TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/22 W173 2119765-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.12.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W173 2119765-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA: Afghanistan, vertreten durch den Migrantinnenverein St.Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.12.2015, Zl 1076472100/150792856, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.5.2016 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Herr XXXX (in der Folge BF) stellte am 4.7.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

2. Bei der am 5.7.2015 durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ der Landespolizeidirektion Burgenland gab der BF an, am XXXX in XXXX in Afghanistan geboren zu sein. Er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei Moslem. Er habe zehn Jahre die Grundschule in XXXX und zwei Jahre die Abendschule (XXXX) besucht. Er sei ledig und Offizier gewesen. Es sei drei Jahre bei der Polizei bzw. in Sar-e Pul beim Geheimdienst tätig gewesen. Er habe drei Brüder (XXXX) und eine Schwester (XXXX). Seine Familie besitze ein Haus. Sein Vater sei bereits Pensionist. Er habe sich illegal in Pakistan in Lahor im Jahr 1999 und im Iran in Teheran vor 16 Jahren für zwei bis zweieinhalb Jahre aufgehalten. Seine letzte Wohnsitzadresse sei in XXXX gewesen. Von dort aus habe er vor zwei Monaten schlepperunterstützt seine Flucht gestartet. Seine Reisedokumente würden sich in Afghanistan befinden. Über Kabul sei er nach Pakistan, in den Iran, die Türkei und über Griechenland sowie Serbien und Ungarn nach Österreich geflohen. Er habe sich zehn Tage in Griechenland aufgehalten, habe aber dort nicht bleiben wollen, da es dort genug Probleme gebe. Als Fluchtgrund gab der BF an, als Polizist mit der britischen Armee zusammen gearbeitet zu haben, wodurch sein Leben und das seiner Familie in Gefahr gewesen sei. Außerdem gebe es in Afghanistan keine Gerechtigkeit. Im Fall der Rückkehr befürchte er Probleme mit den Taliban und der Regierung, da er seinen Dienst unerlaubt aufgegeben habe. Es drohe Gefängnis bzw. Todesstrafe in Afghanistan. Er habe Angst vor den Taliban.

3. Im Rahme der Befragung am 12.11.2015 gab der BF an, bei den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben, aber ergänzen zu wollen, mit einer 27 jährigen Frau namens Jamileh, die in der Provinz Jouzejan im Distrikt XXXX lebe, seit 15 Monaten verlobt zu sein. Mit ihr stehe er telefonisch per APP Viber in Kontakt. Sie sei Lehrerin für Paschtu und Englisch. Der BF legte seine Tazkira, und weitere Originaldokumente zu seiner Offizierstätigkeit bzw. Tätigkeit beim Geheimdienst vor. Er sei als Pashtune sunnitischer Moslem und afghanischer Staatsbürger. Seine Familie stamme eigentlich aus der Provinz Maidan Wardak, sein Vater lebe aber seit 35 bis 40 Jahren in XXXX in der Provinz Dschuzdschan. In Österreich habe er keine Verwandten. Er habe mit seinen Eltern und seinen drei Brüdern in XXXX zusammengelebt. Er habe sich zuletzt am 6.5.2015 in Afghanistan aufgehalten. Sein Bruder (XXXX) sei vormals Schuldirektor und nunmehr Lehrer. In der Schule, in der dieser die Funktion des Schuldirektors inne gehabt habe, sei er von den Taliban mit dem Anzünden der Schule bedroht worden. In der Folge sei er in eine andere Schule als Lehrer versetzt worden.

Zuletzt habe er für den Geheimdienst gearbeitet. Sein Vater sei vor seiner Pensionierung als Erdöl bzw. Gasingenieur tätig gewesen. Im Rahmen seiner Geheimdiensttätigkeit sei er bei der für Terrorismusbekämpfung und Drogenbekämpfung zuständigen Polizeispezialeinheit für dreieinhalb Jahre tätig gewesen. Davor habe er zwölf Schulklassen besucht, wobei er im XXXX (8 Jahre) und in XXXX (2 Jahre) absolviert habe. Nach der Talibaninvasion und Machtergreifung durch die neue Regierung habe er die Abendschule besucht und weitere zwei Schuljahre absolviert.

Als ersten Grund für seine Flucht aus seiner Heimat nannte der BF die schlechte Sicherheitslage in XXXX und in der Provinz Sar-e Pol. Die dortige Straße werde von den Taliban kontrolliert. Als weiteren Fluchtgrund bezeichnete der BF die Ungerechtigkeit in der afghanischen Regierung. Im vorrangig von Usbeken bewohnten Gebiet, in dem er seinen Dienst abgeleistet habe, sei er als Paschtune den Feinden zugerechnet worden. Als nicht korrupter Beamter sei er in diese Gebirgsregionen beordert worden. Auch seine Familie sei bedroht worden. Als treuer Beamter und gerechter Vorgesetzter sei er in diese gefährliche Region versetzt worden, um getötet zu werden. Eine Woche vor seiner Flucht habe er sich zum Verlassen des Landes entschlossen.

