TE Vfgh Erkenntnis 2017/11/27 E1776/2016

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2017
beobachten
merken

Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Die Stadt Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt

1.       Mit Straferkenntnis vom 13. Juni 2014 hat der Magistrat der Stadt Wien über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von € 64,– (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Stunden) verhängt, weil er zu einem näher genannten Zeitpunkt ein näher genanntes Kfz in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt habe, ohne das Kfz mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben.

2.        Mit Erkenntnis vom 17. Juni 2016 hat das Bundesfinanzgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führt das Bundesfinanzgericht aus, dass der vom Beschwerdeführer verwendete Parkschein zur Tatzeit nicht mehr gültig gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe laut Zentralmelderegisterauskunft seinen Hauptwohnsitz bis 9. Juli 2012 in Laxenburg gehabt. Es könne demnach angenommen werden, dass dem Beschwerdeführer die mit März 2012 durchgeführte Erhöhung der Parkometertarife durch mediale Verlautbarungen und Diskussionen in den Medien bekannt gewesen sei. Es sei dem Beschwerdeführer daher ein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, wenn er sich vor Verwendung der Parkscheine nicht über deren Gültigkeit vergewissert und – wenn auch nur "versehentlich" – alte Parkscheine verwendet habe. Unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes des geringen Einkommens werde die Geldstrafe auf € 30,– (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Stunden) herabgesetzt.

3.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleitsteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Unverletzlichkeit des Eigentums sowie in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (§4a Abs3 Parkometerabgabeverordnung) behauptet wird.

4.       Das Bundesfinanzgericht hat die Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

5.       Der Magistrat der Stadt Wien hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er dem Beschwerdevorbringen entgegentritt.

II.      Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1.       Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 27. November 2017, G182/2017 ua., die Wortfolge ", wobei jedoch die Frist gemäß §43 Abs1 VwGVG 24 Monate beträgt" in §24 Abs1 Bundesfinanzgerichtsgesetz, BGBl I 14/2013 idF BGBl I 105/2014, als verfassungswidrig aufgehoben.

2.       Das Bundesfinanzgericht hat bei der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

III.    Ergebnis

1.        Der Beschwerdeführer wurde durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

2.       Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E1776.2016

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten