TE Bvwg Beschluss 2017/12/28 W219 2180592-1

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Veröffentlicht am 28.12.2017
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Entscheidungsdatum

28.12.2017

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W219 2180592-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter TOLAR als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017, Zl. 1104269301 – EAST WEST, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, folgenden Beschluss gefasst:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Asylwerber stellte am 02.02.2016 einen – ersten – Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 27.07.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Dem Asylwerber wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Asylwerbers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Beschwerde eingebracht.

2. Am 21.11.2017 stellte der Asylwerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 21.11.2017 gab der Asylwerber zu Protokoll, dass die Gründe für seine Asylantragstellung die gleichen seien wie bei seinem ersten Asylantrag. Der Asylwerber hätte in Afghanistan noch immer Feinde und sei in großer Gefahr. Im ersten Asylverfahren sei der Asylwerber über seine Probleme nicht genau befragt worden, jetzt würde er diese Probleme gerne angeben. Zwischen der Familie des Asylwerbers und deren Feinden, die Taliban seien, hätte es Streitigkeiten wegen eines Grundstücks der Familie des Asylwerbers gegeben. Die Feinde hätten den Vater des Asylwerbers erschossen. Der Asylwerber habe selbst Angst von den Feinden gehabt, weil er als ältester Sohn seines Vaters "als Nächstes dran gewesen wäre". Der Asylwerber gab ausdrücklich an, er habe keine neuen Gründe anzugeben, sondern lediglich bei der ersten Befragung nicht alles sagen können.

Im Rahmen einer Einvernahme durch das BFA, EAST West, am 05.12.2017 erklärte der Asylwerber abermals, die Asylgründe seien jetzt dieselben wie im ersten Asylverfahren. Der Asylwerber gab an, er habe im ersten Asylverfahren außer den Erstbefragungen keine weiteren Einvernahmen vor der Behörde gehabt, sondern sofort eine negative Entscheidung erhalten. Er sei von 12.02.2017 bis 19.07.2017 in Strafhaft in der JA Graz/Jakomeni gewesen. Weiters gab der Asylwerber an, sein Vater habe zwei Söhne seines Feindes getötet, weshalb letztlich sein Vater ermordet worden sei. Die Feinde, mit denen es Grundstücksstreitigkeiten gebe, seien sehr einflussreich. Deshalb habe der Asylwerber vier Jahre in Kabul versteckt gelebt. Der Feind habe ihn jedoch dort entdeckt. Es seien Schüsse auf den Asylwerber abgegeben worden.

Am 20.12.2017 erfolgte eine weitere Einvernahme des Asylwerbers durch das BFA, EAST WEST, in Gegenwart eines Rechtsberaters. Der Asylwerber gab an, dass die Aussagen bei den früheren Einvernahmen der Wahrheit entsprächen. Zu den Länderfeststellungen betreffend Afghanistan, die ihm bei der Einvernahme am 05.12.2017 übergeben worden waren, wollte der Asylwerber keine Äußerung abgeben. Er brachte erneut vor, dass er den negativen Bescheid aus dem ersten Asylverfahren nicht erhalten habe und dass er in diesem Verfahren nicht vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen worden sei. Er habe in Österreich nicht gearbeitet, aber Deutsch-Kurse besucht.

3. Mit gegenständlichem, gemäß §§ 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 sowie § 62 Abs. 2 AVG mündlich verkündeten Bescheid vom 20.12.2017 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 auf.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte insbesondere fest, in seinem Erstantrag auf internationalen Schutz habe der Asylwerber lediglich etwa Grundstücksstreitigkeiten, eine sehr hohe Arbeitslosigkeit und schlechte Zukunftsaussichten in Afghanistan als Fluchtgründe angegeben. Mit 19.07.2017 – nach Entlassung aus einer Strafhaft am 12.07.2017 – habe sich der Asylwerber dem weiteren Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entzogen und sei in die Anonymität abgetaucht. Vom 19.07.2017 bis 30.08.2017 habe der Asylwerber über keine Meldeadresse verfügt. Vom 30.08.2017 bis zum 09.10.2017 habe der Asylwerber zwar eine Meldeadresse im Sinne des § 19a Abs. 1 Z 2 MeldeG (Obdachlosenmeldung) aufgewiesen, dennoch sei sein tatsächlicher Aufenthalt bis zu seiner abermaligen Anhaltung am 17.11.2017 – zwischenzeitlich sei der Asylwerber illegal nach Deutschland gereist, wo er am 20.09.2017 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe – unbekannt geblieben. Die negative Entscheidung im ersten Asylverfahren vom 27.07.2017 sei dem Asylwerber durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustellG zugestellt worden und sei mit 11.08.2017 in Rechtskraft erwachsen.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, im ersten Asylverfahren sei bereits aufgrund der Erstbefragung der entscheidungsrelevante Sachverhalt (der Asylwerber sehe aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit für sich keine Zukunft in Afghanistan) festgestanden, sodass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 AsylG für eine Entscheidung ohne Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen hat, vorgelegen seien. Das nunmehrige Vorbringen des Asylwerbers – das sich lediglich auf die bereits während des ersten Asylverfahrens vorliegenden Gründe berufe – sei nicht geeignet, eine wesentliche Sachverhaltsänderung darzutun, wonach die Identität der Sache neu zu beurteilen wäre.

Nach Rückübersetzung bestätigte der Asylwerber die schriftliche Ausfertigung des Einvernahmeprotokolls samt Beurkundung des mündlich verkündeten Bescheides.

4. Die Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 22.12.2017 bei der zuständigen Gerichtsabteilung W219 des Bundesverwaltungsgerichtes ein, worüber die belangte Behörde gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit Mitteilung vom 27.12.2017 in Kenntnis gesetzt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Feststellungen:

Der Asylwerber ist Staatsangehöriger Afghanistans.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2017 wurde gegen den Asylwerber eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Dieser Bescheid wurde dem Asylwerber, der zu diesem Zeitpunkt über keine Meldeadresse verfügte, durch Hinterlegung im Akt (samt Aushang an der Amtstafel), verfügt am 27.07.2017, zugestellt.

Nach negativem Abschluss des ersten Asylverfahrens reiste der Asylwerber am 19.09.2017 nach Deutschland aus und kehrte am folgenden Tag wieder nach Österreich zurück.

Der Asylwerber hat in weiterer Folge am 21.11.2017 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und diesen ausdrücklich mit den Fluchtgründen des Erstverfahrens begründet. Festgestellt wird, dass eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Afghanistan zwischenzeitlich nicht eingetreten ist.

Der Asylwerber ist gesund.

Der Asylwerber ist in Österreich nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Er hat Deutschkurse besucht und spricht etwas Deutsch.

Der Asylwerber wurde durch das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 03.07.2017, Zl. 6 Hv 69/17x, des Verbrechens des Raubes und der Vergehen der Urkundenunterdrückung und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, begangen am 30.12.2016 in Graz, schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten verurteilt. Er befand sich von 12.02.2017 bis 12.07.2017 in Strafhaft. Am 12.07.2017 wurde der Asylwerber bedingt aus der Haft entlassen.

Der Asylwerber verfügt über kein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Person des Asylwerbers, zum Gang des ersten Asylverfahrens, des gegenständlichen Verfahrens sowie zur Situation in Afghanistan wurden auf Grundlage des in Rechtskraft erwachsenen oben zitierten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2017 sowie der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffen. Dass sich die Situation in Afghanistan nicht wesentlich geändert hat, ergibt sich aus den aktuellen Länderfeststellungen im gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017.

Die Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Asylwerbers im zweiten Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz gründen auf die Erstbefragung durch Organe der Sicherheitspolizei am 21.11.2017 sowie die Einvernahmen durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 05.12.2017 und 20.12.2017.

Der Asylwerber hat sich im Zuge der mit ihm durchgeführten Befragungen im Verfahren über seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ausdrücklich auf jene Fluchtgründe gestützt, die er bereits in seinem ersten Asylverfahren geltend gemacht habe.

Die Feststellung, dass der Asylwerber Österreich nach negativem Abschluss des ersten Asylverfahrens am 19.09.2017 verlassen hat und am folgenden Tag wieder nach Österreich eingereist ist, beruht auch auf einer diesbezüglichen Angabe des Asylwerbers in der Einvernahme vom 05.12.2017.

Die Feststellung, dass der Asylwerber gesund ist, beruht auf seinen eigenen Angaben.

Die Feststellungen, dass der Asylwerber in Österreich nicht Mitglied eines Vereins oder einer Organisation ist sowie dass er Deutschkurse besucht hat und etwas Deutsch spricht, ergeben sich ebenfalls aus den Angaben des Asylwerbers.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Asylwerbers ergeben sich aus den Verwaltungsakten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A)

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a Abs. 2 AsylG 2005 lautet:

"(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 leg.cit. mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese Übermittlung gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.2. Zu den Voraussetzungen des § 12a Asylgesetz 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

3.2.1. Aufrechte Rückkehrentscheidung:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2017 wurde gegen den Asylwerber eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieser Bescheid wurde dem Asylwerber, der zu diesem Zeitpunkt über keine Meldeadresse verfügte, durch Hinterlegung im Akt (samt Aushang an der Amtstafel), verfügt am 27.07.2017, zugestellt, sodass der Bescheid inzwischen rechtskräftig ist. Über die Frage, ob dieser Bescheid – weil sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen habe und der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststehe – zu Recht im Sinne des § 24 Abs. 3 AsylG ohne Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergangen ist, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Diese Frage hätte nur in einem Rechtsmittel gegen diesen Bescheid aufgeworfen werden können.

Am 19.09.2017 reiste der Asylwerber für kurze Zeit aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland aus. Unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 12a Abs. 6 Asylgesetz 2005, wonach Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben, liegt gegen den Asylwerber im Entscheidungszeitpunkt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor.

3.2.2. res iudicata:

Der Asylwerber hat im gegenständlichen zweiten Asylverfahren anlässlich seiner niederschriftlichen Befragung bzw. Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärt, aus den gleichen Gründen wie schon im ersten Asylverfahren einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

Auch die für den Asylwerber maßgebliche Ländersituation ist seit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2017 zur Frage der Zuerkennung von Asyl bzw. subsidiärem Schutz in Hinblick auf Afghanistan im Wesentlichen gleich geblieben. Gegenteiliges wurde auch nicht behauptet.

3.2.3. Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK:

3.2.3.1. Im nunmehr zweiten Asylverfahren bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Asylwerbers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte kann nicht erkannt werden, dass in Afghanistan aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095 mwN); in Afghanistan ist eine Zivilperson aktuell nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt.

Es sind keine erheblichen in der Person des Asylwerbers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie etwa eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des Asylwerbers wurde kein entsprechendes Vorbringen hiezu getätigt.

3.2.3.2. Es liegt weiters auch keine Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK vor: Hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung ist anzuführen, dass eine solche nur dann positiv ausfallen kann, wenn ein besonders intensives Familienleben zu Personen in Österreich und/oder ein besonders intensives Privatleben vorliegen und der Asylwerber bereits herausragend integriert ist.

Der Asylwerber hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet.

In Bezug auf das Privatleben des Asylwerbers ist festzuhalten, dass er sich weniger als zwei Jahre in Österreich aufhält, wobei er zwischenzeitlich kurze Zeit in Deutschland verbracht hat. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Aufenthaltsdauer von weniger als 5 Jahren keine maßgebende Bedeutung für die Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK zu (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055). Weiters ist hervorzuheben, dass der Großteil des Aufenthalts lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist. Das Gewicht einer allenfalls erfolgten Integration im Bundesgebiet ist dadurch somit gemindert (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN). Der Asylwerber spricht nach seinen eigenen Angaben lediglich etwas Deutsch und hat Deutschkurse besucht. Weiters ist er weder in einem Verein noch in einer Organisation Mitglied. Auch dem Akteninhalt ist keine besondere Integrationsverfestigung des Asylwerbers, etwa in Form von tiefgreifenden Freundschaften oder ehrenamtlichem Engagement zu entnehmen. Es kann somit von einem fest verankerten Privatleben in Österreich und einer herausragenden Integration keine Rede sein.

Diesen sehr schwach ausgeprägten Gesichtspunkten einer Integration in Österreich steht auch noch der Umstand gegenüber, dass der Asylwerber durch das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 03.07.2017, Zl. 6 Hv 69/17x, des Verbrechens des Raubes und der Vergehen der Urkundenunterdrückung und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, begangen am 30.12.2016 in Graz, schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten verurteilt wurde, aus der er nach Verbüßung von 5 Monaten bedingt entlassen wurde.

Eine Verletzung des schutzwürdigen Familien- und Privatlebens des Asylwerbers im Sinne des Art. 8 EMRK liegt demgemäß im gegenständlichen Verfahren nicht vor, womit auch die Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 Asylgesetz 2005 erfüllt ist.

Der am 21.11.2017 gestellte Folgeantrag wird daher zurückzuweisen sein.

3.2.4. Rechtmäßigkeit des Verfahrens:

Im Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 ist durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 Asylgesetz 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat das Ermittlungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Der Asylwerber hat Parteiengehör erhalten, er wurde am 05.12.2017 im Beisein seiner Rechtsberatung und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu einvernommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl räumte dem Asylwerber die Möglichkeit der Stellungnahme zu den der maßgeblichen Länderfeststellungen zu Afghanistan ein, worauf der Asylwerber in der weiteren Einvernahme vom 20.12.2017 verzichtete.

Im Lichte des § 22 BFA-VG hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind vom Asylwerber nicht vorgebracht worden oder im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W219.2180592.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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