TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/21 W256 2144121-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.12.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.12.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W256 2144121-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, auch XXXX, geboren am XXXX, StA Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. Dezember 2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2017, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 18. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Im Zuge der am 19. Juni 2015 erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei am XXXX geboren, er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an, er sei Moslem und ledig. Er stamme aus der Provinz Kunduz in Afghanistan, in der er auch zuletzt aufhältig gewesen sei. Er habe zehn Jahre die Schule besucht, spreche Dari als Muttersprache und habe als Verkäufer in einem Geschäft für Autoteile gearbeitet. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer (wortwörtlich wiedergegeben) folgendes aus: "Weil einer meiner Brüder beim Militär ist und einer am amerikanischen Militärstützpunkt arbeitet, wurden wir ständig durch die Taliban bedroht. Mein Leben war in Gefahr, weshalb mein Vater beschlossen hatte, dass ich mein Heimatland verlassen soll". Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan fürchte der Beschwerdeführer den Tod durch die Taliban.

Der Beschwerdeführer wurde am 7. Oktober 2016 durch die belangte Behörde einvernommen. Dabei führte dieser ergänzend aus, er gehöre der sunnitischen Glaubensrichtung an und spreche auch ein wenig Paschtu. Er stamme aus der Provinz Kunduz, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 gelebt habe. Er habe vier Brüder und eine Schwester. Sein Vater habe ein eigenes Geschäft, in welchem er PKW-Ersatzteile verkaufe, seine Mutter sei Hausfrau. Er selbst habe zehn Jahre die Grundschule besucht und danach als Verkäufer in dem Geschäft seines Vaters sowie als Hilfsarbeiter in einer Autowerkstatt gearbeitet. Sein älterer Bruder, XXXX arbeite sei vier Jahren bei der afghanischen Nationalarmee, sein anderer Bruder, XXXX, sei seit drei Jahren in einem Lager der ausländischen Militärkräfte beschäftigt, wobei dieser jedoch öfters den Dienstort gewechselt habe. Nach den jeweiligen Einsätzen hätten die Brüder jedoch wieder beim Vater des Beschwerdeführers gewohnt. Die Taliban hätten ihn und seine Familie alle fünfzehn bis zwanzig Tage bedroht, indem sie ihnen entweder Briefe geschickt oder sie in der Moschee persönlich bedroht hätten. Dabei hätten die Taliban einerseits ihnen die Tätigkeiten seiner Brüder vorgeworfen und andererseits, dass sowohl diese als auch der Beschwerdeführer nicht auf der Seite der Taliban kämpfen würden. Die letzte Bedrohung habe fünfzehn Tage vor der tatsächlichen Ausreise des Beschwerdeführers stattgefunden. Er selbst habe noch nie in Kabul gelebt, allerdings würde dort seine Tante leben. Seine Eltern und Geschwister würden nach wie vor in seinem Heimatdorf leben. Alle drei bis vier Monate kontaktiere der Beschwerdeführer seine Familie über das Internet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Dezember 2016 wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass keine asylrechtlich relevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe werden können. Es sei nicht lebensnah, dass eine Person, welche über einen langen Zeitraum bedroht werde, nicht schon früher die Flucht ergreife. Auch seien die Brüder wieder nach Hause gekommen, obwohl diese der Hauptgrund für die Probleme mit den Taliban gewesen sein sollen. Zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutzes in Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte die belangte Behörde aus, es würden keine individuellen Umstände vorliegen, die dafür sprechen würden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage gelangen würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde. Er könne auf eine finanzielle Unterstützung durch seine Familie rechnen, welche auch mittels Geldüberweisungen Geld schicken könnte. Außerdem lebe eine Tante väterlicherseits in Kabul. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der zumindest mit Gelegenheitsjobs in Kabul seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Aufgrund seiner Abstammung und Sprache sei er mit Afghanistan eng verwurzelt und könne er in Kabul leben. Zwar sei in Bezug auf seine Heimatprovinz Kunduz von einer allgemein relevanten Gefährdungslage auszugehen, in Bezug auf Kabul sei eine solche aber nicht erkennbar. Es könne auch auf familiäre oder soziale Netzwerke in Afghanistan bzw. in Kabul geschlossen werden. Selbst wenn der Beschwerdeführer über keine Netzwerke verfügen sollte, könne er in der islamischen Glaubensgemeinschaft Zuflucht finden. Zur Bestreitung des Lebensunterhalts könne er auch Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen. Die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten bzw. Anknüpfungspunkte habe. Er lebe in Österreich ausschließlich von der öffentlichen Hand, und sei er daher nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer sei der deutschen Sprache nur marginal mächtig, und sei er bislang auch nicht straffällig gewesen. Demgegenüber überwiege jedoch das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Fremdenwesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin äußert der Beschwerdeführer zunächst verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Bestimmung des § 16 BFA-VG, weshalb ein Normprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof angeregt werde. Davon abgesehen werde der Bescheid aber auch inhaltlich bekämpft. Der Beschwerdeführer werde aus Gründen der unterstellten politischen Gesinnung, der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, und aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit asylrelevant verfolgt. Der Beschwerdeführer habe sich geweigert, sich den Taliban anzuschließen, weshalb ihm eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werde. Zusätzlich würden seine Brüder bei der afghanischen Nationalarmee bzw. bei ausländischen Militärkräften arbeiten, was ein Indiz für seine oppositionelle politische Gesinnung sei. Der afghanische Staat sei nicht in der Lage bzw. willens dem Beschwerdeführer Schutz zu bieten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht, da er im gesamten Staatsgebiet Verfolgung befürchten müsse. Es bestehe im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK, da die Sicherheitslage im gesamten afghanischen Staatsgebiet überaus prekär und angespannt sei. Eine Rückkehr nach Afghanistan könne dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden. In Bezug auf Spruchpunkt III. führt der Beschwerdeführer aus, er sei strafgerichtlich unbescholten und gefährde weder die öffentliche Ruhe oder Ordnung, noch die nationale Sicherheit oder das wirtschaftliche Wohl. Der Beschwerdeführer sei bemüht, sich in Österreich zu integrieren. Diesbezüglich werde auf diverse Deutschkursbestätigungen und Empfehlungsschreiben verwiesen. Sein Engagement zeige er auch in einem Altersheim, in welchem er regelmäßig aushelfe. Die belangte Behörde sei zu Unrecht von der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei vor dem Hintergrund der tatsächlichen Lage in Afghanistan glaubhaft und asylrelevant.

