TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/27 W185 2168302-1

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Veröffentlicht am 27.12.2017
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Entscheidungsdatum

27.12.2017

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W185 2168302-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX alias XXXX, StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2017, Zl. 1159653002-170860783, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF

als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Syrien, wurde am 18.07.2017 in Österreich aufgegriffen und gab bei einer Befragung vor einer Landespolizeidirektion vom selben Tag an, sich von 2012 bis 2016 im Irak aufgehalten zu haben und anschließend über die Türkei nach Bulgarien gereist zu sein, wo er zur Asylantragstellung gezwungen worden sei. Nachdem er weiter in die Schweiz gereist sei, sei er von dort in der Folge nach Bulgarien abgeschoben worden. Nach einem Aufenthalt von ungefähr 15 Tagen in Bulgarien habe er sich für sieben bis acht Monate in Serbien aufgehalten. Anschließend habe der Beschwerdeführer via Österreich nach Deutschland reisen wollen.

Laut den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen suchte der Beschwerdeführer im Juli 2016 in Bulgarien (BG1 vom 27.07.2016) und im August 2016 in der Schweiz (CH1 vom 08.08.2016) um Asyl an.

Aufgrund des EURODAC-Treffers mit Bulgarien richtete das Bundesamt für Fremdenwesen am 19.07.2017 ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b iVm Art. 24 der VO (EU) Nr 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (infolge Dublin-III-VO) an Bulgarien.

Am 21.07.2017 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Anlässlich der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.07.2017 erklärte der Beschwerdeführer, der Befragung ohne gesundheitliche Probleme folgen zu können. Seine Eltern und Geschwister würden sich in Syrien aufhalten; der Beschwerdeführer habe im Bereich der EU zwei in Deutschland aufhältige Onkel. Der Beschwerdeführer habe seine Heimat im Jänner 2014 verlassen und sei über den Irak, die Türkei und die Schweiz nach Österreich gekommen. Dass er vor seiner Einreise in der Schweiz in Bulgarien gewesen sei, habe er erst in der Schweiz erfahren. Er habe sich in diesem Land nur einen Tag aufgehalten und sei dort gezwungen worden, die Fingerabdrücke abzugeben. Er habe dort nicht um Asyl angesucht. Aufgrund seines Aufenthaltes in Bulgarien sei sein Asylverfahren in der Schweiz negativ ausgefallen und der Beschwerdeführer nach Bulgarien zurückgeschoben worden. Bereits am Flughafen sei er von der bulgarischen Polizei sehr unfreundlich empfangen worden. So habe man ihm mitgeteilt, dass er für sich selbst sorgen solle. Daraufhin habe der Beschwerdeführer in Bulgarien fünf Tage auf der Straße gelebt und sei anschließend nach Serbien gereist, wo er sich neun Monate lang aufgehalten habe. Danach sei er nach Österreich gekommen. Der Beschwerdeführer hätte kein Problem mit einer Rückkehr in die Schweiz; nach Bulgarien wolle er jedoch nicht zurück; Asylwerber hätten dort keine Rechte. Er wolle nur in einem sicheren Land leben. Er wolle in Österreich bleiben, da er sich hier als Flüchtling Unterstützung erwarte. In Bulgarien habe der Beschwerdeführer nicht um Asyl angesucht.

Mit Schreiben vom 27.07.2017 stimmten die bulgarischen Behörden zu, den Beschwerdeführer auf Grundlage von Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin-III-VO zu übernehmen (vgl. Aktenseite 59 des Verwaltungsaktes; infolge kurz: AS).

In der niederschriftlichen Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor einem Organwalter des Bundesamtes am 01.08.2017 gab der Beschwerdeführer, nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit einer Rechtsberaterin, zusammengefasst an, sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, die Einvernahme durchzuführen. Er leide an keinen Krankheiten und nehme keine Medikamente ein. Dazu befragt, ob er Verwandte oder Bekannte in Österreich habe, erklärte der Beschwerdeführer, nur einen "Freund" in Österreich zu haben, aber keine Daten von diesem angeben zu können. Darüber hinaus habe er einen Onkel in Norwegen und einen Onkel in Deutschland; beide könnten den Beschwerdeführer finanziell unterstützen. Was seinen Aufenthalt in Bulgarien anbelange, so habe er zunächst gar nicht gewusst, dass er sich dort aufgehalten habe. Als er aufgegriffen worden sei, habe er die Fingerabdrücke abgeben müssen und habe danach das Land verlassen. Nach seiner Rücküberstellung von der Schweiz nach Bulgarien habe er sich dort ca. vier bis fünf Tage aufgehalten und in dieser Zeit auf der Straße gelebt. Er habe sich in Bulgarien nicht sicher, sondern bedroht gefühlt; ständig hätten Leute geschrien. Anzeige bei der bulgarischen Polizei habe er aber nicht erstattet. Über Vorhalt der beabsichtigten Überstellung nach Bulgarien gab der Beschwerdeführer an, dass es dort keine Sicherheit und keine Rechte gebe; er habe in Bulgarien nicht um Asyl angesucht. Er habe Albträume von Bulgarien.

Am 04.08.2017 langte eine Stellungnahme zu den Länderberichten zu Bulgarien ein, worin unter Zitierung einiger Berichte auf die schlechte Situation von Asylwerbern in Bulgarien hingewiesen wird. UNHCR habe im April 2014 ausgeführt, dass das bulgarische Asylsystem nach wie vor unter groben Mängeln leiden würde (unter anderem betreffend die Behandlung von unbegleiteten Minderjährigen und sonstigen vulnerablen Personen sowie die Versorgung von anerkannten international Schutzbedürftigen) und klargestellt, dass jedenfalls Abschiebungen vulnerabler Personen demzufolge weiterhin eine Verletzung der EMRK darstellen können und daher – auf Basis entsprechender Einzelfallprüfungen – nicht durchzuführen seien. Es seien mittlerweile zahlreiche Fälle dokumentiert worden, in denen Asylsuchende und Schutzberechtigte in Bulgarien unmenschlich und erniedrigend behandelt worden bzw. ihnen grundlegende Rechte vorenthalten worden seien. So sei die Situation an der bulgarischen Grenze besorgniserregend. Es gebe Berichte von "Push-Backs" und Misshandlungsvorwürfen von Personen, die versucht hätten, in Bulgarien Asyl zu erhalten. Die Aufnahmebedingungen in Bulgarien würden weiterhin unter dem generellen Standard liegen; Unterkünfte seien überfüllt und in einem schlechten Zustand. Zu kritisieren sei auch die Inhaftierungspraxis in Bulgarien. Der Beschwerdeführer gelte in Bulgarien als Folgeantragsteller, weshalb ihm die Gefahr der Kettenabschiebung drohe, wenn er keine neuen Tatsachen vorbringen könne. Aufgrund der Mängel im bulgarischen Asylsystem und der dem Beschwerdeführer weiters drohenden Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen in bulgarischen Haftzentren für Asylsuchende, drohe dem Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Bulgarien eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC garantierten Rechte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c der Dublin III-VO Bulgarien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Feststellungen zur Lage in Bulgarien wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst (nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Allgemeines zum Asylverfahren

Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). Es existiert ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

(AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

99,8% der betretenen illegalen Migranten geben an, dass Bulgarien nicht ihr Zielland ist. Ende 2016 stieg die Quote der Antragsteller, die ihr Verfahren nicht zu Ende führen, auf 84%. 44% der Asylverfahren wurden eingestellt (discontinued) und 41% in Abwesenheit entschieden. Nur 15% der Asylwerber blieben lange genug im Land, um eine inhaltliche Entscheidung zu erhalten (AIDA 2.2017). Illegale Ausreise ist eine Straftat und kann zu Haftstrafen von über einem Jahr führen (AI 2.2017). In Bulgarien gab es 2017 bis 31.5.2017 1.833 Asylanträge (VB 20.6.2017b).

Es gibt weiterhin Berichte über Gewalt gegen Migranten und Asylwerber durch Mitglieder ziviler "Bürgerwehren" und Beamte an den Landesgrenzen. Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte "Pushbacks" an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten. Dabei soll in hunderten Fällen vonseiten der Polizei und Grenzwache körperliche Gewalt zum Einsatz gekommen und die Migranten bisweilen auch beraubt und erniedrigend behandelt worden sein. Im November 2016 wurde im Zuge der Niederschlagung eines gewaltsamen Aufstandes im Unterbringungszentrum Harmanli von der Polizei angeblich übertriebene Gewalt angewendet. Im Juni 2016 wurden zwei Männer wegen versuchten Mordes angeklagt, die einen Asylwerber aus fremdenfeindlichen Motiven niedergestochen hatten (USDOS 3.3.2017; vgl. BHC 25.1.2017). Die Handlungen der zivilen "Bürgerwehren", welche Migranten an den Grenzen bis zum Eintreffen der Polizei festhielten und bisweilen auch misshandelten, wurden von Teilen von Politik und Gesellschaft zunächst begrüßt. Nach formellen Beschwerden von NGOs wurden einige Mitglieder dieser Gruppen verhaftet und das bulgarische Innenministerium rief dazu auf, von der eigenmächtigen Anhaltung von Migranten Abstand zu nehmen (AI 2.2017). Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten und Asylwerber in Bulgarien sind – wie überall – nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch die bulgarischen Sicherheitskräfte besteht laut Einschätzung des BM.I-Verbindungsbeamten jedoch nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird strikt ausgelegt, und die Täter hätten mit sofortiger Entlassung zu rechnen (VB 31.1.2017). Asylwerber und Schutzberechtigte haben dieselben gesetzlichen Beschwerdemöglichkeiten wie bulgarische Staatsbürger. Sie können die Behörden informieren. Die Zuständigkeit ergibt sich aus dem Charakter der Beschwerde. Ansprechbar sind der Direktor der jeweiligen Institution; der Vorsitzende der SAR über den Direktor der jeweiligen territorialen SAR-Einheit oder über NGOs; UNHCR; das Bulgarische Rote Kreuz; das Bulgarische Helsinki Komitee und andere NGOs welche reguläre Vertreter bei den territorialen Einheiten der SAR haben; der Direktor des jeweiligen Unterbringungszentrums (VB 9.7.2015).

Quellen:

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AI - Amnesty International (2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/336454/479095_de.html, Zugriff 27.6.2017

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017

-

BHC - Bulgarian Helsinki Committee et al. (25.1.2017): Pushed Back at the Door. Denial of Access to Asylum in Eastern EU Member States, http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/pushed_back.pdf, Zugriff 29.6.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017

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VB des BM.I Bulgarien (9.7.2015): Auskunft SAR, per E-Mail

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VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail

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VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017b): Bericht des VB, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Mit Jänner 2016 ist in Bulgarien eine Reihe von Gesetzesänderungen in Kraft getreten. Demzufolge ist ein Verfahren zu suspendieren, wenn sich der Antragsteller diesem für mehr als zehn Arbeitstage entzieht. Nach weiteren drei Monaten ist das Verfahren zu beenden (Act Art. 14f.). Erscheint der Antragsteller binnen einer Frist von sechs Monaten ab Beendigung und bringt triftige Gründe für sein Fernbleiben vor, ist das Verfahren wiederzueröffnen. Die zuvor gebräuchliche Drei-Monats-Regel für die Wiedereröffnung von Verfahren existiert nicht mehr. Ohne triftige Gründe für das Fernbleiben bleibt nur die Möglichkeit eines Folgeantrags, der aber als unzulässig gilt, wenn er keine neuen Elemente in Bezug auf den Antragsteller oder den Herkunftsstaat enthält (Act Art. 77 und 13).

Wenn es bereits einen Antrag gab, aber das Verfahren des Dublin-Rückkehrers nicht inhaltlich geführt wurde, ist dieses jedenfalls wiederzueröffnen (Act Art. 77; vgl. SAR 17.5.2016a). Sind mehr als sechs Monate seit Einstellung des Verfahrens vergangen, würde in so einem inhaltlich noch nicht behandelten Fall ein erneuter Antrag als Erstantrag gelten (und nicht als Folgeantrag) (SAR 17.5.2016b).

Folgeantragsteller (außer Vulnerable) haben während der Zulässigkeitsprüfung ihres Folgeantrags (de jure 14 Tage) kein Recht auf Unterbringung, Sozialhilfe, Krankenversicherung/-versorgung und psychologische Hilfe (Act Art. 29 und 76b; vgl. AIDA 2.2017). Bei Antragstellern, deren suspendiertes Verfahren wiedereröffnet wird, weil es triftige Gründe für Ihr Fernbleiben gibt, ist laut Gesetz das Recht auf Krankenversicherung als fortdauernd (continuous) zu betrachten (Act Art. 29).

Die Angaben zum Zugang von Dublin-Rückkehrern zu Versorgung sind widersprüchlich. Zum einen sagt der AIDA-Bericht, dass Antragsteller, die sich dem Verfahren entziehen, in der Praxis bei Rückkehr das Recht auf Versorgung verlieren. Sie können auf eigene Kosten außerhalb der Zentren wohnen, was demnach hauptsächlich Dublin-Rückkehrer ohne Recht auf Versorgung in Anspruch nehmen. Ihre Zahl ist aber nicht sehr hoch. Auf der andren Seite gibt AIDA an, dass SAR vor der Ankunft von Dublin-Rückkehrern die Grenzpolizei darüber informiert, ob der Rückkehrer in ein Unterbringungszentrum zu verbringen (im Falle einer Wiedereröffnung des Verfahrens; bzw. wenn Rückkehrer die Ablehnung seines Antrags in Abwesenheit noch nicht mitgeteilt wurde), oder in Schubhaft zu nehmen ist (etwa wenn eine negative Entscheidung in Abwesenheit Rechtskraft erlangte). Jedenfalls übernahm Bulgarien 2016 624 Dublin-Rückkehrer (von 10.377 Anfragen). 2015 waren es noch 262 Rückkehrer gewesen (von 8.131 Anfragen). Im Prinzip gibt es für Dublin-Rückkehrer keine Hindernisse beim Zugang zum Verfahren in Bulgarien (AIDA 2.2017).

Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und –Gesetzgebung und folgt diesen sehr streng. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird von denen medizinisch, bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum "Nadya", IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017a).

Quellen:

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Act – Asylum and Refugees Act (amend. 22.12.2015), per E-Mail

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017

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SAR - State Agency for Refugees with the Council of Ministers (17.5.2016b): Auskunft SAR, per E-Mail

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VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017a): Auskunft SAR, per E-Mail

Non-Refoulement

Schutz vor Refoulement ist eine Erwägung in der Zulässigkeitsprüfung und unerlässlich für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten (AIDA 2.2017).

Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte "pushbacks" an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten (USDOS 3.3.2017; vgl. BHC 25.1.2017). Die Handlungen der zivilen "Bürgerwehren", welche Migranten an den Grenzen bis zum Eintreffen der Polizei festhielten und bisweilen auch misshandelten, wurden von Teilen von Politik und Gesellschaft zunächst begrüßt. Nach formellen Beschwerden von NGOs wurden einige Mitglieder dieser Gruppen verhaftet und das bulgarische Innenministerium rief dazu auf, von der eigenmächtigen Anhaltung von Migranten Abstand zu nehmen (AI 2.2017).

Die Regierung garantiert einen gewissen Schutz vor Ausweisung oder Rückkehr von Migranten und Asylwerbern in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/336454/479095_de.html, Zugriff 27.6.2017

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017

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BHC - Bulgarian Helsinki Committee et al. (25.1.2017): Pushed Back at the Door. Denial of Access to Asylum in Eastern EU Member States, http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/pushed_back.pdf, Zugriff 29.6.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017

Versorgung

Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens, inklusive eines etwaigen Beschwerdeverfahrens. Die Aufenthaltsdauer in den Zentren ist gesetzlich nicht begrenzt. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie zu Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und zu Krankenversicherung, medizinischer Versorgung, psychologischer Versorgung und Bildung gegeben. Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden. Im Frühjahr 2015 wurde rückwirkend mit 1. Februar 2015 beschlossen, die Sozialhilfe für Asylwerber in Höhe von BGN 65,- (EUR 33,-) nicht mehr auszubezahlen, weil die Asylwerber in den Zentren der SAR drei warme Mahlzeiten am Tag erhalten würden. Letzteres ist Berichten zufolge aber nicht immer zutreffend. Einige NGOs haben daher gegen diese Entscheidung gerichtliche Beschwerde erhoben, welche jedoch nicht zugelassen wurde. Wenn Antragsteller sich dem Verfahren entziehen, verlieren sie bei Rückkehr in der Praxis das Recht auf Versorgung (AIDA 2.2017).

Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Harmanli sowie Pastrogor. Die Kapazität der Unterbringungszentren liegt bei ca. 5.130 Plätzen, SAR selbst spricht mit Stand Anfang 2017 von 5.490 Plätzen:

Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren werden als ärmlich beschrieben, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen. Freizeitaktivitäten für Kinder und Sprachschulungen gibt es in den Zentren derzeit keine. Die Unterbringungsbedingungen variieren aber zum Teil erheblich von Zentrum zu Zentrum. Wo immer möglich, erfolgt die Unterbringung von Familien ohne deren Trennung. Auf die Trennung der verschiedenen Nationalitäten wird geachtet. Asylwerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung. Nicht viele Personen nützen dieses Recht. Meist handelt es sich um Dublin-Rückkehrer, die das Recht auf anderweitige Unterbringung verloren haben, weil sie sich dem Verfahren entzogen haben. Gegen Verweigerung der Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (AIDA 2.2017).

Mehrmals während des Jahres 2016 haben finanzielle Probleme des SAR zu Unterbrechungen bei der Bereitstellung medizinischer Leistungen und Übersetzerdienstleistungen geführt. Menschenrechtsorganisationen und Freiwillige halfen mit Nahrungsmitteln u.a. Unterstützung (USDOS 3.3.2017).

Wenn das Asylverfahren länger als drei Monate dauert, haben Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu Jobtrainings und Sozialleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen aber schwierig (AIDA 2.2017).

Seit Jänner 2016 können Antragsteller während ihres Asylverfahrens, in Übereinstimmung mit Art. 8(3)(a), (b), (d) und (f) der Neufassung der Aufnahmerichtlinie, auch geschlossen untergebracht werden. Dazu wurde von SAR ein geschlossenes Unterbringungszentrum geschaffen, der sogenannte "Block 3" des Schubhaftzentrums Busmantsi (60 Plätze). Zeitweilig gab es auch ein zweites geschlossenes Zentrum im Elhovo Regional Border Police Directorate (150 Plätze), das aber Ende 2016 wieder geschlossen wurde. 2016 wurden insgesamt 400 Personen derart geschlossen untergebracht, alle aus Gründen der nationalen und öffentlichen Sicherheit. Darüber hinaus sind noch die Schubhaftkapazitäten Bulgariens zu nennen. Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze), Lyubimets (300 Plätze) und das geschlossene Verteilerzentrum Elhovo (240 Plätze). Die Haftbedingungen werden vor allem bezüglich Hygiene kritisiert. Medizinische Versorgung ist nicht in jedem Haftzentrum täglich verfügbar. Die Sprachbarriere und Mangel an Medikamenten werden kritisiert (AIDA 2.2017).

Bulgarien bietet entsprechend der Flüchtlingskonvention ausreichende Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung. Die Aufnahmezentren werden dahingehend immer wieder von NGOs auf Mindeststandards kontrolliert (VB 31.1.2017).

Es gibt weiterhin Bedenken über unzureichende Information der Neuankömmlinge über ihre Rechte und schlechte Unterbringungsbedingungen. Das Zentrum in Pastrogor wird renoviert um es in eine geschlossene Einrichtung umzuwandeln. Dazu werden der Zaun und die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, die Fenster werden vergittert. Das Zentrum Harmanli wird nach den gewaltsamen Ausschreitungen vom November 2016 ebenfalls sicherer gemacht, und die dort Untergebrachten dürfen nur noch zu bestimmten Zeiten in die Stadt gehen. Die etwa 500 an den Ausschreitungen Beteiligten wurden in geschlossene Zentren verlegt und rund 80% von ihnen mittlerweile in ihre Herkunftsländer rückgeführt. Da immer weniger Fremde ankommen, sind die Zentren nur knapp zur Hälfte belegt (FRA 4.2017).

Derzeit sind in Bulgarien untergebracht (Stand 15.6.2017): 2.057 Personen in offen Zentren (40% Auslastung), 489 Personen in geschlossenen Zentren (52% Auslastung) und 419 privat (auf eigene Kosten). Das sind gesamt 2.965 Personen (VB 20.6.2017b).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017

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FRA – Fundamental Rights Agency (4.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. April 2017 monthly report. 1–31 May 2017,

http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/april-2017, Zugriff 29.6.2017

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VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail

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VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017b): Bericht des VB, per E-Mail

Medizinische Versorgung

Asylwerber haben ein Recht auf dieselbe medizinische Versorgung wie bulgarische Staatsbürger. SAR ist verpflichtet Asylwerber krankenzuversichern. In der Praxis haben Asylwerber damit mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren, da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist. In dieser Situation ist laut AIDA spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (AIDA 2.2017).

Mehrmals während des Jahres 2016 haben finanzielle Probleme des SAR zu Unterbrechungen bei der Bereitstellung medizinischer Leistungen und Übersetzerdienstleistungen geführt. Menschenrechtsorganisationen und Freiwillige halfen mit Nahrungsmitteln u.a. Unterstützung (USDOS 3.3.2017).

Asylwerber und UMA, sowie Personen, die bereits Asyl in der Republik Bulgarien erhalten haben und eine psychologische und psychiatrische Betreuung benötigen, werden nach Angaben von SAR von Psychologen der SAR sowie von Psychologen und Psychiatern der Zentren ASET und NADYA betreut. Das Zentrum ASET ist eine NGO, welche Folteropfer unterstützt. ASET arbeitet seit 2003 mit SAR zusammen und bietet psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Behandlung, soziale Beratung, Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen, individuelle Einschätzung des psychologischen Zustandes und psychologische Gutachten an. Das Zentrum NADYA ist eine Stiftung, welche Frauen hilft, die physische, psychische oder sexuelle Gewalt erlebt haben. Das Zentrum bietet medizinische, psychologische und juristische Beratung, sowie Psychotherapie bzw. verweist die Bedürftigen zu anderen Behörden und Spezialisten. Momentan leistet das Zentrum NADYA psychiatrische und psychologische Unterstützung in den territorialen SAR-Einheiten im Rahmen eines Projekts, finanziert vom Fonds "Asyl, Migration und Integration" ("Unterstützung des Prozesses der Anfangsanpassung der Asylsuchenden durch soziale Mediation, Bildungsaktivitäten, psychologische Hilfe und rechtliche Beratung") (VB 26.4.2016).

In Bulgarien besteht grundsätzlich die Möglichkeit, rezeptfreie Medikamente auch über das Internet zu erwerben (VB 26.4.2016).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

(Anm. der Staatendokumentation: Ausführlichere Informationen zu psychologischer Betreuung, eine Liste der Psychologen in Bulgarien (in bulgarischer Sprache) und eine Liste von Apotheken in einigen bulgarischen Städten, in denen Psychopharmaka verfügbar sind, sowie eine Liste von Krankenhäusern in einigen bulgarischen Städten, in denen psychologische/psychiatrische Behandlung verfügbar ist, ist der AFB BULG_RF_MEV_Psychologische Betreuung von Asylwerbern und Schutzberechtigten_2016_05_02_AS auf dem Koordinationsboard bzw. auf ecoi.net zu entnehmen!)

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017

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MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017

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VB des BM.I Bulgarien (26.4.2016): Auskunft SAR, per E-Mail

Schutzberechtigte

(Anm. der Staatendokumentation: Zusätzlich zu den Ausführungen in diesem LIB darf auf die AFB BULG_RF_SOL_Soziale Rechte und Beihilfen für rückkehrende Schutzberechtigte_2016_10_07_KE auf dem Koordinationsboard verwiesen werden!)

Anerkannte Flüchtlinge erhalten ein Identitätsdokument mit fünf Jahren Gültigkeit; subsidiär (oder humanitär) Schutzberechtigte ein solches mit drei Jahren Gültigkeit. Damit sind verschiedene Rechte verbunden. Anerkannte Flüchtlinge haben mit wenigen Ausnahmen dieselben Rechte wie bulgarische Staatsbürger, subsidiär Schutzberechtigte haben dieselben Rechte wie Inhaber eines permanenten Aufenthaltstitels. Nach den Jahren 2014 und 2015 wurde auch 2016 von NGOs als "zero integration year” bezeichnet, weil kein operatives National Programme for the Integration of Refugees (NPIR) beschlossen werden konnte. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2016 geschah dies, aber keine der 265 Gemeinden hat seither Geldmittel für den Integrationsprozess Schutzberechtigter beantragt, weswegen das NPIR von AIDA weiterhin nicht als operativ betrachtet wird (AIDA 2.2017). Die bulgarische Regierung hat Ende März 2017 die Bestimmungen zur NPIR wieder zurückgenommen, weil ihre Bestimmungen zu ungenau gewesen seien und zu sehr auf negative Einstellungen der Öffentlichkeit Rücksicht genommen habe (FRA 4.2017). Im April wurde eine leicht veränderte Version zur öffentlichen Konsultation vorgelegt (FRA 5.2017).

Generell können sich Schutzberechtigte frei in Bulgarien niederlassen. Das NPIR – wenn operativ– wäre an eine selbst gewählte Gemeinde gebunden. Schutzberechtigte haben auch ein Recht auf eine Wohnbeihilfe für sechs Monate. Da es aber derzeit keine funktionierende Integrationshilfe gibt, ist es den Schutzberechtigten erlaubt für sechs Monate ab Statuszuerkennung in der Asylwerberunterkunft zu bleiben„ solange die Platzverhältnisse dies zulassen. Ende 2016 waren 229 Schutzberechtigte in Asylwerberunterkünften untergebracht. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Schutzberechtigte automatisch und bedingungslos gegeben. Sprachbarriere und allgemeine sozioökonomische Lage sind übliche Probleme. Der Zugang zu Bildung ist für Schutzberechtigte genauso geregelt wie für Asylwerber (AIDA 2.2017).

Im Juni 2016 waren in bulgarischen Arbeitsämtern 61 Schutzstatusinhaber arbeitslos gemeldet. Elf von ihnen fanden Jobs und zehn kamen in Schulungsmaßnahmen (USDOS 3.3.2017).

Im Feber 2017 gab es eine eigens veranstaltete Berufsmesse für Flüchtlinge. 60 vorselektierte Kandidaten wurden in ihren Bemühungen eine Arbeit zu finden beraten (FRA 4.2017).

Vom ersten Tag nach Statuszuerkennung müssen Schutzberechtigte die Krankenversicherungsbeiträge, die bis dahin von SAR entrichtet worden sind, selbst bezahlen. Das sind mindestens BGN 18,40 (ca. EUR 9,40) monatlich für arbeitslos gemeldete Personen (AIDA 2.2017).

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben laut SAR das gleiche Recht auf medizinische Versorgung wie die bulgarischen Staatsbürger. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die dringend psychologische oder psychiatrische Unterstützung brauchen, werden an ASET oder NADYA oder an das Zentrum für psychische Gesundheit "Prof. N. Shipkovenski" verwiesen. Von dem Hausarzt können sie zu einem Psychiater in einem diagnostisch-konsultativen Zentrum überwiesen werden (VB 26.4.2016).

Der typische Behandlungsweg eines Patienten in Bulgarien, abhängig von der Art der Versicherung (gesetzlich, privat), sieht theoretisch folgendermaßen aus: Der Patient geht zu seinem Hausarzt. Dessen Überweisung ist nötig, weil viele weitere Schritte nur dann von der Versicherung übernommen werden. Es kann ein Test in einem diagnostischen Labor folgen. Danach erfolgt entweder Behandlung zu Hause durch den Hausarzt oder stationäre Behandlung oder Weiterverweis an einen Spezialisten. Diese Spezialisten sind in diagnostisch-konsultativen Zentren (DCC) zu finden, das sind medizinische Zentren oder Gruppenpraxen. Einweisungen in Spitäler zu stationärer Behandlung können mit Wartezeiten verbunden sein. Ist die Behandlung beendet erfolgt die Entlassung oder Rehabilitation. Die Krankenversorgung in Bulgarien finanziert sich generell aus Krankenversicherungsbeiträgen, Steuern, Out-of-pocket-Zahlungen, freiwilligen Versicherungen, Arbeitgeberbeiträgen, usw. Über ein Paket an Leistungen der staatlichen Pflichtversicherung hinaus haben Bürger die Möglichkeit sich privat zu versichern, was aber kaum in Anspruch genommen wird. Out-of-pocket-Zahlungen (alles was beim Arztbesuch offiziell und inoffiziell aus eigener Tasche zu bezahlen ist) machten 2013 97,3% (WHO 2015) der privaten Gesundheitsausgaben aus. 2006 waren 47,1% aller Out-of-Pocket-Zahlungen in Bulgarien informelle Zahlungen an Gesundheitsdienstleister. Alle versicherten Personen haben Zugang zu Medikamenten, die ganz oder teilweise von der Krankenkasse bezahlt werden. Es existiert eine entsprechende Liste. Dazu gehören auch bestimmte Psychopharmaka (WHO 2012).

Etwa 1 Million Menschen in Bulgarien sind ohne angemessene Krankenversicherung, was ein großes soziales Problem darstellt. Sie haben nur in Notfällen Zugang zu medizinischer Versorgung. Viele von ihnen können sich die Krankenkassenbeiträge nicht leisten. Der bulgarische Ombudsmann hat betont, dass die psychiatrischen Spitäler des Landes spezielle Aufmerksamkeit erfordern (BS 2016).

(Anm. der Staatendokumentation: Ausführlichere Informationen zu psychologischer Betreuung, eine Liste der Psychologen in Bulgarien (in bulgarischer Sprache) und eine Liste von Apotheken in einigen bulgarischen Städten, in denen Psychopharmaka verfügbar sind, sowie eine Liste von Krankenhäusern in einigen bulgarischen Städten, in denen psychologische/psychiatrische Behandlung verfügbar ist, ist der AFB BULG_RF_MEV_Psychologische Betreuung von Asylwerbern und Schutzberechtigten_2016_05_02_AS auf dem Koordinationsboard bzw. auf ecoi.net zu entnehmen!)

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017

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BS – Bertelsmann Stiftung (2016): Bertelsmann Transformation Index,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Bulgaria.pdf, Zugriff 28.6.2017

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FRA – Fundamental Rights Agency (5.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. May 2017 Highlights. 1–30 April 2017,

http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/may-2017, Zugriff 29.6.2017

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FRA – Fundamental Rights Agency (4.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. April 2017 monthly report. 1–31 May 2017,

http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/april-2017, Zugriff 29.6.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017

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VB des BM.I Bulgarien (26.4.2016): Auskunft SAR, per E-Mail

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WHO - Weltgesundheitsorganisation (2012): Health Systems in Transition. Bulgaria Health System Review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/169314/E96624.pdf?ua=1, Zugriff 28.6.2017

Die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Der Beschwerdeführer habe keine Krankheiten und nehme keine Medikamente. Der Beschwerdeführer habe am 27.07.2016 in Bulgarien und am 08.08.2016 in der Schweiz um Asyl angesucht. Mit Schreiben vom 27.07.2017 habe die bulgarische Dublin-Behörde der Rückübernahme des Beschwerdeführers gem. Art. 18 Abs. 1 lit. c der Dublin-III-VO zugestimmt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in die Europäische Union das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten wieder verlassen habe. Der Beschwerdeführer habe letztlich keine Beweismittel vorlegen können, dass dieser das Gebiet der Mitgliedstaaten für länger als 3 Monate verlassen hätte. Der Beschwerdeführer habe keine Verwandten oder Bekannte in Österreich. Aus den Angaben des Beschwerdeführers hätten keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht werden können, dass dieser tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Bulgarien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass diesem eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Der volle Zugang zur medizinischen Versorgung sei in Bulgarien gewährleistet. Es sei nicht zu erwarten, dass dem Beschwerdeführer der Zugang zum Asylverfahren in Bulgarien verwehrt werden würde. Auch sei von der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der bulgarischen Sicherheitsbehörden auszugehen. Es handle sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden, jungen Mann und es seien keine Hinweise auf besondere Vulnerabilitätsaspekte erkennbar. Mangels familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich und mangels einer besonderen Integration im österreichischen Bundesgebiet sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Es habe sich diesbezüglich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts ergeben.

Am 21.08.2017 langte fristgerecht eine Beschwerde ein. Darin wurde wiederholt, dass der Beschwerdeführer in Bulgarien gezwungen worden sei, seine Fingerabdrücke abzugeben. Er und andere Asylsuchende seien von der dortigen Polizei schlecht behandelt worden. Der Beschwerdeführer habe in Bulgarien auf der Straße geschlafen und die Atmosphäre als sehr bedrohlich empfunden; Behördenvertreter hätten mit den Flüchtlingen geschrien. Der Beschwerdeführer habe sich in Bulgarien nicht sicher gefühlt. Abgesehen von der äußerst mangelhaften Versorgung gebe es überdies eine Diskriminierung durch die bulgarische Bevölkerung. Über den aktuellen Stand seines Asylverfahrens in Bulgarien wisse der Beschwerdeführer nicht Bescheid. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer hinsichtlich der Versorgung und der Unterbringung in Bulgarien näher zu befragen. Auch eine nähere Befragung durch die von der Polizei angewandte Gewalt bzw. die Asylantragstellung unter Zwang, habe nicht stattgefunden. Das Bundesamt habe generell keine näheren Ermittlungen und Feststellungen dahingehend getätigt, wie sich die konkrete Situation des Beschwerdeführers in Bulgarien gestaltet habe. Sodann wurden in der Beschwerde im Wesentlichen die bereits in der Stellungnahme vom 04.08.2017 genannten Kritikpunkte am bulgarischen Asylsystem bzw. die darin geschilderte Situation des Beschwerdeführers in Bulgarien wiederholt. Darüber hinaus wurde gerügt, dass die belangte Behörde aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers nähere Ermittlungen dahingehend hätte anstellen müssen, ob dieser das Hoheitsgebiet der EU tatsächlich verlassen habe und die Zuständigkeit Bulgariens in der Folge erloschen sei. Da die belangte Behörde keine Zusicherung hinsichtlich der Unterbringung des Beschwerdeführers in Bulgarien eingeholt habe, könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass dieser nach Rücküberstellung in Bulgarien untergebracht werden würde und damit den Vorgaben der aktuellen Rechtsprechung des EGMR Genüge getan werde. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bulgarien eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte darstellen würde, weshalb zwingend das Selbsteintrittsrecht auszuüben sei. Zudem hätten die Behörde – wie bereits angesprochen – feststellen müssen, dass die Zuständigkeit Bulgariens aufgrund der Ausreise des Beschwerdeführers aus der EU beendet sei. Es wurde beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Mit Eingabe vom 30.08.2017 wurden – neben der Geburtsurkunde des Beschwerdeführers - Unterlagen an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt, die als Beweis dafür dienen sollen, dass sich der Beschwerdeführer in Serbien aufgehalten habe.

Am 05.09.2017 wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Bulgarien überstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger aus Syrien, reiste von der Türkei kommend über Bulgarien illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein, wo er am 27.07.2016 um internationalen Schutz ansuchte. Vor Antragstellung in Österreich am 21.07.2017 stellte der Beschwerdeführer am 08.08.2016 einen Asylantrag in der Schweiz. Von der Schweiz wurde der Beschwerdeführer nach Bulgarien rücküberstellt.

Am 19.07.2017 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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