Sein Wohnort sei von seinem Stützpunkt in Sar-e Pol ca. eine Autofahrt von 50 Minuten entfernt. Ursprünglich sei er Kommandeur der Soldaten für ein Jahr gewesen. Anschließend habe er in der Verwaltung typische Geheimdienstinformationen gesammelt, wobei er Spione ausgeforscht habe. Dazu zählte der BF die Ausforschung von Talibanstandorten und deren Pläne. Er sei mit einer Handfeuerwaffen, CZ, Seriennummer 82 mit 16 Patronen bewaffnet gewesen. Persönlich sei er nie mit einer Waffe bedroht worden. Bei Kontrollen auf der Route seien Durchsuchungen durch Taliban erfolgt. Er habe immer seine Karte und Pistole dabei gehabt, sei aber nicht persönlich von Taliban angehalten worden. Von 10:00 Uhr morgens bis 14:00 bis 15:00 Uhr sei auch die Wahrscheinlichkeit von Kontrollen durch Taliban gering gewesen. Voraus geschickte Mitarbeiter hätten vor Kontrollen durch Taliban gewarnt. Im Dienst sei er nie direkt bedroht worden, jedoch sei er in sehr gefährliche Regionen mit hoher Wahrscheinlichkeit, ums Leben zu kommen, geschickt worden. Mangels entsprechender Verbindungen sei auch sein Antrag auf Versetzung in die Position eines Militäroffiziers nicht erfolgreich gewesen. Seine Verwaltungsabteilung sei für die Verwaltung und die Vermeidung von Mitarbeitern mit Feinden zuständig gewesen. Dafür sei er jedoch nicht geeignet gewesen. Er habe den Dienst, ohne jemanden darüber zu informieren aufgegeben. Eine Woche nach seiner Ausreise aus Afghanistan sei sein Bruder sowie die Mitarbeiter XXXX (38 Jahre) und XXXX dazu befragt worden.

In Afghanistan befürchte er von den Taliban oder IS bzw. von der Regierung aufgrund der Quittierung seines Dienstes verfolgt zu werden. Zu den vorgehaltenen Länderfeststellungen führte der BF aus, die Situation in Afghanistan ohnehin zu kennen. Nach Rückübersetzung der Niederschrift bestätigte der BF deren Richtigkeit und Vollständigkeit mit seiner Unterschrift.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.12.2015, Zl 1076472100/150792856, wies die belangte Behörde unter Spruchpunkt I. den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, BGBl I Nr. 100/2005 idgF ab. Unter Spruchpunkt II. wurde ebenso der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es erging darüber hinaus die Feststellung zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan. Es wurde auf die 2-wöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung verwiesen.

Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs wurde festgestellt, dass der BF als afghanischer Staatsbürger und Moslem zur Volksgruppe der Paschtunen zähle. Er sei verlobt und habe keine Kinder. Seine Verlobte sowie die Familie des BF lebe in XXXX und XXXX, wo auch der BF gelebt habe. Er sei ein Jahr Soldat und als Polizistin beim Geheimdienst tätig gewesen. In der Meinung, für die Tätigkeit als Polizist im Geheimdienstbereich nicht geeignet zu sein, habe er einen Antrag

auf Versetzung in die Position eines kämpfenden Militäroffizier gestellt. Die vom BF angegebenen Gründe für das Verlassen seiner Heimat seien glaubwürdig.

Es liege jedoch keine Gefährdungslage für den BF in Bezug auf Afghanistan vor. Aufgrund der familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in seiner Heimat könne er im Fall der Rückkehr auf Unterstützungs– und Unterkunftsmöglichkeiten zurückgreifen. Der BF könne durch Ausübung einer beruflichen Tätigkeit sein Leben finanzieren und sei als wirtschaftlich abgesichert zu betrachten. Er gelange nicht in eine wirtschaftliche und finanzielle auswegslose Lage. Desertationen oder die Quittierung des Polizeidienstes bzw. Militärdienstes seien in Afghanistan weit verbreitet und würden auch im Fall der Rückkehr nicht geahndet. Vielmehr besteht die Möglichkeit, wieder in den Dienst einzusteigen ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Tod und Verwundung würden vielfach Gründe für Quittierungen des Dienstes darstellen. Im Rahmen der beruflichen Tätigkeit als Polizist einem bestimmten Berufsrisiko ausgesetzt zu sein, stelle keinen asylrelevanten Grund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Eine konkrete, gegen die Person des BF gerichtete Verfolgung sei nicht erkennbar. Der BF sei auch nicht im Fall seiner Rückkehr einer realen Gefahr im Sinne von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention ausgesetzt. Die Sicherheitslage in der Provinz Jawzjan sei verhältnismäßig gut. Außerdem besteht die Möglichkeit in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif, die ohne weiteres erreicht werden könnten, sich niederzulassen. Er könne auch wieder seine vormalige Tätigkeit als Polizist aufnehmen und auf das familiäre Netzwerk zurückgreifen. Einer Abschiebung stehe auch nicht Art. 8 EMRK entgegen.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 23.12.2015, Zl 1076472100/150792856, wurde dem BF der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.

6. Gegen den Bescheid vom 23.12.2015 erhob der BF am 4.1.2016 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wesentlicher Verfahrensfehler und bekämpfte sämtliche Spruchpunkte. Es sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft durchgeführt wurden. Die veralteten Länderberichte seien mangelhaft. Dazu werde auf die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan und aktuelle Anschläge und Gewalttaten durch Taliban in Jawzwan und Sar-i-Pul verwiesen. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass der afghanische Staat auf Grund der schlechten Sicherheitslage nicht in der Lage sei, Rückkehrer adäquat zu versorgen und sie wirtschaftlich zu unterstützen. Außer Acht werde gelassen, dass der BF nicht klassischer Soldat bzw. Polizist, sondern Mitarbeiter des Geheimdienstes gewesen sei. Wegen Zerwürfnis mit den Vorgesetzten sei der BF geflüchtet, da er sich weigere, sich dem korrupten System des Geheimdienstes zu fügen. Eine Versetzung sei ausgeschlossen. Bei einer Rückkehr sei er der Verfolgung durch die Taliban und der Regierung ausgesetzt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht. Die Familie des BF, die sich nach wie vor im Norden aufhalte, sei akuter Lebensgefahr ausgesetzt. Wegen einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK sei eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

7. Im Rahmen der Anberaumung der mündlichen Verhandlung für den 18.5.2016 wurden dem BF die aktuellen Länderberichte zu Afghanistan übermittelt und ihm dazu die Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt. Mit Schreiben vom 11.5.2016 brachte der BF vor, als Geheimdienstmitarbeiter der Personengruppe, die besonders bedroht und einer mannigfachen Verfolgung ausgesetzt sei, zuzugehören und damit zur gefährdeten Personengruppe in Afghanistan zu zählen. Dazu werde auf die UNHCR-Richtlinie verwiesen. Die Beurteilung der belangten Behörde zur Sicherheitslage am Dienstort des BF in der Provinz Sar-e- Pol stehe im Widerspruch zum jüngsten EASO-Bericht. Sie habe sich vielmehr zuletzt verschlechtert. Dies würde durch aktuelle Anschläge und Gewalttaten der Taliban belegt. Zu ähnlich gelagerten Fällen werde auf die Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes verwiesen.