Am 29. März 2017 wurde das Bundesverwaltungsgericht von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 149, 223 StGB, zur GZ XXXX, verständigt. Aufgrund einer telefonischen Anfrage beim BG XXXX-Ost</nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person> wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 24. August 2017 mitgeteilt, dass das Verfahren diversionell erledigt worden sei.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 5. Oktober 2017 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin führte der Beschwerdeführer zunächst aus, dass sein Nachname falsch geschrieben worden sei. Ansonsten führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen ergänzend aus, er komme aus der Provinz Kunduz. Fünf Jahre vor seiner Ausreise habe er hingegen eine Stunde von Kunduz entfernt in der Provinz XXXX gelebt. Die übrigen Familienmitglieder - vier Brüder, eine Schwester, seine Mutter und Großmutter väterlicherseits - hätten weiterhin in Kunduz gelebt. Nach dem Schulbesuch habe der Beschwerdeführer als Mechaniker Lehrling in XXXX zunächst bei einem Bekannten, und anschließend im benachbarten Geschäft seines Bruders, XXXX, gearbeitet. Auch habe er manchmal im KFZ-Zubehörgeschäft seines Vaters ausgeholfen. Sein Vater habe mit ihm in XXXX gelebt, allerdings sei dieser im Unterschied zum Beschwerdeführer, an den Wochenenden immer zurück nach Kunduz gefahren. Sein Bruder, XXXX, sei jeden Tag nach Kunduz gependelt. Auf neuerliche Nachfrage gab der Beschwerdeführer aber an, dass sein Bruder doch bei ihm und seinem Vater in XXXX gelebt habe, und nur am Wochenende nach Kunduz gefahren sei. Der Beschwerdeführer habe 2015 Afghanistan verlassen. Die Ausreise habe sein Vater und sein Bruder, XXXX, finanziert.

XXXX und XXXX würden in Kandahar leben, aber alle sechs Monate nach Hause nach Kunduz kommen. Mit seiner Familie habe er alle drei bis vier Monate Kontakt. Es gehe seiner Familie finanziell gut. Sein Vater und sein Bruder, XXXX, würden nach wie vor arbeiten, um die Familie zu versorgen. XXXX würde seit fünf Jahren in einem Militärcamp arbeiten. Dabei übernehme er "alles, was dort anfällt".

XXXX würde als Elektroingenieur in Uruzgan und Kandahar in ihm unbekannten Unternehmen arbeiten. Das Familienhaus sei Eigentum der Familie, die Autowerkstätte und das KFZ-Zubehörgeschäft allerdings nur gemietet. Die Familie würde auch über Ersparnisse für das alltägliche Leben verfügen. In Kabul lebe seine Tante. Er habe zu dieser jedoch keinen Kontakt, seine Familie hingegen schon. Er glaube jedoch nicht, dass diese ihn bei einer Rückkehr unterstützen würde, seine Eltern aber schon. Eine Rückkehr sei dennoch für ihn schwierig, weil die Taliban ihm Probleme machen würden. Er habe auch nicht in Erwägung gezogen nach Kabul-Stadt, Herat oder Mazar-e Sharif zu ziehen. Auch seine Tante leide unter der unsicheren Lage. Außerdem sei dort kein Platz für ihn. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Familienangehörigen. Er treffe sich mit einigen Personen vom Altersheim und vom Deutschkurs. Seit einem Monat besuche er die Schule, davor habe er in einem Altersheim gearbeitet und einen Deutschkurs besucht. Diesbezüglich wurden seitens der Vertretung diverse Bestätigungen vorgelegt, welche als Beilagen A bis K zum Akt genommen wurden. Weiters wurden diverse Fotos vorgelegt, die den Beschwerdeführer bei sportlichen Aktivitäten und bei seiner Arbeit im Altersheim zeigen. Er lebe von Zuwendungen des österreichischen Staates und habe eine Straftat begangen, welche jedoch diversionell erledigt worden sei.

Befragt zu seinem Fluchtgrund, führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, dass er alle fünfzehn bis zwanzig Tage eine Drohung erhalten habe, worin ihm angeraten worden sei, anstatt seiner Ausbildung mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Aus diesem Grund sei er gemeinsam mit seinem Vater nach XXXX geflüchtet. Die anderen Brüder seien nicht mit ihnen mitgereist. Sein kleiner Bruder sei zuhause geblieben und XXXX sei auch immer wieder in XXXX beim Geschäft seines Vaters gewesen. Die Taliban hätten nicht gewusst, dass XXXX in Kunduz lebe. Sie wären davon ausgegangen, dass zwei in Kandahar, einer in XXXX und sein kleiner Bruder in Kunduz leben würde(n). XXXX sei nicht immer zuhause gewesen, sondern immer wieder in XXXX unterwegs gewesen. Die Bedrohungen hätten sich auch in XXXX sowohl in Bezug auf seine Brüder als auch auf ihn in einem Zeitraum von jeweils fünfzehn bis zwanzig Tagen fortgesetzt. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass diese Bedrohungen in Kunduz stattgefunden hätten. In Bezug auf eine Bedrohung wegen der behaupteten Tätigkeit seiner Brüder gestaltete sich die Befragung u. a. wie folgt: "R: Wurden Sie auch wegen der Tätigkeit Ihrer beiden Brüder bedroht? BF: Ja. R: Was wurde da gesagt? BF: Warum arbeiten sie für die Regierung, anstatt mit uns zusammenzuarbeiten? R: Das ist eine Frage. Wurden Sie auch bedroht? BF: Nein. Sie sagten meinem Vater immer, ruf deine Söhne an. Sie dürfen nicht mehr mit der Regierung zusammenarbeiten. Sie sollen mit uns zusammenarbeiten. R:

Aber wurden Sie bzw. Ihre Familie auch deswegen bedroht? BF: Sie sagten immer, warum kommt ihr nicht mit uns und arbeitet ihr nicht mit uns zusammen? Warum arbeitet ihr mit der Regierung zusammen? Nehmt unsere Waffen und kommt zu uns." Befragt zur letzten Bedrohung, die ihn zur Ausreise bewogen habe, führte der Beschwerdeführer (wortwörtlich wiedergegeben) wie folgt aus: "Die letzte Bedrohung war so, dass sie meinem Vater gesagt haben, dein Sohn in XXXX und die anderen 2 sollen zu uns kommen und mit uns zusammenarbeiten, alle deine 4 Söhne sollen zu uns kommen. Falls das nicht geschieht, bringen wir dich und deine Söhne um. Das war der Grund, warum ich dann hierher geschickt worden bin." Sein Vater habe daraufhin den Taliban bestätigt, dass seine Söhne zu ihnen kommen würden. Zwischen dieser Bedrohung und seiner tatsächlichen Ausreise seien ca. ein bis zwei Monate vergangen. In diesem Zeitraum sei es zu keinen weiteren Bedrohungen gekommen. Kurz vor seiner Ausreise sei er nach Kunduz zurückgekehrt. Sein Bruder XXXX habe sich zwischenzeitlich nicht den Taliban angeschlossen und würde nach wie vor mit dem Vater (gezwungenermaßen) in XXXX leben. Die Taliban würden nicht wissen, dass er in XXXX lebe, da sein Vater zu ihnen gesagt habe, dass zwei seiner Söhne ins Ausland ausgereist seien. Seine Brüder XXXX und XXXX würden - in Widerspruch zu seinen vorigen Angaben - aufgrund der schlimmen Situation nicht mehr nachhause kommen. Die Taliban würden auch nicht wissen, dass diese für die Regierung arbeiten, da ihr Vater den Taliban ausgerichtet habe, dass sie diese Arbeit aufgegeben hätten. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre das Leben des Beschwerdeführers in Gefahr. Auch das Leben seiner Familie sei auch jetzt noch in Gefahr, ihnen würde jedoch nichts anderes übrig bleiben, als in Afghanistan zu leben. Die Taliban würden manchmal fragen, wo die Söhne wären, wobei es jedoch nicht mehr so stark wie früher wäre.

