Entscheidungsdatum
21.12.2017Norm
AsylG 2005 §13 Abs2Spruch
W189 1437902-3/4E
W189 1437903-3/5E
W189 1437904-3/4E
W189 1437905-3/4E
W189 1437906-3/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerden von
1. XXXX (BF1)
2. XXXX (BF2)
alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2017, Zlen. 1.) 632770403-14554073 und 2.) 632770501-14554081, zu Recht:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm. § 68 Abs. 1 AVG, § 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerden von
3. XXXX (BF3)
4. XXXX (BF4)
5. XXXX (BF5)
alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2017, Zlen. 3.) 75566108-14554120, 4.) 632770708-14554103 und 5.) 632770806-14554111, zu Recht:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm. § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
Den Beschwerden werden hinsichtlich Spruchpunkt II. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die BF – Eltern und ihre drei minderjährigen Kinder – stellten am 18.04.2017 die verfahrensgegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz.
2. Erstes Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):
2.1. Die BF reisten illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein, wo alle fünf Beschwerdeführer am 12.05.2013 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Dabei brachten sie vor, Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit aus Tschetschenien zu sein.
Zum Nachweis ihrer Identität legten BF1 und BF2 jeweils ihre russischen Inlandsreisepässe, bei welchen im Rahmen einer Dokumentenüberprüfung durch die Polizeiinspektion Traiskirchen am 12.05.2013 keine Hinweise auf Verfälschungen oder missbräuchliche Verwendung festgestellt werden konnten, sowie die Geburtsurkunden ihrer minderjährigen Kinder vor.
2.2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.05.2013 gab der BF1 an, er sei mit seiner Familie schlepperunterstützt nach Österreich eingereist, ihr Ziel sei von Anfang an Österreich gewesen, da sie bereits in Tschetschenien erfahren hätten, dass Österreich ein gutes Land sei. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab BF1 an, dass er am 07.09.2012 in XXXX auf der Straße eine Ansprache gehalten habe, im Rahmen derer er sich gegen die Regierung bzw. gegen Ramzan Kadyrow aufgelehnt habe. Tschetschenien werde von Kadyrow schlecht regiert, es gebe keine Arbeit und keine Unterstützung. Dem BF1 hätten viele Leute zugehört, er gehöre aber keiner politischen Partei oder Organisation an.
Am 11.09.2012 seien vier uniformierte Tschetschenen zum Haus der BF gekommen. Die Männer hätten dem BF1 sofort das Gesicht bzw. seinen Kopf verdeckt und ihn auf ihre Station mitgenommen. Der BF1 sei über Nacht eingesperrt worden. Am nächsten Morgen sei er verhört und sehr stark geschlagen worden. Er habe Rippenbrüche erlitten, die er mit einem ärztlichen Zeugnis belegen könne. Am nächsten Morgen hätten die Uniformierten BF2 telefonisch verständigt. Der Schwiegervater von BF1 sei zur Militärstation gekommen und habe BF1 gegen Bezahlung von 250.000 Rubel freigekauft. Sein Schwiegervater habe ihn dann vom 13.09.2013 bis 08.05.2013 in einer unbekannten Stadt, ca. 15 bis 20 km von XXXX entfernt in einem kleinen Haus versteckt. Dort sei der BF1 alleine gewesen, seine Familie habe sich in XXXX aufgehalten. Andere Fluchtgründe habe der BF1 nicht. Seine Ehefrau und seine Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe, sie würden lediglich als Familie, wenn möglich in Österreich, zusammenleben wollen. Im Falle einer Rückkehr fürchte der BF1 um sein Leben.
2.3. BF2 gab im Rahmen ihrer Erstbefragung vom selben Tag an, dass ihre Kinder und sie keine eigenen Fluchtgründe hätten, diese würden ausschließlich bei ihrem Ehemann liegen. Ihr Ehemann sei am 11.09.2011 von uniformierten Tschetschenen festgenommen worden, er sei festgehalten, verhört und geschlagen worden. Am 12.09.2011 sei die BF2 von den Leuten angerufen worden, diese hätten BF2 gesagt, wenn sie ihren Ehemann lebend zurück haben wolle, müsste sie 250.000 Rubel bezahlen. Sie sei zu ihrem Vater gegangen und habe diesem alles erzählt, er habe ihren Ehemann dann freigekauft. Ihr Vater habe ihren Ehemann von XXXX weggebracht und ihn bis zur Ausreise der BF versteckt. Im Falle einer Rückkehr fürchte BF2 um das Leben ihres Ehemannes.
Dem Bundesasylamt wurde betreffend BF2 eine Ambulanzkarte des Landesklinikums XXXX vom 17.05.2013 vorgelegt. In der Anamnese wird ausgeführt, dass BF2 mit Kopfschmerzen in die Ambulanz gekommen sei, die während eines Polizei-Interviews an diesem Tag aufgetreten seien. Laut Dolmetsch habe die Polizei die Patientin bedroht. Die Patientin habe sehr aufgelöst gewirkt und habe geweint. Als Diagnose werden Belastungsreaktion, hypertensive Entgleisung und Cephalea gestellt.
2.4. BF1 und BF2 wurden jeweils am 22.07.2013 im Beisein einer Dolmetscherin der russischen Sprache niederschriftlich einvernommen.
2.5. Dabei brachte BF1 (in anonymisierter Form wiedergegeben) im Wesentlichen Folgendes vor:
"F: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?
A: Es geht mir heute einigermaßen gut. Ich habe nur großen Stress. Ich habe zwei Kriege durchgemacht. Nachdem ich in meiner Heimat verprügelt wurde, habe ich psychisch bedingten Harndrang und bin impotent. Ich hatte zu Hause schon eine Prostatitis. Ich lege zwei Überweisungen vor. Die Telefonnummer des Urologen ist aus der Überweisung. Ich habe wirklich ein großes Problem. Ich kann nicht zurück in meine Heimat.
F: Nehmen Sie Medikamente ein?
A: Nein. Ich muss morgen zur Psychologin gehen. Es belastet mich sehr, dass ich nicht mehr mit einer Frau zusammen sein kann.
( )
F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?
A: Ja.
F: Wurden Ihre Angaben korrekt protokolliert und Ihnen rückübersetzt?
A: Ja.
F: Haben Sie persönliche Beziehungen in Österreich?
A: Meine Ehefrau T. K. (AIS: 13 06.209) und meine drei Söhne K. I. (13 06.210), J. (AIS 13 06.211) und J. (AIS 13 06.212). Ansonsten habe ich keine Beziehungen in Österreich. Lediglich meine Frau.
F: Haben Sie bereits in einem anderen Land um Asyl angesucht?
A: Nein.
F: Sind Sie damit einverstanden, dass seitens des BAA eventuell Erhebungen zum Sachverhalt in Ihrem Heimatland durchgeführt werden?
A: Ja.
F: Besaßen oder besitzen Sie einen Reisepass?
A: Wir haben Inlandspässe. Die Inlandspässe wurden uns in Traiskirchen abgenommen. Wir haben fünf Auslandsreispässe. Für meine Frau, meine Kinder und mich. Diese Pässe hat uns der Schlepper in Minsk abgenommen. Er hat sie uns nicht mehr zurückgegeben.
Etwaige Beweismittel sind vor der Einvernahme vorzulegen, bzw. geltend zu machen.
F: Haben Sie irgendwelche Beweismittel?
A: Ich habe eine Bestätigung aus dem Krankenhaus in G. nachdem ich
verprügelt wurde. Ich lege auch ein Diplom vom ... als
Gaselektrikschweißer vor. Ich habe mit Auszeichnung bestanden. Ich habe für Öl-, Gas- und Heizungen gearbeitet.
Kurzübersetzung - Krankenhausbestätigung: ( ) Drei Rippenbrüche links, Prellung der Organe der Bauchhöhle (nicht alles leserlich) ()
F: Woher haben Sie das Beweismittel?
A: Das Diplom und die Bestätigung habe ich von zu Hause mitgenommen.
F: Warum haben Sie die Beweismittel nicht schon in Traiskirchen vorgelegt?
A: Dort wurde mir gesagt, dass die Beweismittel derzeit nicht benötigt würden.
F: Haben Sie zu jemanden in Ihrer Heimat Kontakt?
A: Wir telefonieren mit meinem Bruder und meiner Schwester. Aber nur sehr selten.
F: Wann hatten Sie den letzten Kontakt?
A: Vor zirka zwei bis drei Wochen. Ich habe auf Grund des Stresses ein sehr schlechtes Gedächtnis.
F: Wie geht es Ihren Verwandten?
A: Sie sagen, dass sie kommen, um zu sehen wo ich bin. Ich wurde für 250.000 Rubel frei gekauft. Das hat sich herum gesprochen.
F: Wie geht es Ihren Verwandten?
A: Sie nehmen Gelegenheitsarbeiten an und versuchen sich durchzubringen.
F: Haben sie jemals eine Straftat verübt?
A: Nein.
F: Sucht in Ihrer Heimat die Polizei nach Ihnen?
A: Nein.
F: Wie waren Ihre Lebensumstände und Ihr persönliches Umfeld vor Ihrer Ausreise in Tschetschenien? Schildern Sie diese.
A: Ich habe in der Wohnung ... gelebt. Die Wohnung gehört meinem
jüngeren Bruder. Ich lebte mit meiner Frau und meinen Kindern zusammen. Ich habe in der letzten Zeit als Heizungs- und Sanitärtechniker gearbeitet. Ich habe privat gearbeitet, wenn mich jemand gebraucht hat.
F: Aus welchem Grund suchen Sie in Österreich um Asyl an? Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht und Asylgründe! (Freie Erzählung)
A: Am 07. September 2012 bin ich in den Hof hinausgegangen. Es war gegen Abend. Es war dämmrig. Dort sind Nachbarn herum gestanden. Ich sagte, ich hätte keine Arbeit. Ich sagte, dass alle leben können, die sich um Kadyrow scharen. Ich kann nicht frei sprechen. Bei uns fürchten sich alle. Ich habe es auch ständig ausgehalten. Ich hatte Stress und wollte es mir von der Seele reden. Dann bin ich nach Hause in meine Wohnung. Nach einigen Tagen, am 11. September, so zirka um 09:00 Uhr am Abend klopfte jemand. Ich schaute durch den Türspion. Ich sah einen jungen
Burschen. Ich öffnete die Türe. Dort standen vier vermummte. Sie haben mir sofort die Hände hinter den Rücken gedreht und mich nach untern geführt. Sie haben wir so etwas ähnliche wie einen Sack übergezogen. Sie setzten mich in ein Auto. Wir fuhren und fuhren. Wir fuhren zirka einen halbe Stunde lang. Dann öffneten Sie die Tür und sagten:
Gehen wir. Es war ein großer Hangar, wo normal Fahrzeuge stehen. Es war ein verlassenes Ziegelgebäude am Ende von G. Sie zogen mir den Sack vom Kopf und stießen mich hinein. An diesem Abend schlugen sie mich nicht. Am Morgen zum 12. Kamen vier maskierte Leute mit Tarnuniformen herein. Einer stieß mich gegen die Wand und fragte, ob ich eine Revolution gegen Kadyrow anzetteln wolle. Sie begonnen mich zu schlagen. Ich war total Blutüberströmt.
Sie haben mich von allen Seiten geschlagen. Sie haben mich mit den Füßen in den Bauch geschlagen. Als ich am Boden lag, wurde mit dem Fuß auf mich getreten. Da wurden meine Rippen gebrochen. Sie haben das Maschinengewehr genommen und entsichert. Sie zielten mit dem Gewehr auf mich. Ich dachte sie erschießen mich.
Von da an habe ich meine gesundheitlichen Probleme. Dann haben sie plötzlich die Maschinengewehre geschultert und mich wieder eingesperrt. Ich bin ein Bisschen zu mir gekommen. Ich konnte nicht atmen. Ich fühlte, dass etwas nicht in Ordnung war. Ich bin gesessen. Sie haben mir kein Wasser gegeben. Gegen Abend fragten sie mich, ob ich ein Telefon habe. Sie sagte, ich solle ihnen die Nummer meiner Frau sage. Ich wusste nicht warum. Es stellte sich heraus, dass sie meine frau anriefen. Sie sagten zu meiner Frau, dass sie 250.000 Rubel Lösegeld bringen solle, wenn sie mich lebend sehen wolle. Sie sollte am 13. mit dem Geld kommen. Meine Frau sagte es ihrem Vater. Er hat über Verwandte das Geld zusammen gebracht. Am Morgen brachte er das Geld. Meine Frau saß in einem kleinen Kastenwagen. Ihr Vater hat das Geld bezahlt und sie haben mich frei gelassen. Wir gingen zum Auto und sind zur Wohnung des Vaters gefahren. Die Nachbarn sagten ich brauche einen Bauchgurt. Mein Schwiegervater besorgte in der Apotheke einen Gurt. Der Schwiegervater brachte mich in ein Landhäuschen zirka 15 bis 20 Kilometer vor G.
