TE Vwgh Beschluss 2017/12/11 Ra 2015/11/0102

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Veröffentlicht am 11.12.2017
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
67 Versorgungsrecht;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

BBG 1990 §41;
BBG 1990 §55 Abs4;
BBG 1990 §55;
B-VG Art133 Abs4;
KOVG 1957 §7;
KOVG 1957 §9 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des G E in W, vertreten durch Mag. Günther Eybl, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Schlagenstraße 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. August 2015, Zl. W133 2003743- 1/26E, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nachdem die belangte Behörde dem Revisionswerber am 29.3.2007 zunächst einen befristeten Behindertenpass wegen eines festgestellten Grades der Behinderung (GdB) von 50% ausgestellt hatte, wurde die Befristung am 30.12.2008 infolge einer Nachuntersuchung aus dem Behindertenpass gestrichen.

2 Mit Bescheid vom 29.7.2013 wies die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers vom 29.10.2012 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gemäß §§ 40, 41, 45 und 55 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da der GdB weiterhin 50% betrage.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene, nunmehr als Beschwerde zu wertende Berufung wies das Verwaltungsgericht gemäß §§ 40 Abs. 1, 42 Abs. 1 und 2, 42 Abs. 2 und 55 Abs. 4 BBG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Begründend führte es nach Wiedergabe des Verfahrensganges und von Auszügen gutachterlicher Stellungnahmen im Wesentlichen aus, der festgestellte GdB basiere auf den von der Bundesberufungskommission eingeholten (näher bezeichneten) Sachverständigengutachten, in denen auf die Art der Leiden des Revisionswerbers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen werde. Die Gesundheitsschädigungen seien richtsatzgemäß eingestuft worden. Weder die Einwendungen des Revisionswerbers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch die vorgelegten Befunde seien geeignet, die eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen zu entkräften.

Mit Eingabe vom 8.4.2015 habe der Revisionswerber unter Vorlage von Gutachten vorgebracht, an einer sich in einer Gehschwäche manifestierenden "Claudicatio spinalis" zu leiden. Der Chefarzt des Ärztlichen Dienstes habe in der Stellungnahme vom 5.5.2015 dargelegt, dass dadurch keine für den GdB relevante Änderung belegt werde. Die im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 3.3.2013 sowie im internistischen Gutachten vom 3.10.2013 unter der Gesundheitsstörung "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" mitumfasste Gangstörung, deren Ursache damals noch nicht geklärt gewesen sei, sei mit dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 190 der Richtsatzverordnung und einem GdB von 30% korrekt eingestuft worden. Der Revisionswerber habe in seinen zahlreichen Stellungnahmen keine Veränderung der Symptome des bereits eingestuften Leidens geschildert. Der mit Schreiben vom 9.7.2015 neu vorgelegte Röntgenbefund der Lendenwirbelsäule führe zu keiner Änderung der Einschätzung des GdB, da die darin diagnostizierten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bereits in den Sachverständigengutachten vom 3.3.2013 und 3.10.2013 eingestuft worden seien und im Vergleich dazu keine Verschlechterung eingetreten sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegte außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

6 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zunächst vor, ihre Behandlung hänge von der Rechtsfrage ab, ob auf den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des GdB gemäß § 41 Abs. 1 BBG die Einschätzungsverordnung oder gemäß § 55 Abs. 5 BBG die Richtsatzverordnung anzuwenden sei.

7 Das Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 81/2010, lautet auszugsweise:

"§ 41. (1) ... Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen

einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen ...

Inkrafttreten

§ 54. ...

(12) § 1, § 13 Abs. 5a, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft.

...

§ 55. ...

(4) Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 ist auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum 31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40 ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40 ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt.

(5) Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt - bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand - der festgestellte Grad der Behinderung unberührt.

..."

Das Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 81/2010, lautete auszugsweise:

     "§ 41. (1) ... Das Bundesamt für Soziales und

Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach den

Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des

Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, einzuschätzen,

wenn

1.        nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen

einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Bestimmungen keine Einschätzung vorsehen ..."

8 Nachdem der Grad der Behinderung mit rechtskräftigem Bescheid vom 30.12.2008 festgestellt worden war, stellte der Revisionswerber am 29.10.2012 den Antrag auf Neufestsetzung des GdB. Dieser Zeitpunkt liegt nach dem Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 81/2010 am 1.9.2010. § 55 Abs. 4 dritter Satz BBG normiert für diesen Fall dieselben Rechtsfolgen wie für im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren. In den Materialien zu § 55 BBG idF BGBl. I Nr. 81/2010 (770 BlgNR, 24. GP, 4) heißt es:

"Stellen Personen, deren Grad der Behinderung bereits entweder nach dem Bundesbehindertengesetz oder dem Behinderteneinstellungsgesetz rechtskräftig festgestellt ist, etwa wegen einer Änderung des Gesundheitszustandes, innerhalb der ersten 3 Jahre nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (bis 31. August 2013) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, so wären diese Anträge bei unverändertem Gesundheitszustand zurückzuweisen. Im Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung weiterhin die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden.

Wird ein Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach dem 31. August 2013 gestellt, so hat die Einschätzung des Grades der Behinderung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung zu erfolgen."

9 Entgegen dem Revisionsvorbringen ist sowohl dem Wortlaut der Norm als auch den zitierten Materialien eindeutig zu entnehmen, dass § 41 BBG idF BGBl. I Nr. 81/2010 auf Anträge auf Neufestsetzung des GdB, die bis zum Stichtag 31.8.2013 gestellt wurden, keine Anwendung findet, sondern der Grad der Behinderung gemäß § 55 Abs. 4 leg. cit. anhand §§ 7 und 9 Abs. 1 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, BGBl. Nr 152 (und damit auf Basis der Richtsatzverordnung), zu beurteilen ist. Das Verwaltungsgericht ist somit zu Recht von der Maßgeblichkeit der Richtsatzverordnung für die Beurteilung des GdB ausgegangen. Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage liegt daher trotz Fehlens einer hg. Rechtsprechung keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. etwa VwGH 26.2.2015, Ra 2015/11/0008, mwN).

10 Soweit der Revisionswerber zur Zulässigkeit weiters vorbringt, seine "Claudicatio spinalis" sei nach der Einschätzungsverordnung mit einem GdB von 70 % eingestuft, ist er neuerlich auf die in seinem Fall nicht vorliegende Anwendbarkeit dieser Verordnung hinzuweisen. Abgesehen davon, dass sich im angefochtenen Erkenntnis keine Feststellung einer "Claudicatio spinalis" findet, ist nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht von der hg. Judiaktur zum Sachverständigenbeweis abgewichen wäre und den Behinderungsgrad des Revisionswerbers, gestützt auf die unbestritten unveränderten Krankheitssymptome, die den Sachverständigengutachten zugrunde gelegt wurden, in unvertretbarer Weise eingeschätzt hätte (zum Nichtvorliegen einer unvertretbaren Einzelfallbeurteilung vgl. etwa VwGH 21.11.2017, Ra 2017/11/0261, mwN).

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Dezember 2017

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015110102.L00

Im RIS seit

04.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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