Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
31981R1785 GMO Zucker Art9 Abs3;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):99/17/0461Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerden der U GesmbH, vertreten durch W & Partner, Rechtsanwälte in S, gegen die Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (nunmehr des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) 1.) vom 15. März 1999, Zl. 66.424/43-VI/B6/98, betreffend Aufhebung von Erstattungsbescheiden und Abrechnungsbescheiden, Rückforderung ausbezahlter Produktionserstattungen und Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Erstattungsbescheides, und 2.) vom 1. Oktober 1999, Zl. 66.424/46-VI/6/99, betreffend Vorschreibung von Zinsen für zu Unrecht ausbezahlte Produktionserstattungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheiden des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria wurden über Anträge der Beschwerdeführerin gemäß § 7 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Gewährung von Produktionserstattungen für die Verwendung von Stärke und Zucker, BGBl. Nr. 1015/1994, Produktionserstattungen für die Verarbeitung nachstehender Mengen Zucker in pharmazeutische Produkte des Kapitels 30 der Kombinierten Nomenklatur, "Leaton", festgesetzt, und zwar
mit Bescheid vom 4. Jänner 1996 für 31.500 kg Zucker,
mit Bescheid vom 17. Juni 1996 für 21.000 kg Zucker,
mit Bescheid vom 11. November 1996 für 21.000 kg Zucker,
mit Bescheid vom 28. Jänner 1997 für 21.000 kg Zucker,
mit Bescheid vom 7. Juli 1997 für 20.000 kg Zucker,
mit Bescheid vom 30. Oktober 1997 für 21.000 kg Zucker,
mit Bescheid vom 19. März 1998 für 10.500 kg Zucker und
mit Bescheid vom 20. April 1998 für 10.500 kg Zucker.
Mit Abrechnungsbescheiden je vom 13. Dezember 1996 wurden der Beschwerdeführerin für die Verarbeitung von Zucker zu Leaton Erstattungsbeträge von S 159.036,43 und von S 101.631,06 zuerkannt. Diese Abrechnungsbescheide bezogen sich auf die Zeiträume vom 18. Jänner 1996 bis 27. Juni 1996 und vom 3. Juli 1996 bis 30. September 1996.
Den Erstattungsbescheiden lagen jeweils Anträge der Beschwerdeführerin zu Grunde, in denen sie das Verarbeitungserzeugnis als pharmazeutisches Produkt des Kapitels 30 (der Kombinierten Nomenklatur) bezeichnete.
Am 23. Juli 1998 beantragte die Beschwerdeführerin die Erlassung eines weiteren Erstattungsbescheides für die Verarbeitung weiterer 10.500 kg Zucker in Leaton.
Im Zuge des Jahres 1998 übermittelte die erstinstanzliche Behörde sodann der Technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung Warenproben der von der Beschwerdeführerin hergestellten Verarbeitungserzeugnisse "Leaton-Vitamin-Tonikum" für Erwachsene und "Leaton-Vitamin-Tonikum für Kinder".
In der Gebrauchsinformation des erstgenannten Produktes heißt es (auszugsweise):
"Eigenschaften und Wirksamkeit: wohlschmeckendes Tonikum, das die lebenswichtigen Vitamine und Koffein enthält. Mit anregender Wirkung bei erhöhtem Vitaminbedarf.
Anwendungsgebiete: Es wirkt fördernd auf das Allgemeinbefinden, in der Rekonvaleszenz, bei Ermüdung und Appetitlosigkeit sowie bei Vitaminmangelzuständen infolge mangelhafter bzw. eingeschränkter Ernährung oder Magen- und Darmerkrankungen, erhöhter geistiger und körperlicher Anforderung."
In der Gebrauchsinformation zum zweitgenannten Produkt heißt es (auszugsweise):
"Eigenschaften und Wirksamkeit: wohlschmeckendes Tonikum, das die lebenswichtigen Vitamine für den Bedarf im Kindesalter in haltbarer Lösung enthält.
Anwendungsgebiete: Gesteigerte körperliche Beanspruchung, mangelnde Vitaminzufuhr mit der Nahrung im Winter und bei Magen- und Darmerkrankungen. In Zeiten erhöhten Vitaminbedarfs, wie bei starkem Wachstum, fieberhaften und lang andauernden Erkrankungen bis zur Wiederherstellung des früheren Gesundheitszustandes."
In einem Untersuchungsbefund vom 21. Juli 1998 gelangte die Technische Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung (TUA) hinsichtlich des Produktes "Leaton Vitamin-Tonikum für Erwachsene" zum Ergebnis, das Wesen dieser Ware werde durch den Wermutwein bestimmt. Auf Grund der Untersuchungen liege ein unmittelbar zum Genuss geeigneter Wermutwein mit Zusatz von Vitaminen (B-Komplex, C u.a), in Behältnissen mit einem Inhalt von 2 l oder weniger, vor. Als Tarifierungsvorschlag wurde die Position 2205101000 der Kombinierten Nomenklatur genannt.
Mit Untersuchungsbefund vom 28. August 1998 gelangte die TUA hinsichtlich des Produktes "Leaton Vitamin-Tonikum für Kinder" zum Ergebnis, dass der Gehalt an Vitaminen nicht der Menge einer Arzneiware entspreche. Tonika würden der Position 2202 zugeordnet. Es werde daher eine Tarifierung nach KN-Position 2202 9010 vorgeschlagen.
Die belangte Behörde hielt diese Gutachten mit Note vom 21. September 1998 der Beschwerdeführerin vor.
Hierauf legte die Beschwerdeführerin Bescheide des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vor, aus denen hervorging, dass die in Rede stehenden Produkte als pharmazeutische Spezialitäten zum Verkauf in Apotheken zugelassen wurden.
Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der AMA vom 22. Oktober 1998 wurden die oben zitierten Erstattungs- und Abrechnungsbescheide aufgehoben und die auf Grund der letztgenannten Bescheide ausbezahlte Produktionserstattung in der Höhe von S 260.667,49 zurückgefordert. Gleichzeitig wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 23. Juli 1998 auf Erteilung eines weiteren Erstattungsbescheides abgewiesen.
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführerin beschäftige sich mit der Produktion bzw. Abfüllung von Apothekenwaren. In diesem Zusammenhang stelle sie auch die beiden hier in Rede stehenden Produkte her, welche als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes zugelassen seien. Gestützt auf die eingeholten Sachverständigengutachten vertrat die erstinstanzliche Behörde die Auffassung, "Leaton-Vitamin-Tonikum für Erwachsene" stelle kein pharmazeutisches Erzeugnis dar, sondern Wermutwein. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 19. Jänner 1994, Zl. 92/16/0070, das Produkt "Leaton-Vitamin-Tonikum für Erwachsene" ausdrücklich nicht als pharmazeutisches Erzeugnis im Sinne des Kapitels 30 des Zolltarifes qualifiziert. Die hier in Frage kommende Position 3004 betreffe Arzneiwaren aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen für therapeutische oder prophylaktische Zwecke. Beim Begriff "Arzneiwaren" im Sinne des Zolltarifes sei nicht auf die Begriffsbestimmungen anderer Gesetze zurückzugreifen. Das Produkt stelle ein tonisierendes Getränk dar, welches ausdrücklich von der Einreihung unter die Nummer 3004 des Gebrauchszolltarifes ausgeschlossen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof habe in dem in Rede stehenden Erkenntnis zwar die Möglichkeit offen gelassen, dass Leaton-Vitamin-Tonikum für Kinder ein Arzneimittel darstellen könne. Im Hinblick auf die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens qualifiziere die erstinstanzliche Behörde das Produkt jedoch als nicht alkoholhältiges Getränk des KN-Codes 2202 901010.
Diese Einordnung werde insbesondere auch durch das Urteil des EuGH vom 6. November 1997 in der Rechtssache Laboratoires de therapeutique moderne (LTM) gegen Fonds d'intervention et de regularisation du marche du sucre (FIRS), Rs C-201/96, bestätigt.
Die von der Beschwerdeführerin hergestellten Produkte seien daher nach dem Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 1010/86 nicht förderungswürdig.
Da die erstinstanzliche Behörde bei Erlassung der nunmehr aufgehobenen Bescheide einen unrichtigen Sachverhalt angenommen habe, indem sie Leaton fälschlicherweise dem Kapitel 30 der Kombinierten Nomenklatur unterstellt habe, seien diese Bescheide gemäß § 103 Abs. 1 Z. 1 MOG aufzuheben und der Auszahlungsbetrag zurückzufordern gewesen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin machte sie insbesondere geltend, die erstinstanzliche Behörde habe sich zu Unrecht auf § 103 Abs. 1 Z. 1 MOG berufen. In Wahrheit liege keine unrichtige Sachverhaltsannahme, sondern, auf Basis der Rechtsauffassung der belangten Behörde, ein Rechtsirrtum vor.
Die Einstufung der in Rede stehenden Ware im Zolltarif sei allerdings offensichtlich unrichtig und von der belangten Behörde zu Unrecht herangezogen worden. Eine gebotene verfassungskonforme Auslegung komme zu dem Ergebnis, dass es auf die tatsächliche Qualifikation der Ware als Arzneimittel ankomme und nicht auf "irgendeine verwaltungstechnische Einordnung in einem Zolltarif". Die belangte Behörde hätte durch entsprechende Sachverständigengutachten erheben sollen, dass es sich bei dem gegenständlichen Produkt tatsächlich um ein Arzneimittel handle.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 1999 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass die erstinstanzliche Behörde die Aufhebung der Erstattungs- und Abrechnungsbescheide zutreffend auf § 103 Abs. 1 Z. 1 MOG gestützt habe, weil sie in den aufgehobenen Bescheiden seinerzeit Leaton zu Unrecht dem Kapitel 30 der Kombinierten Nomenklatur statt richtigerweise deren Kapitel 22 unterstellt habe. Damit habe sie ihrer Entscheidung aber einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt. Die Berufungsbehörde teilte auch die Auffassung der erstinstanzlichen Behörde, wonach die Einordnung eines Produktes als Arzneimittel nach anderen Bestimmungen als der Kombinierten Nomenklatur irrelevant sei. Zutreffend sei auch die Beurteilung der erstinstanzlichen Behörde, bei den in Rede stehenden Produkten handle es sich nicht um solche gemäß Kapitel 30 der Kombinierten Nomenklatur. Ein Verfahrensmangel liege nicht vor, weil die erstinstanzliche Behörde ohnedies ein Gutachten eingeholt habe. Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, dieses Gutachten allenfalls auf gleicher fachlicher Ebene zu widerlegen. Von dieser Möglichkeit habe sie jedoch nicht Gebrauch gemacht.
Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der AMA vom 18. August 1999 wurden der Beschwerdeführerin von dem mit dem erstangefochtenen Bescheid eingeforderten Rückzahlungsbetrag Zinsen in der Höhe von S 32.445,87 vorgeschrieben.
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, gemäß § 107 MOG seien Rückzahlungsbeträge von Vergünstigungen vom Tag der Auszahlung an mit 3 v.H. über dem jeweils geltenden Basiszinssatz zu verzinsen. Der mit Bescheid vom 15. März 1999 zur Rückzahlung vorgeschriebene Betrag in der Höhe von S 260.667,49 sei am 12. April 1999 beglichen worden.
Die Zinsen berechneten sich daher wie folgt:
"S 159.036,43 vom 07.01.97 bis 08.04.99 812 Tage 5,50 % S 19.729,35
S 159.036,43 vom 09.04.99 bis 12.04.99 3 Tage 5,00% S 66,27
S 101.631,06 vom 07.01.97 bis 08.04.99 812 Tage 5,50% S 12.607,90
S 101.631,06 vom 09.04.99 bis 12.04.99 3 Tage 5,00 % S 42,35"
Die Beschwerdeführerin erhob auch gegen diesen Bescheid Berufung.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde auch diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat in diesem Berufungsbescheid die Auffassung, die Beschwerdeführerin sei zu Recht zur Rückzahlung des in Rede stehenden Geldbetrages verhalten worden. Damit sei aber auch der nunmehr bekämpfte Bescheid dem Grunde nach zu Recht ergangen. Anhand der im erstinstanzlichen Bescheid erfolgten Darstellung der Zinsenberechnung sei die Zinsenvorschreibung nachvollziehbar.
Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerden vor dem Verfassungsgerichtshof.
Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerden mit Beschluss vom 29. November 1999, Zlen. B 745/99-6 und 1852/99-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:
Art. 9 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker lautet:
"Artikel 9
...
(3) Es kann beschlossen werden, für die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a), f) und h) genannten Erzeugnisse ..., die sich in einer Situation gemäß Artikel 9 Absatz 2 des Vertrages befinden und die zur Herstellung bestimmter Erzeugnisse der chemischen Industrie verwendet werden, Erstattungen bei der Erzeugung zu gewähren."
In der Präambel zu dieser Verordnung heißt es (auszugsweise):
"Um die Absatzmöglichkeiten für Zucker und Isoglukose auf dem Binnenmarkt der Gemeinschaft erweitern zu können, sollte im Übrigen die Möglichkeit eröffnet werden, unter noch festzulegenden Bedingungen diejenige Zucker- und Isoglukoseerzeugung außerhalb der Quotenregelung zu stellen, die in der Gemeinschaft zur Herstellung von nicht zur Ernährung bestimmten Erzeugnissen dient."
Gestützt auf Art. 9 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 1010/86, deren Art. 1 Abs. 1 wie folgt lautet:
"Artikel 1
(1) Für die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a) und f) der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 genannten Erzeugnisse ..., nachstehend Grunderzeugnisse genannt, wird bei der Verwendung in der chemischen Industrie zur Herstellung der im Anhang aufgeführten Erzeugnisse, nachstehend chemische Erzeugnisse genannt, nach Maßgabe der vorliegenden Verordnung ab dem gemäß Absatz 3 zu bestimmenden Wirtschaftsjahr 1986/87 eine Produktionserstattung gewährt."
Der Anhang zu dieser Verordnung enthält eine Liste der chemischen Erzeugnisse, abstellend auf die Nummer des Gemeinsamen Zolltarifs und führt als solche unter anderem
"Kapitel 30 // Pharmazeutische Erzeugnisse" an. Waren des Kapitels 22 des Gemeinsamen Zolltarifs sind darin nicht angeführt.
In Kapitel 30 des Gemeinsamen Zolltarifs heißt es:
"Kapitel 30
Pharmazeutische Erzeugnisse
Anmerkungen
1. Zu Kapitel 30 gehören nicht:
a) Nahrungsmittel oder Getränke (wie diätetische, diabetische oder angereicherte Lebensmittel, Ergänzungslebensmittel, tonische Getränke und Mineralwasser) ...
...
Als Waren, die unter Kapitel 30 fallen, werden unter 3004
(auszugsweise) folgende Produkte angeführt:
3004 Arzneiwaren (ausgenommen Erzeugnisse der Positionen 3002, 3005 oder 3006), die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf:
...
3004 50 - andere Arzneiwaren, Vitamine oder andere Erzeugnisse
der Position 2936 enthaltend ..."
§ 103 Abs. 1 und § 107 MOG lauten (auszugsweise):
"§ 103. (1) Bescheide können von Amts wegen von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechts vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft aufgehoben oder abgeändert werden,
1. wenn der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde,
2. wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können, oder
3. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.
...
§ 107. Rückzahlungsbeträge von Vergünstigungen im Sinne dieses Abschnittes sind vom Tag der Auszahlung an, Abgaben vom Fälligkeitstag an mit 3 vH über dem jeweils geltenden Zinsfuß für Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank pro Jahr zu verzinsen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung eines Rückzahlungsbetrages hat die Berechnung dieser Zinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen."
§ 29 Abs. 1 und 2 AMA-G lauten:
"§ 29. (1) Die AMA hat bei der Durchführung von Verwaltungsverfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden, soweit nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist.
...
(2) Das Recht, Beiträge und Zuschüsse festzusetzen oder zu beanspruchen oder zu Unrecht geleistete Beiträge und Zuschüsse zurückzufordern, unterliegt der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, bei Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung zehn Jahre. ..."
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1010/86 wird die in Rede stehende Produktionserstattung nur dann gewährt, wenn das Ausgangsprodukt Zucker zur Herstellung "chemischer Erzeugnisse" verwendet wird, wobei unter dem letztgenannten Begriff die im Anhang zu dieser Verordnung angeführten Erzeugnisse zu verstehen sind.
Vorliegendenfalls käme für die von der Beschwerdeführerin hergestellten Produkte lediglich eine Einordnung unter "Kapitel 30 Pharmazeutische Erzeugnisse" in Frage. Aus folgenden Erwägungen hat die belangte Behörde aber sowohl das Produkt "Leaton Tonikum für Erwachsene" als auch das Produkt "Leaton Tonikum für Kinder" zu Recht nicht diesem Kapitel der Kombinierten Nomenklatur unterstellt.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 6. November 1997 in der Rechtssache C-201/96, Laboratoires de therapeutique moderne (LTM) gegen Fonds d'intervention et de regularisation du marche du sucre (FIRS), zu der im Zusammenhang mit derartigen Erstattungen maßgeblichen Einordnung insbesondere Folgendes ausgesprochen:
Nach ständiger Rechtsprechung ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren grundsätzlich in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Position der KN festgelegt sind (Rz 17 dieses Urteiles). Aus den allgemeinen Erwägungen in der Einleitung der Erläuterungen zu Kapitel 30 der Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Gemeinschaften ergibt sich unzweifelhaft, dass die Bezeichnung eines Erzeugnisses als Medikament in anderen Rechtsakten der Gemeinschaften als solchen bezüglich der Einreihung in die Kombinierte Nomenklatur, ebenso wie in nationalen Gesetzen der Mitgliedstaaten, nicht entscheidend für die Einreihung in dieses Kapitel sind (Rz 23 dieses Urteiles). Ein pharmazeutisches Produkt im Sinne der Position 3004 der KN hat genau umschriebene therapeutische und vor allem prophylaktische Eigenschaften aufzuweisen und seine Wirkung muss sich auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentrieren (Rz 29 des Urteiles). Schließlich ist erforderlich, dass ein solches Produkt bei der Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden kann (Rz 37 dieses Urteiles). Erzeugnisse, die, weil sie Vitamine enthalten, lediglich auf den allgemeinen Gesundheitszustand einwirken und auf diese Weise der Erhaltung der Gesundheit dienen, sind Ergänzungslebensmittel (vgl. Rz 40 dieses Urteiles).
Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grundlage der Ergebnisse der von ihr eingeholten Sachverständigengutachten die in Rede stehenden Produkte nicht als Arzneimittel im Sinne des KN-Codes 3004 qualifizierte, ergibt sich doch aus den Gebrauchsinformationen der in Rede stehenden Produkte, dass diese lediglich allgemein geeignet sind, als Ergänzungslebensmittel Vitaminmangelerscheinungen abzuhelfen, ohne dass ihre Wirkung auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert wäre oder sie der Verhütung oder Behandlung konkreter Krankheiten oder Leiden dienlich wären.
Die in Rede stehenden Produkte sind daher solche, die nach Anmerkung 1 lit. a zu Kapitel 30 der Kombinierten Nomenklatur als Ergänzungslebensmittel und nicht als pharmazeutische Erzeugnisse im Sinne dieses Kapitels gelten. Sie werden im Übrigen auch von der Beschwerdeführerin selbst als Tonika bezeichnet (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes zu Leaton für Erwachsene in dem bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1994).
Vor dem Hintergrund des oben zitierten Urteiles des Europäischen Gerichtshofes kommt auch dem Einwand der Beschwerdeführerin, das in Rede stehende Produkt sei als Arzneimittel nach dem österreichischen Arzneimittelgesetz zugelassen, keine Bedeutung zu.
Wenn die Beschwerdeführerin weiters die Auffassung vertritt, die Verordnung (EWG) Nr. 1010/86 nehme in ihrem Anhang eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung von Arzneimitteln, die sich, wie "Leaton", nicht nur aus Vitaminen, auf Grund derer eine heilende oder vorbeugende Wirkung besteht, sondern auch aus anderen Inhaltsstoffen zusammensetzten, einerseits, und reinen Vitaminpräparaten, andererseits, vor, so ist ihr Folgendes zu entgegnen:
Der Verweis auf Kapitel 30 der Kombinierten Nomenklatur im Anhang der in Rede stehenden Verordnung des Rates bewirkt eine unterschiedliche Behandlung von pharmazeutischen Produkten einerseits, und von nicht als pharmazeutische Produkte geltenden Ersatzlebensmittel bzw. Tonika, mögen sie auch Vitamine enthalten, andererseits.
Diese Differenzierung erweist sich aber unzweifelhaft als sachlich gerechtfertigt, soll die in Rede stehende Produktionserstattung doch, wie aus der Präambel der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates erkennbar ist, die Verarbeitung von Zucker zur Herstellung von nicht zur Ernährung bestimmten Erzeugnissen fördern.
Während bei pharmazeutischen Produkten, wie aus dem zitierten Urteil des EuGH hervorgeht, die therapeutische und prophylaktische Eigenschaft durch Einwirkung auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus im Vordergrund steht, sodass insofern nicht von einem Nahrungsmittel gesprochen werden kann, ist dies bei Ergänzungslebensmittel und tonisierenden Getränken, welche der (ergänzenden) Ernährung dienen, nicht der Fall.
Weiters sei aber noch angemerkt, dass auch dann, wenn die Anführung des Kapitels 30 im Anhang zur Verordnung (EWG) Nr. 1010/86 gegen Grundrechte der Europäischen Union verstoßen würde und daher nicht anwendbar wäre, keine Grundlage für die Auszahlung von Produktionserstattungen an die Beschwerdeführerin bestanden hätte.
Aus all diesen Erwägungen sah sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Frage der Grundrechtswidrigkeit der Förderung pharmazeutischer Produkte nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem Anhang der in Rede stehenden Verordnung einzuholen.
Auf Basis der vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass für die von der Beschwerdeführerin hergestellten Produkte keine Produktionserstattungen zu gewähren waren. Die Abweisung des Antrages vom 23. Juli 1998 erweist sich daher schon deshalb als rechtmäßig.
Weiters folgt hieraus, dass die mit dem erstangefochtenen Bescheid im Instanzenzug aufgehobenen Erstattungs- und Abrechnungsbescheide richtigerweise nicht hätten ergehen dürfen.
Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, der angefochtene Bescheid verletze den aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die belangte Behörde unterstelle dem § 103 Abs. 1 Z. 1 MOG einen gleichheitswidrigen Inhalt. In Wahrheit seien den aufgehobenen Bescheiden nämlich keine unrichtigen Sachverhaltsannahmen, sondern vielmehr eine unrichtige Subsumtion, also eine unrichtige rechtliche Beurteilung zu Grunde gelegen. § 103 Abs. 1 MOG enthalte allerdings keinen Tatbestand, der die amtswegige Bescheidaufhebung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung vorsehe. Dem einfachen Gesetzgeber sei es zwar nicht verwehrt, vorzusehen, dass formell rechtskräftige Bescheide bei Eintritt bestimmter im Gesetz vorgesehener Umstände durch einen anderen Bescheid zurückgenommen oder abgeändert werden könnten. Für die Zulässigkeit der Bescheidrücknahme oder Bescheidänderung müssten in aller Regel aber neue Tatsachen oder neu hervorgekommene Tatsachen gegeben sein.
Die mit dem erstangefochtenen Bescheid aufgehobenen Erstattungs- und Abrechnungsbescheide enthalten keine förmlichen Bescheidfeststellungen. Es ist daher nicht erkennbar, ob die erstinstanzliche Behörde in diesen Bescheiden überhaupt einen konkreten Sachverhalt unrichtig angenommen hat. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn sie eine falsche Vorstellung von der Zusammensetzung der von der Beschwerdeführerin hergestellten Produkte oder von deren Wirkungsweise auf den menschlichen Organismus gehabt hätte. In diesem Fall hätte die Bescheidaufhebung auf § 103 Abs. 1 Z. 1 MOG gegründet werden können.
Hätte sich die erstinstanzliche Behörde hingegen bei Erlassung der in Rede stehenden später aufgehobenen Bescheide überhaupt nicht darum gekümmert, welche Zusammensetzung und Wirkungsweise die von der Beschwerdeführerin hergestellten Produkte aufweisen, so hätte sie Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Diesfalls käme eine Aufhebung dieser Bescheide nach § 103 Abs. 1 Z. 2 MOG in Betracht.