Zu den mit der Ladung dem Beschwerdeführer übermittelten Länderberichten führte der Beschwerdeführer aus, dass es in Afghanistan keine Sicherheit gebe. In diesem Zusammenhang wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme vom 4. Oktober 2017 und ein Kommentar zum Gutachten von XXXX vorgelegt, welche zum Akt genommen wurden.

In seiner Stellungnahme vom 4. Oktober 2017 führte der Beschwerdeführer - soweit hier wesentlich - zu den mit der Ladung übermittelten Länderberichten aus, dass ihm eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohe. Er verfüge über kein soziales Netzwerk, da auch seine Tante in Kabul einen Kontakt mit ihm aufgrund seiner Bedrohung verweigere. Auch bei Unterstellung einer entsprechenden (finanziellen) Unterstützung wären die Voraussetzungen für eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben. Eine Niederlassung in Afghanistan könne ihm nicht zugemutet werden, da ein wirtschaftliches Überleben ausgeschlossen sei. Die in der Stellungnahme vorgelegten Länderberichte würden eine instabile Sicherheitslage aufzeigen. Daneben komme erschwerend auch die dortige unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Wohnraum hinzu. Die Arbeitssuche für jemanden ohne eine Berufsausbildung und ohne Berufserfahrung müsse als aussichtlos bezeichnet werden. Der Beschwerdeführer würde im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten. Betreffend das Gutachten von XXXX vom 5. März 2017 werde auf den Kommentar von XXXXvom 28. August 2017 verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person

Der - im Spruch genannte - männliche, volljährige und kinderlose Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitischer Moslem. Er wurde in Afghanistan in der Provinz Kunduz geboren. Seine Kernfamilie besteht aus seinen Eltern, vier Brüdern und einer Schwester. In Kabul lebt eine Tante des Beschwerdeführers, welche mit der Familie des Beschwerdeführers in Kontakt steht.

Die Familie betreibt in der angrenzenden Provinz XXXX ein KFZ-Zubehörgeschäft von deren Ertrag der Familienunterhalt bestreitet wird. Spätestens 2010 ist der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Vater nach XXXX übersiedelt, wobei sein Vater jeweils am Wochenende nach Kunduz gependelt ist. Seine übrigen Geschwister und seine Mutter sind nicht mitübersiedelt, sondern im Heimatort des Beschwerdeführers verblieben. Später ist sein älterer Bruder, XXXX, nach XXXX nachgereist, um in einem gemieteten Geschäft, einer Autowerkstätte, zu arbeiten.

Der Beschwerdeführer spricht Dari und ein wenig Paschtu. Er ist insgesamt zehn Jahre in die Schule gegangen. Er kann lesen und schreiben. Nach der Schule hat der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise 2015 als Mechaniker Lehrling in einer Autowerkstätte eines Bekannten in XXXX und anschließend in dem Geschäft seines Bruders, XXXX, gearbeitet. Zeitweise hat er auch im KFZ Zubehörgeschäft seines Vaters ausgeholfen.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan 2015 verlassen. Die Kosten seiner Ausreise wurden von seinem Vater und seinem Bruder XXXX übernommen.

Der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers, XXXX, arbeiten nach wie vor in dem KFZ-Zubehörgeschäft bzw. der Autowerkstätte. Sowohl die Eltern als auch die Geschwister des Beschwerdeführers leben nach wie vor - unbehelligt - in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer hat zu seinen Angehörigen alle drei bis vier Monate Kontakt. Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan wäre seine Familie in der Lage, diesen finanziell zu unterstützen. Der Beschwerdeführer kann - zumindest vorübergehend - bei seiner Tante in Kabul leben.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren wegen §§ 149, 223 StGB, wurde zur GZ XXXX, mittels Diversion erledigt.

