TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/28 W156 2165439-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2017
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Entscheidungsdatum

28.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W156 2165439-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ über die Beschwerde des R XXXX R XXXX , geb. XXXX , StA.:

Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2017, Zahl: XXXX /BMI-BFA_BGLB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.11.2017 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und R XXXX R XXXX , geb. XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass R XXXX R XXXX , geb. XXXX , damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im September 2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 04.09.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, der Volksgruppe der Hazara anzugehören und islamischen Glaubens zu sein. Er sei im Iran geboren und habe nie in Afghanistan gelebt. Er habe im Iran 12 Jahre lang die Grundschule besucht. Neben seinen Eltern habe er im Iran noch zwei ältere Brüder, eine Schwester, eine Ehefrau, mit der er traditionell verheiratet sei sowie drei Söhne und eine Tochter. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, im Iran zum Christentum konvertieren zu wollen, dort jedoch für einen Glaubenswechsel bestrafte zu werden. Auch wären die Lebensumstände seiner Familie im Iran schlecht.

3. Am 27.04.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im zugelassenen Asylverfahren, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari, die der BF als seine Muttersprache angegeben hatte, niederschriftlich einvernommen.

Der BF gab zusammengefasst an, dass er eine ID Card / Flüchtlingskarte im Iran gehabt habe, diese ihm jedoch von den Behörden abgenommen worden sei. Dies sei geschehen, damit die Behörden sie nach Afghanistan abschieben bzw. in den Krieg nach Syrien schicken könnten. Seine Frau sei mit der ganzen Familie noch im Iran, alle hätten noch einen Aufenthaltstitel. Seine Tochter besuche die Schule, aber jetzt helfe sie ihrer Mutter. Seine Söhne besuchten die Schule.

Sein Zielland sei Österreich gewesen.

Er habe Afghanistan verlassen, weil seine Familie es vorgeschlagen habe, er sei noch zu jung gewesen und wisse den Grund der Ausreise nicht.

Er habe den Iran verlassen, weil ihm von Behörden seine Aufenthaltskarte abgenommen worden sei. Die Behörden hätten ihn vor die Alternative gestellt, entweder nach Afghanistan oder in den Krieg nach Syrien zu gehen. Er wäre nach diesem Vorfall noch zwei Wochen im Iran gewesen. In Afghanistan herrsche Krieg und kein Sicherheit, deshalb sei er nicht dorthin zurückgekehrt

In Afghanistan sei er niemals persönlich einer Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt gewesen, niemals in Haft bzw. habe er dort keine Probleme mit Polizei- oder Justizbehörden gehabt und nichts von staatlicher Seite in Afghanistan zu befürchten. Er werde nicht und behördlich gesucht oder bestehe kein Haftbefehl gegen ihn. Er habe aus politischen Gründen in Afghanistan weder Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten. Auch aus ethnischen Gründen habe er in Afghanistan keine Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten.

Aus religiösen Gründen hätte er in Afghanistan Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten, da er seit ca. 13 Monaten Christ geworden sei.

Durch seine Erlebnisse im Iran sei er zum Christentum gewechselt und in Griechenland habe er das erste Mal mit dem Christentum Kontakt gehabt. Er habe einen Taufkurs besucht und einen Taufschein.

Seine Frau wisse um seine Konversion, seine Kinder und seine Geschwister nicht. Aus Facebook habe er es nicht gepostet, da es für ihn gefährlich werden könnte, weil seine Familie weiterhin im Iran lebe.

Zu den Widersprüchen zur Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.09.2017 befragt, brachte der BF vor, dass alles falsch protokolliert worden sei und er erst in Griechenland mit dem Christentum in Berührung gekommen sei.

Er sei zwar regelmäßig in die Moschee zum Beten gegangen, aber den Koran habe er nicht ganz gelesen. Im Iran habe er 3 Mal am Tag, 7 mal die Woche zuhause und einmal am Freitag in der Moschee gebetet.

