RS Vfgh 2017/11/30 G183/2017 (G183/2017-11)

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Veröffentlicht am 30.11.2017
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §20 Abs2, §30 Abs7, §30a Abs1, Abs2

Leitsatz

Keine Unsachlichkeit der Beschränkung des Verlustausgleichs bei der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angesichts verfassungskonformer Interpretation der Regelung; Gleichheitswidrigkeit des Abzugsverbotes für Finanzierungsaufwendungen im Fall einer ausgeübten Regelbesteuerungsoption

Rechtssatz

Keine Aufhebung des §30 Abs7 EStG 1988 idF BGBl I 112/2012.

§30 Abs7 EStG 1988 idF BGBl I 112/2012 sieht vor, dass Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen "zur Hälfte ausschließlich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen" sind. Auch wenn zu diesen Einkünften gemäß §28 EStG 1988 nicht nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen und von Rechten, die den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, rechnen, ist davon auszugehen, dass der systematische Zusammenhang der Vorschrift des §30 Abs7 EStG 1988 mit der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen eine Auslegung nahelegt, die den Verlustausgleich auf Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gemäß §28 Abs1 Z1 EStG 1988 einschränkt.

Der Wortlaut des §30 Abs7 EStG 1988 steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Hinzu kommt, dass sich der Gesetzgeber des AbgÄG 2012 mit der Ausdehnung des Verlustausgleichs auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung am System des Verlustausgleichs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen orientiert hat, nach dem Substanzverluste mit Früchten aus Kapitalanlagen ausgeglichen werden können. Damit kann aber den Bedenken des VfGH im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation Rechnung getragen werden, nach der unter den in §30 Abs7 EStG 1988 idF BGBl I 112/2012 angeführten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur solche zu verstehen sind, die unter §28 Abs1 Z1 EStG 1988 fallen.

Hinsichtlich der Bedenken, dass die Vorschrift des §30 Abs7 EStG 1988 mit der Einschränkung auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung andere grundstücksbezogene, unter §29 Z3 EStG 1988 fallende Einkünfte vom Verlustausgleich ausschließe, räumt die Bundesregierung ein, dass diese Grenzziehung zu Differenzierungen führe. Die Bundesregierung legt in ihrer Äußerung aber auch nachvollziehbar dar, dass es sich dabei der Zahl der Veranlagungen nach um äußerst selten auftretende Konstellationen handelt. Damit ist aber davon auszugehen, dass die in §30 Abs7 EStG 1988 enthaltene Einschränkung des Verlustausgleichs auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den Regelfall einen Ausgleich für Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen gewährleistet und somit die sachliche Rechtfertigung der Regelung nicht berührt.

Aufhebung der Wortfolge "oder §30a Abs1" in §20 Abs2 EStG 1988 idF BGBl I 22/2012 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz.

Das Ziel der Schaffung eines ausgewogenen analytischen Besteuerungssystems rechtfertigt, als Ausgleich für einen - gemessen am allgemeinen Tarif - niedrigen Steuersatz und die nicht progressionserhöhende Wirkung für das übrige Einkommen ein Abzugsverbot für Werbungskosten vorzusehen. Dies vor dem Hintergrund, dass die mit Immobilientransaktionen einhergehenden Aufwendungen in einer Durchschnittsbetrachtung zu annähernd (prozentuell am Kaufpreis orientiert) vergleichbaren Kosten führen.

Diese Ausgangslage entbindet den Gesetzgeber aber nicht vom verfassungsrechtlichen Gebot, ein solches Abzugsverbot derart auszugestalten, dass den Anforderungen des Gleichheitssatzes entsprochen wird.

Der VfGH geht mit der Bundesregierung davon aus, dass die sachangemessene Ausgestaltung des Abzugsverbotes im Bereich privater Grundstücksveräußerungen im Rahmen des analytischen Besteuerungssystems kein Abzugsverbot für Anschaffungsnebenkosten erfordert.

Das Abzugsverbot kann nur für jene Fremdfinanzierungsaufwendungen im Zusammenhang mit der Anschaffung privater Grundstücke zum Tragen kommen, die weder mit einer außerbetrieblichen noch mit einer privaten Nutzung des Grundstücks im Zusammenhang stehen. Erfolgt eine außerbetriebliche Nutzung im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, stehen die Aufwendungen nämlich mit dieser in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang und sind diese daher bei der Ermittlung der dem allgemeinen Tarif unterliegenden Einkünfte abzugsfähig; wird das Grundstück für private Zwecke genutzt, besteht ein Abzugsverbot bereits gemäß §20 Abs1 Z1 EStG 1988.

Für die verbleibende Fallgruppe von privaten Grundstücken, die weder außerbetrieblich noch privat genutzt werden, ist mit der Bundesregierung davon auszugehen, dass die gleichheitsrechtlichen Erwägungen, die im Rahmen einer synthetischen Ermittlung des Einkommens den Abzug von Fremdfinanzierungsaufwendungen sachlich rechtfertigen, nicht auf ein analytisches Besteuerungssystem übertragen werden können. Vielmehr stellt das Abzugsverbot auch für den Fall von Fremdfinanzierungsaufwendungen einen Ausgleich für den zur Anwendung kommenden besonderen Steuersatz dar.

Es besteht jedoch keine sachliche Rechtfertigung für ein solches Abzugsverbot im Fall einer ausgeübten Regelbesteuerungsoption.

Mit der Ausübung der Regelbesteuerungsoption unterliegen die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen den allgemeinen Vorschriften des synthetischen Einkommensbesteuerungssystems. Damit kommt für diese Einkünfte zum einen der allgemeine Tarif zum Tragen, zum anderen wirken die Einkünfte aus der privaten Grundstücksveräußerung für die übrigen Einkünfte progressionserhöhend. Dabei soll der Antrag auf Regelbesteuerung offenbar dem Steuerpflichtigen ermöglichen, eine Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif herbeizuführen, wenn dieser - unter Berücksichtigung der durch die Regelbesteuerung eintretenden Progressionsverschärfung für die übrigen Einkünfte - zu einer Durchschnittsbelastung führt, die unter jener des linearen Tarifs des besonderen Steuersatzes liegt.

Vor diesem Hintergrund vermag die Begründung der Bundesregierung, das Abzugsverbot solle einer Abkehr vom geschlossenen System der analytischen Besteuerung auf Grund bloß steueroptimierender Gestaltungen entgegenwirken, nicht zu überzeugen, zumal der Steuerpflichtige die Geltendmachung der Regelbesteuerungsoption ausschließlich an Hand von Steueroptimierungsüberlegungen prüft und auch progressionsverschärfende Umstände mit in Betracht zu ziehen hat. Schließt der Gesetzgeber dabei den Abzug von Aufwendungen generell aus, führt dies insofern zu Ungleichbehandlungen, als Steuerpflichtige mit einer nach synthetischen Grundsätzen ermittelten, gleichen - unter dem besonderen Steuersatz liegenden - Durchschnittsbelastung unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob mit der Tätigkeit Werbungskosten im Zusammenhang stehen oder nicht. Ein sachlicher Grund, der es rechtfertigen würde, eine Verminderung der Durchschnittssteuerbelastung, die durch den Abzug von Werbungskosten bedingt ist, von den Wirkungen der Regelbesteuerungsoption auszuschließen, ist für den VfGH aber nicht erkennbar. Dem trägt auch die mit dem SteuerreformG 2015/2016 (BGBl I 118/2015) getroffene Regelung Rechnung, mit der das Abzugsverbot für den Fall der Ausübung der Regelbesteuerungsoption für Besteuerungszeiträume ab 2016 beseitigt worden ist.

Verfassungskonforme Auslegung nicht möglich.

(Anlassfall E1156/2016, E v 04.12.2017, Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses; Quasi-Anlassfall E3939/2017, E v 13.12.2017).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Einkommensteuer, Werbungskosten, Immobilienertragsteuer, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G183.2017

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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