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 18. Juni 2015 durchgehend auf Grund eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen besonders ausgeprägten sozialen Beziehungen. Er hat bereits Deutschkurse besucht, wobei er noch keine Prüfungen abgelegt hat. Zudem engagiert er sich in einem Alterspflegeheim und besucht seit September 2017 die XXXX an der XXXX in XXXX.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer individuell gegen ihn gerichteten Bedrohung ausgesetzt war bzw. bei einer Rückkehr sein wird.

zur Lage in Afghanistan

zur Sicherheitslage allgemein

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten.

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes.

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht.

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften. Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen.

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern.

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt.

zur Sicherheitslage in Kabul

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen. Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen.

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt. Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet. Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt.

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden.

zur Sicherheitslage in Kunduz

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Kunduz 416 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Die einst relativ friedliche Region - die Provinzen Baghlan, Kunduz und XXXX - war in den letzten Monaten von heftigen Zusammenstößen zwischen Taliban und Regierungskräften betroffen. Im Jahr 2016 versuchten die Taliban einige Provinzhauptstädte einzunehmen, unter anderem auch Kunduz. Im Oktober 2016 drangen die Taliban in Kunduz City ein und wurden nach einer Woche von den Sicherheitskräften wieder vertrieben. Die Stadt selber konnte gesichert werden - die Taliban kontrollieren die umliegenden Gegenden der Provinz.

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Terroristen zu befreien, dabei werden Aufständische getötet, unter anderem auch hochrangige Talibanführer. Luftangriffe werden durchgeführt. Ebenso wurde ein hochrangiger Talibanführer verhaftet.

Eine Gruppe von zehn Aufständischen hat sich dem Friedensprozess in Kunduz angeschlossen; die Aufständischen waren in unterschiedlichen Teilen der Stadt Kunduz aktiv. Einem Sicherheitsberater zufolge wird sich die Sicherheitslage nun verbessern, nachdem sich die Aufständischen dem Friedensprozess angeschlossen haben.

zur Sicherheitslage in XXXX

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz XXXX 136 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Die einst relativ friedliche Region - die Provinzen Baghlan, Kunduz und XXXX - waren in den letzten Monaten von heftigen Zusammenstößen zwischen Taliban und Regierungskräften betroffen. Auch wenn XXXX eine dennoch vergleichweise friedliche Provinz in Nordafghanistan ist, grenzt sie an die Provinzen Kunduz und Badakhshan, in denen regelmäßig Talibanaktivitäten registriert werden.

zur Erreichbarkeit von Kabul

Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan - Internationaler Flughafen Kabul:

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen. Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt.

zu den ethnischen Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3

Millionen Menschen. Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken.

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht.

Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben.

Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

zur Volksgruppe der Tadschiken

Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Die Tadschiken machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession

Der Hauptführer der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist. Er selbst identifiziert

sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war. Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan.

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

zur Versorgungslage allgemein

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im "Human Development Index" (HDI) den 171. von 188 Plätzen. Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt.

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist. Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können.

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten. Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig. Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe.

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden.

Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken.

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren.

zur Versorgung mit Lebensmitteln und zu Verdienstmöglichkeiten

Lebensmittel sowie Verdienstmöglichkeiten für erwerbsfähige Rückkehrer auch ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte sind vorhanden. Die Arbeitssuche ist in den Städten jedoch einfacher als auf dem Land.

zur medizinischen Versorgung

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes. Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira).

zur Versorgung mit Wohnraum

In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden.

zu den Erhaltungskosten in Kabul

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt.

zum Bankensystem in Afghanistan

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto.

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten.

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten. Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet.

zur Situation im Falle einer Rückkehr

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern.

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben.

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren.

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc.

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden.

Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar.

Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Rückkehrsituation bzw. die Existenzsicherung je nach Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen sich unterschiedlich gestalten würden.

2. Beweiswürdigung:

zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor der belangten Behörde, in der Beschwerde, und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer führte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft an, dass sein Nachname bislang falsch geschrieben worden sei. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen werden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Herkunft, seiner Religion und seiner Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen - Angaben zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Berufen, zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang, zu seiner Ausreise nach Europa und deren Finanzierung, und zu seiner Familie waren im Wesentlichen gleichbleibend und beinahe widerspruchsfrei, weshalb das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung sieht, daran zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und der von ihm gesprochenen Sprachen, gründen sich auf seine glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zu den Deutschkursen und seiner ehrenamtlichen Tätigkeit ergeben sich - in Übereinstimmung mit seinem Vorbringen - aus den von ihm vorgelegten Bestätigungen.