Dort haben sie mich einquartiert. Es war ein Zweizimmerhäuschen aus Ziegel. Ich blieb dort. Er ist ein bis zwei Mal pro Woche gekommen und hat mich alles gebracht, was ich brauchte. Am 21. sind wir in das Krankenhaus gefahren.
Ich durfte nicht sagen, was passiert war. Ich gab an, dass ich gerauft hatte. Vom September weg, bis 08.05.2013 blieb ich in diesem Landhäuschen. Meine Frau ist in der Zeit nie zu mir gekommen. Meine Frau hatte es den Nachbar gesagt, dass ein Lösegeld bezahlt wurde. Das ist ihnen zu Ohren gekommen. Die Nachbarn hatten auch Angehörige die beim Militär sind. Zuerst war meine Frau einen Tag bei ihrem Vater. Danach kehrte sie wieder zurück in die Wohnung. Nach zirka einer Woche sind wieder vier Maskierte zu meiner Frau gekommen und haben nach mir gefragt. Sie sagte, dass sie nicht wisse wo ich sei. Meine Frau wusste auch nicht wo diese Siedlung war. Mit meiner Frau war ich nur in telefonischer Verbindung. Ich habe auch die Sim-Karte
gewechselt. Von der Wohnung Nr. ... ist sie mit den Kindern zu ihrem
Vater gezogen. Die Nachbarn haben gesagt, dass sie auch danach gekommen sind und nach meiner Frau gefragt haben. Sie haben gesagt, dass Sie bei meinem Vater ist. Dorthin sind sie aber nicht gekommen sind.
F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?
A: Den Grund warum ich bleiben will habe ich gesagt.
F: Haben Sie sonstige Fluchtgründe?
A: Nein. Wer kann mir die Garantie geben, dass dort alles in Ordnung ist, wenn ich zurück fahre.
F: War Ihre Frau zu Hause als sie von den Maskierten abgeholt wurden?
A: Ja. Sie war zu Hause. Danach ist sie zu ihrem Vater gefahren.
F: Hat Ihre Frau Wahrnehmungen gemacht?
A: Sie war in der Küche. Ich war im Wohnzimmer. Es ging sehr schnell. Sie hat nicht kapiert, was vor sich geht. Sie haben alles schnell gemacht. Sie haben mich in ein Militärfahrzeug eingeladen. Das haben die Nachbarn gesagt.
F: Wo in diesem Ziegelhaus waren sie untergebracht?
A: Es war ein verlassenes Gebäude am Stadtrand von G. Es war ein staatliches Objekt.
F: Wo in diesem Gebäude waren sie untergebracht?
A: Es war eine Eisentüre. Dort war alles leer. Gerade aus war zu sehen, dass dort einmal ein Bad war. Es war ein großer Raum. Draußen war auch ein Gebäude wie ein Hangar. Normalerweise stehen dort Fahrzeuge.
F: Wo genau waren sie in diesem Gebäude?
A: Es war ebenerdig. Es war nur so ein Gebäude. Es waren nur Reste.
F: Welche konkrete Drohung hat es von diesen Personen gegeben?
A: Was passt dir nicht. Du sagtest gegen den Präsidenten solche Sachen. Fängst du eine Revolution an. Wir werden dein Maul stopfen. Sie sagen etwas und schlagen mich. Sie sagen etwas und schlagen mich wieder.
F: Ihre Frau und ihr Schwiegervater sind sie holen gekommen?
A: Das Auto war etwas weg weiter geparkt. Mein Schwiegervater ist mit dem Geld gekommen. Mein Gedächtnis ist seither beeinträchtigt. Auch die zwei Kriege bedeuteten Stress. Ich habe nicht aktiv am Krieg teilgenommen.
F: Wohin genau wurden Sie von Ihrem Schwiegervater und Ihrer Frau gebracht?
A: Ich wurde in die Wohnung ihres Vaters gebracht.
F: Wie lange waren Sie dort gemeinsam mit Ihrer Frau?
A: Ich blieb dort eine Stunde. Ich wurde von meinen Angehörigen medizinisch versorgt. Danach wurde ich von meinem Schwiegervater weggebracht.
F: Waren Sie vom 13. September 2012 bis 08. Mai durchgehend in Ihrem Versteck?
A: Am 21. September brachte mich mein Schwiegervater in Krankenhaus. Am 08. Mai 2013 wurde ich abgeholt und direkt zur Bushaltestelle gebracht. Meine Frau kam mit den Kindern mit einem Taxi zur Busstation.
F: Handelt es sich bei Ihren Entführern um korrupte Militärs?
A: Ich weiß nicht, ob ich von Korruption sprechen sollte. Ich habe über Kadyrow schlecht gesprochen. Wir bezahlten das Lösegeld. Als ich mit meiner Frau über diesen Freikauf gesprochen habe, sind sie wieder nach einer Woche in unser Haus eingedrungen. Wenn sie nur korrupt gewesen wären, hätten sie sich damit zufrieden gegeben und wären wieder gegangen.
F: Glauben Sie, dass Sie in ihrer Heimat gesucht werden?
A: Sicher suchen Sie mich. Ich habe einfach Angst.
F: Wer sollte Sie in Ihrer Heimat suchen?
A: Ich glaube, dass es sich dabei um die Wache von Kadyrow handelt. Wenn es auf staatlicher Ebene gewesen wäre, hatte ich nicht wegfahren können. Sie hätten mich sofort aufgehalten.
F: Sie glauben, es habe sich um die Wache von Kadyrow gehandelt?
A: Nicht um seinen engsten Kreis. Aber Leute von ihm. Hätte es sich dabei nur um Banditen gehandelt hätten sie das Gerede von mir nicht beachtet.
F: Was hat Ihnen ihre Frau über den Vorfall erzählt, bei dem Sie gesucht wurden?
A: Sie sind eingedrungen und haben gefragt, wo ich sei. Sie hatte Angst. Die Kinder waren in Panik. Sie sind maskiert wieder weg.
F: Hat sie Ihnen erzählt wie sie Eingedrungen sind?
A: Ich habe nicht genau nachgefragt. Sie hat mir die Einzelheiten nicht genau erzählt.
F: Hatten Sie ansonsten jemals Schwierigkeiten mit den Behörden Ihres Heimatlandes?
A: Nein.
F: Hatten Sie in Ihrem Heimatland Probleme wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion?
A: Nein.
F: Waren Sie in Ihrer Heimat politisch aktiv oder Mitglied einer Partei?
A: Nein.
F: Wie sind sie im Krankenhaus versorgt worden?
A: Wir sind von meinem Versteck in das Krankenhaus gefahren. Ich wurde dort nur untersucht. Meine Frau hatte alles verbunden und mit Jod versorgt.
F: Was hat Ihre Frau mit Jod versorgt?
A: Ich hatte Wunden auf dem Arm und am Kopf. Ich war abgeschürft. Es waren nur Schürfwunden. Ernst waren nur die Rippen.
F: Was würde Sie erwarten, wenn Sie nach Tschetschenien zurückkehren würden?
A: Nur Gott weiß, was passieren würde. Ich fühle, dass ich abwarten muss. Ich muss eine Zeit lang abwarten. Ich habe so starken Stress. Sie sprechen nicht offen am Telefon. Sie machen Andeutungen. Ich fühle 100 Prozent Gefahr.
F: Was meinen Sie mit abwarten?
A: Ich muss eine bestimmte Zeit warten, bis man das vergisst. Auf Nachfrage gebe ich an, dass dies in einigen Jahren vergessen sein wird. So eine Angelegenheit muss sich wieder beruhigen. Meine Frau hat geplaudert, als die Leute fragten wie ich frei gekommen bin. Sie sagte, dass wir den Kadyrow Leuten Geld bezahlt hatten.
F: Hätten Sie sich mit Ihrem Anliegen an die Sicherheitsbehörden wenden können?
A: Ich hatte Angst, weil ich mich unmittelbar gegen den Präsidenten geäußert hatte.
F. Also haben sie das gar nicht in Erwägung gezogen?
A: Nein. Ich hatte Angst.
F: Gibt es jemanden der Ihre Angaben bestätigen kann?
A: Nein.
F: Wann haben Sie sich den Auslandsreisepass ausstellen lassen?
A: An das Datum kann ich mich nicht erinnern. Meinen Pass hat mein Schwiegervater abgeholt.
F: Mussten Sie nichts dafür tun?
A: Ich bin kurz am Passamt zum Fotografieren gewesen. Dann Pass hat er mir gebracht.
F: Auf welchem Passamt waren Sie?
A: Im XXXX in G. An das Datum und den Monat kann ich mich nicht erinnern. Es war heuer. Auf Nachfrage gebe ich an, es war zwei bis drei Monate vor der Ausreise.
F: Sie haben den Reisepass ohne Schwierigkeiten bekommen?
A: Ja. Mein Schweigervater hat ihn abgeholt.
Anmerkung:
Der Auslandsreisepass wurde einer Übersetzung zugeführt.
F: Können Sie sich hier in Österreich selbst versorgen?
A: Ich bekomme 40 Euro Sozialgeld. Wenn mir der Staat erlaubt hier zu leben werde ich so leben, wie die Österreichischen Leute. Ich werde die Kultur und das Gesetz achten. Ich bin in Russland in A. zur Schule gegangen, habe ich schon immer gehört, dass die Österreicher und die Deutschen die kultiviertesten Leute sind. Hier ist die Freiheit des Wortes und der Demokratie an erste Stelle.
F: Wo sind sie zur Schule gegangen?
A: In A.. Ich besuchte die Schule acht Klassen. Es befindet sich im Wolgadelta am kaspischen Meer. Ich bin im Ort Z. in der Russischen Föderation zur Schule gegangen. 1985 oder 1986 bin ich nach G. gezogen.
F: Haben Sie dort noch Verwandte?
A: Wir waren Hirten. Niemand von uns ist dort. Meine Eltern sind dort gestorben.
F: Liegt eine anderweitige Integrationsverfestigung Ihrer Person vor bzw. inwieweit würde ihr Privat- und Familienleben durch eine Aufenthalts beendende Maßnahme beeinträchtigt werden. (Anmerkung: AW wird zu dieser Fragestellung manuduziert.)
A: Ich habe in Traiskirchen zwei Wochen einen Deutschkurs besucht und in St. Urban von einer alten Frau gelernt.
Sie ist zwei drei Mal gekommen. Ich versuche es mir selbst beizubringen. Ich bin noch in keinen Vereinen aktiv. Ich liebe Schweißen.
F: Mit dem Antragsteller werden die Feststellungen des Bundesasylamtes zu Tschetschenien erörtert Was sagen Sie dazu?
A: Ich kenne die Situation. Ich bin informiert darüber. Ich kann mir im Kopf noch gut vorstellen wie es dort ist.
F: Wollen Sie die Länderfeststellungen ausgefolgt?
A: Nein. Ich brauche sie nicht.
F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?
A: Ja. Wenn ich zu viel gesagt, habe bitte ich um Entschuldigung.
F: Haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden?
A: Ja. Sehr gut....".
Im Rahmen seiner Einvernahme legte der BF1 das erwähnte Diplom betreffend seine Berufsausbildung, die Krankenbestätigung vom 21.09.2012 sowie eine Überweisung eines Arztes für Allgemeinmedizin betreffend die Diagnose "erektile Dysfunktion" dem Bundesasylamt vor.
2.6. Die BF2 gab im Rahmen ihrer Einvernahme im Wesentlichen – hier in anonymisierter Form wiedergegeben – Folgendes an:
"F: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?
A: Ja. Ich bin etwas aufgeregt.
F: Sind Sie gesund?
A: Ja.
F: Beim Akt ist ein Befund von Landesklinikum ... Hat sich alles
gelegt?
A: Ja. Ich brauche keine Medikamente. Ich muss zum Zahnarzt und werde später meinen Blutdruck untersuchen lassen. Der Blutdruck ist etwas durcheinander.
( )
F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?
A: Ja.
F: Wurden Ihre Angaben korrekt protokolliert und Ihnen rückübersetzt?
A: Irgend ein "Jahr" ist nicht richtig geschrieben. Mein Mann wurde 2012 und nicht 2011 verschleppt.
F: Haben Sie persönliche Beziehungen in Österreich?
A: Mein Ehemann K. A. (AIS: 13 06.208) und meine drei Söhne K. I. (13 06.210), J. (AIS 13 06.211) und J. (AIS 13 06.212). Ein Cousin von mir wohnt seit 10 Jahren hier. Mein Vater hatte mit ihm Kontakt.
F: Haben Sie bereits in einem anderen Land um Asyl angesucht?
A: Nein.
F: Sind Sie damit einverstanden, dass seitens des BAA eventuell Erhebungen zum Sachverhalt in Ihrem Heimatland durchgeführt werden?
A: Ja.
F: Besaßen oder besitzen Sie einen Reisepass?
A: Die Pässe wurden uns vom Schlepper abgenommen. Ich habe nur den Inlandspass.
Etwaige Beweismittel sind vor der Einvernahme vorzulegen, bzw. geltend zu machen.
F: Haben Sie irgendwelche Beweismittel?
A: Nein.
F: Haben Sie zu jemanden in Ihrer Heimat Kontakt?
A: Manchmal rufe ich meinen Vater an. Wir haben nicht genug Geld. Ich habe auch wegen der Probleme meines Mannes Angst anzurufen.
F: Haben Sie zu sonstigen Personen in Ihrer Heimat Kontakt?
A: Nein.
F: Haben sie jemals eine Straftat verübt oder waren Sie im Gefängnis?
A: Nein.
F: Sucht in Ihrer Heimat die Polizei nach Ihnen?
A: Nein.
F: Wie waren Ihre Lebensumstände und Ihr persönliches Umfeld vor Ihrer Ausreise in Tschetschenien? Schildern Sie diese.
A: Ich habe in Grosny gelebt, bin in K. im Bezirk K. geboren. Mein Vater hat immer in Russland gearbeitet. Er war ein Geschäftsmann. Während des Krieges waren wird in K.. Mein Bruder ist dort geboren. Meine Schwester ist in G. geboren. Wenn wir zur Schule mussten, waren wir in Tschetschenien. In den Ferien waren wir dort wo mein Vater gearbeitet hat. Ich hatte eine gute Kindheit. Meine Eltern sind für mich wie Heilige. Seit 2003 lebte ich mit meinem Mann in der Siedlung M. Eine Tochter von mir ist mit 11 Monaten gestorben. Sie hatte Fieber. Es war 2009. Im Jänner kam sie auf die Welt. Ich wohnte in der Wohnung mit meinem Mann und meinen Kindern. Mein Mann bekam in der letzten Zeit nur hin und wieder Arbeit. Mein Mann regte sich immer über die Situation in Tschetschenien auf.
F: Übten Sie einen Beruf aus?
A: Nein. Ich hatte geheiratet.
F: Welchen Beruf übte Ihr Mann aus?
A: Schweißer und Sanitärtechniker.
F: Aus welchem Grund suchen Sie in Österreich um Asyl an? Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht und Asylgründe! (Freie Erzählung)
A: Ich selbst und meine Kinder haben keine eigenen Probleme. Mein Mann hat Probleme. Deswegen sind wir ausgereist. Es ist uns nicht schlecht gegangen. Mein Mann hatte nicht durchlaufend Arbeit. Ich habe mich nicht in Politik eingemischt. Ich habe nur dafür gesorgt, dass für die Kinder alles in Ordnung ist.
F: Haben Sie sonstige Fluchtgründe?
A: Nein.
F: Welche Probleme hat Ihr Mann?
A: Eines Abends waren wir wie gewöhnlich zu Hause. Die Kinder haben gespielt. Ich war in der Küche. Mein Mann vor dem Fernseher. Dann hat es geklopft. Mein Mann ist als erster hin gegangen. Ich bin dann erst aus der Küche gegangen. Als er die Türe öffnete sind sie wie ein Blitz herein. Ich war schockiert. Ich wer erschrocken. Sie zogen ihn einen Sack über. Als ich hin lief, schrie einer der Männer:
Bleib stehen, sonst tut es dir leid. So haben sie ihm über die Stufe geführt. Zwei haben ihn gehalten. Es passierte alles so schnell. Die Kinder haben geweint. Ich habe nicht verstanden, was los war. Ich stand 10 Minuten nur so da. Ich rief meinen Vater an. Ich konnte gar nicht sprechen, als ich die Nummer meines Vaters wählte. Er ist sofort gekommen. Er war erstaunt. Er konnte sich nicht vorstellen warum. Sie sind nur hereingestürmt und haben nichts gesagt. An diesem Abend nahm mein Vater mich mit. Mein Vater ist ein sehr kluger Mensch. Ich wusste er würde einen Ausweg finden. Es ist so oft passiert, dass jemand verschwindet. Mein Vater versuchte mich zu beruhigen. Ich wusste, dass er selbst Angst hatte. Am nächsten Tag bin ich nach Hause gefahren. Ich habe aufgeräumt und auf Nachrichten warten. Am Abend wollte ich wieder zu meinen Vater, da ich Angst hatte. Da wurde ich plötzlich von einer verdeckten Nummer angerufen. Ich hatte Angst abzuheben. Ich bin fünf Minuten gestanden. Dann wieder ein Anruf. Ich hob ab. Eine unbekannte männliche Stimme und fragte, ob ich K. sei. Sie würde wegen meinem Mann anrufen. Sie sagten, dass die 250.000 Rubel benötigen würden. Ich sagte zu. Sie sagten, ich dürfe niemanden anrufen. Ich hatte das Geld nicht. Mein Vater hat es jedoch aufgetrieben. Sie sagten mir, damals auch die Adresse. Am nächsten Morgen bin ich mit meinem Vater an den Stadtrand von G. gefahren. Ich blieb im Fahrzeug sitzen. Nach zehn Minuten sah ich meinen Mann. Er war verschwollen. Man hatte ihn verprügelt. Er konnte kaum atmen. Ich bekam einen Schreck. Wir sind dann nach Hause zu meinen Eltern. Ich bin in die Apotheke gegangen um die Erste Hilfe zu besorgen. Wir haben ihn gereinigt. Er hatte Schwellungen. Er hatte sich angemacht. Ich habe ihn alles abgenommen. Ich habe ihm einen Gurt angelegt. Mein Vater brachte ihn irgendwo hin. Ich weiß nicht wohin. Am nächsten Tag bin ich mit den Kindern nach Hause gefahren. Ich dachte, dass uns jetzt nichts mehr drohen würde, da wir ihn frei gekauft hatten. Einige Tage war es ruhig. Am Abend klopfte es. Die Nachbarn haben gesehen, wie er weg gebracht wurde und es gab ein Gerede. Ich erzählte ihnen, dass wir angerufen wurden und Lösegeld bezahlten. Die Nachbarn waren schockiert. Eine Woche später kamen zwei Männer zu mir nach Hause. Sie fragten, wo mein Mann sei. Ich sagte, dass er nicht hier sei. Sie sagten, warum ich es nicht sage, sie würden ihn sowieso finden. Sie waren verärgert, dass es ein Gerede über den Freikauf gegeben hat. Ich bekam Angst und bin sofort zu meinem Vater. Er sagte, dass ich lieber nicht dorthin solle.
Einige Monate fuhr mein Vater zu meinem Mann. Er sagte mir, nicht wo er ist. Mein Vater meinte, dass uns diese Halsabschneider nicht in Ruhe lassen würden, weshalb wir weg müssten. Wir hatten nicht das Geld. Mein Vater beschloss die Wohnung zu verkaufen, in der wir wohnten. In der meine Mann und ich wohnten. Auch die Nachbarn erzählten, dass Leute zu Wohnung kamen. Mein Vater besorgte Pässe. Er dachte wir sollten nach Russland. Sie haben aber auch dorthin Drähte. Für mich war alles irreal. Mein Vater hat für mich und meine Kinder über jemanden Pässe machen lassen. Den Pass für meinen Mann ließ er extra machen. Mein Vater sagte, er habe einen Bekannten. Am fünften April gelang es meinen Vater die Wohnung zu verkaufen. Dann beschloss er endgültig die Pässe ausstellen zu lassen. Mein Vater hat dem Schlepper 200.000 Rubel gegeben, um von dort weg zu kommen. Am 8. Mai sind meine Mutter, ich und meine drei Kinder mit dem Taxi zum Autobus gefahren. Zuerst stieg ich in den Bus ein. Einige Minuten später brachte mein Vater meinen Mann. Mein Vater begleitete uns. Meine Mutter blieb in G.
F: Bei der Lösegeldübergabe waren sie im PKW. Haben Sie etwas gesehen?
A: Nein. Ich durfte nicht aussteigen. Mein Vater ist Bald mit ihm gekommen.
F: Wohin genau sind Sie gefahren?
A: Am Stadtrand irgendwo.
F: Was haben Sie gesehen?
A: Es war ein alter Hangar.
F: Befanden sich dort noch weitere Gebäude?
A: Nein. Nur der Hangar.
F: Können Sie etwas mehr über den Tag erzählen, an dem die Leute bei Ihnen waren um nach Ihren Mann zu fragen?
A: Sie bedrohten mich und sagten, wenn du das nicht sagst wird es dir leidtun. Ich solle besser alles erzählen. Ich hatte Angst. Ich wartete nur darauf, dass ich die Türe wieder zu machen konnte. Ich wollte, dass sie so schnell wie möglich wieder draußen waren, damit ich wieder zu meinem Vater fahren konnte.
F: Um wen handelte es sich Konkret?
A: Sie hatten Militäruniformen an und trugen Masken. Sie hatten wie üblich auch Waffen.
F: Waren Sie Ihren Mann im Landhaus besuchen?
A: Nein.
F: Haben Sie Ihren Auslandspass selbst geholt?
A: Ich war mit meinem Vater den Pass holen. Ich musste ein Foto machen.
Anmerkung: Auslandspass ausgestellt am ... Serie , Nr ...
F: An dem Abend als ich Mann geholt wurde, haben sie nicht die Polizei oder das Militär angerufen bzw. verständigt?
A: Mein Vater meinte, besser nicht. Bevor es keine Neuigkeiten gibt, sei es besser nichts zu unternehmen. Mein Vater hat alles beschlossen. Mein Vater ist ein erfahrener Mann.
F: Hatten Sie jemals Schwierigkeiten mit den Behörden Ihres Heimatlandes?
A: Nein.
F: Hatten Sie in Ihrem Heimatland Probleme wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion?
A: Nein.
F: Waren Sie in Ihrer Heimat politisch aktiv oder Mitglied einer Partei?
A: Nein.
F: Hat Ihnen das Leben in Tschetschenien gefallen? (Haben Sie etwas vermisst?)
A: Mir hat das Leben gefallen.
F: Lebten Sie als Frau in Tschetschenien traditionell?
A: Ja.
F: Leben Sie hier auch traditionell?
A: Ja. Meine Kinder sollen wie Österreicher aufwachsen.
F: Was würde Sie erwarten, wenn Sie nach Tschetschenien zurückkehren würden?
A: Ich weiß, dass mein Mann umgebracht wird. So einfach würden Sie ihn nicht in Ruhe lassen, da wir das mit dem Freikauf weiter erzählt haben.
F: Warum gerade wegen des Freikaufs?
A: Tschetschenien ist klein. Was wir erzählten, ist eine schlechte Reputation. Das können sie nicht brauchen. Ich weiß nicht, warum sie uns so quälen. Nur wegen der Worte?
F: Wer konkret sollte Ihren Mann umbringen?
A: Ich habe mich nie in Politik eingemischt. Ich kenne mich nicht aus. Vielleicht weiß mein Mann es besser.
F: Gibt es jemanden der Ihre Angaben bestätigen kann?
A: Ich weiß nicht. Mein Vater vielleicht.
F: Können es Ihre Nachbarn bestätigen?
A: Ja. Sie würden sich fürchten. So würden sie nichts sagen.
F: Ihr Mann sagte, die Wohnung hätte dem jüngeren Bruder gehört. Sie sagten ihrem Vater. Was sagen sie dazu?
A: Der Bruder hat sie uns überlassen. Er war in der Wohnung eingetragen. Wir hatten das so vereinbart.
F: Können Sie sich hier in Österreich selbst versorgen?
A: Nein.
F: Liegt eine anderweitige Integrationsverfestigung Ihrer Person vor bzw. inwieweit würde ihr Privat- und Familienleben durch eine Aufenthalts beendende Maßnahme beeinträchtigt werden. (Anmerkung: AW wird zu dieser Fragestellung manuduziert.)
A: Ich hatte schon ein paar Stunden Deutschkurs. Ich möchte gerne lernen.
F: Mit dem Antragsteller werden die Feststellungen des Bundesasylamtes zu Tschetschenien erörtert Was sagen Sie dazu?
A: Ich kenne die Situation.
F: Wollen Sie die Länderfeststellungen ausgefolgt?
A: Ich brauche sie nicht.
F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?
A: Mein Mann hat Probleme. Sie haben solchen psychischen Druck auf ihn ausgeübt. Im Krankenhaus sagten sie, dass
es psychisch sei. Wir haben überhaupt keinen Sex. In Österreich wird man uns helfen. Helfen sie uns bitte.
F: Haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden?
A: Ja.
Mir wird nun die Niederschrift rückübersetzt und ich habe danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen....".
2.7. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 04.09.2013 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz vom 12.05.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß 3 Abs. 1 iVm.
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.), weiters die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkte II.) und alle fünf Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkte III.).
Das Bundesasylamt stellte die Identität der BF fest, traf aktuelle Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat der BF und führte beweiswürdigend zusammengefasst aus, dass die BF eine ihnen aktuell drohende individuelle Gefahr einer asylrechtlich relevanten Verfolgung in der gesamten Russischen Föderation nicht glaubhaft gemacht hätten.
2.8. Gegen diese Bescheide wurde jeweils mit Schreiben vom 12.09.2013 fristgerecht Beschwerde im Familienverfahren an den Asylgerichtshof erhoben, in welcher auf eine den Beschwerden beigelegte fachliche Äußerung von XXXX vom 09.09.2013 verwiesen und darauf hingewiesen wird, dass die Traumatherapie noch im September beginnen werde. Zu den Problemen der BF wurde weiters auf ein handschriftlich in russischer Sprache verfasstes Schreiben verwiesen, welches seitens des Asylgerichtshofes einer Übersetzung ins Deutsche zugeführt wurde. In diesem wird ausgeführt, dass der BF1 nicht nach Hause fahren könne, weil sein Leben bedroht sei. Er sei nach Österreich gekommen, um seine Familie und sich vor der Gefahr zu schützen, die in der Tschetschenischen Republik herrsche. Im Falle einer Rückkehr würde er gefasst werden, da sie 250.000 Rubel zum Freikauf hergegeben hätten, zu den Nachbarn sei die Information gelangt, als der BF1 freigelassen worden sei und dies sei zu denen gelangt, die ihn entführt hätten. Danach hätten sie begonnen den BF1 zu verfolgen und jedes Mal die Nachbarn zu fragen, wo sich BF1 befinde, ebenso sei BF2 nicht in Ruhe gelassen und diese bedroht worden.
In der Beilage der Beschwerde findet sich die erwähnte fachliche Äußerung vom 09.09.2013, wonach sich aus einem Gespräch mit dem BF1 ergeben habe, das dieser an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leide und dringend eine psychotherapeutische Behandlung brauche. Er leide an massiven Angstzuständen und Intrusionen (Schlafstörungen, Albträume). Eine dolmetsch-unterstützte Traumatherapie werde durch XXXX übernommen und werde noch im September 2013 beginnen."
2.9. Mit gemeinsamen Erkenntnis vom 24.10.2013, Zlen. D19 437902-1/2013/4E, D19 437903-1/2013/3E, D19 437904-1/2013/3E, D19 437905-1/2013/3E und D19 437906-1/2013/3E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerden der BF gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 sowie § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet ab.
Der Asylgerichtshof führte in dieser Entscheidung nach Wiedergabe allgemeiner Länderinformationen zum Herkunftsstaat wie folgt aus:
"Die Beschwerdeführer reisten ihrem Vorbringen zufolge illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 12.05.2013 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren.
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit aus Tschetschenien und führen die in den Sprüchen angeführten Namen. BF1 und BF2 sind miteinander verheiratet, BF3 bis BF5 sind ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder.
Der BF1 verfügt über eine Berufsausbildung als "Gas-Elektrik-Schweißer" und war vor der Ausreise aus Tschetschenien als Heizungs- und Sanitärtechniker tätig. Die Beschwerdeführer lebten in der familieneigenen Wohnung. Im Herkunftsstaat halten sich sowohl vier Brüder und eine Schwester von BF1 und die Eltern, ein Bruder und eine Schwester von BF2 nach wie vor auf.
Nicht festgestellt werden kann, dass den Beschwerdeführern in der Russischen Föderation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität – oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität – droht. Nicht festgestellt werden kann daher in diesem Zusammenhang, dass der BF1 vor seiner Ausreise einer Verfolgung ausgesetzt gewesen ist, weil er im September 2012 auf der Straße vor einer Gruppe von Leuten gegen Ramzan Kadyrow gerichtete Äußerungen getätigt habe.
Nicht festgestellt werden kann weiters, dass die BF an dermaßen schwerwiegenden, akut lebensbedrohlichen und in der Russischen Föderation nicht behandelbaren Erkrankungen leiden würden, welche allenfalls im Falle einer Rückkehr zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten.
Festgestellt wird, dass die erst seit mehreren Monaten im Bundesgebiet aufhältigen BF in Österreich auf keine ausreichend ausgeprägten und verfestigten individuellen integrativen Anknüpfungspunkte hinsichtlich ihres Privatlebens verweisen können und weitere entscheidungswesentliche familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet nicht vorliegen."
"Feststellungen dieses Inhaltes wurden im Wesentlichen bereits in den angefochtenen Bescheiden des Bundesasylamtes vom 04.09.2013 getroffen. Dem BF1 und der BF2 wurde im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahmen die Möglichkeit eingeräumt, zu diesen Feststellungen Stellung zu nehmen, worauf der BF1 und die BF2 lediglich angaben, die Lage in Tschetschenien zu kennen.
Auch in der Beschwerde wird den seitens des Bundesasylamtes getroffenen Länderfeststellungen mit keinem Wort entgegen getreten. In den gegenständlichen Fällen besteht in Zusammenschau der in Folge aufzuzeigenden Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der BF daher kein Anlass an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen, welche auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen, zu zweifeln.
Die vorstehenden Feststellungen zur Person und zur – verneinten – Frage einer Gefährdung der BF im Herkunftsstaat gründen sich auf folgende Überlegungen:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Identität der BF gründen sich auf das diesbezügliche glaubwürdige Vorbringen von BF1 und BF2 im Zusammenhang mit den von ihnen vorgelegten russischen Inlandsreisepässen; entsprechend dem Bericht über die Dokumentenüberprüfung durch die Polizeiinspektion Traiskirchen betreffend die Reisepässe am 12.05.2013 konnten keine Hinweise auf Verfälschungen oder missbräuchliche Verwendung festgestellt werden.
Das Datum der Stellung der Anträge auf internationalen Schutz ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, dass den BF in der Russischen Föderation keine asylrelevante – oder sonstige – aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht, gründet sich auf den Umstand, dass dem individuellen Vorbringen des BF1 zu den von ihm behaupteten Fluchtgründen – auf welches sich auch die Ehefrau von BF1 und BF2 stützt und welches auch für die minderjährigen BF3 bis BF5 gilt – keine Glaubwürdigkeit zukommt. In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der diesbezüglichen Beweiswürdigung hat der Asylgerichtshof – unter Bedachtnahme auf die Beschwerdeausführungen – keine Bedenken gegen die in den vorliegenden Bescheiden getroffenen individuellen Feststellungen zum Sachverhalt hinsichtlich der geltend gemachten Ausreisegründe: Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 unmittelbar vor seiner Ausreise einer Verfolgung oder Gefährdung ausgesetzt war, weil er im September 2012 vor mehreren Leuten regierungskritische Äußerungen getätigt habe.
Was das Fluchtvorbringen des BF1 betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der BF1 im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes angab, das
Ziel seiner Familie nach der Ausreise aus Tschetschenien am 08.05.2013 sei von Anfang an Österreich gewesen, weil sie bereits in Tschetschenien die Information erhalten hätten, dass Österreich ein gutes Land sei.
Weiters gaben sowohl der BF1 als auch die BF2 an, Tschetschenien legal mit ihren Auslandsreisepässen verlassen zu haben, welche ihnen in Folge vom Schlepper in XXXX abgenommen und nicht mehr zurückgegeben worden seien. In den vorgelegten Inlandsreisepässen finden sich Vermerke, wonach dem BF1 und der BF2 jeweils am 16.02.2013 – offenbar problemlos – ein Auslandsreisepass ausgestellt wurde. Etwa einen Monat nach der Reisepassausstellung und unmittelbar vor seiner Ausreise aus Tschetschenien, nämlich am 28.03.2013, trat der BF1 dem Ab- und Abmeldestempel in seinem Inlandsreisepass zu Folge nochmals – offensichtlich erneut problemlos – an die tschetschenischen Behörden heran.
Der Umstand, dass sich die BF wenige Monate vor ihrer Ausreise aus Tschetschenien unbestrittener Maßen Auslandsreisepässe ausstellen ließen sowie unmittelbar danach eine offizielle Wohnsitzummeldung vornahmen, deutet nach Ansicht des Asylgerichtshofes weniger auf das tatsächliche Vorliegen einer dem Staat zurechenbaren, konkret und gezielt gegen die Person des BF1 gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität, der sie sich nur durch Flucht aus Tschetschenien entziehen konnten, als vielmehr auf eine von vornherein geplante Ausreise der BF in Drittstaaten hin, zumal die BF nicht im nächstgelegenen sicheren Drittland um Schutz vor Verfolgung ansuchten, sondern ihrem eigenen Vorbringen zu Folge gezielt nach Österreich reisten. Die legale Ausreise der BF aus Tschetschenien, die kurz vor der Ausreise erfolgte offenbar problemlose Reisepassausstellung an die BF – der BF1 gab vor dem Bundesasylamt an, alle fünf BF hätten Auslandsreisepässe besessen; der BF1 gab in diesem Zusammenhang weiters an, er sei – ohne dass es dabei zu Problemen gekommen sei – kurz am Passamt zum Fotografieren gewesen, den Reisepass habe sein Schwiegervater abgeholt – sowie das nach der Reisepassausstellung erfolgte nochmalige problemlose Herantreten an die tschetschenischen Behörden unmittelbar vor der Auseise der BF aus Tschetschenien anlässlich der Wohnsitzab- und Anmeldung, sprechen daher gegen das Vorbringen von BF1, er sei aufgrund von kritischen Äußerungen gegenüber Ramzan Kadyrow einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen.
Was nun das Vorbringen von BF1 im Detail betrifft, ist Folgendes festzuhalten:
Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.05.2013 gab der BF1 zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er am 07.09.2012 auf der Straße eine Ansprache gehalten habe, im Rahmen welcher er sich gegen die tschetschenische Regierung aufgelehnt habe. Tschetschenien werde von Kadyrow schlecht regiert, es gebe keine Arbeit oder Unterstützung. Am 11.09.2012 gegen 20 oder 21 Uhr seien vier uniformierte Tschetschenen zu den BF nach Hause gekommen. Die Männer hätten dem BF1 sofort das Gesicht bzw. seinen Kopf verdeckt und ihn auf ihre Station mitgenommen. Der BF1 sei über Nacht eingesperrt worden. Am nächsten Morgen sei er verhört worden, dabei habe man ihn so stark geschlagen, dass er Rippenbrüche erlitten habe, die er mit einem ärztlichen Zeugnis belegen könne.
Am nächsten Tag hätten die Uniformierten die BF2 telefonisch verständigt. Der Schwiegervater des BF1 sei zur Militärstation gekommen und habe den BF1 gegen Bezahlung von 250.000 Rubel freigekauft. Sein Schwiegervater habe ihn dann vom 13.09.2013 bis 08.05.2013 in einer unbekannten Stadt, ca. 15 bis 20 km von XXXX entfernt in einem kleinen Haus versteckt, während sich seine Ehefrau und seine Kinder in XXXX aufgehalten hätten.
Vor dem Bundesasylamt gab der BF1 demgegenüber an, er sei am 07.09.2012 in den Hof hinausgegangen und habe gegenüber seinen Nachbarn – zuvor brachte der BF1 vor, er habe auf der Straße eine Ansprache gehalten – Kadyrow-kritische Äußerungen getätigt. Am 11.09.2012 habe er einem jungen Burschen die Türe geöffnet und sei ihm in Folge von vier "vermummten Personen" – in der Erstbefragung gab er an, es habe sich um "uniformierte Tschetschenen" gehandelt – so etwas wie ein Sack über den Kopf gezogen und sei er mitgenommen worden. Weiters gab der BF1 vor dem Bundesasylamt abweichend von seinen im Rahmen der Erstbefragung getätigten Angaben an, seine Ehefrau sei nicht am nächsten Tag (nach dem 12.09., also am 13.09.), sondern am Abend des 12.09.2012 angerufen worden (der BF1 diesbezüglich wörtlich im Rahmen seine niederschriftlichen Einvernahme: "Am Morgen zum 12. kamen vier maskierte Leute mit Tarnuniformen herein. Einer stieß mich gegen die Wand und fragte, ob ich eine Revolution gegen Kadyrow anzetteln wolle. Sie begannen mich zu schlagen. Ich war total blutüberströmt. Sie haben mich von allen Seiten geschlagen. Sie haben mich mit den Füßen in den Bauch geschlagen. Als ich am Boden lag, wurde mit dem Fuß auf mich getreten. Da wurden meine Rippen gebrochen. Sie haben das Maschinengewehr genommen und entsichert. Sie zielten mit dem
Gewehr auf mich. Ic