Hätte die erstinstanzliche Behörde demgegenüber bei Erlassung der später aufgehobenen Bescheide eine völlig richtige Vorstellung von der Zusammensetzung und Wirkung der von der Beschwerdeführerin hergestellten Produkte gehabt und lediglich rechtsirrig angenommen, es handle sich dessen ungeachtet um pharmazeutische Produkte des Kapitels 30 der Kombinierten Nomenklatur, so käme eine Aufhebung der Bescheide gemäß § 103 Abs. 1 Z. 3 MOG in Betracht. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung belastet einen Bescheid nämlich mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Wäre also die von der Beschwerdeführerin behauptete dritte Konstellation gegeben, so böte § 103 Abs. 1 Z. 3 MOG die Rechtsgrundlage für die Bescheidaufhebung. Damit wäre aber der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig. Eine Rechtswidrigkeit eines Bescheides ist nämlich nicht schon dann gegeben, wenn er die tragende Rechtsnorm nicht angibt, sondern nur dann, wenn eine solche überhaupt nicht vorhanden ist. (vgl. hiezu Walter-Thienel,
Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, E. 209 zu § 59
AVG).
Die Beschwerdeführerin hält allerdings unter Berufung auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 30. März 1979, EvBl 190/1979, die einfachgesetzliche Einräumung einer Ermächtigung zur Bescheidrücknahme oder Bescheidänderung mangels Vorliegens neuer oder neu hervorgekommener Tatsachen für verfassungswidrig.
Nun hat der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf Barfuß, Zur materiellen Rechtskraft im österreichischen Verwaltungsrecht, JBl. 1974, 293 ff, die Auffassung vertreten, dass die einfachgesetzliche Einräumung der Ermächtigung zur Bescheidrücknahme oder Bescheidabänderung "in aller Regel" entweder neue oder neu hervorgekommene Tatsachen voraussetze.
Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1962, Slg. Nr. 4273, und vom 19. Juni 1965, Slg. Nr. 4986, (letzteres betreffend § 299 Abs. 1 und 2 BAO) bestehen jedoch beim Verwaltungsgerichtshof aus dem Gesichtspunkt des Art. 11 Abs. 2 B-VG keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 103 Abs. 1 MOG.
Nach diesen Erkenntnissen ist nämlich der einfache Gesetzgeber durch keine verfassungsrechtliche Schranke beengt, die Rechtswirkungen zu bestimmen, die sich aus einem abgeschlossenen Verwaltungsverfahren ergeben. Überdies lasse § 68 Abs. 6 AVG eine Durchbrechung der Rechtskraft aus weiteren, in den Verwaltungsvorschriften liegenden Gründen zu. Auch Barfuß, a.a.O.,
298 - 300, räumt ein, dass auf Basis der herrschenden Lehre § 68
Abs. 6 AVG eine Subsidiarität des § 68 AVG sowohl in Bundesangelegenheiten als auch in Landesangelegenheiten anordne und keine spezifischen verfassungsgesetzlichen Beschränkungen des Gesetzgebers über das Maß der materiellen Rechtskraft von Bescheiden zu disponieren besteht.
Aber auch aus dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips und des Gleichheitssatzes bestehen aus folgenden Erwägungen keine Bedenken gegen § 103 Abs. 1 MOG:
Die in Rede stehende Bestimmung ordnet die Aufhebung von Bescheiden in den Fällen ihres Abs. 1 Z. 1 bis 3 nicht zwingend an, sondern stellt die Frage der Bescheidaufhebung in das Ermessen der Marktordnungsbehörde (arg. "können von Amts wegen").
Dessen ungeachtet steht der Marktordnungsbehörde dort kein Ermessen zu, wo das Europarecht die Rückforderung zu Unrecht bezahlter Beihilfen gebietet. In solchen Fällen ist das Wort "können" in § 103 Abs. 1 MOG daher als "müssen" zu lesen (vgl. hiezu auch M. Potacs, EU-Mitgliedschaft und Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln in Österreich, JRP 1995, 188). In diesem Anwendungsbereich des § 103 Abs. 1 MOG können bundesverfassungsrechtliche Erwägungen keine Rolle spielen.
In jenem Bereich hingegen, in dem das Europarecht den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, auf die Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Beihilfen zu verzichten, gestattet der Begriff "kann" in § 103 Abs. 1 MOG die Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtsstaatlichkeit bei der Entscheidung, ob eine Rückforderung gemäß § 103 Abs. 1 MOG nun zu erfolgen hat oder nicht. In diesem Zusammenhang ist die Marktordnungsbehörde verpflichtet, die öffentlichen Interessen an der Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Beihilfen und an der Richtigkeit von Verwaltungsentscheidungen gegenüber dem Schutz des Vertrauens des Bescheidadressaten auf die Richtigkeit der ihm die Förderung zuerkennenden Bescheide gegeneinander abzuwägen.
Zur Frage, ob im vorliegenden Fall die Rückforderung der Produktionserstattung schon nach Gemeinschaftsrecht geboten ist, ist nun Folgendes zu erwägen:
Bei der in Rede stehenden Beihilfe handelt es sich um eine solche, die von nationalen Behörden auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Normen vergeben wurde. Da das Gemeinschaftsrecht auch für die Rückforderung derartiger Beihilfen keine ausdrücklichen Regelungen enthält, sind solche Fälle grundsätzlich nach nationalem Verfahrensrecht zu entscheiden. Dabei ist es nach Auffassung des EuGH im Prinzip nicht zu beanstanden, wenn die entsprechende nationale Regelung das berechtigte Vertrauen des Betroffenen schützt. Voraussetzung ist jedoch in allen Fällen, dass zur Rückforderung von rein nationalen Beihilfen keine Unterschiede gemacht würden. Überdies muss dem Interesse der Gemeinschaft im vollen Umfang Rechnung getragen werden (vgl. hiezu Schulze, Vertrauensschutz im EG-Recht bei der Rückforderung von Beihilfen, EuZW 1993, 279 f).
In seinem Urteil vom 16. Juli 1998 in Sachen Ölmühle Hamburg AG und Jb. Schmidt Söhne GmbH & Co KG gegen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Rs C-298/96, hat der EuGH die Zulässigkeit des Absehens von der Rückforderung von Beihilfen, die 1989 zuerkannt worden waren, im Zuge eines 1994 geführten Verwaltungsverfahrens und von solchen, die zwischen November 1984 und Jänner 1987 gewährt worden waren, im Zuge eines 1991 geführten Verwaltungsverfahrens - selbst bei Wegfall der Bereicherung infolge Weitergabe des sich daraus ergebenden Vermögensvorteiles - an das Vorliegen der Gutgläubigkeit des Empfängers gebunden.
Unter "Gutgläubigkeit" wird in der Judikatur des EuGH verstanden, dass der Betroffene auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes vertrauen durfte. Dabei schließt die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit den Vertrauensschutz aus. Hinsichtlich der dabei zu beachtenden Sorgfalt ist zu verlangen, dass der Betroffene bei aufkommenden Zweifeln alle Informationsmöglichkeiten nutzte. Auf die Unkenntnis gemeinschaftsrechtlicher Normen kann sich ein Wirtschaftsteilnehmer in keinem Fall berufen (vgl. auch hiezu Schulze, a.a.O., 280, 282, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH zum Begriff der Gutgläubigkeit).
Im gegenständlichen Fall geht es um die Aufhebung von Erstattungsbescheiden, die im Zeitraum Jänner 1996 bis April 1998 ergangen waren, im Oktober 1998. Der zwischen Zuerkennung der Erstattungen und deren Widerruf verstrichene Zeitraum dürfte demnach hier etwas kürzer sein als in jenen Fällen, welche dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 16. Juli 1998 in Sachen Ölmühle Hamburg AG und Jb. Schmidt Söhne GmbH & Co KG gegen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zu Grunde lagen. Auf Basis dieses Erkenntnisses ist daher davon auszugehen, dass die europarechtliche Zulässigkeit eines Absehens von der Rückforderung der Erstattungen (im Wege einer auf § 103 Abs. 1 MOG gegründeten Ermessensentscheidung) jedenfalls die Gutgläubigkeit der Beschwerdeführerin voraussetzte. Ob darüber hinaus die Berücksichtigung von Vertrauensschutz auch den - hier nicht behaupteten - Wegfall der durch die Zuerkennung der Erstattungen eingetretenen Bereicherung bei der Beschwerdeführerin voraussetzte, kann vorliegendenfalls dahingestellt bleiben, weil aus folgenden Erwägungen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gutgläubigkeit bestehen:
Was zunächst die Zusammensetzung und die Wirkungsweise der von der Beschwerdeführerin hergestellten Produkte betrifft, so mussten ihr diese als Herstellerin bekannt gewesen sein. Besondere Umstände, die dieser Annahme entgegenstünden, wurden von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt. Ein unverschuldeter Tatsachenirrtum der Beschwerdeführerin ist daher auszuschließen.
Was nun die Möglichkeit eines Subsumtionsirrtums der Beschwerdeführerin betrifft, ist zunächst auf die bereits oben wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu verweisen, wonach sich ein Wirtschaftsteilnehmer auf die Unkenntnis gemeinschaftsrechtlicher Normen nicht berufen kann. Die in der Kombinierten Nomenklatur enthaltene Anordnung, wonach tonische Getränke und Ergänzungslebensmittel nicht zu Kapitel 30 derselben zählen, musste der Beschwerdeführerin daher bekannt sein. Diese hat die von ihr hergestellten Produkte in der Gebrauchsanweisung selbst als "Tonika" bezeichnet. Im Hinblick darauf musste der Beschwerdeführerin daher schon auf Grund des Wortlautes der entsprechenden Bestimmung der Kombinierten Nomenklatur zumindest Zweifel an der Richtigkeit der Einordnung der von ihr hergestellten Produkte unter Kapitel 30 gekommen sein. Im Falle aufkommender Zweifel wäre die Beschwerdeführerin aber verpflichtet gewesen, alle ihr zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten zu nutzen, also sich insbesondere (allenfalls unter Beiziehung eines Rechtsbeistandes) über die einschlägige Rechtsprechung zu informieren.
Diesfalls wäre ihr aber das am 19. Jänner 1994 ergangene hg. Erkenntnis, Zl. 92/16/0070, nicht unbekannt geblieben, in welchem der Verwaltungsgerichtshof das Produkt Leaton Vitamin-Tonikum für Erwachsene ausdrücklich nicht unter Kapitel 30 des Zolltarifes (welcher dem nunmehrigen Kapitel 30 der Kombinierten Nomenklatur entsprach) subsumierte. Weiters war Anfang 1996 das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 14. Jänner 1993 in der Rechtssache Bioforce GmbH gegen Oberfinanzdirektion München, C-177/91, bekannt, in dem der Gerichtshof aussprach, dass ein pharmazeutisches Produkt im Sinne der Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur genau umschriebene therapeutische und vor allem prophylaktische Eigenschaften aufweist und seine Wirkungen auf ganz bestimmte Funktionen das menschlichen Organismus konzentriert sind.
Auch auf den Umstand, dass die Beschwerdeführerin für die hier in Rede stehenden Produkte über eine Zulassung als Arzneimittel im Sinne des österreichischen Arzneimittelgesetzes verfügt, vermag sie sich zur Begründung ihrer Gutgläubigkeit nicht mit Erfolg zu berufen, zumal der Verwaltungsgerichtshof in dem eben zitierten Erkenntnis vom 19. Jänner 1994 bereits ausgesprochen hat, dass bei Auslegung des Begriffes "Arzneiwaren" im Zolltarif nicht auf die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes zurückzugreifen ist. Dies entsprach im Übrigen der in diesem Erkenntnis wiedergegebenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Gleichermaßen bekannt war Anfang 1996 die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren grundsätzlich in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Position der KN festgelegt sind (vgl. die unter Rz 17 des Urteiles des Europäischen Gerichtshofes vom 6. November 1997 in Sachen Laboratoires de therapeutique moderne (LTM) gegen Fonds d'intervention et de regularisation du marche du sucre (FIRS) wiedergegebene Vorjudikatur).
Es war daher vorliegendenfalls mangels Gutgläubigkeit der Beschwerdeführerin die Rückforderung der ihr zuerkannten Erstattungen bereits nach Europarecht geboten. Der Begriff "kann" in § 103 Abs. 1 MOG erlaubte daher vorliegendenfalls nicht, im Wege einer Ermessensentscheidung von der Bescheidaufhebung und der Rückforderung der Erstattungen abzusehen.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
In Ansehung des zweitangefochtenen Bescheides macht die Beschwerdeführerin Normbedenken gegen § 107 MOG geltend. Sie rügt, dass die in Rede stehende Gesetzesbestimmung keine Differenzierung danach vornehme, ob die Rückzahlung der Vergünstigung zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei.
Diesen Bedenken ist zu entgegnen, dass unter "Rückzahlungsbeträgen von Vergünstigungen" im Sinne des § 107 MOG nur solche zu verstehen sind, welche zu Recht nach § 105 MOG zurückgefordert wurden. Kommt es zu einer nachträglichen Herabsetzung eines Rückzahlungsbetrages (worunter auch eine Herabsetzung auf Null zu verstehen ist), so ordnet § 107 zweiter Satz MOG ohnedies an, dass diesfalls die Berechnung der Zinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen hat.
Insoweit die Beschwerdeführerin meint, sachlich wäre lediglich die Vorschreibung von Zinsen ab Rechtskraft der Rückzahlungsanordnung, so ist ihr zu entgegnen, dass es vorliegendenfalls um die Rückabwicklung schon ursprünglich zu Unrecht bezogener Erstattungen geht, sodass der aus dem Bezug dieser Erstattungen erlangte Vorteil auch mit Rückwirkung auf den Termin der Auszahlung dieser Erstattung wieder herauszugeben ist. Diesem sachlich durchaus gerechtfertigten Zweck dient die Anordnung des § 107 MOG, wonach die Verzinsung mit dem Tag der Auszahlung an zu laufen beginnt.
Aus diesen Erwägungen sind beim Verwaltungsgerichtshof ebenso wenig wie beim Verfassungsgerichtshof Normbedenken gegen § 107 MOG aus dem Gesichtspunkt des Sachlichkeitsgebotes entstanden.
In ihrer Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof beschränkt sich die Beschwerdeführerin darauf, die Rechtswidrigkeit des zweitangefochtenen Bescheides damit zu begründen, dass auch der erstangefochtene Bescheid zu Unrecht ergangen sei. Dies ist aber - wie oben dargelegt - nicht der Fall.
Es war daher auch die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Juni 2000
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 GutgläubigkeitErmessenGemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 GutgläubigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999170460.X00Im RIS seit
23.11.2001Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018