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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §26 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der HV in G, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 22. Dezember 1997, Zl. RV-V1-9/96, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall ist die Rückforderung von Familienbeihilfe für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. Juli 1994 und Kinderabsetzbeträgen für die Zeit vom 1. Jänner 1993 bis 31. Juli 1994 im Gesamtbetrag von 65.775 S in Bezug auf den am 26. März 1980 geborenen Sohn Oliver (im Folgenden: Sohn) der Beschwerdeführerin strittig.
Mit Bescheid vom 13. August 1996 forderte das Finanzamt die erwähnte Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge gemäß § 26 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 4 lit. a bzw. § 57 Abs. 2 Z. 3 lit. a EStG 1988 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Sohn habe sich im Zeitraum, für den die Rückforderung erfolgt sei, ständig in den USA aufgehalten. Nach § 5 Abs. 4 FLAG bestehe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhielten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe, es sei denn, dass die Gegenseitigkeit durch Staatsverträge verbürgt ist (dies sei hinsichtlich USA nicht der Fall).
In der Berufungsschrift vom 9. September 1996 machte die Beschwerdeführerin eine Mangelhaftigkeit des durchgeführten Ermittlungsverfahrens dahingehend geltend, dass die Behörde der ihr obliegenden Manuduktionspflicht nicht nachgekommen sei. Die Beschwerdeführerin sei von der Abgabenbehörde erster Instanz zum Sachverhalt nicht hinreichend befragt worden, wodurch ein Sachverhalt festgestellt worden sei, der nicht vorliege. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Beweisergebnissen die Behörde zur Feststellung gelange, der Sohn habe sich im Zeitraum vom 1. Oktober 1991 bis 31. Juli 1994 ständig in den USA aufgehalten. Wäre die Beschwerdeführerin entsprechend gehört worden, hätte sie insbesondere angeben können, dass es ausschließlich im Interesse des Kindeswohles gelegen sei, die Auslandsausbildung zu genießen. Der Sohn habe sich nicht ständig in den USA aufgehalten. Er habe vielmehr alle Ferien zu Hause in Graz bei der Beschwerdeführerin verbracht. Ein Verfahrensmangel liege auch darin, dass im erstinstanzlichen Bescheid keine Feststellungen darüber getroffen worden seien, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder iS des § 2 Abs. 8 FLAG befunden habe. Die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Beschwerdeführerin, ihrer Kinder und ihres Ehemannes hätten zu Österreich bestanden. Der Sohn sei zu Ausbildungszwecken vorübergehend in den USA gewesen, zumal zum damaligen Zeitpunkt bereits festgestanden sei, dass er eine "Tourismusausbildung" anstrebe, wofür es zweifellos zweckmäßig sei, die englische Sprache auch durch praktische Übung zu erlernen. Die Abgabenbehörde habe zu Unrecht angenommen, dass sich der Sohn in der Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. Juli 1994 "durchgehend und ständig" in den USA aufgehalten habe. Der Aufenthalt sei während der Schulzeit gewesen. Während dieser Zeit habe er den Wohnsitz seines Vaters in den USA geteilt. Während der Sommerferien sei das Kind jedoch zu Hause bei der Beschwerdeführerin und bei den sonstigen Verwandten gewesen. Die Beschwerdeführerin habe sich vor dem Zeitpunkt, als ihr Sohn vorübergehend zu Schulbesuchszwecken und zur Verbesserung der Sprachkenntnisse in die USA gegangen sei, bei den zuständigen Behörden informiert, ob sie entsprechende Anträge oder Eingaben zu verfassen habe. Ihr sei nicht mitgeteilt worden, dass sie nicht berechtigt sei, Familienbeihilfe zu beziehen. Dies sei deshalb von Bedeutung, weil es selbst für den Fall, dass die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen worden wäre, zweifelsfrei feststehe, dass ihr für den Sohn für den genannten Zeitraum eine Ausgleichszahlung nach § 4 Abs. 2 FLAG zugestanden wäre. Die Beschwerdeführerin selbst habe nicht in den USA gewohnt, sondern nur vorübergehend ihren Ehemann besucht, der dort zu Ausbildungszwecken gewesen sei. Der Sohn habe sich während des Schuljahres zwar in den USA aufgehalten, doch habe er die Sommerferien stets in Österreich verbracht. Der Sohn besuche jetzt eine höhere Lehranstalt für Tourismus, sodass die Sprachausbildung dem Kindeswohl entsprochen und die weitere Zukunft des Kindes gefördert habe. Es wäre eine außerordentliche unbillige Belastung für die Beschwerdeführerin, die bezogene Familienbeihilfe zurückzahlen zu müssen, nur weil es die Beschwerdeführerin auf sich genommen habe, auf eigene Kosten die schulische Ausbildung ihres Kindes zu fördern.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Das im § 5 Abs. 4 FLAG (in der bis 30. April 1996 geltenden Fassung) enthaltene Tatbestandsmerkmale des "ständigen" Aufenthaltes sei nicht als "durchgehend" im Sinne von "ununterbrochen" zu verstehen. So habe auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 8. Juni 1982, 82/14/0047, zum Begriff "ständiger Aufenthalt" festgestellt, dass gelegentliche Aufenthalte eines Kindes im Inland, welches im Ausland die Schule besuche, nicht geeignet seien, den ständigen Aufenthalt des Kindes im Ausland zu unterbrechen. Umgekehrt könne auch ein ständiger Aufenthalt der Kinder im Ausland nicht angenommen werden, wenn Kinder, die sich überwiegend im Inland aufhielten, ihre Eltern im Ausland kurzfristig besuchten (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1993, 93/14/0118). Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1993, 91/13/0175, wonach ein sich über zwei Jahre erstreckender Auslandsaufenthalt der Kinder bei einem Elternteil den Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 4 FLAG erfülle, sei genau auf den vorliegenden Fall anwendbar. Damit gingen aber die Einwendungen der Beschwerdeführerin, das Finanzamt habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, ins Leere. Die Tatsache, dass der Sohn seine Ferien in Österreich verbracht habe, habe das Finanzamt nie bestritten. Dieser Umstand habe auch keines weiteren Beweises bedurft, weil dadurch keine anders lautende Entscheidung zu erwarten gewesen wäre. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin betreffend Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder könne ebenfalls kein Erfolg zukommen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen sei lediglich im § 2 Abs. 8 FLAG von Bedeutung. Diese Bestimmung sei aber im Beschwerdefall nicht einschlägig. § 5 Abs. 4 FLAG stelle nur auf den ständigen Aufenthalt ab, ohne zu unterscheiden, welche Beweggründe diesen Aufenthalt bewirkten. Es sei damit auch ohne Belang, ob der Aufenthalt des Kindes im Ausland im Interesse des Kindes bzw. zu dessen Fortbildung notwendig gewesen sei. Auch betreffend Anwendung des § 4 Abs. 2 FLAG verkenne die Beschwerdeführerin die Rechtslage. Nach dieser Gesetzesbestimmung bestehe ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nur dann, wenn ein Anspruch auf Familienbeihilfe durch den Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe ausgeschlossen sei. Im vorliegenden Fall sei aber ein etwaiger Anspruch auf eine ausländische Beihilfe überhaupt nicht zu prüfen gewesen, weil der Anspruch auf Familienbeihilfe schon nach § 5 Abs. 4 FLAG nicht bestanden habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Anspruch auf Familienbeihilfe für den minderjährigen Sohn wegen der Ausschlussbestimmung des § 5 Abs. 4 FLAG deshalb nicht bestand, weil sich dieser nach Ansicht der belangten Behörde im strittigen Rückforderungszeitraum ständig im Ausland aufhielt. Die Versagung der Gewährung der Familienbeihilfe zog auch die Aberkennung des grundsätzlich ab dem Jahr 1993 zustehenden Kinderabsetzbetrages nach § 33 Abs. 4 Z. 3 lit a EStG 1988 nach sich.
Unbestritten ist, dass sich der Sohn der Beschwerdeführerin in der Zeit von September 1991 bis Jänner 1993 zusammen mit dem Ehemann der Beschwerdeführerin in den USA aufhielt und dort eine Schule (in Bezug auf eine beabsichtigte Tätigkeit in der Tourismusbranche) besuchte. Die belangte Behörde stellte das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht in Abrede, dass der Sohn zwar während des Schuljahres in den USA gewohnt, die Ferien aber in Österreich bei der Beschwerdeführerin verbracht habe. Soweit in der Beschwerde gerügt wird, es sei der Beschwerdeführerin keine Gelegenheit zum Beweis dafür gegeben worden, dass der Sohn die gesamten Ferien am Wohnsitz der Beschwerdeführerin verbracht habe, geht dies mangels gegenteiliger Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde ins Leere.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ständige Aufenthalt im Sinn des § 5 Abs. 4 FLAG unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1993, 93/14/0118, mwN). Demnach kam es bezogen auf den Beschwerdefall darauf an, ob der Sohn sich in Streitzeitraum in den USA unter Umständen aufhielt, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilte. Diese nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abstellende Beurteilung ist nach objektiven Kriterien zu treffen, wobei es anders als bei der in der Beschwerde angesprochenen Bestimmung des § 66 Abs. 2 JN auf subjektive Momente nicht ankommt. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinn verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1982, 17/1603/80, sowie Ritz, BAO2, Tz 13 zu § 26). Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrecht zu erhalten, ist aber keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1992, 87/14/0096).
Zu Recht hat die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1993, 91/13/0175, hingewiesen, in dem ein sich über volle zwei Jahre erstreckender Auslandsaufenthalt der Kinder des (damaligen) Beschwerdeführers in den USA (zusammen mit ihrer Mutter) als ständig im Sinne des § 5 Abs. 4 FLAG beurteilt wurde. Im vorliegenden Beschwerdefall handelte es sich um einen annähernd dreijährigen Auslandsaufenthalt des Sohnes, wobei dieser den Wohnsitz seines Vaters während dessen Aufenthaltes in den USA teilte. Wie erwähnt unterbrechen vorübergehende Abwesenheiten das für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes notwendige Verweilen nicht. Hielt sich der Sohn während der Schuljahre im Streitzeitraum in den USA auf, ist das Verbringen der Ferien in Österreich bei der Beschwerdeführerin jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch der ständige Aufenthalt des Sohnes in den USA nicht unterbrochen wurde (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1982, 82/14/0047). Ob die Sommerferien dabei - worauf in der Beschwerde hingewiesen wird - einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten umfassten, ist unter Berücksichtigung des Gesamtbildes - jeweils Rückkehr in die USA - nicht entscheidungswesentlich. Da die Ferienaufenthalte in Österreich den gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers in den Vereinigten Staaten nicht unterbrachen, war der Anspruch auf Familienbeihilfe entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung auch nicht für jene (Ferien)Zeiten gegeben, die der Sohn bei der Beschwerdeführerin verbrachte. Ob im § 2 Abs. 5 lit b FLAG Fiktionen für die Haushaltszugehörigkeit bei auswärtiger Berufsausübung aufgestellt werden, hat für die gegenständliche Prüfung eines ständigen Auslandsaufenthaltes im Sinne des § 5 Abs. 4 FLAG des außerdem nur in Schulausbildung gestandenen Sohnes der Beschwerdeführerin keine Bedeutung.
Soweit die Beschwerdeführerin daraus für sich etwas zu gewinnen sucht, dass sie nach dem diesbezüglich erstmals erstatteten Vorbringen in der Beschwerde vom Finanzamt mehrmals (sogar unter Strafandrohung) aufgefordert worden sei, für den Zeitraum Jänner 1993 bis August 1994 um Familienbeihilfe anzusuchen, ist auf die von der Beschwerdeführerin unwidersprochen gebliebene, in den Verwaltungsakten ihre Deckung findende Gegendarstellung in der Gegenschrift der belangten Behörde zu verweisen. Demnach entsprächen diese Beschwerdebehauptungen nicht den Tatsachen, die Strafandrohung sei im Jahr 1994 wegen Nichtbeantwortung eines Vorhaltes im Zuge der Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches erfolgt und sei der Behörde auf Grund der Aktenlage (kein Hinweis in den Antragsformularen) der Auslandsaufenthalt des Sohnes nicht bekannt gegeben worden (grundsätzlich wäre die Beschwerdeführerin bereits im Herbst 1991 gemäß § 25 FLAG verpflichtet gewesen, diese Tatsache dem Finanzamt zu melden).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Juni 2000
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998150016.X00Im RIS seit
11.07.2001