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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §410 Abs1 Z7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der R in S, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom 16. März 2000, Zl. 5-s20v25/11-99 , betreffend Berichtigung eines Bescheides über die Beitrags- und Versicherungspflicht nach GSVG gemäß § 62 Abs. 4 AVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 2. August 1999, 5-s20v25/4-99, gab die belangte Behörde dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen einen - im folgenden näher dargestellten - Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark, vom 17. Juni 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 194 Abs. 1 GSVG keine Folge und sprach aus, dass "der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt" werde.
Die Begründung dieses Bescheides hat die belangte Behörde damit eingeleitet, dass die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft mit dem erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 194 GSVG in Verbindung mit § 410 ASVG festgestellt habe, dass die Beschwerdeführerin "gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 GSVG in der Kranken- und Pensionsversicherung weiterhin pflichtversichert ist und demgemäß Beitragspflicht gemäß § 27 GSVG besteht".
Diese Entscheidung sei damit begründet worden, dass die Beschwerdeführerin persönlich haftende Gesellschafterin einer näher bezeichneten Kommanditgesellschaft sei und der Bezug einer Alterspension seit 1. Juni 1999 die Pflichtversicherung nicht ausschließe. In den gegen den Bescheid eingebrachten Einspruch - so heißt es in der Bescheidbegründung der belangten Behörde weiter - wende sich die Beschwerdeführerin "nur gegen die Vorschreibung von Pensionsversicherungsbeiträgen nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres und nach Pensionsantritt per 1. Juni 1999" mit näherer Begründung. Die belangte Behörde zitierte sodann § 2 Abs. 1 Z. 2 GSVG und setzte sodann wörtlich fort:
"Wie schon die Vorinstanz zutreffend ausführte, schließt der Bezug einer Pensionsleistung die Pflichtversicherung und damit die Beitragspflicht nicht aus und konnte auch die Einspruchswerberin keine gesetzliche Bestimmung anführen, die eine solche Ausnahme normiert.
Die - im Übrigen gar nicht angefochtene - Feststellung der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung erfolgte daher ebenso - wie die daraus resultierende Beitragspflicht gemäß § 27 GSVG - völlig zu Recht, weshalb dem Einspruch ein Erfolg versagt bleiben musste."
Dieser Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen ihn gemäß § 415 ASVG in Verbindung mit § 194 GSVG eine Berufung nicht zulässig sei.
Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 1999, Zl. 99/08/0149, zurückgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Feststellung der Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung gewendet habe. Insoweit stünde der Beschwerdeführerin jedoch das Rechtsmittel der Berufung zu, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen sei. Ungeachtet des Umstandes, dass die belangte Behörde in der Begründung des Bescheides behauptet hatte, der Einspruch der Beschwerdeführerin habe sich nur "gegen die Vorschreibung von Pensionsversicherungsbeiträgen" gewendet, konnte der Verwaltungsgerichtshof diese Frage in diesem - ohne Einleitung eines Vorverfahrens ergangenen - Beschluss im Hinblick darauf ausdrücklich offenlassen, daß sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Feststellung der Pflichtversicherung richtete und sie - mangels Erschöpfung des Instanzenzuges - daher auch dann unzulässig gewesen wäre, wenn die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe im Einspruch nur die Beitragspflicht bekämpft, zugetroffen hätte.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den vorerwähnten Bescheid (welcher Gegenstand des Verfahrens Zl. 99/08/0149 gewesen ist) gemäß § 62 Abs. 4 AVG dahingehend berichtigt, dass in dessen Spruch an Stelle des Wortes "vollinhaltlich" die Worte "soweit er sich auf die Beitragspflicht gemäß § 27 GSVG bezieht" zu treten hätten. Dieser Bescheid wird damit begründet, dass aus der Begründung des berichtigten Bescheides zweifelsfrei hervorgehe, dass sich die Beschwerdeführerin "nur gegen die Vorschreibung von Pensionsbeiträgen nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres und nach Pensionsantritt per 1.6.1999" gewendet habe. Bereits aus ihrem Schreiben vom 4. Juni 1999 gehe Gleichartiges hervor. Die Einspruchsbehörde habe daher ausschließlich über "diese Beitragspflicht und nicht über die nicht angefochtene Feststellung der Pflichtversicherung der Kranken- und Pensionsversicherung der Einspruchswerberin" abgesprochen. Versehentlich sei es aber unterlassen worden, dies auch im Spruch des Bescheides zum Ausdruck zu bringen, weshalb zur genauen Klarstellung der gegenständliche Berichtigungsbescheid erlassen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift zur Beschwerde erstattet, jedoch dem Verwaltungsgerichtshof mit dem Bemerken, die Verwaltungsakten am 12. Mai 2000 dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen vorgelegt zu haben, anheim gestellt, diese direkt beim Ministerium anzufordern.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorausgeschickt sei, dass der Verwaltungsgerichtshof, teils aus dem Vorakt Zl. 99/08/0149, teils aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten, mit der Darstellung der belangten Behörde weitgehend übereinstimmenden Unterlagen, in der Lage ist, sich - soweit aus den noch zu erörternden rechtlichen Gründen erforderlich - ein vollständiges Bild der rechtlich relevanten Sachlage zu machen, sodaß aus der von der belangten Behörde entgegen § 38 Abs. 2 erster Satz VwGG unterlassenen Aktenvorlage keine weiteren Konsequenzen im Sinne des § 38 Abs. 2 zweiter Satz VwGG zu ziehen waren.
