Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Christian H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, AZ 4 Hv 102/17k des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 25. Oktober 2017, AZ 8 Bs 369/17a (ON 60 des Hv-Akts), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Christian H***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
In dem von der Staatsanwaltschaft Graz zu AZ 17 St 230/16x (unter anderem) gegen Christian H***** wegen des Verdachts des Verbrechens des räuberischen Diebstahls mit Waffen nach §§ 127, 129 Abs 2 Z 2, 131 erster Fall StGB geführten Ermittlungsverfahren (vgl nunmehr den am 18. Oktober 2017 beim Landesgericht für Strafsachen Graz eingebrachten Antrag auf Unterbringung des Genannten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB; ON 56) wurde Christian H***** aufgrund einer gerichtlich bewilligten, auf den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Graz (ON 45) am 5. Oktober 2017 festgenommen (ON 48). Das Landesgericht für Strafsachen Graz wies am 6. Oktober 2017 den Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Anhaltung des Genannten nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a iVm § 429 Abs 4 StPO ab und ordnete dessen Enthaftung gegen gelindere Mittel (§ 173 Abs 1 und Abs 5 Z 4 und Z 9 iVm § 429 Abs 5 StPO) an (ON 50).
Der ausschließlich gegen die gerichtliche Bewilligung der Festnahmeanordnung gerichteten Beschwerde des Betroffenen gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 25. Oktober 2017 (ON 60) nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich seine (fristgerecht erhobene) Grundrechtsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Der Oberste Gerichtshof überprüft im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens (hier:) die rechtliche Annahme einer der in § 170 Abs 1 Z 2 bis 4 StPO genannten Gefahren (nur) dahin, ob sie aus den vom Oberlandesgericht in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich (mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet) angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806 [T29]).
Entgegen der Grundrechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht den Anhaltegrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO formell einwandfrei auf die Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. Manfred Walzl (ON 19, 30, 34 und 40) gestützt und aus einer „verständigen Lesart“ des ergänzenden Gutachtens ON 40 – ohne Verstoß gegen das Willkürverbot –geschlossen, dass die Gefahr, der Betroffene werde auf freiem Fuß belassen weitere mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte Handlungen (unter anderem räuberische Diebstähle) begehen, im Zeitpunkt der Bewilligung der Festnahmeanordnung vorlag, während eine vorläufige Anhaltung nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a iVm § 429 Abs 4 StPO durch die von der Haft- und Rechtsschutzrichterin angewendeten gelinderen Mittel substituiert werden konnte. Eine – von der Beschwerde reklamierte und von der Staatsanwaltschaft mit Note an den Verteidiger vom 26. September 2017 in Aussicht gestellte (ON 1 S 19) –Substitution der Festnahme durch gelindere Mittel sieht das Gesetz im Übrigen nicht vor.
Soweit die Beschwerde unter Verweis auf § 173 Abs 3 (letzter Satz) StPO behauptet, das Oberlandesgericht habe die seit der Diagnose durch den Sachverständigen erfolgende Behandlung der Krankheit des Betroffenen nicht berücksichtigt, übersieht sie, dass Gegenstand des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens der auf die gerichtliche Bewilligung der Festnahmeanordnung bezogene Beschluss des Oberlandesgerichts ist, Vergleichsbasis des Willkürverbots betreffend die in § 170 StPO angeführten Festnahmegründe demnach nur die der Prognoseentscheidung tatsächlich zugrunde gelegten Tatsachen sind (vgl RIS-Justiz RS0120458). Im Übrigen stützte sich der angefochtene Beschluss ohnehin auf aktuelle Befundberichte (ON 40).
Ausgehend von der Vorgabe des GRBG, wonach nicht die Haft, sondern die vom Oberlandesgericht getroffene Entscheidung über die Haft den Prozessgegenstand bildet, prüft der Oberste Gerichtshof unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit (hier:) der Festnahme, ob angesichts der vom Oberlandesgericht angeführten bestimmten Tatsachen der von diesem gezogene Schluss auf ein ausgewogenes Verhältnis zur Bedeutung der Sache (§ 170 Abs 3, § 5 StPO) vertretbar war (RIS-Justiz RS0120790).
Im vorliegenden Fall stützte das Oberlandesgericht die Verhältnismäßigkeit der Festnahme auf die Schwere der Verdachtsannahmen zur Anlasstat und der vom Betroffenen ausgehenden Gefahr, welcher – gestützt auf das Sachverständigengutachten – (erst) durch die (nach der Festnahme erfolgte) gerichtliche Erteilung von Weisungen nach § 173 Abs 1 und Abs 5 Z 4 und Z 9 iVm § 429 Abs 5 StPO ausreichend begegnet werden konnte.
Die Vertretbarkeit dieses vom Oberlandesgericht gezogenen Schlusses auf ein ausgewogenes Verhältnis der Festnahme zur Bedeutung der Sache stellt der Beschwerdeführer durch bloßen Verweis auf die nunmehr erfolgende Behandlung seiner Krankheit und sein Wohlverhalten nicht in Frage.
Christian H***** wurde somit durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
Textnummer
E120259European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00150.17Y.1213.000Im RIS seit
09.01.2018Zuletzt aktualisiert am
30.10.2018