TE OGH 2017/12/12 17Os19/17y

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Veröffentlicht am 12.12.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2017 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Vasile G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hermann M***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. März 2017, GZ 9 Hv 117/16a-108, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1, demgemäß auch im Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis betreffend Hüseyin A*****, Maximilian S***** und Dieter Ma***** aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden Hermann M***** und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Im gegen den Schuldspruch 2 gerichteten Umfang wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Hermann M***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung   – Hermann M***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (1/a bis d) und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in A*****

1/ als zur Vornahme wiederkehrender Begutachtungen nach § 57a KFG ermächtigter Gewerbetreibender mit dem Vorsatz, dadurch den Staat „an seinen Rechten, nur verkehrs- und betriebssichere Kraftfahrzeuge am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen“ (vgl zu in derartigen Konstellationen relevanten Rechten 17 Os 3/14s), zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes (vgl Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG) als dessen Organ „Amtshandlungen“, und zwar Begutachtungen von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs 1 KFG, vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er zwischen 15. Mai und 9. Oktober 2015 in vier, im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Fällen positive Prüfgutachten ausstellte, obwohl die Fahrzeuge jeweils wegen schwerer, von ihm erkannter Mängel nicht den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprachen;

2/ seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht von monatlich 340 Euro gegenüber seiner minderjährigen Tochter Hanna M*****, geboren am 5. Juli 2001, gröblich verletzt, indem er von 26. September 2011 bis 23. März 2017 keine oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen leistete und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt oder die Erziehung der Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten Hermann M***** aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise im Recht.

Das Erstgericht ging zum Schuldspruch 1 hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals wissentlichen Befugnismissbrauchs im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus: Hermann M***** habe am 24. Juli (1/a), 15. September (1/b), 15. Mai (1/c) und 9. Oktober 2015 (1/d) jeweils einen Pkw nach § 57a KFG begutachtet und bestätigt, dass diese Fahrzeuge keine schweren Mängel aufgewiesen hätten. Bei späteren Überprüfungen hätten sich bei allen Pkw schwere Mängel herausgestellt, die (zumindest teilweise) bereits im Zeitpunkt der Begutachtungen durch den Beschwerdeführer vorgelegen und von diesem tatsächlich erkannt worden seien. Dessen ungeachtet habe er wissentlich unrichtige Prüfgutachten ausgestellt, in welchen er den Fahrzeugen Verkehrs- und Betriebssicherheit attestiert habe.

Die Feststellungen zum (objektiven) Vorliegen schwerer Mängel zu den jeweiligen Tatzeitpunkten stützte das Erstgericht im Wesentlichen auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten. Jene zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs auf die „Ausbildung des Angeklagten zum Kraftfahrzeugmechanikermeister“, die Schulungen über „die bei der Begutachtung von KFZ nach § 57a KFG anzuwendenden Bestimmungen“ und seine jahrzehntelange Berufserfahrung sowie auf den Umstand, dass er positive Prüfgutachten „trotz bewusster Unterlassung der entsprechenden Prüfung bzw Missachtung deren Ergebnisse“ ausgestellt habe (US 22). Seine leugnende Verantwortung sahen die Tatrichter auch deshalb widerlegt, weil die schweren Mängel durchwegs „erkennbar“ gewesen seien. Weiters verwiesen sie zu Punkt 1/b des Schuldspruchs auf eine Zeugenaussage, der Beschwerdeführer habe in diesem Fall „nichts geprüft“, vielmehr das (von einem Mitarbeiter) vorbereitete Gutachten (ungeprüft) unterschrieben (US 24). Zu allen Punkten des Schuldspruchs 1 wird ausgeführt, Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs ergebe sich „aus seinen Versäumnissen bei Durchführung der Begutachtungen“; überdies stehe die vom Beschwerdeführer angegebene Zahl von ihm pro Jahr durchgeführter Prüfungen (3.000) „einer seriösen Begutachtung der einzelnen Fahrzeuge entgegen“ (US 27). Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hält das Erstgericht nochmals resümierend fest, dem Beschwerdeführer liege Fehlgebrauch seiner Befugnis zur Last, weil er in „unvertretbarer Weise Verfahrensvorschriften“ missachtet habe, indem er „beschönigende“ Prüfgutachten ausgestellt habe, „ohne zuvor eine den rechtlichen Vorgaben entsprechende Prüfung dieser KFZ vorgenommen zu haben“ (US 32). In weiterer Folge heißt es hingegen, die Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs ergebe sich „aus der Ausstellung eines positiven Prüfgutachtens nach § 57a Abs 4 KFG trotz Kenntnis der vorliegenden schweren Mängel“ (US 33).

Im Ergebnis zutreffend macht die Mängelrüge Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Begründung der Konstatierungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs geltend. Angesichts der oben dargestellten Urteilspassagen ist nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten (also den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht) unzweifelhaft erkennbar, auf Basis welcher konkreten Überlegungen diese entscheidende Tatsache festgestellt wurde (RIS-Justiz RS0117995; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419). Wissentlichkeit könnte sich im gegebenen Zusammenhang aus der Ausstellung eines positiven Prüfgutachtens trotz tatsächlichen Erkennens von (der Verkehrs- und Betriebssicherheit entgegenstehenden) schweren Mängeln oder trotz bewusster Unterlassung einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Prüfung (also wegen unvertretbarer Missachtung von Verfahrensvorschriften) ergeben (17 Os 12/13p; 17 Os 3/14s). Indem das Urteil auf der Feststellungsebene (und im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor) von der ersten, auf der Begründungsebene jedoch überwiegend von der (damit in der Regel nicht in Einklang zu bringenden) zweiten Variante ausgeht, ist es im oben bezeichneten Sinn undeutlich.

Dieser Begründungsmangel erforderte die sofortige Aufhebung des Schuldspruchs 1 bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO), demgemäß auch des Strafausspruchs und des darauf beruhenden Adhäsionserkenntnisses einschließlich der (teilweisen) Verweisung der Privatbeteiligten Hüseyin A*****, Maximilian S***** und Dieter Ma***** auf den Zivilrechtsweg (RIS-Justiz RS0101303), samt Rückverweisung der Sache an das Erstgericht in diesem Umfang.

Im gegen den Schuldspruch 2 gerichteten Umfang ist die Nichtigkeitsbeschwerde hingegen nicht im Recht. Die dazu ausgeführte Mängelrüge bezieht sich bloß auf einzelne Abschnitte des Tatzeitraums und betrifft damit keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0117499). Denn beim Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht handelt es sich um ein Dauerdelikt; bei – wie hier – zusammenhängenden Tatzeiträumen liegt materiell wie prozessual nur eine Tat vor (RIS-Justiz RS0128941). Ein vom Beschwerdeführer angesprochener teilweiser Wegfall des Tatzeitraums wäre daher ohne Einfluss auf die Schuld- oder die Subsumtionsfrage. Im Übrigen unterlässt es die Rüge, angeblich unerörtert gebliebene Verfahrensergebnisse (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) deutlich und bestimmt zu bezeichnen (RIS-Justiz RS0118316 [T5]).

Mit ihren Berufungen waren Hermann M***** und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs und der Privatbeteiligtenzusprüche zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E120253

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00019.17Y.1212.000

Im RIS seit

08.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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