8. In der mündlichen Verhandlung am 18.5.2016 legte der BF neben einer Tazkira drei weitere Schreiben vor, von denen der BF angab, dass sie aus seiner Heimat stammen würden. Nach deren Übersetzung stellte sich deren Zusammenhang mit der XXXXSchule heraus. Der BF bestätigte, bei den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben. Bis auf den das Thema seinen Familienstand betreffend sei alles korrekt übersetzt worden. Er habe nämlich angegeben, verheiratet zu sein und keine Kinder zu haben. Der BF gab an XXXX zu heißen. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei sunnitischer Moslem. Er sei am

XXXX in der Provinz Jawozjan in der gleichnamigen Stadt im Dorf XXXX geboren. In Österreich sei der XXXX als sein Geburtsdatum festgehalten worden. Er habe insgesamt 12 Jahre die Schule besucht, von denen 8 Jahre in Mirwais und 2 Jahre in der Ibn-e Amin-Schule verbracht worden seien. Nach einer Unterbrechung habe er die Abendschule besucht. Er habe immer seinen Wohnsitz im Dorf XXXX gehabt. In der Nähe seines Dorfes würde die Stadt XXXX liegen. Neben dem Schulbesuch habe der auch als Schweißer gearbeitet. Nach der Beendigung seiner schulischen Ausbildung sei er zwei Monate später in Helmand dem afghanischen Militär beigetreten. Nach cirka 3,5 Jahren sei er unter einem Vorwand entlassen worden. Es hätten Offiziere und Kommandanten in die eigene Tasche gewirtschaftet. Beispielsweise sei für einen Soldaten, der ums Leben gekommen sei, 20.000 Dollar gezahlt worden, wovon versucht worden sei, einen Teil für sich einzubehalten. Da er sich dagegen gestellt habe, seien Gründe gesucht worden, um ihn zu entlassen. Er sei dann zu Hause arbeitslos gewesen.

Als Mitarbeiter für das Sicherheitspräsidium in der Provinz Sar-e Pol gesucht worden seien, habe er sich beworben und habe eine Stelle als Kommandant der Schnelleinsatztruppe 1389 oder 1390 erhalten. Diese Position habe er nur 4 Monate innegehabt. Auf Grund seiner gewissenhaften und ehrlichen Arbeitsweise sei er in eine niedrigere Position versetzt worden. Er habe sich nämlich nicht Geld, das für das Essen der Soldaten bestimmt gewesen sei, für sich und andere abgezweigt. Vielmehr habe er die Meinung vertreten, dass sein Einkommen ausreiche. Eine Reduktion des Geldes für die Soldaten habe er als ungerecht gewertet. Unter den von ihm befehligten Soldaten habe er auch den vorgesehenen Urlaub gerecht aufgeteilt. Damit wären einige Soldaten – vor allem jene mit Verwandten in höheren Positionen - nicht einverstanden gewesen. Er sei jedoch für die Gleichbehandlung der Soldaten eingetreten, sodass sich Beschwerden über ihn vermehrt hätten, was zu seiner Versetzung geführt habe. Die unter seinem Befehl stehende Einheit habe sich in XXXX von Sar-e Pol befunden.

Bei den Sicherheitsorgangen sei er 2. Leutnant in der Position eines Majors gewesen. Die Bestätigungen würden primär von Helmand stammen. Nur eine stamme vom Staatssicherheitsdienst. Während seines Aufenthaltes in Helmand habe er verschiedene Ausbildungen und Trainings in Form von Läufen, Zielschießen, Kartenlesen, Entminung, Durchsuchungen und Abseilen absolviert. Er habe auch an Kursen für Leadership und an Waffentrainings teilgenommen. Von seinem Nachbar, XXXX, habe er von der Kommandantenstelle beim Militär erfahren. Er sei an dem Job interessiert gewesen und Helmand sei eine bevorzugte Stelle in Afghanistan gewesen. Er sei der dann Kapitän gewesen. Die Einheit sei direkt dem Innenministerium untergeordnet und von den Briten unterstützt worden. Es habe britische Lehrkräfte gegeben, sodass auch Bestätigungen in englischer Sprache ausgestellt worden seien. Er sei an unzähligen Einsätzen mit Hausdurchsuchungen beteiligt gewesen. Er habe in Helmand als Soldat begonnen und sei auf Grund seiner Fähigkeiten bis zum Zugkommandant aufgestiegen. Diese Tätigkeit habe er ein Jahr aufgeführt und sei anschließend nach einer einjährigen Leitung der Bildungsabteilung zum Kompaniekommandanten ernannt worden. Die Einheit sei für Terrorismus- und Suchtmittelbekämpfung zuständig gewesen. In Helmand sei er von Mitte 1385 (2006) bis 1389 (2010) tätig gewesen. Unter dem Begriff ATF sei die Agent Task Force gemeint, die eine Sonderstreitkrafteinheit des afghanischen Militärs darstelle. In deren Zuständigkeitsbereich seien auch militärische Operationen bzw. Einsätze gefallen. Es seien im Suchmittelbekämpfungsbereich Einsätze in der Wüste und an der pakistanischen Grenze erfolgt. Im Zuge der Einsätze seien Suchtmittelfabriken in Brand gesetzt worden. Zu einem Foto mit seiner Abbildung in Uniform und mit schwarzen Schuhen führte der BF erklärend aus, dass solche Schuhe von neu aufgenommenen, sich in Ausbildung befindenden Personen getragen worden seien.

In Sar-e Pol habe er 1389 oder 1390 (2010 oder 2011) als Kommandant gleich zu arbeiten begonnen und Soldaten täglich trainiert. Nach einer 4-monatigen Tätigkeit als Kommandant der Schnelleinsatztruppe habe der als Kommandant der Wachtruppe gearbeitet. Dort habe er Wachposten und Leibwächter kontrolliert. Danach sei er zur Einsatztruppe in den Distrikt XXXX in der Provinz Sar-e Pol versetzt worden. Es habe sich um einen Bereich des Staatssicherheitsdienstes gehandelt, in dem er bis zu seiner Flucht gearbeitet habe. Er sei nicht mehr Kommandant sondern im Verwaltungsbereich des Staatssicherheitsdienstes tätig gewesen. In ziviler Kleidung und bewaffnet habe er Informationen von Spionen gesammelt und an die Zentrale weitergeleitet. Es habe auch Einsätze, auch in den Bergen gegeben. Sein Nachfolger sowie Mitarbeiter bei der Schnelleinsatztruppe hätten seine Rückkehr als Kommandant gefürchtet. Dies habe zu seiner Versetzung nach XXXX herangezogen worden.

In Helmand sei sein Stützpunkt ca. 35km vom Distrikt XXXX entfernt gewesen. Seine Einsätze hätten jedoch in der ganzen Provinz Helmand, Kandahar und Nimroz stattgefunden. Sein Camp sei XXXX bezeichnet worden. 18km davon entfernt habe sich das Camp XXXX – auch bezeichnet als XXXX-Camp - befunden, das die größte Basis ausländischer Truppen in Afghanistan mit 20.000 Soldaten darstelle. Als von ihm die Position eines Kommandant der Schnelleinsatztruppe eingenommen habe, sei XXXX Provinzgouverneur von Sar-e Pol gewesen. Nach Demonstrationen sei er abgesetzt worden. Ihm sei Jabar Haqbin als Provinzgouverneur gefolgt.

Der BF gab weiter an, dass sein Vater Abteilungsleiter (XXXX) für den Erdöl- und Erdgasbereich in XXXX gewesen sei. Seine Mutter sei Hausfrau und seine ältere behinderte Schwester sei als ehemalige Lehrerin in Jawozjan nunmehr Hausfrau in Mazar-e Sharif. Ein Bruder (XXXX), der ursprünglich die Position eines Schuldirektors eingenommen habe, sei nunmehr als Lehrer in der XXXX Schule in der Stadt XXXX tätig. Seine anderen Brüder seien Student bzw. Schüler. Aus einer vorgelegten Bestätigung gehe die Direktorentätigkeit seines Bruders und dessen Bedrohung mit der Ermordung bzw. die Brandstiftung hervor. Sein als Lehrer tätiger Bruder sei wegen Weiterleitung von Informationen an ihn mit dem Tod bedroht worden. Nach seiner Flucht sei für seinen Bruder nach telefonischer Auskunft alles in Ordnung.

Der BF bestätigte mit seiner Familie in Kontakt zu stehen. Sein Vater betone, dass die Flucht des BF sich positiv ausgewirkt habe. Der BF gab weiter an, mit einer Lehrerin verheiratet zu sein, die in ihrem Elternhaus in XXXX lebe. Er stehe mit ihr in Kontakt. Sie werde nicht bedroht. Nach seiner Flucht hätten jedoch Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes bei ihr nach seinem Aufenthaltsort gefragt. Nach der Machtübernahme durch Präsident Ashraf Ghani und Abdullah habe sich die Sicherheitslage enorm verschlechtert. Er habe bis zu zweimal pro Woche die sehr unsichere Straße nach Sar-e Pol befahren. Dort seien erst letzte Woche 10 Polizisten getötet worden. Sein Versetzungsgesuch nach Kabul sei gescheitert. Im Fall einer Kündigung wäre er bei der Staatsanwaltschaft vorstellig geworden. Er sei bei seiner Arbeit sehr erfolgreich gewesen, was nicht ausgereicht habe. Es würden nur arbeitsunfähige aus dem Staatssicherheitsdienst nach einer bestimmten Zeit entlassen. Er könne nicht kündigen und sei immer an den Staatsicherheitsdienst gebunden. Im Kündigungsfall würde die Abteilung 34 des Staatssicherheitsdienstes bzw. die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Es erfolge eine Einvernahme und ein teilweises festhalten. Er habe deshalb von einer Kündigung abgesehen und sei geflohen. Er hätte sonst vor der Staatsanwaltschaft seine Kündigung begründen müssen. Die Ablehnung einer Versetzung werde nicht als Kündigungsgrund bei einer Arbeit im Staatssicherheitsdienst akzeptiert. Die Möglichkeit als Wächter zu arbeiten habe er abgelehnt. Er habe die Dienststelle nicht wechseln können. Er habe bei seinem Eintritt in den Staatsdienst von den Problemen des Jobwechsels gewusst. Bei seiner Tätigkeit im Staatssicherheitsdienst sei er von Gerechtigkeit und der Einhaltung von Gesetzen ausgegangen. Dies sei jedoch ein Irrtum gewesen.

Der BF gab an, seine Flucht selbst finanziert zu haben. Er habe Afghanistan am 20 oder 21.5.2015 verlassen. Es habe cirka eineinhalb Monate gedauert, um Österreich zu erreichen. Es sei sein Leben in Gefahr gewesen. Er sei zu lebensbedrohlichen Einsätzen geschickt worden. Bei seiner Berufsentscheidung, in Helmand Soldat zu werden, sei Unterstützung für Soldaten im Verletzungsfall vorhanden gewesen. Nunmehr würden verletzte Soldaten tagelang nicht versorgt. Nach dem Verlassen der ISAAF-Truppen habe sich die Situation für Soldaten und Offiziere in Afghanistan verschlechtert. Es seien auch sehr viele Soldaten geflüchtet. Als Fluchtgrund nannte der BF, die Ablehnung seines Versetzungsgesuches. Außerdem sei sein Leben als Regierungsgegner in Gefahr gewesen. Vorgesetzte hätte ihn absichtlich zu lebensbedrohliche Einsätze entsandt. Auch sein Bruder sei wegen seiner Arbeit bedroht worden. Es gebe andere Freunde, die keine Schwierigkeiten hätten. Außer seinem Bruder, der Lehrer gewesen sei, sei keiner seiner Brüder oder sein Vater bedroht worden. Er habe den Staatssicherheitsdienst ohne vorherige Information quittiert. Lediglich seine Eltern und seine Frau wären davon informiert gewesen. Als Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes habe er auch keine innerstaatliche Fluchtalternative gehabt, zumal er überall gesucht werde. Vor einer Reise ins Ausland hätte er den Sicherheitsdienst informieren müssen. Im Fall der Rückkehr würde er dem Staatssicherheitsdienst bzw. der Staatsanwaltschaft übergeben. Regierungsgegner würde ihn aufgreifen und töten. Die Regierung könne ihn nicht schützen. Er könne auch nicht mehr in den Staatssicherheitsdienst aufgenommen werden. Auch von den Regierungsgegnern würde er bedroht und ginge große Gefahr aus. Auch wenn alle Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes bedroht würden, gebe es einen gravierenden Unterschied zu ihm. Außer ihm seien die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes Einheimische gewesen. Seine Kernfamilie lebe in XXXX, seine Schwester in Mazar e-Scharif. Seine sonstigen Verwandten (Tanten, Onkeln) seien auf zwei Provinzen aufgeteilt (Kabul und Wardak). Zu seinen Verwandten in Kabul habe er guten Kontakt. Seit seiner Flucht nach Österreich besuche er einen Deutschkurs und betreibe Sport. Er habe auch bei der Reinigung eines Wohngebietes mitgeholfen. Zu den Länderberichten habe er kein Vorbringen.

Der Vertreter des BF verwies auf die schlechte Situation nach dem Abzug der ISAAF-Truppen und die Verschlechterung der Sicherheitslage. Es handle sich um Umstände, auf die der BF keinen Einfluss habe. Selbst die Dienstquittierung sei mit einer Gefährdung durch regierungsfeindliche Truppen verbunden. Dazu werde auf die aktuellen UNHCR-Richtlinie verwiesen. Mit Nachforschungen in seiner Heimat erklärte sich der BF einverstanden. Der BF erhob gegen die Niederschrift keine Einwendungen.

9. Mit Schreiben vom 29.7.2016 wurde vom BF auf das bisherige Vorbringen und die vorgelegten Beweismittel verwiesen. Selbst die belangte Behörde sei von einem glaubwürdigen Vorbringen des BF ausgegangen. Der BF sei der Bedrohung durch Taliban ausgesetzt, gegen die der afghanische Staat unter den herrschenden Bedingungen nicht in der Lage sei, Personen zu schützen. Auch in Kabul seien gezielte Anschläge regierungsfeindlicher Elemente möglich und könnten deren Zugriffe auf ihre Ziele nicht ausgeschlossen werden. Der BF sei für die afghanische Sicherheitsorgane und den Staatssicherheitsdienst fast acht Jahre operativ tätig gewesen. Während seiner Tätigkeit in Helmand habe er mit westlichen Militärs (Briten) eng zusammengearbeitet. Der BF sei im Außeneinsatz tätig gewesen und habe geheime Informationen gesammelt. Nach den UNHCR Richtlinien entspreche der BF dem Risikoprofil jener Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft, einschließlich internationaler Streitkräfte verbunden seien oder diese unterstützen würden. Der BF falle daher unter internationalem Schutzbedarf. Für die Regierung arbeitende und der Spionage beschuldigte Personen würden zu den besonders gefährdeten Personen zählen. Anders als andere Desserteure habe der BF den Staatssicherheitsdienst verlassen, in den kein Wiedereinstieg möglich sei. Es drohe dem BF jedenfalls ein Verfahren, in dem es zu einem unfairen und rechtswidrigen Verfahren komme könne. Der BF sei während dessen nicht vor einer Bedrohung durch Taliban geschützt. Im Fall einer Rückkehr sei die erforderliche staatliche Sicherheit ausgeschlossen, da der BF wegen seiner Desertion aus dem Geheimdienst mit unverhältnismäßigen staatlichen Sanktionen zu rechnen habe und wieder ins Visier von regierungsfeindlichen Kräften geraten würde, wovor ihn der Staat nicht schützen könne bzw. wolle. Dem BF sei wegen der unterstellten politischen Gesinnung der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Dazu wurde auf die Judikatur verwiesen.

10. Das Bundesverwaltungsgericht beauftragte den für Afghanistan länderkundigen Sachverständigen, Dr. Sarajuddin Rasuly, mit Nachforschungen zur Person der BF in Afghanistan. Zu den nachfolgenden Fragen führte der Sachverständigen in seinem Gutachten

vom 28.8.2016 Folgendes aus: "...............

Forschungsmethodik:

Forschung in Provinz Jawzjan, Helmand und in Sar-e Pul betreffend

BF.

Fragen der Richterin:

1. Stammt der BF aus der Provinz Jawazjan, aus dem Dorf XXXX? Hat er BF dort eine Familie?

2. War der BF in Helmand beim afghanischen Militär von 2006-2010 tätig? War er auch für Drogen- und Terrorismusangelegenheiten zuständig? Warum wurde der BF entlassen?

3. War der BF im Sicherheitspräsidium in Sar-e Pol ab 2010/2011 tätig und in welcher Funktion?

4. Warum wurde er in den Distrikt XXXX in der Provinz Sar-e Pol versetzt? Welche Funktion übte der BF dort aus und wie gestaltete sieh dort seine Tätigkeit?

5. Ist eine Kündigung bei einer abgelehnten Versetzung im Beschäftigungsbereich des BF möglich? Mit welchen Konsequenzen hat der BF in Afghanistan bei der Quittierung seiner Beschäftigung ohne vorheriger Kündigung und Meldung an den Dienstgeber zu rechnen?

6. Mit welchen Konsequenzen seines Dienstgebers hätte der BF im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Flucht ohne Verständigung seines Dienstgebers bzw. ohne vorhergehender Kündigung zu rechnen? Steht ihm der Staatsdienst nach wie vor offen?

7. Wie ist die vom BF behauptete Bedrohung seines Bruders XXXX (Lehrer) aus länderspezifischer Sicht in Zusammenhang mit der vormaligen Tätigkeit des BF zu beurteilen? Warum werden der Vater und die übrigen Brüder nicht bedroht?

8. Könnte sich der BF wieder in seiner Heimatprovinz oder könnte er sich in anderen Provinzen in Afghanistan im Fall seiner Rückkehr auch im Hinblick auf seine berufliche Vergangenheit niederlassen. Hätte er mit Bedrohungen zu rechnen?

9. Könnte der BF im Fall einer Rückkehr seine Heimatprovinz und den Aufenthaltsort seiner Familie (XXXX) bzw. seiner Frau (XXXX) erreichen bzw. könnte er in Kabul den Stadtteil XXXX oder XXXX erreichen?

Zum Vorbringen des BF:

Betreffend die Angaben und die Fragen von Frau Richterin hat mein Mitarbeiter in XXXX/Jawzjan, in Mazar-e Sharif, in Flelmand und in Sar-e Pul Nachforschungen angestellt und das Ergebnis seiner Forschung mir übermittelt. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Forschungen und ausgehend von meiner Literaturrecherche zur Sicherheitslage in der Provinz Jawzjan möchte ich folgendes

Gutachten erstatten:

Zur Familiären Identität des BF:

Die Angaben des BF betreffend seine Familie und Herkunft aus XXXX stimmen mit der Wirklichkeit der Provinz Jawzjan überein. Bezirk Mirwais Mina wurden als Wohnorte der Familie des BF XXXX genannt. Die Familie des BE gehört der paschtunische Ethnie und sein Vater ist vor mehr als 40 Jahren aus Arbeitsgründen aus der Provinz Wardak nach XXXX in der Provinz Jawzjan gekommen. Sein Bruder ist weiterhin Lehrer in XXXX Taliban-Schule in der Stadt in XXXX. Der Vater des BF ist am Leben und er war tatsächlich früher leitender Angestellter des staatlichen Industriezweigs mit der Bezeichnung XXXX = Gas und Elektrizitätswerke, wo auch Düngemittel erzeugt wurden.

Mit dem Vater des BF wurde auch ein telefonisches Gespräch geführt. Er war zur Zeit des Gesprächs herzkrank und konnte nicht länger mit meinem Mitarbeiter sprechen. Er hat aber die Angaben des BF bestätigt, dass er als Offizier gearbeitet hat, aber er konnte nicht aus Krankheitsgründen weiter darüber erzählen.

Mein Mitarbeiter hat einen Offizier in Helmand gefunden, der bestätigt hat, dass der BF in Helmand leitender Offizier für Ausbildung der Soldaten und auch Kommandant der 444 Bataillon war.

Die schnelle Einsatztruppen wurden für mehrere Zwecke benutzen. D.h. sie wurde auch für Bekämpfungen der Drogenmafia und Vernichtung der Drogenfelder in Helmand verwendet.

Er hat Konflikte mit seinem Oberkommandierenden bekommen und hat sich nach seiner Heimatregion versetzten lassen. Sein Oberkommandierender hat XXXX geheißen. Diese Information stammt sowohl von dem Oberkommandierender in Helmand als auch von einem unabhängigen Offizier, den mein Mitarbeiter angesprochen hat. Dieser heißt XXXX und stammt aus dem Distrikt XXXX in der Provinz Takhar.

Nachdem der BF Helmand verlässt, wird er im Staatssicherheitsdienst in Sar-e Pul in der Nachbarschaft seiner Provinz Jawzjan aufgenommen und er wird dort ein leitender Offizier im Präsidium für Staatssicherheitsdienst von Sar-e Pul. Er war sowohl in Sar-e Pul und auch im Distrikt XXXX jeweils Kommandant von Bataillonen der Schnelleinsatztruppen.

Zum Fluchtgrund:

Die Familie des BF hat keine Privatfeindschalt und sein Bruder wurde wegen ihm von den Taliban nicht verfolgt. Sein Vater hat von einer Privatfeindschaft nicht gesprochen. Aber der BF war als ein leitender Offizier des Sonderkommandos des Staatssicherheitsdienstes im Einsatz gegen die Taliban in verschiedenen Orten von Sar-e Pul tätig. Er ist den Taliban bekannt, dass er ein Teil der Operationen der Schnelleinsatztruppe gegen sie befehligt hat. Aus diesem Grunde werden diese Offiziere, wenn sie in Gebieten erwischt werden, die von den Taliban beherrscht werden, von den Taliban verfolgt. Die Taliban sind in Nordwest Afghanistan derzeit aktiv und sie sind in den meisten Distrikten von Shiberberghan in den bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt.

Die Provinz Jawzjan, mit dem Zentrum XXXX, und ihre Nachbarprovinzen, Faryab und Sar-e Pul, sind Zielscheibe der Taliban und es werden öfters von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Taliban und den Sicherheitskräften in diesen Gebieten gemeldet.

Der stellvertretende Präsident Afghanistans, General Dostum, war im Jahre 2015 und im Jahre 2016 mehrmals in diesen Gebieten persönlich im Einsatz. Seine Einsätze haben aber langfristig kein positives Ergebnis gebracht.

Nach seinem Abzug aus seinen Einsatzgebieten, sind die Taliban wieder in diesen Gebieten, in Außenbezirken der genannten Provinzen, wieder eingedrungen. Hierzu möchte ich auf die Beilagen 1,2, 3 und 4 hinweisen:

Nach Informationen, die meine Mitarbeiter vom Büro des Staatssicherheitsdienstes in Sar-e Pul und in Helmand eingeholt hat, wurde festgestellt, dass der BF persönlich seine Dienststellen immer wieder verlassen hat und er nicht von seinen Vorgesetzten aus dem Dienst hinausgedrängt oder rausgeschmissen worden ist. Der BF ist während seiner Dienstzeit eine problematische Person gewesen und hat mit seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten immer wieder gestritten. Personen, die ihren Dienst im Staatssicherheitsdient ohne Einverständnis des Präsidiums in Kabul verlassen, gelten als Dienstverweigerer und Vertragsbrecher und werden im gesetzlichen Rahmen zur Verantwortung gezogen.

Solche Personen müssen auch im Falle ihrer Rückkehr mit ihrer Festnahme durch die Sicherheitsorganen und Haftstrafe rechnen. Wenn sie aber sich bei der Behörde vorher freiwillig melden und wenn die bekannten Persönlichkeiten seiner Heimatregion sich für ihn einsetzen, muss er nicht unbedingt von der Behörde verfolgt werden. Seine Verfolgung gilt seitens der Behörde dann sicher, wenn der BF mit seinen vorhandenen Waffen und Ausrüstungen, die vom Staatssicherheitsdient anvertraut worden waren, geflüchtet ist oder wenn er beschuldigt wurde, Korruption betrieben zu haben.

Außerdem hat der BF die Möglichkeit, sich von einem Anwalt vertreten zu lassen. Die Vertretung schützt ihn aber vor einer vorläufigen Festnahme nicht, wenn ihm schwerwiegende Vorgehen in seiner Dienstzeit vorgeworfen wird.

Wenn der BF während seines Einsatzes Taliban in Helmand und in Sar-e Pul getötet oder töten lassen hat, kann er nicht in XXXX überleben, weil XXXX ein kleine Stadt ist und die Außenbezirke dieser Stadt von den Taliban kontrolliert bzw. beeinflusst werden. Wenn er aber in seinem Dienst wieder aufgenommen wird und bewaffnet ist, dann hat er die Möglichkeit sich bewaffnet gegen die Taliban zu verteidigen, wie er sich während seiner Tätigkeit in Helmand und Sar-e Pul verteidigen konnte.

In Kabul können solche Personen, wenn sie die Taliban nicht schwerwiegend geschädigt haben, leben. Aber sie müssen dort eine Lebensgrundlage haben, nämlich Wohnmöglichkeit und finanzielle Mittel bzw. eine Arbeit. Ein Verwandter, der nicht verpflichtet ist bzw. wenn er nicht zum Erb- und Geschäftsbeteiligten gehört, kann nicht als familiärer Rückhalt gewertet werden.

..............................."

Die Ausführungen des genannten länderkundigen Sachverständigen vom 28.8.2016 wurden mit Schreiben vom 10.1.2017 dem Parteiengehör unterzogen. Der BF führte mit Schriftsatz vom 1.3.2017 aus, dass die Ermittlungsergebnisse die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF zu seiner Person und seine berufliche Tätigkeit sowie seine daraus resultierende Gefährdung bestätigen würden. Zum Oberkommandierenden XXXX bestätige der BF, dass dieser zu seiner Dienstzeit für den BF zuständig gewesen sei und den Rang eines Generals stationiert in Kabul innegehabt habe. Auch die berufliche Tätigkeit des BF mit Einsätzen zur Drogenbekämpfung und später für den Staatssicherheitsdienst werde bestätigt. Auch der Sachverständige bestätige, die Verfolgung von solchen Offizieren im Staatssicherheitsdienst. Bei Verlassen seines Heimatstaates sei der BF persönlicher Bedrohung durch Taliban beispielsweise bei Überlandfahrten ausgesetzt. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise habe eine konkrete Gefahr auf Grund seiner Einsätze bestanden. Es könne dem BF nicht zum Vorwurf gemacht werden, das Risiko von den Taliban getötet zu werden zu minimieren. Das Risiko werde im Fall der Rückkehr infolge unerlaubten Verlassens des Staatssicherheitsdienstes verstärkt. Vor seiner Ausreise sei der BF zumindest noch bewaffnet gewesen und habe mit Spezialwissen Angriffe vermeiden können. Im Fall der Rückkehr sei der BF gänzlich schutzlos. Als vormaliger hoher Sicherheitsbeamter befinde er sich auf Grund seiner Einsätze gegen die Taliban in exponierter Lage. Der BF sei nicht nur wegen seiner politischen Einstellung verfolgt, sondern auf infolge der Drogenbekämpfung Rachenahme ausgesetzt. Er würde im gesamten Gebiet von Afghanistan gesucht. Er sei im gesamten Gebiet von Afghanistan nicht sicher. Dies ergebe sich auch aus Länderberichten. Taliban seien im gesamten Gebiet von Afghanistan gut vernetzt. Es gehe um die endgültige Eliminierung. Dies bestätige auch der Afghanistanexperte Thomas Ruttig. Dieser habe auf die Bedrohung durch die Taliban verwiesen. Diese würden auch in Kabul über ein gutes Vernetz verfügen. Ein Wiedereintritt in den Staatssicherheitsdienst sei nicht möglich. Der BF gelte als Dienstverweigerer und Vertragsbrecher. Ihm würden im Rückkehrfall die vorläufige Festnahme und eine Haftstrafe drohen. Der BF habe nämlich nicht die Waffen und seinen Militärausweis abgegeben. Somit würde der BF der Strafverfolgung nicht entgehen. Der BF gelte darüber hinaus als "problematische Person". Der BF habe Probleme mit den Vorgesetzten gehabt. Der Staatssicherheitsdienst würde die Vorwürfe des BF nicht bestätigen, sondern diese als Verfehlungen des BF werten. Der BF habe Probleme, sodass sein Wiedereintritt ausgeschlossen sei. Mit der Fahnenflucht würden dem BF gesetzliche Konsequenzen drohen. Die Korruptionsvorwürfe des BF gegen den Vorgesetzten könnten zu Lasten des BF gehen. Die Situation des BF sei von der eines einfachen Soldaten der afghanischen Streitkräfte zu unterscheiden, bei denen aus Personalknappheit Toleranz geübt werde und ein Wiedereintritt in den Dienst nicht ausgeschlossen sei. Nach der Judikatur könnten Indizien für eine drohende individuelle und konkrete Verfolgung darstellen, wobei nicht nur auf in der Vergangenheit liegende Vorfälle abzustellen sei. Der BF drohe nicht nur von der Talibanseite Verfolgung. Er stehe auch im Konflikt mit dem Staatsicherheitsdienst, der einen Wiedereintritt verunmögliche. Vielmehr drohe dem BF auch auf Grund der unerlaubten Entfernung auch von dieser Seite Verfolgung. Der BF sei auch Folter und Misshandlungen ausgesetzt. Ein faires Verfahren sei ausgeschlossen. Dem BF wäre daher jedenfalls subsidiärer Schutze zu gewähren. In Kabul scheide als innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative aus. In einem weiteren Schreiben vom 13.4.2017 wurde darauf hingewiesen, dass Ende März sechs weitere ehemaligen Soldaten, für die der BF im Dienst verantwortlich gewesen sei, von den Tabilan getötete worden seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.Der BF trägt den Namen XXXX. Er ist afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zum muslimischen Glauben mit sunnitischem Bekenntnis. Der BF ist am XXXX in Provinz Jowzjan in XXXX geboren. Der BF ist im Kreise seiner aus der Provinz Wardak stammenden Familie (Vater, Mutter, drei Brüder und eine Schwestern) im Elternhaus aufgewachsen und hat insgesamt 12 Schuljahre absolviert, wobei er auch eine Abendschule besuchte. Dabei arbeitete er nebenbei als Schweißer. Sein Vater war als Ingenieur im Erdöl- und Erdgasbereich in XXXX tätig und ist nunmehr Pensionist. Seine Kernfamilie lebt ebenfalls in XXXX, wobei ein Bruder ein Lehrer, einer ein Student und einer noch Schüler ist. Seine Schwester befindet sich in Mazar e-Sharif. Der BF hat auch Verwandte in den Provinzen Wardak und Kabul, zu denen er einen guten Kontakt pflegt.

1.2.Nach der Schulausbildung hat sich der BF für das afghanische Militär entscheiden, wo er in der Provinz Helmand mit der militärischen Ausbildung begann und auch von britischen Lehrkräften ausbildet wurde. Der BF hat sich vom XXXX bis zum Bataillonskommandanten und leitenden Offizier für die Soldatenausbildung hochgearbeitet. Seine Einheit war dem Innenministerium untergeordnet und wurde von den Briten unterstützt. Im Rahmen seiner Tätigkeit war der BF auch für Terrorismus- und Suchmittelbekämpfung zuständig. Im Zuge dessen war er für auch für militärische Operationen und Einsätze in der Wüste an der pakistanischen Grenze zur Bekämpfung der Drogenmafia und Vernichtung von Drogenfeldern verantwortlich. Der BF stellte sich gegen mit Bereicherungsabsicht verbundene korrupte Vorgänge innerhalb des dortigen Militärs und geriet in Konflikt mit seinem Oberkommandanten. Nachdem er seine Tätigkeit in Helmand 2010 beendete hatte, begann der BF danach im Staatsicherheitsdienst in Sar-e Pul in der Nachbarschaft seiner Heimatprovinz Jowzjan. Dort wurde er leitender Offizier im Präsidium des Staatssicherheitsdienstes und war auch Kommandant des Bataillons der Schnelleinsatztruppe. Auch dort hat sich der BF gegen die mit Bereicherungsabsicht verbundene verbreitete Korruption bzw. Bevorzugung von Soldaten mit Verwandten in höheren Positionen in seinem beruflichen Umfeld mit der Konsequenz von Versetzungen gestellt. Der BF wurde deshalb auch in den Distrikt XXXX versetzt, wo er ebenfalls die Position eines Kommandanten der Schnelleinsatztruppe einnahm sowie im Verwaltungsbereich arbeitete. Der BF war in seiner Position bewaffnet. Die Ansuchen des BF um eine Versetzung nach Kabul wurden nicht bewilligt. Der BF ist den Taliban als Kommandant der Schnelleinsatztruppe, die die Tablian im Einsatzgebiet bekämpfte, bekannt. Ohne die zuständigen Stellen des Staatssicherheitsdienstes zu verständigen, hat der BF den Militärdienst quittiert. Er hat nur seine Eltern davon in Kenntnis gesetzt.

1.3. Der BF hat aus Furcht vor den von ihm im Rahmen seiner Tätigkeit beim Militär und Staatssicherheitsdienst verfolgten Regierungsgegner (Taliban) im Mai 2015 Afghanistan verlassen und ist nach Österreich geflohen, wo er am 4.7.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz stellte. Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes suchten nach dem BF und fragten nach seinem Verbleib.

1.4. Der BF hat in Österreich keine Angehörigen. Er absolvierte einen Deutschkurs und nahm an einem Werte- und Orientierungskurs teil. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

1.5. Zur Lage im Herkunftsland des BF (Afghanistan):

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2.3.2017 idF vom 21.12.2017:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil – der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen – in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. – 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen – zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren – führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer – speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen – in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh – Atta Noor – zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound – auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul – dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll – in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann – dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen – was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen – in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen – dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich – laut afghanischen Beamten – ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar – in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

Politische Entwicklungen

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" – er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Ar

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten