Entscheidungsdatum
27.12.2017Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W215 2128865-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2016, Zahl 1073479108-150664947, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt I. des Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 12.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
In der Erstbefragung am 12.06.2015 gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, im Jahr 2012 von Somalia nach Kenia geflohen zu sein. Im April 2015 habe sie den Entschluss gefasst aus Kenia zu flüchten, weil ihr in der Koranschule mitgeteilt worden sei, dass sie in den Dschihad ziehen müsse. Die Beschwerdeführerin habe Angst um ihr Leben, weil die Dschihadisten noch immer in Somalia seien. Wenn sie wieder nach Kenia zurück müsste, hätte sie keine Dokumente. Kenia sei nicht ihr Heimatland.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , Zahl XXXX , wurde die Obsorge gemäß § 211 Abs. 1 2. Satz ABGB dem XXXX übertragen.
Die Beschwerdeführerin wurde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.04.2016 niederschriftlich befragt und führte zusammengefasst an, dass sie ledig sei und bis 2010 in XXXX gelebt habe. Wegen des Krieges sei sie nach XXXX geflohen. Die Beschwerdeführerin und einige ihrer Geschwister seien in XXXX in die Koranschule gegangen. Insgesamt seien ca. 50 Kinder in die Koranschule gegangen, alle seien aufgefordert worden in den Dschihad zu ziehen. Der Lehrer habe zu allen gesagt, sie müssten in den Dschihad gehen, dürften aber den Eltern nichts sagen. Die Beschwerdeführerin habe es jedoch ihrer Mutter erzählt, diese habe sie nicht mehr in die Koranschule gehen lassen und der Lehrer habe deshalb ihre Mutter bedroht. Die Familie habe danach beschlossen nach Kenia zu gehen, dort hätten sie ab 2012 gelebt. In Kenia hatte die Beschwerdeführerin keine Probleme wegen des Themas Dschihad. Im Fall der Rückkehr nach Somalia fürchte sich die Beschwerdeführerin vor al-Schabaab. Entsprechend befragt, gab die Beschwerdeführerin an, pharaonisch beschnitten zu sein; weitere Fragen wurden diesbezüglich nicht gestellt.
In einer schriftlichen Stellungnahme vom 02.05.2016 wurde neu angeführt, dass sich die Beschwerdeführerin vor Zwangsrekrutierung durch al-Schabaab fürchte. Es wurde zudem vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin Opfer von Genitalverstümmelung geworden sei. Eine Beschneidung stelle ohne Zweifel eine Verfolgung dar. Die Asylrelevanz einer Beschneidung ende keinesfalls mit ihrer erstmaligen Durchführung. Nach somalischer Tradition würden Frauen häufiger beschnitten. Jeder somalischen Frau drohe immer Infibulation (die teilweise Verschließung der Vagina) eine Defibulation (die Öffnung der Verschließung bei einer Geburt) und die Re-Infibulation (das erneutet Zunähen der Verschließung nach einer Geburt). Die Beschwerdeführerin sei Opfer der sogenannten pharaonischen Beschneidung geworden. Die Beschwerdeführerin werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Ehe eingehen und deshalb weitere Beschneidungen erleiden. Die Verfolgung auf Grund von Beschneidung/en sei asylrelevant.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.05.2016, Zahl 1073479108-150664947, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und in Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 20.05.2017 erteilt.
Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2016, Zahl 1073479108-150664947, zugestellt am 01.06.2016, erhob die Beschwerdeführer fristgerecht am 10.06.2016 gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
2. Die Beschwerdevorlage vom 16.06.2016 langte am 27.06.2016 im Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes (§ 1 VwGVG).
Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG). Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 VwGVG).
Zu A)
1. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Wie eben ausgeführt, ist gemäß § 17 VwGVG der IV. Teil des AVG und somit auch
§ 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, nicht anzuwenden.
Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 VwGVG).
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Stand der Rechtslage 01.01.2014, § 28 VwGVG, Anmerkung 11).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des
§ 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.01.2009, 2008/07/0168; VwGH 23.05.1985, 84/08/0085).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, 2002/20/0315 und 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt.
Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:
"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zahl 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem erstinstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063-4, unter anderem ausgeführt, dass gemäß den Bestimmungen des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG bereits nach dem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht kommt, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 BVG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Weiters wird zusammengefasst ausgeführt, dass auch eine an der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 130 Abs. 4 B-VG orientierte Auslegung ergibt, dass eine Aufhebung des Bescheides der Verwaltungsbehörde jedenfalls erst dann in Betracht kommt, wenn die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Aus den im Erkenntnis wiedergegeben Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist ersichtlich, dass dem Verwaltungsgericht in den in Art. 130 Abs. 4 B-VG vorgesehenen und in § 28 Abs. 2 VwGVG angeordneten Fällen eine kassatorische Entscheidung nicht offensteht. Damit normiere § 28 VwGVG für die überwiegende Anzahl der Fälle die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, in der Sache selbst zu entscheiden. Derart wird (wie erwähnt) der sich schon aus Art. 130 Abs. 4 B-VG ergebenden Zielsetzung, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden sollen, Rechnung getragen. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73f).
2. Im Fall der Beschwerdeführerin erweist sich der angefochtene Spruchpunkt I. des Bescheides in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erörterte im Spruchpunkt I. des gegenständlichen Bescheides fast ausschließlich das Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Thema Dschihad und genereller Angst vor al-Schabaab. In der Beweiswürdigung geht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon aus, dass die Beschwerdeführerin keine persönliche Verfolgung glaubhaft vorbringen konnte. Zum Vorbringen in der schriftlichen Stellungnahme worin unter anderem ausgeführt wurde, dass die Beschwerdeführerin Opfer der pharaonischen Beschneidung geworden sei, eine Beschneidung ohne Zweifel eine Verfolgung darstelle, die Asylrelevanz einer Beschneidung keinesfalls mit ihrer erstmaligen Durchführung ende, jeder somalischen Frau zudem Infibulation (die teilweise Verschließung der Vagina) drohe, eine Defibulation (die Öffnung der Verschließung bei einer Geburt) und die Re-Infibulation (das erneutet Zunähen der Verschließung nach einer Geburt), die Beschwerdeführerin eine Ehe eingehen, dadurch weitere Beschneidungen erleiden werde und die Verfolgung auf Grund der erfolgten pharaonischen Beschneidung noch andauere und asylrelevant sei, wurde nur lapidar ausgeführt, dass diese Ausführungen nicht asylrelevant seien, weil die künftigen Akte nicht als Beschneidung anzusehen seien. Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, hat es das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedenfalls verabsäumt die Beschwerdeführerin zu diesem Themenbereich, gemeint drohender Infibulation, Defibulation, Re-Infibulation bzw. zu ihren Befürchtungen bezüglich weiterer Beschneidungen persönlich zu befragen und ihr damit das Recht auf Parteiengehör genommen. Zudem wurde im Bescheid nicht auf das neue Vorbringen in der Stellungnahme zum Thema Zwangsrekrutierung durch al-Schabaab eingegangen bzw. die Beschwerdeführerin dazu auch nicht befragt.
Im fortgesetzten Verfahren werden die genannte Verfahrensmängel vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu sanieren sein. Es ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht festzustellen, dass die Beschwerdeführerin ausreichend Gelegenheit zur Darstellung der Gründe für ihren Aufenthalt außerhalb ihres Herkunftsstaates hatte. Die dargelegten Umstände müssen insgesamt jedenfalls als maßgeblicher Mangel angesehen werden, welcher einer weiteren niederschriftliche Befragung der Beschwerdeführerin durch eine Referentin bedarf. Für das Bundesverwaltungsgericht erweist sich der vorliegende Sachverhalt daher als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen diesbezüglich unerlässlich erscheinen. Damit hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Wie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sinngemäß zu entnehmen ist, sollte eine ernsthafte Prüfung eines Antrages und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes jedenfalls nicht erst bei der Beschwerdebehörde beginnen, da dies nicht nur eine "Delegierung" der Aufgaben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an das Bundesverwaltungsgericht bedeuten, sondern auch den in der Rechtsordnung bewusst vorgesehenen Instanzenzug zur bloßen Formsache degradieren würde.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wie in der Beschwerde beantragt gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im konkreten Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig weil diese Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dieser Beschluss beschäftigt sich mit der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin zu Thema Beschneidung bzw. ihren Befürchtungen in Zukunft weitere Beschneidungen erfahren zu müssen nicht persönlich befragt wurde. Es ergaben sich im Lauf des Verfahrens keine Hinweise auf das Vorliegen von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass dadurch beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Sachverhalt nicht umfassend ermittelt wurde. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegen keine grundsätzlichen Rechtsfragen vor, weil § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG inhaltlich
§ 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht und zusätzlich zur bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Zurückverweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlungen auch das Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063-4, heranzuziehen ist. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare im Sinne einer eindeutigen Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung vorliegen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Genitalverstümmelung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W215.2128865.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.01.2018