TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/28 W209 2109423-2

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Veröffentlicht am 28.12.2017
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Entscheidungsdatum

28.12.2017

Norm

ASVG §18a
ASVG §669 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W209 2109423-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, XXXX, XXXX, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 26.04.2017, GZ: HVBA-XXXX, betreffend Abweisung des Antrages vom 18.04.2014 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem bei der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Tirol, am 18.04.2014 eingelangten Antrag beantragte die Beschwerdeführerin ab 01.01.1988 die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihrer behinderten Tochter gemäß § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG. Dem Antrag beigefügt waren Geburtsurkunden, eine (Sammel-)Meldebestätigung, eine Heiratsurkunde, eine Bestätigung des Finanzamtes über den Bezug von erhöhter Familienbeihilfe, ärztliche Bestätigungen und ein ausgefülltes "Beiblatt für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes".

2. Über Ersuchen der Pensionsversicherungsanstalt um Überprüfung bzw. Bekanntgabe, ob eine rückwirkende Selbstversicherung gemäß § 18a iVm § 669 Abs. 3 ASVG angenommen werden könne, teilte der chefärztliche Bereich der Pensionsversicherungsanstalt mit Stellungnahme vom 01.04.2015 mit, dass eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt sei. In einem Aktenvermerk vom 23.04.2015 wurde ergänzend festgehalten, dass bei der angegebenen Diagnose einer Zöliakie üblicherweise auch in der Kindheit keine erhöhte Pflegebedürftigkeit bestehe. Die Patienten würden zur Beschwerdefreiheit lediglich eine glutenfreie Ernährung benötigen. Ein exaktes Gutachten, welches sich auf einen Zustand beziehe, der 21 Jahre zurückliege, sei leider nicht möglich.

3. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, (im Folgenden die belangte Behörde) vom 07.05.2015 wurde der Antrag abgelehnt. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass keine erhöhte Familienbeihilfe vorliege und für die Zeiträume Mai 1985 bis April 1989 sowie Juni 1989 bis Mai 1993 bereits Kindererziehungsersatzzeiten vorlägen. Aufgrund des fachärztlichen Begutachtungsergebnisses sei zudem die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihrer Tochter nicht gänzlich beansprucht worden. Die Berechtigung zur Selbstversicherung sei daher nicht gegeben und der Antrag abzulehnen.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19.05.2015 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie vor, dass ihr durch die Pflege ihrer behinderten Tochter sehr wohl vermehrte Zeitaufwände in der Betreuung und Pflege entstanden seien. Besonders seien dies vielfache Arztbesuche und Klinikaufenthalte und die Zubereitung von glutenfreier Nahrung gewesen. Auch habe das Kind ständig darauf aufmerksam gemacht werden müssen, dass nur glutenfreie Kost aufgenommen werden dürfe. Für die täglichen Speisezubereitungen sowie für diverse Veranstaltungen, wie Geburtstagsfeiern, Kindergartenfeste, Schulveranstaltungen, Ausflüge, Urlaube etc. hätten die von ihr extra zubereiteten Speisen und selbst gebackenes Gebäck unter erheblichem Zeitaufwand hergestellt werden müssen. Im Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt sei als Ablehnungsgrund angeführt, dass kein Bezug von erhöhter Familienbeihilfe vorliege. Dies sei nicht richtig, da bis September 2005 erhöhte Familienbeihilfe bezogen worden sei.