Die Feststellung der diversionellen Erledigung seines Strafverfahrens ergibt sich aus der diesbezüglich eingeholten Auskunft des BG XXXX in Übereinstimmung mit seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.

zu den Negativfeststellungen in Bezug auf individuelle gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohungen:

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde u.a. eine Verfolgung durch die Taliban aufgrund einer verweigerten Zusammenarbeit, und aufgrund der Tätigkeit seiner beiden Brüder, XXXX und XXXX bei der afghanischen Nationalarmee bzw. bei ausländischen Militärkräften.

Schon allein angesichts der fehlenden Plausibilität kann diesem Fluchtvorbringen nicht die nötige Glaubhaftigkeit zuerkannt werden.

Wie vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur behaupteten Zwangsrekrutierung selbst ausgeführt, richteten sich die Aufforderungen der Taliban zur Zusammenarbeit nicht nur gegen den Beschwerdeführer, sondern auch gegen seine sonstigen Brüder. Insofern ist nicht nachvollziehbar, weshalb insbesondere sein älterer Bruder, XXXX, bislang - wie vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ausgeführt (Seite 25 "R: Was ist mit Ihrem Bruder XXXX? Wurde er zwischenzeitlich rekrutiert? BF: Er lebt in XXXX mit meinem Vater. R wiederholt die Frage. BF: Nein, er hat sich den Taliban nicht angeschlossen.") nicht rekrutiert worden ist, und es ihm dennoch möglich sein soll, nach wie vor in Afghanistan zu leben und auch zu arbeiten. Dass die Taliban über dessen Aufenthaltsort - wie vom Beschwerdeführer behauptet - nicht Bescheid wüssten, ist schon allein vor dem Hintergrund, dass XXXX nicht versteckt, sondern nach wie vor zwischen dem Wohnhaus in Kunduz und seiner Arbeitsstätte in XXXX pendelt, nicht überzeugend (Seite 13 und 15 des Verhandlungsprotokolls). Gleiches gilt auch für den Vater des Beschwerdeführers, weil auch hier nicht einsichtig ist, weshalb dieser - trotz der behaupteten auch ihn treffenden Bedrohung im Falle einer nichterfolgten Rekrutierung seiner Söhne (Seite 25) - nach wie vor in Afghanistan leben und arbeiten kann.

Davon abgesehen kann auch nicht gefolgt und mit einer behaupteten Rekrutierung unter Einsatz von Zwang nicht in Einklang gebracht werden, dass die Taliban - wie vom Beschwerdeführer behauptet - mehr als fünf Jahre lang, und zwar alle 10 bis 15 Tage, die Familie des Beschwerdeführers in Kunduz sanktionslos zur Zusammenarbeit ihrer Söhne aufgefordert hätten, und es dem Beschwerdeführer - trotz dieser "Bedrohungen" - überdies 5 Jahre lang möglich gewesen sein soll, in der eine Stunde entfernt liegenden Provinz XXXX - selbst ein bis zwei Monate nach der letzten fluchtauslösenden Bedrohung - unbehelligt zu leben und zu arbeiten. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, als der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers in XXXX aufgrund der wöchentlichen Fahrten seines Bruders und seines Vaters vom Wohnhaus in Kunduz zur Arbeitsstätte des Beschwerdeführers nach XXXX zweifellos leicht bestimmbar gewesen wäre.

In Bezug auf die behauptete Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund der Tätigkeit seiner beiden Brüder brachte der Beschwerdeführer - wie im Verfahrensgang wortwörtlich wiedergegeben - selbst vor, dass weder er, noch seine Familie wegen der Tätigkeit der beiden Brüder bislang bedroht worden sein sollen. Ein besonderes Interesse an der Person des Beschwerdeführers, aber auch an der sonstigen Familie, ist daher schon allein aus diesem Grund nicht erkennbar.

Auch überzeugt in diesem Zusammenhang nicht, dass es seiner sonstigen Familie, welche von einer solchen Verfolgung ebenfalls betroffen sein müsste, nach wie vor möglich ist, im Heimatdorf zu leben (Seite 26: "R: Ihre Brüder arbeiten nach wie vor für die Regierung? Wie erklären Sie sich, dass Ihre gesamte Familie noch in Afghanistan leben kann? BF: Sie wissen nicht, dass sie für die Regierung arbeiten. R: Die Taliban wissen das nicht? BF: Ja, sie wissen das nicht. Mein Vater hat gesagt, dass sie nicht mehr dort beschäftigt sind bei der Regierung. R: Und das glauben die Taliban?

BF: Zur Zeit glauben sie das.").

Daran ändert auch nichts, dass - wie vom Beschwerdeführer behauptet - die Taliban glauben würden, die Brüder hätten mittlerweile ihre Tätigkeit aufgegeben, und sei deshalb keine Gefahr für die Familie gegeben, weil dies umgekehrt auch für den Beschwerdeführer aktuell gelten müsste. Davon abgesehen würde damit aber auch die bereits oben angestellte Annahme, dass sich eine allfällige Bedrohung nicht gegen die Personen und eine ihnen unterstellte Gesinnung, sondern vielmehr allenfalls allein gegen die Tätigkeit an sich richtete, bestätigt werden, weshalb mangels Interesses an seiner Person auch bei Kenntnis der Tätigkeit der beiden Brüder keine Gefährdung für den Beschwerdeführer anzunehmen wäre.

Schließlich dürfen in diesem Zusammenhang aber auch die sonstigen Widersprüchlichkeiten in seinem Vorbringen nicht außer Acht gelassen werden. Dabei wird nicht verkannt, dass - aufgrund der in Afghanistan vorliegenden Minderjährigkeit des Beschwerdeführers und auch angesichts des bereits Jahre zurückliegenden Ereignisses - Unstimmigkeiten im Aussageverhalten bzw. Lücken und Unschärfen des Erinnerungsvermögens vorliegen können und auch hinzunehmen sind (siehe dazu auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 2015, Ra 2015/01/0076 u.v.m.). Diesem Umstand Rechnung tragend, wird daher auf bestehende Widersprüchlichkeiten in Bezug auf Detailfragen der Fluchtgeschichte nicht eingegangen, sondern alleine Unstimmigkeiten in Bezug auf den Lebensalltag des Beschwerdeführers in Afghanistan herangezogen.

Während der (bereits volljährige) Beschwerdeführer bei der Befragung vor der belangten Behörde ausführte, er habe immer bis zu seiner Flucht in der Provinz Kunduz im Heimatdorf gelebt (AS 61), brachte er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht plötzlich vor, er habe fünf Jahre vor seiner Ausreise eine Stunde von seinem Heimatort entfernt, in der Provinz XXXX, und zwar nur mit seinem Vater gelebt (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls: ("R: Mit wem haben Sie dort noch bis zu Ihrer Ausreise zusammen gelebt? BF:

Nur mein Vater und ich. Sonst niemand"). Sein in XXXX arbeitender Bruder, XXXX, sei "jeden Tag" zwischen Kunduz und XXXX gependelt. Später führte er allerdings in der Verhandlung aus, dass dieser auch in XXXX gelebt habe, und lediglich an den Wochenenden nach Kunduz heimgekehrt sei (Seiten 10 und 13 des Verhandlungsprotokolls). Allgemein zur Familie befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, die beiden Brüder XXXX und XXXX, würden - auch wenn sie sich fürchten - nach wie vor alle 6 Monate für ein paar Tage nach Kunduz zurückkehren (Seite 12ff: "R: Wo leben diese derzeit? BF: In Kunduz.

R: Wer jetzt? BF: XXXX und XXXX leben in Kandahar. Einer ist

Ingenieur, der andere ist in einem Camp. Sie arbeiten dort. R: Leben sie immer dort oder leben sie auch manchmal bei der Familie? BF:

Alle sechs Monate kommen sie einmal nach Hause, bleiben ein paar Tage. Sie fürchten sich auch öfters hin-und herzureisen. Denn auch sie haben eine Bedrohung bekommen. R: Nach Hause meinen Sie Kunduz oder XXXX? BF: Kunduz."), zur Fluchtgeschichte hingegen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, diese würden sich derzeit nicht nach Hause trauen.

Insgesamt war daher das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft zu beurteilen, weshalb diesbezüglich auch keine Feststellungen getroffen werden konnten.

In Bezug auf die in der Beschwerde behauptete Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit machte der Beschwerdeführer keine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung geltend, weshalb auch mangels sonstiger Hinweise diesbezüglich keine Feststellungen zu treffen waren.

zu den Feststellungen in Bezug auf eine (finanzielle) Unterstützungsmöglichkeit durch die Familie:

Der Beschwerdeführer führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung - wie auch bereits vor der belangten Behörde - selbst aus, dass die finanzielle Situation seiner Familie in Afghanistan gut sei. Sein Vater und sein Bruder XXXX arbeiten - wie er vor seiner Ausreise auch selbst - in ihrem eigenen angemieteten Geschäft. Auch besitze die Familie Ersparnisse, und gehöre ihr das Haus, in dem sie lebe. Hinzu kommt, dass die Familie den Beschwerdeführer - wie von ihm ausgeführt - bereits bei seiner Ausreise aus Afghanistan finanziell unterstützt hat.

Insofern bestehen keine Bedenken, dass die mit dem Beschwerdeführer laufend in Kontakt stehende Kernfamilie den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr finanziell unterstützen wird, und wird dies vom Beschwerdeführer - dazu befragt - im Übrigen auch bestätigt. Gründe, die gegen eine nunmehrige Unterstützungsmöglichkeit sprechen würden, sind nicht hervorgekommen, und wurden solche vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Davon abgesehen verfügt der Beschwerdeführer in Kabul auch über eine Tante, welche zwar nicht mit ihm, aber zumindest - laut Angaben des Beschwerdeführers - mit der Familie des Beschwerdeführers in Kontakt steht. Es bestehen daher keine Bedenken, dass der Beschwerdeführer in Kabul - zumindest vorübergehend - bei dieser Tante leben kann. Die erstmals in der Stellungnahme vom 4. Oktober 2017 aufgestellte Behauptung, die Tante würde dem Beschwerdeführer den Kontakt aufgrund seiner Bedrohung verweigern, überzeugt nicht, weil diesfalls nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Tante mit der restlichen - ebenfalls von der behaupteten Bedrohung betroffenen - Familie - nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers - in Kontakt steht.

zu den Feststellungen zur Lage in Afghanistan

Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan ergeben sich zu einem überwiegenden Teil aus dem den Parteien übermittelten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2. März 2017, zuletzt aktualisiert am 22. Juni 2017. Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Afghanistan allgemein, zu Kabul, zu Kunduz und Takahr im Speziellen, zur Lage der Tadschicken sowie zur Erreichbarkeit von Kabul ergeben sich auszugsweise aus den Kapiteln

3.

(Sicherheitslage), 3.1. (Kabul) , 3.19. (Kunduz), 3.31. (XXXX),

16.

(Ethnische Minderheiten), 16.2. (Tadschiken) und 3.2. (Erreichbarkeit Kabul) und 5. (Sicherheitsbehörden). Die Feststellungen zur allgemeinen Versorgungslage, zur medizinischen Versorgung und zur Versorgung mit Wohnraum sowie zum Bankensystem in Afghanistan, zu den Erhaltungskosten und zu der Situation von Rückkehrern wurden aufgrund der in den Kapiteln 20. (Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge), 21. (Grundversorgung und Wirtschaft), 22. (Medizinische Versorgung), und 23. (Rückkehr) enthaltenen Ausführungen getroffen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal der Beschwerdeführer diesbezüglich auch nichts Gegenteiliges vorgebracht hat.

Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan in Bezug auf die vorhandene Versorgungsmöglichkeit mit Lebensmitteln und die Verdienstmöglichkeiten ergeben sich aus dem Gutachten des in der Gerichtssachverständigenliste (www.sv.justiz.gv.at) als allgemein beeidet und gerichtlich zertifiziert eingetragenen Sachverständigen XXXX vom 5. März 2017 zu BvwG XXXX (Ia und II)), wonach kein Engpass bei der Lebensmittelversorgung und anderen Produkten des täglichen Bedarfs festgestellt werden konnte, sowie Verdienstmöglichkeiten für erwerbsfähige Rückkehrer gegeben sind. Dies deckt sich im Übrigen auch mit den sich aus dem Länderinformationsblatt ergebenden Feststellungen zur Versorgungslage allgemein, wonach die Wirtschaftslage in Afghanistan zwar angespannt, aber im Aufschwung und damit Versorgungs- und Verdienstmöglichkeiten grundsätzlich vorhanden sind. Sofern der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Stellungnahme vom 4. Oktober 2017 dieses Gutachten mit der Vorlage eines Kommentars von XXXX bekämpft, ist darauf zu verweisen, dass er dem Gutachten von XXXX nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist (vgl. zu all dem den hg. Beschluss vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0057, mwN). Lediglich der Ordnung halber ist in Bezug auf die vorgelegten Unterlagen auszuführen, dass auch darin eine Rückkehr nach Afghanistan (Kabul) von alleinstehenden leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter generell als nicht unmöglich dargestellt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt A.

zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten