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L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im AnlassfallSpruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Vorarlberg ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 3.510,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die beteiligte Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof plant auf den (Bau-)Grundstücken Nr 630, 631, 668/1, 668/2, 668/3, 669 und 673, alle KG 92106 Frastanz I, die Errichtung eines Einkaufszentrums. Die Erstbeschwerdeführerin ist Eigentümerin der Grundstücke Nr 667 und .981, beide KG 92106 Frastanz I, welche unmittelbar an die Baugrundstücke angrenzen. Der Zweitbeschwerdeführer, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind Miteigentümer der Grundstücke Nr 622/2, 629, 632 und .693, alle KG 92106 Frastanz I, welche durch eine Straße von den Baugrundstücken getrennt sind. Die Fünftbeschwerdeführerin ist Eigentümerin der Grundstücke Nr 635/2 und .887, beide KG 92106 Frastanz I, welche ebenfalls durch eine Straße von den Baugrundstücken getrennt sind.
2. Mit Bescheid vom 29. Mai 2013 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch der beteiligten Partei die baurechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Einkaufszentrums auf den Grundstücken Nr 630, 631, 668/1, 668/2, 668/3, 669 und 673, alle KG 92106 Frastanz I. Gegen diesen Bescheid erhoben unter anderem die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführenden Parteien Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg. Mit Bescheid vom 20. November 2013 gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg der Berufung Folge und änderte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 29. Mai 2013 dahingehend ab, dass der Antrag der beteiligten Partei auf Erteilung der baurechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines Einkaufszentrums auf den oben genannten Grundstücken abgewiesen wurde. Begründend führte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg im Wesentlichen aus, dass das beantragte Vorhaben dem (mittlerweile in Kraft getretenen) Gesamtbebauungsplan 2012 der Marktgemeinde Frastanz widerspreche. Der Gesamtbebauungsplan 2012 sehe eine maximale mittlere Traufenhöhe von 8,50 m vor, die mittlere Traufenhöhe des zur Baubewilligung beantragten Vorhabens betrage jedoch 9,55 m.
3. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2013 erteilte die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Frastanz der beteiligten Partei gestützt auf §35 Abs2 und 3 Vorarlberger Raumplanungsgesetz, LGBl 39/1996 ("Vbg. RPG"), eine Ausnahmebewilligung vom Gesamtbebauungsplan 2012 der Marktgemeinde Frastanz für die Grundstücke Nr 630, 631, 668/1, 668/2, 668/3, 669 und 673, alle KG 92106 Frastanz I. Abweichend von den Bestimmungen des Punktes 2.1. des Gesamtbebauungsplans 2012 der Marktgemeinde Frastanz darf die beteiligte Partei auf Grund des Ausnahmebewilligungsbescheides hinsichtlich der genannten Grundstücke die Höchstgeschoßzahl von 3 auf 4,5, die Baumassenzahl von 180 auf 505 sowie die maximale mittlere Gebäudehöhe beim Flach- und Pultdach von 8,50 m auf 9,37 m erhöhen.
4. Mit weiterem Bescheid vom 29. Juni 2015 erteilte der Gemeindevorstand der Marktgemeinde Frastanz der beteiligten Partei eine zusätzliche auf §35 Abs2 Vbg. RPG gestützte Ausnahmebewilligung vom Gesamtbebauungsplan 2012 der Marktgemeinde Frastanz. Diesem Ausnahmebewilligungsbescheid zufolge darf abweichend von Punkt 2.1. des Gesamtbebauungsplans 2012 der Marktgemeinde Frastanz auf den Baugrundstücken die maximale mittlere Traufenhöhe von 8,50 m auf maximal 10,20 m erhöht werden.
5. Mit Eingabe vom 7. Jänner 2014 beantragte die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligte Partei neuerlich die Erteilung einer baurechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines Einkaufszentrums auf den Grundstücken Nr 630, 631, 668/1, 668/2, 668/3, 669 und 673, alle KG 92106 Frastanz I. Mit Bescheid vom 21. Juli 2015 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch der beteiligten Partei – unter Vorschreibung einer Vielzahl von Nebenbestimmungen – die baurechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Einkaufszentrums auf den genannten Grundstücken.
6. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die von den beschwerdeführenden Parteien vor dem Verfassungsgerichtshof gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensgangs, des Sachverhalts und der maßgeblichen Rechtsgrundlagen führte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass der angefochtene Bescheid die beschwerdeführenden Parteien nicht in ihrem Recht gemäß §4 Abs4 Vorarlberger Baugesetz, LGBl 52/2001 ("Vbg. BauG"), verletze, weil es durch das bewilligte Bauvorhaben zu keiner Gefährdung der Grundstücke der Beschwerdeführer durch Wasser, Abwasser und Oberflächenwasser komme. Auch führe der Betrieb des Einkaufszentrums – wie sich aus dem eingeholten lufthygienischen Gutachten ergebe – zu keiner Belästigung der Beschwerdeführer durch Gerüche. Die durch Verkehrsabgase zu erwartende Zusatzbelastung durch Kohlenmonoxid, Stickstoffoxide und Feinstaub sei hinsichtlich der lufthygienischen Wirkungskriterien als "irrelevant" einzustufen. Aus dem eingeholten lichttechnischen Gutachten sei ersichtlich, dass bei einer planmäßigen Ausführung keine Auswirkungen durch Blendwirkungen oder Beeinträchtigungen der Nachbarschaft durch Licht zu erwarten seien. Von einer das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigung oder Gefährdung iSd §8 Vbg. BauG durch Abgase, Staub, Geruch sowie Blend- und Spiegelwirkung durch Beleuchtung sei in Bezug auf die Beschwerdeführer nicht auszugehen. Auch habe das Ermittlungsverfahren ergeben, dass es zu keiner das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigung oder Gefährdung der Beschwerdeführer durch Lärm komme. Entgegen dem Beschwerdevorbringen sei das Bauvorhaben so projektiert, dass es die Vorschriften des Vorarlberger Baugesetzes über die Mindestabstände und Abstandsflächen einhalte.
Dem Beschwerdevorbringen, wonach das geplante Einkaufszentrum dem Gesamtbebauungsplan 2012 der Marktgemeinde Frastanz widerspreche, könne nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeführer seien gemäß §26 Abs1 lite Vbg. BauG berechtigt, im Baubewilligungsverfahren einzuwenden, dass die Festlegungen des Bebauungsplans über die Baugrenze, die Baulinie und die Höhe des Bauwerks nicht eingehalten würden, weil das geplante Gebäude nicht mehr als zwanzig Meter von ihren Grundstücken entfernt sei. Hinsichtlich des von den Beschwerdeführern behaupteten Widerspruchs zum Gesamtbebauungsplan 2012 heißt es im angefochtenen Erkenntnis:
"6.5.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, dass das Bauvorhaben im Widerspruch zum Bebauungsplan stehe. Es ergebe sich eindeutig und zweifelsfrei aus dem klaren Wortlaut des §26 Abs1 lite BauG, der auf 'Festlegungen des Bebauungsplanes' abstelle und Ausnahmebewilligungen nicht umfasse, dass bei rechtlich richtiger Beurteilung die Baubewilligung zu versagen gewesen wäre.
Diesem Beschwerdevorbringen kann nicht gefolgt werden. Die bescheidmäßig erteilte Ausnahmebewilligung vom Bebauungsplan nach §35 Abs2 RPG bedeutet für ein Bauvorhaben, welches mit dem bestehenden Bebauungsplan nicht im Einklang steht, dass es dem Bebauungsplan nicht widerspricht. Es besteht daher kein Hindernis, das nach §28 Abs3 des Baugesetzes die Erteilung einer Bewilligung aufgrund des Baugesetzes behindern würde (RV 8/1996 BlgVlbgLT, 26. GP, S 69 mit Verweis auf S 64). Unter 'Festlegungen des Bebauungsplanes' sind somit der Bebauungsplan iVm den bescheidmäßig erteilten Ausnahmebewilligung[en] vom Bebauungsplan nach §35 Abs2 RPG zu verstehen.
6.5.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die Ausnahmebewilligungen vom Bebauungsplan rechtswidrig erteilt worden seien.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die beschwerdeführenden Parteien nach §26 Abs1 lite BauG lediglich die Festlegungen des Bebauungsplanes ua über die Höhe des Bauwerkes geltend machen können. Keine subjektiv-öffentlichen Rechte haben die Beschwerdeführer hinsichtlich der Einhaltung der Festlegungen des Bebauungsplanes betreffend die Höchstgeschosszahl und die Baumassenzahl (vgl VwGH 22.10.2015, 2013/06/0239).
Bei einer Ausnahmebewilligung nach §35 Abs2 RPG handelt es sich um eine konstitutive Voraussetzung für die Baubewilligung und damit um eine von der Erteilung einer Baubewilligung unabhängig zu lösende Frage, für die eine eigenständige mittels Bescheid zu erteilende Bewilligung des Gemeindevorstandes bzw der Gemeindevertretung erforderlich ist (vgl VwGH 24.01.2014, 2011/06/0082 zur ähnlichen Bestimmung des §22 Abs2 RPG). Im Beschwerdefall hat die Gemeindevertretung bzw der Gemeindevorstand der Marktgemeinde Frastanz mit Bescheiden vom 13.12.2013 und 29.06.2015 Ausnahmebewilligungen vom Gesamtbebauungsplan 2012 der Marktgemeinde Frastanz für die GST-NRN 630, 631, 668/1, 668/2, 668/3, 669 und 673 erteilt. Mit erstem Bescheid wurde die HGZvon 3 auf 4,5, die BMZ von 180 auf 505 und die maximale mittlere Gebäudehöhe beim Flach- und Pultdach von 8,50 m auf 9,37 m zugelassen. Mit zweitem Bescheid wurde die Erhöhung der maximalen mittleren Traufenhöhe von 8,50 m auf 10,20 m bewilligt.
Kriterien dieser Ausnahmebewilligung als planliche Ermessensentscheidung sind die Ziele der von den Ausnahmen betroffenen Verordnungen, die im §2 genannten Raumplanungsziele, der Landesraumplan und das räumliche Entwicklungskonzept (§35 Abs2 RPG). Die Beschwerdeführer haben weder aufgezeigt noch ist es für das Landesverwaltungsgericht erkennbar, dass die Ausnahmebewilligungen betreffend der maximalen mittleren Traufenhöhe den oben genannten Kriterien entgegenstehen.
Auch wurde[n] vor Erteilung der Ausnahmebewilligungen die Nachbarn ( 2 Baugesetz) gehört, die ein Stellungnahmerecht haben, jedoch keine Parteistellung (RV 8 BIgLT 26.GP, 69).
Des Weiteren hat jeweils – wie bereits ausgeführt – die zuständige Behörde (Gemeindevertretung bzw Gemeindevorstand) entschieden.
Aus den oben dargelegten Gründen teilt das Landesverwaltungsgericht die von den Beschwerdeführern aufgezeigten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit nicht.
Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung im Sinne des §35 Abs3 RPG gegeben sind, ist in diesem Beschwerdeverfahren nicht zu erörtern (weil eine Nichtigerklärung nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist).
Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführer Aufsichtsbeschwerden gegen die Ausnahmebewilligungen erhoben haben. In beiden Fällen hat die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch die Auffassung vertreten, dass die Ausnahmebewilligungen in Übereinstimmung mit der Rechtslage erteilt wurden.
6.5.3. Die Beschwerdeführer wenden darüber hinaus in eventu ein, dass das Bauvorhaben im Widerspruch zum Gesamtbebauungsplan 2012 iVm mit den Bescheiden vom 13.12.2013 und vom 29.06.2015 betreffend Baumassenzahl, Höhe und Geschosszahl stehe.
Wie oben bereits ausgeführt[,] können die Nachbarn nach §26 Abs1 lite BauG die Einhaltung der Festlegungen des Bebauungsplanes über die Baugrenze, die Baulinie und die Höhe des Bauwerks geltend machen. Im Hinblick auf die taxative Aufzählung der Nachbarrechte im Katalog des §26 Abs1 BauG kommt den Nachbarn kein Mitspracherecht betreffend die Einhaltung der Festlegungen des Bebauungsplanes iVm den Ausnahmebewilligungen nach §35 Abs2 RPG über die Baumassenzahl und die Geschosszahl zu (vgl VwGH 22.05.2015, 2013/06/0239).
Der Gesamtbebauungsplan der Marktgemeinde Frastanz 2012 legt unter Punkt 2.1. 'Höchstgeschosszahl, Maß der baulichen Nutzung, Höhe der Bauwerke' Folgendes fest (auszugsweise):
'natürliches Gelände - für die Berechnung der unterirdischen und oberirdischen Geschosse, der Höchstgeschosszahl, Gesamtgeschossfläche, Baunutzungszahl, mittlere max. Traufenhöhe und die max. Gebäudehöhen beim Flachdach und Pultdach ist in Abänderung zur Begriffsbestimmung lt. BBV, LGBl Nr 29/2010 das natürliche Gelände maßgebend.
Max. mittlere Traufenhöhe (TH) und Gebäudehöhe (GH) beim Flachdach und Pultdach an der Außenwand vom natürlichen Gelände in Meter
Festlegung der max mittleren Traufenhöhe und Gebäudehöhe beim Flachdach und Pultdach im BM2, BW2, BM3, BW3, BM5, BW5, BM6 und BW6.
Diese mittlere Traufenhöhe und mittlere Gebäudehöhe beim Flach- und Pultdach errechnet sich aus dem Durchschnitt der Traufenhöhen bzw. Gebäudehöhen an den 2 höchsten Gebäudeeckpunkten, gemessen in Meter vom natürlichen Gelände an der Außenwand (Fußpunkt gemäß Baugesetz §5 Abs4) bis zum schattenwerfenden Punkt gemäß Baugesetz §5 Abs3. Als Außenwand gilt Vlbg. Baugesetz §5 Abs2. Maßgeblich ist die höchste durchschnittliche Traufenhöhe bzw. Gebäudehöhe beim Flach- und Pultdach. Die durchschnittliche maximale Traufenhöhe und Gebäudehöhe beim Flach- und Pultdach darf nicht überschritten werden.
Bei gegliederten Baukörpern (z.B. Terrassenwohnanlagen, Penthaus) erfolgt die Berechnung auf Basis der 2 höchsten Gebäudeeckpunkte jedes höhenmäßig abgesetzten Baukörpers.
Nr Bez
Baugebiet
max. mittlere TH und max. GH beim Flach- und Pultdach
BM 2
BW 2
Zentrumsnahe ältere Siedlungsgebiet u. Hauptwohngebiet in Zentrumsnähe
8,50m
'
Aus dem Wortlaut des Gesamtbebauungsplanes der Marktgemeinde Frastanz 2012 (vgl. 2.1. Höchstgeschosszahl, Maß der baulichen Nutzung, Höhe der Bauwerke, Seite 4) 'max. mittlere Traufenhöhe (TH) und Gebäudehöhe (GH) beim Flachdach und Pultdach an der Außenwand vom natürlichen Gelände in Meter' in Zusammenschau mit den planlichen Darstellungen unter Punkt B 2.2. Zentrumsnahe Hauptwohngebiete (Hofen, Bahnhofstraße), ergibt sich, dass die Regelung der maximalen mittleren Gebäudehöhe (GH) lediglich auf Flach- und Pultdächer Anwendung findet, hingegen nicht für andere Dachformen wie Satteldächer oder Tonnendächer gilt. Die Festlegung der maximalen mittleren Traufenhöhe gilt allerdings für alle Dachformen, sohin auch für ein Tonnendach.
Die für die Ermittlung der maximalen mittleren Traufenhöhe maßgeblichen Bestimmungen sind gemäß dem Gesamtbebauungsplan der Marktgemeinde Frastanz 2012 (vgl. 2.1. Höchstgeschosszahl, Maß der baulichen Nutzung, Höhe der Bauwerke, Seite 4) die §5 Abs2 bis Abs5 BauG.
Die Traufenhöhen an den beiden höchsten Gebäudeeckpunkten des Bauvorhabens gemessen in Meter vom natürlichen Gelände an der Außenwand (Fußpunkt gemäß §5 Abs4 BauG) bis zum schattenwerfenden Punkt gemäß §5 Abs3 BauG betragen entsprechend dem Berechnungsplan vom 06.04.2015, Plan Nr BE.13 – aus welchem entgegen dem Beschwerdevorbringen eindeutig hervorgeht, dass die absoluten Gebäudehöhen sich Oberkante Dachhaut (Absolut höchster Punkt der jeweiligen Gebäudehöhe) befinden und die maßgeblichen Deckenaufbauten, Wärmedämmungen, Tragekonstruktionen und dergleichen sich unter der Bemaßung befinden –, an der Nordwestecke 10,39m und an der Südwestecke 9,47m. Das arithmetische Mittel dieser beiden Werte beträgt 9,93m. Folglich weist das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben eine mittlere Traufenhöhe von 9,93m auf.
Der hochbautechnische Amtssachverständige Ing. L […] gelangt in seine[n] unter Punkt 4.4. wiedergegebenen Gutachten vom 04.05.2015 und vom 26.01.2016 ebenfalls zum Ergebnis, dass die mittlere Traufenhöhe 9,93m beträgt.
Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, dass §5 Abs2 BauG unter Berücksichtigung des Tonnendaches auszulegen sei, ist darauf zu verweisen, dass sich aus den Bestimmungen des §5 Abs2 bis 5 BauG ergibt, dass die Ermittlung der Schattenpunkte fiktiv unter Annahme eines Lichteinfalles von 45 Grad erfolgt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer ist es dabei unbeachtlich, welche Dachform sich unter dem 45 Grad Lichteinfall befindet. Die sehr flache Wölbung des Tonnendaches (Radius von 126 m) beeinflusst den Lichteinfall nicht.
Gemäß dem Bebauungsplan 2012 der Marktgemeinde Frastanz iVm mit den Bescheiden vom 13.12.2013 und vom 29.06.2015 ist eine maximale mittlere Traufenhöhe von 10,20 m zulässig.
Die Festlegungen des Bebauungsplanes 2012 der Marktgemeinde Frastanz iVm mit den Bescheiden vom 13.12.2013 und vom 29.06.2015 über die Höhe (max mittlere Traufenhöhe) des Bauvorhabens sind somit eingehalten.
6.5.4. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Festlegungen des Bebauungsplanes über die Höhe eingehalten sind. Die Beschwerdeführer sind somit nicht in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht nach §26 Abs1 lite BauG verletzt."
Anschließend führt das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg aus, dass sich seit Erlassung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 20. November 2013 die Rechtslage (wesentlich) geändert habe, weshalb – entgegen dem Beschwerdevorbringen – keine entschiedene Rechtssache hinsichtlich des von der beteiligten Partei projektierten Bauvorhabens vorliege. Abschließend legte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg mit näherer Begründung dar, dass es gegen die präjudiziellen Verordnungen der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Frastanz und gegen die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Zulässigkeit der Widmung einer besonderen Fläche für ein Einkaufszentrum in Frastanz, LGBl 47/2012, keine Bedenken hege.
7. Gegen dieses Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin machen die Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG sowie auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art1 1. ZPEMRK und Art5 StGG geltend. Ferner bringen die Beschwerdeführer vor, durch Anwendung des als verfassungswidrig erachteten §35 Abs2 Vbg. RPG in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Schließlich wenden die Beschwerdeführer die Gesetz-widrigkeit jener Verordnungen der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Frastanz ein, mit denen am 21. September 2011, am 7. Februar 2012 und am 26. September 2012 die Änderungen des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Frastanz beschlossen wurden. Ferner gehen die Beschwerdeführer davon aus, dass auch die am 5. September 2012 von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Frastanz beschlossene Verordnung über die Abänderung des zu diesem Zeitpunkt in Geltung stehenden Gesamtbebauungsplans der Marktgemeinde Frastanz gesetzwidrig sei.
II. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
1. Mit Erkenntnis vom 1. Dezember 2017, G135/2017, V83-84/2017, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass §35 Abs2 Vbg. RPG idF LGBl 43/1999, nicht verfassungswidrig war und §35 Abs2 Vbg. RPG idF LGBl 44/2013 sowie §35 Abs3 Vbg. RPG idF LGBl 28/2011 nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.
2. Hingegen hat der Verfassungsgerichtshof mit dem genannten Erkenntnis den Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Frastanz in der von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Frastanz am 7. Februar 2012 beschlossenen Fassung, aufsichtsbehördlich mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 13. März 2012 genehmigt und durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Frastanz vom 4. April 2012 bis 3. Mai 2012 kundgemacht, und in der von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Frastanz am 26. September 2012 beschlossenen Fassung, aufsichtsbehördlich mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 18. Oktober 2012 genehmigt und durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Frastanz vom 21. November 2012 bis 2. Jänner 2013 kundgemacht, soweit sich der Flächenwidmungsplan auf die Grundstücke Nr 630, 631, 668/1, 668/2, 668/3, 669 und 673, alle KG 92106 Frastanz I, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.
Ferner hat der Verfassungsgerichtshof mit diesem Erkenntnis die Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Frastanz über die Erlassung des neuen Gesamtbebauungsplans 2012 für Frastanz, beschlossen von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Frastanz am 14. März 2013, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 23. Mai 2013, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Frastanz vom 10. Juni 2013 bis 15. Juli 2013, soweit sich die Verordnung auf die Grundstücke Nr 630, 631, 668/1, 668/2, 668/3, 669 und 673, alle KG 92106 Frastanz I, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.
3. Schon aus diesem Grund ist das angefochtene Erkenntnis aufzuheben, weil das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg gesetzwidrige Verordnungen, nämlich den erwähnten teilweise aufgehobenen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Frastanz und den erwähnten teilweise aufgehobenen Gesamtbebauungsplan 2012 der Marktgemeinde Frastanz angewendet hat. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).
III. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag, Umsatzsteuer in der Höhe von € 545, – sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E1232.2016Zuletzt aktualisiert am
08.01.2018