TE OGH 2017/11/23 5Nc24/17z

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Veröffentlicht am 23.11.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Elmar S*****, vertreten durch Dr. Stefan Stastny, Rechtsanwalt in Kindberg, gegen die beklagte Partei P***** OG, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Verbesserung (Streitwert 7.500 EUR), über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der klagenden Partei auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Bruck an der Mur wird abgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Gegenäußerung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt in seiner beim Bezirksgericht Salzburg eingebrachten Klage von der Beklagten gestützt auf deren vertragliches Garantieversprechen die Verbesserung der am – näher bezeichneten – PKW VW-Passat des Klägers aufgetretenen Roststellen an der Heckklappe, an den Kotflügeln und am Dach und beruft sich zum Beweis seines Vorbringens auf seine Parteienvernehmung und die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Überdies beantragt er die Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Bruck an der Mur, weil sich der vom Sachverständigen zu besichtigende PKW in St. L***** befinde.

Die Beklagte spricht sich in ihrer Äußerung gegen die beantragte Delegierung aus, zumal der von ihr namhaft gemachte Zeuge Gerhard M***** im Delegierungsfall aus Salzburg nach Bruck an der Mur anreisen müsse, die Beklagte habe ihren Sitz in Salzburg. Die Besichtigung des Fahrzeugs sei auch im Zuge eines Beweisaufnahmetermins direkt durch den Sachverständigen möglich.

In seiner Gegenäußerung beharrt der Kläger auf der beantragten Delegierung, weil wesentliche Zweckmäßigkeitsgründe insbesondere eine Verbilligung des Verfahrens und eine Erleichterung des Gerichtszugangs auf Basis der Lage des Augenscheinsgegenstands und „des Wohn- bzw Arbeitsorts verschiedener in Frage kommender Zeugen“ hiefür sprächen, die Delegierung wirke auch einer Inländerdiskriminierung entgegen.

Das Erstgericht spricht sich ebenfalls gegen die Delegierung aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS-Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RIS-Justiz RS0046333). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0046589; RS0046324).

2. Im hier zu beurteilenden Fall wohnt der Kläger zwar in St. L***** im Mürztal, die Beklagte hat allerdings ihren Sitz in Salzburg und der von ihr namhaft gemachte Zeuge ist ebenfalls unter einer Adresse aus Salzburg zu laden. Auf den Wohnort potentiell allenfalls in Betracht kommender, aber noch nicht namhaft gemachter, in der Gegenäußerung angesprochener weiterer Zeugen ist nicht abzustellen (RIS-Justiz RS0046589 [T15]), ebenso wenig auf den Kanzleisitz der Parteienvertreter (RIS-Justiz RS0046455 [T4]). Zwar könnte die Lage eines Augenscheinsgegenstands als Zweckmäßigkeitsgrund für die Delegierung sprechen (vgl RIS-Justiz RS0046333 [T8]). Allerdings wird es im konkreten Fall primär auf die Beurteilung der vom Kläger behaupteten Rostschäden durch einen einschlägig fachkundigen Sachverständigen ankommen, der die Befundaufnahme am Fahrzeug ohne weiteres auch am Wohnort des Klägers vornehmen kann. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Befundaufnahme hinsichtlich eines – wie hier – beweglichen, beim Käufer befindlichen Kaufgegenstands stellt für sich allein keinen ausreichenden Delegierungsgrund im Sinn des § 31 Abs 1 JN dar, würde dies doch im Ergebnis regelmäßig eine dem Gesetz widersprechende Änderung der Zuständigkeitsordnung zugunsten eines Käufers bedeuten (7 Nc 12/16y). Ein zu bestellender Sachverständiger könnte im Übrigen auch aus dem Sprengel des Bezirksgerichts Bruck an der Mur oder dessen näherer Umgebung gewählt werden, was die Anreisekosten für eine Befundaufnahme jedenfalls reduzieren würde; selbst im Fall der Auswahl eines Sachverständigen aus Salzburg wäre dessen Anreiseaufwand zur Befundaufnahme in das Mürztal nicht dermaßen hoch, dass der mit einer Führung des Verfahrens beim Bezirksgericht Bruck an der Mur verbundene geringere Kostenaufwand ungeachtet der ablehnenden Stellungnahme der Beklagten und des vorlegenden Gerichts eindeutig für eine Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung sprechen würde. Zweckmäßigkeitserwägungen, die eindeutig im Sinn aller Verfahrensbeteiligten für die vom Kläger beantragte Delegierung sprechen, liegen somit nicht vor (RIS-Justiz RS0046324).

3. Die in der Gegenäußerung angesprochene „Inländerdiskriminierung“ ist nicht zu erkennen. Dass dem klagenden Verbraucher bei einem reinen Inlandssachverhalt nicht auch der Gerichtsstand am Wohnsitz des klagenden Verbrauchers zur Verfügung steht, beruht auf der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung der JN, die grundsätzlich für In- und Ausländer gleichermaßen gilt. Dass dem klagenden Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen (Art 15 EuGVVO 2001 bzw Art 17 EuGVVO 2012) im Fall eines Wohnsitzes des beklagten Unternehmers im europäischen Ausland zusätzlich die Möglichkeit eingeräumt wird, diesen auch am Wohnsitz des Verbrauchers zu klagen (Art 16 EuGVVO 2001 bzw Art 18 EuGVVO 2012), kann schon begrifflich keine Inländerdiskriminierung darstellen. Das Gemeinschaftsrecht ist zur Benachteiligung von Inländern gegenüber Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die von ihren Rechten aufgrund des Gemeinschaftsrechts Gebrauch gemacht haben, im Übrigen neutral eingestellt und verbietet diese nicht (RIS-Justiz RS0109593). Dass der österreichische Gesetzgeber die örtliche Zuständigkeit für Verbrauchersachen im Fall eines nicht grenzüberschreitenden Sachverhalts abweichend vom europäischen Verordnungsgeber regelt, ist nicht gleichheitswidrig und erfordert keine „Korrektur“ im Weg der Delegierung nach § 31 JN.

4. Der Delegierungsantrag war daher abzuweisen. Der Kläger hat die Kosten seiner im Gesetz nicht vorgesehenen (Mayr in Rechberger ZPO4 § 31 JN Rz 5 mwN) und im Übrigen letztlich erfolglosen Gegenäußerung selbst zu tragen.

Textnummer

E120135

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0050NC00024.17Z.1123.000

Im RIS seit

05.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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