Danach erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus folgenden Gründen als inhaltlich rechtswidrig:
Die Beschwerdeführerin hat bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt geltend gemacht, nach Vollendung des 60. Lebensjahres und nach Pensionsantritt mit keiner Beitragspflicht in der Pensionsversicherung mehr belastet zu werden. Damit hat sie aber im Sinne des § 194 GSVG in Verbindung mit § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG nichts anderes angestrebt, als einen bescheidmäßigen Abspruch über die Frage des Fortbestehens der Pflichtversicherung, mag auch die aus der Pflichtversicherung unmittelbar erfließende Beitragspflicht "dem Grunde nach" im Vordergrund ihres Interesses gestanden sein. Wesentlich ist, daß es der Beschwerdeführerin weder um das Ausmaß der Beiträge noch sonst um die Beitragsbemessung gegangen ist, sondern darum, aus Gründen des Alters und des Pensionsbezuges von dieser Beitragspflicht (und damit der wohlverstandenen Sache nach von der Versicherungspflicht) nicht mehr betroffen zu sein. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat im Spruch ihres Bescheides vom 17. Juni 1999 (demgemäß) festgestellt, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 GSVG in der Kranken- und Pensionsversicherung weiterhin pflichtversichert sei und für die Dauer der Pflichtversicherung Beitragspflicht gemäß § 27 GSVG bestehe. Damit hat die mitbeteiligte Partei über die Beitragspflicht bloß als Folge der Pflichtversicherung "dem Grunde nach", damit aber über nichts anderes als über die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin entschieden (vgl. dazu schon das hg. Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 95/08/0213). Zur Erlassung eines Beitragsbescheides, sei es als Leistungsbescheid über die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen in bestimmter Höhe , sei es (in Form eines Feststellungsbescheides) über die Beitragsgrundlage oder den Bemessungssatz, bestand - vor dem Hintergrund des Rechtsschutzanliegens der Beschwerdeführerin - auch überhaupt kein Anlaß.
Der von der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Einspruch vom 5. Juli 1999 (er wird inhaltlich im Bescheid vom 2. August 1999 wiedergegeben und wurde von der Beschwerdeführerin im Verfahren Zl. 99/08/0149 in Kopie vorgelegt) konnte sich daher gegen keinen anderen Ausspruch richten als jenen über die Versicherungspflicht. Ebenso war ausschließlich die Versicherungspflicht (bzw. die gleichzuhaltende Beitragspflicht "dem Grunde nach") Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor der belangten Behörde. Dadurch, daß die belangte Behörde im Spruch ihres Bescheides vom 2. August 1999 den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Partei "vollinhaltlich bestätigt" hat, hat sie dessen Ausspruch über die Versicherungspflicht (bzw. die gleichzuhaltende Beitragspflicht "dem Grunde nach") lediglich wiederholt und damit die unter dem Gesichtspunkt der "Sache" im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch allein zulässige Entscheidung getroffen.
Soweit daher die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Berichtigungsbescheid den Spruch ihres Bescheides vom 2. August 1999 auf einen Abspruch über die "Beitragspflicht gemäß § 27 GSVG" mit der Tendenz berichtigen möchte, nur über eine Beitragssache abgesprochen zu haben (und dies intendiert der angefochtene Bescheid zweifelsfrei, wie sich auch aus seiner Begründung ergibt), hätte sie nicht nur den Gegenstand des Einspruchsverfahrens in unzulässiger Weise ausgewechselt, sondern auch in Bezug auf den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens die Grenzen der Sache überschritten.
Schon aus diesem Grund ist daher der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, ohne dass in die Erörterung der Frage eingetreten werden muss, ob der angefochtene Bescheid unter der Annahme, auch die Beitragsbemessung wäre Sache des Einspruchsverfahrens gewesen, in der vorliegenden Art und Weise gemäß § 62 Abs. 4 AVG hätte berichtigt werden dürfen.
Der angefochtene Bescheid war daher aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994; ein Zuspruch von Umsatzsteuer konnte im Hinblick auf die Pauschalierung des Kostenersatzes in der genannten Verordnung nicht erfolgen. Das auf den Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Mehrbegehren war zufolge der sich aus § 46 Abs. 1 Z. 2 lit. a GSVG ergebenden sachlichen Gebührenbefreiung abzuweisen.
Wien, am 21. Juni 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000080066.X00Im RIS seit
20.11.2000