5. Mit Schreiben vom 26.06.2015 (eingelangt am 01.07.2015) legte die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Tirol, die Beschwerde samt den bezughabenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme führte sie ergänzend aus, dass eine Abfrage des zentralen Melderegisters ergeben habe, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem behinderten Kind von 20.04.1985 bis 07.09.2004 über einen gemeinsamen Hauptwohnsitz verfügt habe, für das behinderte Kind von Juni 1994 bis September 2005 erhöhte Familienbeihilfe bezogen worden sei und ab 14.12.1999 ein Beschäftigungsverhältnis der Beschwerdeführerin vorliege, aus welchem sich eine Pflichtversicherung nach dem ASVG als Angestellte in der Pensionsversicherung ergebe. Die medizinische Beurteilung hinsichtlich des schlussendlich offenen Zeitraumes vom 01.06.1994 bis 13.12.1999 habe ergeben, dass aufgrund des festgestellten Leidenszustandes eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt sei. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin im Antrag unter Punkt 7 "persönliche Voraussetzungen bei Pflege eines behinderten Kindes" selbst angegeben, dass ihre Arbeitskraft als Pflegeperson nicht durch die Pflege des Kindes gänzlich beansprucht worden sei, kein Pflegegeld bezogen worden sei und auch keine Befreiung von der allgemeinen Schulpflicht bestanden habe. Im Beiblatt zum Antrag sei unter Punkt 1 angegeben worden, dass das Kind auch nicht ständiger persönlicher und besonderer Pflege bedurft habe und nicht bettlägerig gewesen sei.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2015 wurde der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass sich die medizinischen Feststellungen in der pauschalen Mitteilung erschöpfen würden, dass bei der angegebenen Diagnose einer Zöliakie üblicherweise auch in der Kindheit keine erhöhte Pflegebedürftigkeit bestehe und die Patienten zur Beschwerdefreiheit lediglich einer glutenfreien Ernährung bedürften. Eine Auseinandersetzung in Form eines medizinischen Gutachtens mit den vom Verwaltungsgerichtshof postulierten und somit relevanten Fragestellungen, in welchen Belangen das Kind der Beschwerdeführerin der persönlichen Hilfe und persönlichen Pflege bedurfte und ob das Kind bei Unterbleiben der Betreuung durch die Beschwerdeführerin im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wurde, in ihrer Entwicklung benachteiligt und gefährdet gewesen wäre, finde sich in den von der Behörde getätigten Ermittlungen bzw. in den Stellungnahmen des chefärztlichen Bereiches nicht, weswegen die Angelegenheit zur Einholung eines entsprechenden medizinischen Sachverständigengutachtens, das sich mit den o.a. Fragen auseinandersetzt, und zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen sei.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.04.2017 wies die belangte Behörde den Antrag erneut ab, ohne ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Frage der Notwendigkeit ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege eingeholt zu haben, und stützte sich dabei wieder nur auf eine Stellungnahme des chefärztlichen Bereiches, die sich in der Feststellung "Auf Grund des festgestellten Leidenszustandes ist eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt" erschöpfte.

8. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die sich inhaltlich mit der Beschwerde vom 19.05.2015 deckt.

9. Am 12.06.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

10. Über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes holte die belangte Behörde schließlich das ihr bereits im ersten Rechtsgang aufgetragene medizinische Sachverständigengutachten auf Basis einer persönlichen Untersuchung des behinderte Kindes am 06.11.2017 mit dem Ergebnis ein, dass eine ständige (mehrmals in der Woche regelmäßige) persönliche Hilfe bzw. besondere Pflege des behinderten Kindes nicht erforderlich gewesen sei.

11. Mit Schreiben vom 30.11.2017 wurde der Beschwerdeführerin das o. a. Gutachten im Rahmen eines Parteiengehörs zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme übermittelt. Innerhalb der hierfür gewährten Frist langte trotz ordnungsgemäßer Zustellung keine Stellungnahme der Beschwerdeführerin ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Die in Tirol wohnhafte Beschwerdeführerin stellte am 18.04.2014 bei der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a iVm § 669 Abs. ASVG für Zeiten der Pflege ihrer am XXXX.1985 geborenen Tochter XXXX ab 01.01.1988.

Die Beschwerdeführerin und ihre Tochter verfügten von 20.04.1985 bis 06.09.2004 über einen gemeinsamen Hauptwohnsitz im Inland. Von Juni 1994 bis September 2005 wurde für die Tochter erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Seit 14.12.1999 ist die Beschwerdeführerin im Rahmen eines der Pflichtversicherung nach dem ASVG in der Pensionsversicherung unterliegenden Dienstverhältnisses als Angestellte beschäftigt.

Die Tochter der Beschwerdeführerin leidet seit ihrer Kindheit an Zöliakie und unterlag von 01.09.1991 bis 30.06.2000 der allgemeinen Schulpflicht. Schulunfähigkeit iSd § 15 Schulpflichtgesetz 1985 oder eine Befreiung von der allgemeinen Schulpflicht lagen nicht vor.

Die Diagnose Zöliakie ist im 1. bis 2. Lebensjahr bioptisch gestellt worden. Seither muss das behinderte Kind eine glutenfreie Diät halten. Bis zum 18. Lebensjahr hat die Mutter die Nahrung zubereitet, über die Einhaltung der Diät gewacht und das Kind zu regelmäßig erforderlichen Arztterminen begleitet. Ständige (mehrmals in der Woche regelmäßige) persönliche Hilfe bzw. besondere Pflege war nicht erforderlich.

2. Beweiswürdigung:

Der Zeitpunkt der Antragstellung, Beginn und Ende der Leistung erhöhter Familienbeihilfe, das Bestehen eines gemeinsamen inländischen Hauptwohnsitzes in der angeführten Dauer und das Vorliegen einer pensionsversicherungspflichtigen Beschäftigung ab 14.12.1999 stehen aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.

Eine Befreiung von der allgemeinen Schulpflicht wurde weder behauptet noch ergeben sich aus der Aktenlage Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Befreiung vorlag.

Die Art der Behinderung sowie das Ausmaß der behinderungsbedingt erforderlichen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege ergeben sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten und von der Beschwerdeführerin unwidersprochen gebliebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 06.11.2017, wobei die Art der Behinderung (Erkrankung) im gegenständliche Fall unbestritten feststeht.

Das Gutachten ist schlüssig, nachvollziehbar, weist keine Widersprüche auf und geht auf die Art der Leiden und die damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Pflege- und Hilfeleistungen ein. Damit erfüllt es die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Das Begutachtungsergebnis wird zudem durch den Umstand gestützt, dass die Beschwerdeführerin im Beiblatt zu ihrem Antrag ursprünglich selbst angegeben hatte, dass ihre Tochter keiner ständigen persönlichen Hilfe und besonderer Betreuung bedurfte, und einen derartigen Bedarf erst in der Beschwerde behauptet hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 18a Abs. 1 ASVG (in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 20/1994) können sich Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

Gemäß § 18 Abs. 2 leg.cit. ist die Selbstversicherung für eine Zeit ausgeschlossen, während der

1. eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung besteht oder

2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder

3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.

Gemäß § 18a Abs. 3 Z 2 leg.cit. liegt eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 vor, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Gemäß § 669 Abs. 3 leg.cit. idF BGBl. I Nr. 2/2015 kann die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a ASVG auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 bis zum Zeitpunkt der Antragstellung die geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ASVG ist sinngemäß anzuwenden.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

§ 18a Abs. 1 ASVG setzt für die Anerkennung des Anspruches auf Selbstversicherung voraus, dass für das im beantragten Zeitraum im gemeinsamen Haushalt bzw. in häuslicher Umgebung lebende behinderte Kind erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 FLAG bezogen wird.

§ 669 Abs. 3 ASVG ermöglicht eine rückwirkende Anerkennung des Anspruchs für Zeiten der Pflege, die irgendwann in den Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 1988 bis zum Zeitpunkt der Antragstellung fallen.

Im vorliegenden Fall wurde für das behinderte Kind von Juni 1994 bis September 2005 erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Bis 06.09.2004 lag ein gemeinsamer Haushalt im Inland vor. Ab 14.12.1999 liegt eine die Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG ausschließende pensionsversicherungspflichtige Beschäftigung der Beschwerdeführerin vor.

Dementsprechend kommt im vorliegenden Fall eine allfällige Anerkennung des Anspruches auf freiwillige Selbstversicherung nur für die Zeit von 01.06.1994 bis 13.12.1999 in Betracht.

§ 18a Abs. 1 ASVG zufolge muss die Arbeitskraft gänzlich beansprucht werden.

Gemäß § 18a Abs. 3 Z 2 leg.cit. liegt eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 vor, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Da das behinderte Kind im gesamten in Betracht kommenden Zeitraum mangels Befreiung der allgemeinen Schulpflicht unterlag, ist im vorliegenden Fall für die Beurteilung des Anspruches auf Selbstversicherung maßgeblich, ob es ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedurfte.

Dies ist dem nachträglich eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten nach jedoch zu verneinen. Das von der belangten Behörde eingeholte fachärztliche Gutachten kommt – ausgehend vom unbestrittenen Vorliegen der Diagnose Zöliakie – schlüssig und nachvollziehbar zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige persönlich Hilfe und besondere Pflege nicht erforderlich war.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.06.2017, Ra 2016/09/0091) hat das Verwaltungsgericht dem Gutachten eines Amtssachverständigen, sofern es nicht unschlüssig ist oder mit den ersichtlichen Tatsachen nicht übereinstimmt, solange zu folgen, als dessen Richtigkeit nicht durch fachlich fundierte Gegenausführungen und Gegenbeweise von vergleichbarem Aussagewert widerlegt wurde.

Die Beschwerdeführerin ist dem vorliegenden Sachverständigenbeweis, der den oben angeführten Anforderungen entspricht, nicht entgegengetreten und hat auch sonst kein Vorbringen erstattet, das darauf schließen ließe, dass das Begutachtungsergebnis nicht mit den im vorliegenden Fall gegebenen Tatsachen übereinstimmt.

Somit ist das Erfordernis ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege zu verneinen und davon auszugehen, dass die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihres behinderten Enkelkindes nicht gänzlich beansprucht wurde.

Die Abweisung des Antrages erfolgte daher im Ergebnis zu Recht, weswegen die Beschwerde dagegen als unbegründet abzuweisen ist.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Die Beschwerdeführerin hat einen solchen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht gestellt. Zwar wird das Unterlassen der Antragstellung im Fall unvertretener oder rechtsunkundiger Parteien nicht als (schlüssiger) Verzicht gewertet (vgl. VwGH vom 14.06.2012, 2011/10/0177). Das Bundesverwaltungsgericht erachtete jedoch die amtswegige Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, weil der maßgebliche Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien.

Die Beschwerdeführerin ist dem von Amts wegen eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten nicht entgegengetreten, weswegen sich eine Erörterung des Gutachtens im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erübrigt.

Da somit auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder

Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (s. dazu die in den rechtlichen Erwägungen zitierte VwGH-Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitskraft, Pensionsversicherung, Pflege,
Sachverständigengutachten, Selbstversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W209.2109423.2.00

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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