesehen und die Einstellung verfügt. Diese wurde damit begründet, dass keine Untersagung der Beschäftigung durch die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices gemäß § 32a Abs. 8 AuslBG vorliege und daher nicht von einer unzulässigen Beschäftigung iSd AuslBG – die auch eine entsprechende Anmeldung als Arbeitnehmer zur Sozialversicherung erfordere – auszugehen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Beschwerde der Abgabenbehörde (Amtspartei). In dieser brachte die Amtspartei im Wesentlichen vor, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine bewilligungspflichtige Beschäftigung vorliege, der wahre wirtschaftliche Gehalt, nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend sei und es sich demnach bei der von Herrn J. M. durchgeführten Tätigkeit um eine unselbständige handle.
1.2. Die Amtsbeschwerde wurde dem Beschuldigten (im Folgenden auch: BE) zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geboten.
Das Verwaltungsgericht Wien holte Auskünfte aus dem Strafregister des Magistrates der Stadt Wien, dem Firmenbuch, dem Zentralen Melderegister und vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger ein.
Am 23.3.2017 und 31.3.2017 führte das Verwaltungsgericht Wien im Beisein eines Vertreters der Amtspartei (im Folgenden auch kurz: FV) eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der BE als Partei und Herr Ka. H., Frau Ma. G. sowie Herr J. M. als Zeugen einvernommen wurden.
Die Aussagen sind in dem zum Parallelverfahren wegen Übertretung des AuslBG ergangenen hg. Erkenntnis vom 18.5.2017, Zl. VGW-041/002/8186/2016-1, im Einzelnen wiedergegeben.
2.0. Das Verwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Das gegenständlich Strafverfahren geht auf eine Anzeige (Strafantrag) der Amtspartei (Finanzamt Wien ...) vom 2.3.2016 zurück, die auf Grund einer am 18.2.2016, im Betrieb der K. KG (im Folgenden auch kurz: KG), in Wien, K.-straße, durchgeführten Kontrolle erstattet wurde. Beim Betreten der Werkstatt sei Herr J. M. mit dem Zusammenkehren der Werkstatt beschäftigt gewesen. Ihm sei ein Personenblatt in kroatischer/deutscher Sprache vorgelegt worden, auf welchem er angegeben habe, seit etwa zwei Monaten selbständig für die K. KG tätig zu sein und dort von Montag bis Samstag von 08:00 bis 18:00 Uhr zu arbeiten. Der (später zur Kontrolle hinzugekommene) BE habe angegeben, dass die Firma erst seit zwei Monaten bestehe und Herr J. M. der Kommanditist sei. Telefonisch habe die Steuerberaterin der K. KG mitgeteilt, dass deren Gesellschaftsvertrag nur mündlich vereinbart worden sei. Auf Grund der Erhebungen bestehe der Verdacht der Übertretung des ASVG infolge einer Beschäftigung mit falscher Anmeldung zu einem Sozialversicherungsträger des Herrn J. M. im Betrieb der K. KG.
Laut Auskunft aus dem Strafenregister des Magistrats der Stadt Wien war über den BE bereits eine Strafe (in der Höhe von Euro 1.540,--) wegen einer früheren Übertretung des § 33 ASVG verhängt worden.
Die Eintragung der K. KG erfolgte laut Firmenbuchauszug am 19.12.2015, seither vertritt der BE diese selbständig als (einziger) unbeschränkt haftender Gesellschaft. Herr J. M. ist lediglich Kommanditist und als solcher mit einer Haftsumme von Euro 1.000,-- an der Gesellschaft beteiligt.
Laut Sozialversicherungsdatenauszug ist Herr J. M. seit 21.1.2016 bei der SVA gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG als gewerblich selbständig Erwerbstätiger gemeldet. Laut ZMR ist Herr M., ein kroatischer Staatsangehöriger, seit 8.10.2015 mit Hauptwohnsitz in Wien angemeldet.
2.2. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:
Herr J. M., geb. ... 1992, ist kroatischer Staatsbürger. Er wurde bei der Kontrolle am 18.2.2016 im Betrieb der K. KG in Arbeitskleidung beim Zusammenkehren der Werkstatt, also arbeitend an einem Arbeitsplatz des Unternehmens der K. KG, angetroffen. Er zeigte sich über die konkreten Firmenverhältnisse der K. KG sowie deren wirtschaftliche Verhältnisse weitgehend uninformiert und war im Betrieb von Montag bis Freitag von 08:00 bis 18:00 Uhr sowie samstags von 08:00 bis 13:00 Uhr tätig. Herr J. M. hat für seine Arbeitsleistung – das Arbeiten an Autos, Reinigen der Werkstatt etc. – regelmäßig Entgelte (Geldbeträge) aus Firmengeldern (in der Regel über den BE) in bar erhalten, die er jedoch selbst größenordnungsmäßig nicht im Einzelnen beziffern konnte oder wollte. Herr J. M. ist als Kommanditist im Firmenbuch eingetragen und hat eine Geldeinlage in der Höhe von Euro 1.000,-- geleistet. Einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt es nicht. Herr M. hat arbeitnehmertypische Tätigkeiten im Betrieb der KG verrichtet, war während der Öffnungszeiten von Montag bis Samstag im Betrieb anwesend und zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet.
Aufgrund der Beweisergebnisse ist hingegen nicht erkennbar und nicht glaubhaft, dass Herr M. maßgeblich auf die Führung der K. KG einwirken konnte. Auch nach dem – bei der Einvernahme des BE einerseits und der Befragung des Zeugen M. andererseits gewonnen – unmittelbaren persönlichen Eindruck blieb unzweifelhaft, dass der BE die für die Betriebsführung allein maßgebliche, voll informierte und nach außen (für Betriebsmittel, Einkäufe, gegenüber Bank und Steuerberater) auftretende Person war, und Herr M. in dem vom BE dominierten Betrieb in einem Unterordnungsverhältnis (organisatorisch eingegliedert und nach dem Willen des BE) tätig war. Auch gesellschaftsrechtlich ist es keineswegs typisch, dass ein Kommanditist maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung hat. Werden untypischer Weise einem Kommanditisten solche Rechte eingeräumt, so wäre zu erwarten, dass diesbezüglich eine schriftliche Vereinbarung der Gesellschafter getroffen wird. Eine solche konnte aber im gegenständlichen Fall nicht vorgelegt werden und es existiert offenbar auch kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag.
Diese Feststellungen gründen sich auf das durchgeführte Beweisverfahren, insbesondere auf die Anzeige der Amtspartei (samt Beilagen) und die Aussage des Zeugen H. sowie zum Teil auch auf die Angaben des BE und die vage Aussage des Zeugen M., der uninformiert, hinhaltend und unaufrichtig wirkte und erkennbar bemüht war, den wahren Sachverhalt zu verschweigen. Über die gesellschaftsrechtlichen Hintergründe sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der K. KG und seine faktische Stellung im Unternehmen konnte der Zeuge M. keine oder nur sehr vage Angaben machen. Auch die konkreten Vereinbarungen mit dem BE vermochte der Zeuge nicht zu beschreiben.
Den beredten Ausführungen des BE ist hinsichtlich des wahren wirtschaftlichen Gehaltes der Tätigkeit des Herrn M. zu entnehmen, dass der BE seinen Vorgängerbetrieb (mit dem er bereits mehrfach beanstandet worden war) personell anders organisieren wollte und sich dazu einen jungen Mechaniker (Herrn M.) aus Kroatien holte, den er als Kommanditisten mit einer Einlage von Euro 1.000, -- in die neue Gesellschaft (KG) nahm und dem er je nach den Einnahmen einen 20%igen Anteil an den zu erwartenden Erträgen überließ. Nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt und den tatsächlichen Umständen stellt sich die Verwendung des Kommanditisten in der K. KG als Umgehung der ausländerbeschäftigungs- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen dar.
2.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes – VStG lauten auszugsweise wie folgt:
Besondere Fälle der Verantwortlichkeit
§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
[…]
(7) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
[…]
Gemäß § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes –ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Die übrigen, maßgeblichen Bestimmungen des ASVG in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl. I Nr. 31/2007 lauten auszugsweise wie folgt:
Meldungen und Auskunftspflicht
An- und Abmeldung der Pflichtversicherten
§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab) meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
[…]
Strafbestimmungen
Verstöße gegen melderechtliche Vorschriften
§ 111. (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder nach § 42 Abs. 1 auskunftspflichtige Person oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet […]
(2) Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar
– mit Geldstrafe von 730 € bis zu 2 180 €, im Wiederholungsfall von 2 180 € bis zu 5 000 €,
– bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen […]
Grundsätze der Sachverhaltsfeststellung
§ 539a. (1) Für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.
(2) Durch den Mißbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes können Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden.
(3) Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre.
[…]
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgeführt, es sei keineswegs ausgeschlossen, dass ein an der Geschäftsführung nicht beteiligter Kommanditist in einem Verhältnis wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit zur Gesellschaft als Dienstgeberin beschäftigt sei und daher auch der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 ASVG unterliege. Eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG komme hingegen nur in Frage, wenn auf Grund der jeweiligen Tätigkeit nicht bereits eine anderweitige Pflichtversicherung „nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz“ eingetreten sei. Es sei daher auch beim Kommanditisten mit Arbeitsverpflichtung zu prüfen, ob es sich um eine Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit handle (vgl. E VwGH 2.5.2012, Zl. 2010/08/0083 ua.).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist für den Fall, dass jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. E VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/08/0214; 15.10.2009, Zl. 2009/09/0195; 23.4.2003, Zl. 98/08/0270). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte. Dabei trifft die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes und über die oben erwähnte Darlegungspflicht hinaus - eine entsprechende Mitwirkungspflicht. Es ist in diesen Fällen daher Sache der Partei, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. z.B. E VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/08/0165).
2.4. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus Folgendes:
Der Magistrat der Stadt Wien stellte gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG das gegen den BE geführte Strafverfahren ein, weil keine Untersagung gemäß § 32a Abs. 8 AuslBG vorgelegen habe und daher von keiner unzulässigen Beschäftigung auszugehen sei, die eine Anmeldung als Arbeitnehmer zur Sozialversicherung erfordert hätte. Diese Begründung ist im gegenständlichen Zusammenhang (hinsichtlich der Frage, ob eine Versicherungs- und Meldepflicht nach dem ASVG bestand) schon grundsätzlich verfehlt. Im Übrigen steht aber eine Unterlassung der Untersagung gemäß § 32a Abs. 8 AuslBG auch der Bestrafung einer unerlaubten Beschäftigung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG nicht entgegen (vgl. E VwGH 17.2.2015, Zl. Ra 2014/09/0016). Dass (aus welchem Grund auch immer) keine Untersagung erfolgte, bedeutet nicht, dass keine unberechtigte Beschäftigung des Gesellschafters vorlag. Die Eintragung des Kommanditisten (M.) im Rahmen der Eintragung der KG wurde vom Firmenbuchgericht nicht an das AMS gemeldet (dies wurde seitens des Firmenbuchgerichtes auf Anfrage des Verwaltungsgerichtes mitgeteilt). Dazu sei angemerkt, dass bei der Eintragung eines Kommanditisten auch nicht von vornherein Grund zu Annahme besteht, dass der Gesellschafter Arbeitsleistungen iSd § 2 Abs. 4 AuslBG für die Gesellschaft erbringt.
Herr J. M. – eingetragener Kommanditist der K. KG – wurde im Betrieb der Gesellschaft bei arbeitnehmertypischen untergeordneten Hilfstätigkeiten wahrgenommen. Nach der bereits erwähnten Judikatur des VwGH ist es keineswegs ausgeschlossen, dass ein Kommanditist in einem Verhältnis wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit zur Gesellschaft als Dienstgeberin beschäftigt ist (vgl. E VwGH 2.5.2012, Zl. 2010/08/0083 ua.). Aus der Eintragung bzw. Rolle als Kommanditist ergibt sich üblicherweise kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung der KG.
Im gegebenen Zusammenhang sei auch angemerkt, dass gemäß § 164 UGB Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen sind; sie können einer Handlung der unbeschränkt haftenden Gesellschafter nicht widersprechen, es sei denn, dass die Handlung über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft hinausgeht und gemäß § 170 UGB ist der Kommanditist als solcher nicht befugt, die Gesellschaft zu vertreten. Dass die bloße Beteiligung als Kommanditist keine Unternehmereigenschaft begründet, besagt ebenso die Entscheidung des OGH, Zl. 4 Ob 294/01s vom 29.01.2002.
Ein Kommanditist haftet nur mit einer bestimmten Vermögenseinlage für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die Beteiligung des Kommanditisten besteht in der Regel darin, dass er der Gesellschaft seine finanziellen Einlagen zur Verfügung stellt. Im Regelfall ist ein Kommanditist sowohl von der Geschäftsführung als auch von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen, es steht ihm lediglich ein Kontrollrecht zu.
Entsprechend der sozialversicherungsrechtlichen Judikatur des VwGH (vgl. die Erkenntnisse vom 11.09.2008, Zl. 2006/08/0041, und vom 10.6.2009, Zl. 2007/08/0142) ist folgerichtig davon auszugehen, dass Kommanditisten die im Unternehmen einer „aktiven Betätigung“, die auf Einkünfte gerichtet ist, nachkommen, pflichtversichert sein sollen, nicht aber Kommanditisten, die nur „ihr Kapital arbeiten lassen“, d.h. sich im Wesentlichen auf die gesetzliche Stellung eines Kommanditisten beschränken.
Wird sohin von einem Kommanditisten ein Arbeitseinsatz (entgeltlich) erbracht, der über sein Kontrollrecht und seine Kontrolltätigkeit hinausgeht und der üblicherweise in einem Dienstverhältnis geleistet wird, so wird er idR als Dienstnehmer anzusehen sein.
Ein allfälliger – der eben erwähnten Annahme entgegenstehender – beherrschender Einfluss des Kommanditisten auf die K. KG, der über sein Kontrollrecht und seine Kontrolltätigkeit hinausgeht, wäre lediglich in einem atypischen Gesellschaftsvertrag erkennbar. Da ein solcher schriftlich nicht vorliegt und Herr J. M. laut Firmenbuch mit einer Summe von (nur) Euro 1.000,-- haftet, liegt die Annahme nahe, dass diesem nur eine geringe Beteiligung an der KG bzw. ein sehr beschränkter Einfluss auf die KG zukommt.
Aus der Stellung als Kommanditist ergibt sich – wie gesagt – idR kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung der KG. Dass Herrn J. M. ein solcher maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung der K. KG eingeräumt wurde, konnte weder durch eine schriftliche Vereinbarung oder einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag belegt werden, noch schien solches auf Grund der Angaben des Herrn J. M. glaubhaft. Insbesondere zeigte sich dieser über die konkreten Firmen- und Betriebsverhältnisse weitgehend uninformiert. Er hielt sich offenbar an fixe Arbeitszeiten und war zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet, wofür er laufende Entgelte aus Firmengeldern erhielt, die betragsmäßig weder vom BE noch von Herrn M. im Einzelnen beziffert werden konnten (aus den Angaben lässt sich auf monatliche Beträge zwischen 100,-- und 500,-- Euro schließen). Aus der bei der Kontrolle vorgefundenen Situation und aufgrund der oben getroffenen Feststellungen ist anzunehmen, dass nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt die K. KG im Wesentlichen vom BE allein gesteuert wurde und Herr J. M. (jedenfalls von 21.1.2016 bis 18.2.2016) in einem Unterordnungsverhältnis im Betrieb der K. KG entgeltlich verwendet wurde. Herr J. M. wurde daher von der K. KG iSd § 4 Abs. 2 ASVG in einem Verhältnis (zumindest überwiegender) persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt, war also Dienstnehmer der K. KG (Dienstgeberin iSd § 35 ASVG) und gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG nach dem ASVG pflichtversichert.
Der BE hat als einziger unbeschränkt haftender Gesellschafter der K. KG gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, dass Herr J. M. nicht gemäß § 33 Abs. 1 ASVG vor Arbeitsantritt beim zuständigen Versicherungsträger angemeldet wurde. Somit hat der BE den objektiven Tatbestand des § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG verwirklicht.
Bei diesem Delikt handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt. Bei solchen Delikten obliegt es gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG dem Beschuldigten, ein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung geeigneter Beweismittel bzw. die Stellung entsprechender konkreter Beweisanträge. Der BE hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm im konkreten Fall die Einhaltung der übertretenen Verwaltungsnorm nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre. Es besteht für den Arbeitgeber bzw. für dessen verantwortlichen Vertreter die Verpflichtung, sich auch mit den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften vertraut zu machen und auf dem Laufenden zu halten. Bestehen etwa über die Sozialversicherungspflicht Zweifel, so ist der Verantwortliche des Arbeitgebers verpflichtet, Auskünfte bei der zuständigen Behörde (WGKK) einzuholen. Auf die Auskunft von Rechtsanwälten oder Steuerberatern oder der Wirtschaftskammer allein darf sich der Arbeitgeber jedenfalls nicht verlassen (vgl. E VwGH 23.11.2005, Zl. 2004/09/0168). Im Übrigen hätte der BE bei Anwendung der gebotenen und ihm ohne weiteres zumutbaren Aufmerksamkeit und Sorgfalt auch bei laienhafter Betrachtung (die meist dem wirtschaftlichen Gehalt entspricht) unschwer erkennen können und müssen, dass Herr M. im Unternehmen der (vom BE allein vertretenen) Gesellschaft nicht als Selbständiger bzw. gleichberechtigter Chef/Geschäftspartner arbeitet, sondern arbeitnehmertypisch in Unterordnung und Eingliederung (in die vom BE vorgegebenen Betriebsstruktur) tätig wird und daher als Dienstnehmer zur Sozialversicherung anzumelden ist. Da der BE nicht (iSd § 5 Abs. 1 VStG) glaubhaft machen konnte, dass ihn hinsichtlich der tatbildlichen Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, ist auch der subjektive Tatbestand (in Form zumindest fahrlässigen Verschuldens) als verwirklicht anzusehen.
Der Beschwerde der Amtspartei gegen die Verfahrenseinstellung der belangten Behörde war somit Folge zu geben und der BE der aus dem Spruch ersichtlichen Übertretung des ASVG schuldig zu erkennen.
2.5. Zur Strafbemessung ist auszuführen:
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die gegenständliche Strafdrohung dient dem Interesse an der fristgerechten Erstattung der nach dem ASVG vorzunehmenden Meldungen und damit auch der rechtzeitigen sozialen Absicherung der betreffenden Arbeitskraft sowie der ordnungsgemäßen Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge. Die gegenständliche Tat schädigte bzw. gefährdete das öffentliche Interesse an der fristgerechten Anmeldung von Arbeitnehmern beim zuständigen Träger der Krankenversicherung und an der damit verbundenen rechtzeitigen sozialen Absicherung des Arbeitnehmers in nicht unerheblichem Maße.
Der objektive Unrechtsgehalt erweist sich als durchschnittlich. Jedenfalls ist der Unrechtsgehalt der vorliegenden Übertretung, die aus Anlass einer Kontrolle der Amtspartei festgestellt und angezeigt wurde, nicht atypisch gering oder unbedeutend.
Das Verschulden kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können (s. dazu die obigen Ausführungen zur subjektiven Tatseite). Das Verschulden des BE in Form keineswegs mehr leichter Fahrlässigkeit ist nach den Umständen der Tat und im Hinblick darauf, dass der BE auch schon früher wegen Übertretung des ASVG beanstandet worden war, nicht gering, sondern zumindest durchschnittlich.
Milderungsgründe sind nicht hervorgekommen. Dem BE kommt insbesondere der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugute. Vielmehr weist der BE u.a. eine einschlägige, zur gegenständlichen Tatzeit bereits rechtskräftige und derzeit ungetilgte Verwaltungsvorstrafe (aus dem Jahr 2015 wegen § 33 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG, nach dem ersten Strafsatz des § 111 Abs. 2 ASVG) auf, die im vorliegenden Fall zur Anwendung des zweiten Strafsatzes des § 111 Abs. 2 ASVG führte. Erschwerungsgründe sind nicht gegeben.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des BE wurden in Anbetracht seiner Sorgepflicht für ein Kind als unterdurchschnittlich (bei der Bemessung der Geldstrafe) berücksichtigt.
Nach den dargelegten Strafzumessungsgründen konnte im Rahmen des anzuwendenden Wiederholungsstrafsatzes mit der Verhängung der gesetzlichen Mindestgeldstrafe das Auslangen gefunden werden.
Der Ausspruch über die Haftung der KG (für die Geldstrafe) gründet sich auf die Bestimmung des § 9 Abs. 7 VStG.
In der gegebenen Konstellation (Schuldspruch erstmals durch das Verwaltungsgericht) waren dem BE keine Verfahrenskosten(beiträge) vorzuschreiben (vgl. E VwGH 30.6.2015, Zl. Ra 2014/17/0034).
3. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Bei der vorliegenden Entscheidung waren im Wesentlichen einzelfallbezogene Fragen der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung zu beurteilen; in rechtlicher Hinsicht sind die zu beurteilenden Fragen durch die einheitliche und ständige Rechtsprechung des VwGH hinreichend geklärt und wurden auch in der vorliegenden Entscheidung im Sinne der zitierten Judikatur beantwortet.
Schlagworte
Arbeitgeber; Arbeitnehmer; Abhängigkeit, persönliche, wirtschaftliche; persönliche Arbeitspflicht; Versicherungspflicht; persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten; wahrer wirtschaftlicher Gehalt des Beschäftigungsverhältnisses; Unterordnungsverhältnis; Arbeitsbeginn; Anmeldung zur Sozialversicherung; Amtsbeschwerde; Beschwerde einer Amtspartei; VerböserungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.041.002.8185.2016Zuletzt aktualisiert am
10.01.2018