In N XXXX gehe er am Samstag in der Kirche, Dienstag und am Sonntag besuche er in E XXXX die Kirche. Er habe eine Bibel in Deutsch und persisch bekommen und sei zu Ostern getauft worden. Er sei Christ geworden, da ihn, als er die Bibel gelesen habe, die Religion überzeugt habe.

In einem legte der BF ein Taufschein der (Erz-)Diözese E XXXX vom 13.04.2017 vor, die Heiratsurkunde in Kopie, ein Konvolut an Empfehlungsschreiben, Fotos seiner Taufe und seiner Familie, sowie ein ÖSD Zertifikat A1 vor.

4. In Folge wurde der BF am 14.06.2017 detailliert hinsichtlich seiner Kenntnisse des Christentums befragt und legt nachträglich die Aufenthaltsdokumente seiner Familie aus dem Iran vor.

5. Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid des BFA wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der BF in Afghanistan einer begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt waren bzw. er einer solchen dort gegenwärtig ausgesetzt wären. Nach eingehender Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen und aufgrund seiner unterschiedlichen Aussagen bzw. Wiedersprüche im Zuge seines Verfahrens, müsste ihm die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden.

Widersprüchlich seien seine Aussagen hinsichtlich seiner Arbeitstätigkeit und finanziellen Lage. Weiters habe er widersprüchliche Angaben zu seinem Wechsel zu Christentum getätigt. Zu seinen Fluchtvorbringen betreffen den Iran liege keine Asylrelevanz vor, da seine Lage im Iran diesbezüglich irrelevant sei. Relevant für sein Vorbringen wäre eine Verfolgung, die ihm im Herkunftsstaat Afghanistan gedroht hätte. Eine solche Verfolgung habe er jedoch nicht angegeben und konnte auch sonst nicht festgestellt werden. Bezüglich seiner Konvertierung habe er diese weder glaubhaft noch glaubwürdig gegenüber dem Bundesamt machen können. Weiters festgestellt, dass er zwar, laut seinen Aussagen 13 Monate einen Taufkurs, aber nur 6 Wochen die Kirche besucht habe und auch getauft worden sei, aber er weder das Datum der Taufe, welches ein einschneidendes und prägendes Ereignis im Leben eines Christen sei, noch den Inhalt der Taufe wiedergeben könne. Er könne keine religionsspezifischen Fragen zum Christentum beantworten, es könnten auch keine tiefere innere Überzeugen seines Glaubens zum Christentum festgestellt werden. Er könne nicht das Vater-Unser aufsagen und auch nicht das Glaubensbekenntnis wiedergeben. Weiters könne er keinen Nachweis der Mitgliedschaft der Kirche vorbringen, er zahle keine Mitgliedschafts- oder Kirchensteuer, wozu jeder Christ verpflichtet sei. Ebenso stelle das Bundesamt fest, dass er laut seinen Angaben nur 6 Wochen lang die Kirche besucht habe, diese wiederum in Deutsch gehalten worden sei und aufgrund seiner fehlenden Deutschkenntnisse die Predigt nicht verfolgt haben können. Dies wiederum werde damit bewiesen, dass er die Inhalte und den Ablauf eines Gottesdienstes nicht wiedergeben könne. Das Bundesamt stelle weiter fest, dass er in Afghanistan nie zuvor Probleme mit der Polizei oder Justizbehörden gehabt habe, weder in Haft noch behördlich gesucht worden sei. Weiter habe er von staatlicher Seite nichts zu befürchten. Zudem habe er aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen keine Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten oder sei keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen. Familienangehörige lebten noch immer in M XXXX / Iran, wobei die Aufenthaltsberechtigungen verlängert worden sei, und in Afghanistan leben und keiner Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt seien.

Insbesondere sei auch festzuhalten, dass es ihm unter anderem auch nicht möglich gewesen sei bzw. nicht gelungen sei, durch Darlegung von seriösen Motiven plausibel bzw. glaubhaft zu machen, dass bei ihm eine ernsthafte, aufrichtige und innere Überzeugung vorliege, sich dem christlichen Glauben – ernsthaft – zuzuwenden, geschweige denn, dass eine solche schon im Iran vorgelegen habe. Nur bei plausibler Darlegung seriöser Motive und dem Beruhen auf einer ernsthaften, aufrichtigen und inneren Überzeugung, und wenn bei Rückkehr eine Beibehaltung des neuen Glaubens zu erwarten sei, möge eine Verfolgungsgefahr in Betracht kommen.

Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz damit ebenfalls nicht vor, da nicht davon auszugehen sei, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in eine derart dauerhaft aussichtslose Lage gedrängt würde, dass eine Rückkehr unzumutbar wäre. Er verfüge über Familie in Afghanistan und wird wörtlich ausgeführt, dass

"Es sich bei Ihnen um einen flexiblen, mobilen, arbeitsfähigen Mann handelt. Sie stellten bereits durch Ihre Reise nach Österreich und durch Europa unter Beweis, dass Sie ein Leben auch in einer fremden Umgebung meistern können. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass es Ihnen möglich und zumutbar ist, sich wieder in Ihrer Heimat (im Iran) niederzulassen. Außerdem verfügen Sie, wie bereits erwähnt, über familiäre und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte im Iran (Isfahan).

Im gegenständlichen Fall geht die ho. Behörde davon aus, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiären Schutz nicht vorliegen, weil unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse (Alter, Gesundheitszustand, Arbeitsfähigkeit und sonstige Anknüpfungspunkte, Herkunftsregion, Mobilität, Zumutbarkeit der zumindest vorübergehenden Inanspruchnahme internationaler Hilfe, etc), nicht davon auszugehen ist, dass Sie im Falle einer Rückkehr in den Iran in eine derart dauerhaft aussichtslose Lage gedrängt werden, die Ihnen eine Rückkehr unzumutbar erscheinen ließen.

Es ist viel mehr aufgrund des Umstandes, dass individuelle Erwägungen, warum in diesem Fall kein subsidiärer Schutz gewährt werden soll, festzustellen, dass im Falle einer Rückkehr in den Iran, Ihre Grundversorgung im Wesentlichen gewährleistet ist."

Weiter begründet die belangte Behörde:

"Wie bereits ausgeführt, liegen dem Bundesamt auch keine Informationen über eine gezielte Verfolgung von abgewiesenen Asylwerbern im Iran vor. Auch besteht kein reales Risiko, dass Sie im Herkunftsstaat der Todesstrafe unterworfen werden. Aufgrund der Erkenntnisquellen zu Ihrem Herkunftsstaat steht zwar fest, dass es in Ihrem Staat die Todesstrafe gibt, jedoch gibt es keine konkreten bzw. glaubhafte Hinweise auf ein bestehendes reales Risiko, dass Sie dieser unterworfen werden könnten/würden."

Familiäre oder sonstige nähere persönliche Beziehungen innerhalb Österreichs lägen nicht vor.

6. Gegen den angeführten Bescheid des BFA erhob der BF, vertreten durch den Verein Menschenrechte, fristgerecht die vorliegende Beschwerde in vollem Umfang. Er brachte darin im Wesentlichen vor, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Konversion zum Christentum er um seine Sicherheit fürchten müsse. Angesichts der prekären Sicherheitslage in seinem Heimatland sei dem BF, bezogen auf dessen persönliche Situation, eine Rückkehr dorthin nicht zumutbar. Da er mit den örtlichen Gegebenheiten in Afghanistan jedoch nicht vertraut sei und keine familiären Anknüpfungspunkte habe, könne er sich - entgegen der Ansicht des BFA - auch dort nicht niederlassen.

7. Am 07.11.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der der BF, sein Rechtsvertreter sowie ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen. Das BFA blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Soweit entscheidungswesentlich stellte sich der Gang der mündlichen Verhandlung wie folgt dar:

"BF: Ich habe bei der Erstbefragung und auch bei der Einvernahme vor dem BFA immer die Wahrheit gesagt, es wurden aber ein paar Daten in Bezug auf mein Alter, Dauer der Reise in der Erstbefragung falsch protokolliert. Vor dem BFA, konnte der bestellte Dolmetscher, die Fragen des Referenten mir nicht richtig überbringen und übersetzen. Daher hat er immer eine Übersetzungsmaschine benutzt, ich habe die Fragen nicht gut verstanden. Ich habe schon damals erwähnt, dass ich das nicht so gemeint habe, während der Rückübersetzung des Protokolls. Der Referent war nicht bereit das zu ändern, und sagte ich habe das so gesagt und gemeint, er könne jetzt nichts mehr ändern. Ich meine damit, dass ich noch etwas Zusätzliches zum Christentum zu sagen hatte. Einerseits war das Ende der Einvernahme, andererseits war der Dolmetscher nicht in der Lage, in diesem Zusammenhang richtig zu übersetzen. Ich wurde daher anschließend dazu nicht einvernommen. Bis jetzt verstehe ich den Dolmetscher hier gut, aber ich weiß nicht, ob er die religiösen Sachen dann auch übersetzen kann.

BF an D: Ich bin im Iran geboren und aufgewachsen, ich spreche daher persisch.

D an BF: Ich übersetze, verstehe aber auch persisch.

R an D und BF: Wenn Sie etwas nicht verstehen, sagen Sie es bitte sofort, nicht erst wenn die Verhandlung vorbei ist.

R: Haben Sie Identitätsdokumente aus Afghanistan von Ihnen?

BF1: Diesbezügliche Unterlagen, die meine Kinder und meine Frau betreffen, gibt es schon. Die mich betreffen, habe ich nicht.

R: Bitte geben Sie Ihren Namen und Ihr Geburtsdatum an.

BF: Liest Geburtsdatum von Karte ab. Ich bin am XXXX geboren, mein Name ist R XXXX R XXXX . Ich bin im Iran geboren in M XXXX . Ich bin vor einem Mullah traditionell verheiratet. Meine Ehefrau heißt F XXXX A XXXX . Meine Kinder heißen S XXXX R XXXX (ca. 17 Jahre alt), M XXXX R XXXX (ca. 12 Jahre alt), E XXXX R XXXX (ca. 9-10 Jahre alt), A XXXX R XXXX (ca. 6 Jahre alt). Ich habe diesbezüglich Unterlagen mit Frau Rat, möchten Sie diese sehen? Ich habe dies deswegen erwähnt, weil ich Ihnen vorhin, nur das Alter nennen konnte und nicht das genaue Geburtsdatum. Von den Unterlagen können Sie die genauen Geburtsdaten ablesen.

R: Wo lebt Ihre Familie?

BF: Im Iran. Ich habe auch im Iran geheiratet. Meine Frau ist eine Afghanin, sie lebt in G XXXX 39, G XXXX , G XXXX , M XXXX , Iran. G XXXX 39 ist die Nummer der Gasse. Hausnummern gibt es nicht.

R: Erzählen Sie mir in eigenen Worten, warum Sie den Iran verlassen haben und wie die Reise war.

BF: Mir ging es sehr gut, wirtschaftlich im Iran. Ich habe gearbeitet, ich konnte für den Unterhalt der Familie sorgen, bis mir die Aufenthaltskarte von der Polizei im Iran entnommen worden ist. Die Polizei hat mich vor einem nochmaligen Versuch, mich im Iran aufzuhalten, gewarnt. Die Polizei hatte vor, entweder mich nach Afghanistan abzuschieben, oder in den Krieg in Syrien zu schicken. Da in Afghanistan kein Frieden herrscht und die Situation sich Tag für Tag verschlechtert, konnte ich nicht dorthin zurückkehren. Ebenso wollte ich nicht am Krieg in Syrien teilnehmen. Daher musste ich den Iran Richtung Europa verlassen. Zuerst bin ich in die Türkei eingereist, dann nach Griechenland und weiter nach Mazedonien, Serbien, Ungarn und endlich war ich in Österreich. Die ganze Reise hat ca. 5-6 Wochen gedauert. Die Reise hat mir zwischen 2.200-2.500 Euro gekostet. Vom Iran bis in die Türkei war meine Reise Schlepperunterstütz. Von der Türkei bis nach Österreich, war die Reise ohne Schlepperunterstützung. Da ich Englisch kann, mit Hilfe eines GPS-Systems ohne Schlepperunterstützung habe ich die Reise hinter mich gebracht. Ich wollte nach Österreich, weil erstens mochte ich dieses Land und ich mag es immer noch, zweitens ergreift dieses Land in internationalen Kriegen keine Partei ergreift und immer neutral geblieben ist, sowie die Schweiz. Es war damals im Iran schon mein Ziel, nach Österreich zu reisen. Laut Erzählungen meiner Mutter, lebt ein Onkel mütterlicherseits in Afghanistan. Ich persönlich habe ihn nie gesehen. Ob er immer noch dort lebt, weiß ich nicht. Ich weiß nicht genau, woher meine Eltern in Afghanistan stammen. Ich glaube aus Besuhd oder aus Bamian, ich bin mir aber nicht sicher. Ich habe meine Familie nicht mitgenommen, weil ich persönlich gefährdet war. Mir wurde die Karte entnommen und ich war der Gefahr ausgesetzt. Meine Familie hat derzeit noch einen legalen Aufenthalt im Iran. Die Aufenthaltskarten sind auch abgelaufen. Vom Ablauf der Aufenthaltskarten habe ich damals vor dem BFA gesprochen, aber nicht von einer Verlängerung. Seit dem sind die Karten auch nicht verlängert worden. Mir ist aber nicht bekannt, ob die Karten verlängert wurden oder nicht. Das alles hängt vom iranischen Staat ab, entweder werden sie vom Staat verlängert, oder nicht. Wenn nicht, wird man nach Afghanistan abgeschoben. Seit vier Monaten habe ich keinen Kontakt mehr zu meiner Frau. Sie ist nicht erreichbar, ich weiß auch nicht warum. Vielleicht hat sie ihr Telefon verloren oder die Nummer geändert. Facebook hat meine Frau auch nicht, außerdem wird Facebook im Iran immer zensuriert. Ich habe im Iran als Hilfsarbeiter im Baubereich gearbeitet. Ich habe zwischen 150.000 und 250.000 iranische Toman, das ist ein mittelmäßiger Verdienst.

R: Sie haben einen Taufschein vorgelegt, das heißt Sie sind Katholik. Wie ist das zustande gekommen und wie war die Entwicklung?

BF: Als ich in Griechenland war, habe ich dort einen Iraner gekannt, wir waren miteinander befreundet. Dieser Iraner hatte auch viel Elend in seinem Leben erlebt, wie ich. Er hat über diese Religion erzählt, in Griechenland. Er hat Bücher bei sich gehabt und ab und zu hat er aus diesen Büchern vorgelesen. Er hat mir auch über Jesus Christus erzählt und sagte, dass Jesus Christus drei Tage nach der Kreuzigung wieder auferstanden sei. Das hat mich beeindruckt. Als ich ein paar Gebete, die er mir beigebracht hatte, selbst gesprochen habe, habe ich mich damit sehr wohl gefühlt. Der Iraner hat schon im Iran als Christ gelebt und daher war er dort der Folterung seitens Irans ausgesetzt. Er war auf der Flucht nach Europa, genauso wie ich und hat sich damals in Griechenland aufgehalten. Sein Name war H XXXX R XXXX . Ich weiß nicht, ob er auch nach Österreich geflohen ist. Die Bücher aus denen er vorgelesen hat, war das Neue Testament. Er hat mir Gebete aus dem Testament vorgelesen. Er hat mir das Vater Unser beigebracht.

R: Können Sie das Vater Unser?

BF sagt das Vater Unser auf Deutsch auf.

R: Haben Sie sich im Iran schon für das Christentum interessiert, oder waren Sie da gläubiger Moslem?

BF: Im Iran war ich gar nicht mit dem Christentum vertraut. Ich war nie in Berührung mit dem Christentum. Ich war Moslem, aber nur dem Namen nach. Als ich in Österreich war, habe ich das Land, genauso ein Land gefunden, wie ich es mir damals vorgestellt habe. Ich habe dieses Land als ein freies, demokratisches Land, in dem alle Menschen sich frei äußern, die Rechte frei diskutieren, sich nicht verletzen, sich nicht in die Angelegenheiten der anderen Mitmenschen einmischen, miteinander möglichst liebevoll umgehen, gefunden. Da diese neue Religion mich sehr stark beeindruckt hatte, von der Zeit meines Aufenthaltes in Griechenland, habe ich auch damit in Österreich weitergemacht. Im Flüchtlingsheim in N XXXX habe ich recherchiert, wo ich in der Nähe eine Kirche finden könnte, damit ich dorthin gehen konnte. Ich habe die anderen Flüchtlinge im Heim gefragt. Mein erster Eintritt in die Kirche war in E XXXX , dort gibt es eine Kirche. Ich war in E XXXX in einer sehr großen Kirche. An der Turmspitze hängt auch eine sehr große Uhr. Drinnen in der Kirche gibt es viel Raum, es gibt einen sehr großen Saal, dort werden auch ab und zu Deutschkurse abgehalten. Ich fahre mit dem Zug nach E XXXX und steige bei der Station E XXXX aus. Zu Fuß gehe ich dann ca. 10 Minuten. Man geht zu Fuß gerade aus, dann biegt man nach rechts ab, dann sieht man die Kirche, dort gibt es auch eine Autobushaltestelle in der Nähe der Kirche. Ich habe mich Vater Bruno und Vater Erik vorgestellt und habe in E XXXX dann am Taufunterricht teilgenommen. Die Kirche in N XXXX konnte keinen Dolmetscher für mich bereitstellen, darum musste ich nach E XXXX fahren. Bei der Messe, den Gottesdiensten, Veranstaltungen gibt es keinen Dolmetscher, aber im Taufunterricht werden die Dolmetscher zur Verfügung gestellt. Die Zeit, in der der Taufunterricht stattgefunden hat, war zwischen 12:00 Uhr und ca. 13:30 Uhr. Ich war auch in der Kirche in N XXXX . Ich wollt mich über die weiteren Schritte, Christ zu werden informieren und dort an dem Taufunterricht teilzunehmen. Ich war damals nicht der deutschen Sprache mächtig, ich war neu in Österreich. Die Kirche hat uns mitgeteilt, dass man uns einen Dolmetscher erst dann bereitstellen könne, wenn die Teilnehmerzahl 10 Personen erreicht hätte. Wir waren aber nur vier Teilnehmer, später waren wir dann nur mehr zu zweit. Auf Rat der Kirche in N XXXX bin ich dann in E XXXX in die Kirche gegangen. Ich war von 2015 bis jetzt 7-10-mal in der Kirche. Anfangs konnte ich gar nichts auf Deutsch sagen, daher war ich nur ca. einmal im Monat. Etwas später, war ich einmal in der Woche, an Sonntagen, da ich ein bisschen Deutsch konnte.

R: Erzählen Sie mir, wie der Gottesdienst abläuft.

BF: Zuerst werden Gebete gesprochen, Wörter des Gottes, dann Beichten alle Teilnehmer zusammen und bitten um Vergebung. Danach beten alle Teilnehmer für die anderen Mitmenschen und Gläubigen, so dass sie ihre Probleme loswerden, die Kranken geheilt werden und der Gott denen gnädig ist. Dann beginnen wir mit dem Heiligen Brot und Trinken. Das heilige Brot symbolisiert den Körper Gottes und der Wein sein Blut. Nachdem Verzehr dieses Weines und der Hostie kommt ein neues Verbündnis mit Jesus Christus zustande. Dadurch hofft man auf Vergebung der Sünden. Da es sich dabei um ein langes Lied aus vielen Teilen bestehend handelt, kann ich es bis jetzt noch nicht. Am Ende des Liedes machen wir ein Kreuzzeichen und dann ist die Kirche zu Ende und ich selbst gehe dann zum Taufunterricht. Wir lernen im Taufunterricht über Jesus, wo und wann er geboren ist und was er alles gemacht hat. Alles über ihn, auch wie es dann zu seiner Kreuzigung kam. Wir lernen über die Sakramente, das Empfängnis des Heiligen Geistes, Taufe, Firmung, Beichte, über die Heiligsprechung, die Heirat.

R: Wenn Sie das Christentum mit Ihren eigenen Worten beschreiben, was sind die ideologischen Grundlagen?

BF: Ich habe die Frage nicht verstanden.

R wiederholt die Frage: Wenn Sie jemanden erklären müssten, was das Christentum ausmacht, was würden Sie antworten?

BF: Den einzigen Heiligen Vater zuzubeten und zu verehren, Mitmenschen zu lieben, denen keinen Schaden hinzuzugfügen. Nicht stehlen, nicht lügen und auch als Zeuge keine falschen Aussagen machen.

R: Das sind die 10 Gebote.

BF: Christentum bedeutet richtig zu leben. Richtig zu leben heißt für einen Christen, die anderen respektieren und den anderen einen Platz in seinem Herzen geben, sonst kann Jesus Christus keine Verbundenheit mit dem Herzen eines Menschen finden. Daher ist es wichtig, niemanden zu hassen. Wenn man das erreicht hat, würde man sogar seinen eigenen Feind auch lieben.

R: Wie machen Sie das jetzt?

BF: Ich versuche das umzusetzen, was Jesus Christus befohlen und gesagt hat. Mit Hilfe des Glaubens an Jesus Christus, Beichten und um Vergebung bitten. Für mich ist der Unterschied so groß wie zwischen Erde und Himmel. Z.B. habe ich im Iran gelogen, jetzt lüge ich nicht mehr, ich helfe meinen Freunden und Mitmenschen im Rahmen meine Möglichkeit, dass auch sehr gern, weil ich mich damit glücklich fühle.

R: Was sagen die anderen Afghanen, mit denen Sie Kontakt haben, dazu, dass Sie zum Christentum konvertiert sind?

BF: Sie halten Abstand und bezeichnen und als Kafir (Ungläubige) aber das macht für uns keinen Unterschied. Mit "wir" meine ich damit uns Christen. Meine Frau ist gebildet, aufgeklärt, ihr ist es egal, es macht keinen Unterschied. Meine Geschwister wissen nicht davon, ich glaube wenn sie es herausfinden, würden sie mich schimpfen oder auch töten, das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Die Kinder sind klein. Sie haben jetzt nicht die Befugnis mir etwas vorzuwerfen, da sie noch keine 18 Jahre alt sind. Wenn sie 18 sind, können sie sich dazu äußern.

R: Bei der Einvernahme vor dem BFA im Juni 2017, haben Sie angegeben, dass Sie ihren Religionsstatus auf Facebook nicht angeführt hatten.

BF: Das stimmt, ich habe das nicht angegeben gehabt. Nach der Einvernahme habe ich etliche Einstellungen vorgenommen und alles ausgefüllt. Ich habe das ganze Bild meiner Facebook Seite auf ein Bild mit einem christlichen Gebet geändert.

R: Deklarieren Sie sich auf Facebook als Christ?

BF: Ja.

R: Erzählen Sie mir etwas über ihre Taufe?

BF: Ich wurde zu Ostern getauft, davor, einen Monat vor der Taufe wurden wir am Ende des Taufunterrichtes wurden Gebete von Pater Erik vorgelesen. Während der Vorlesung des Gebetes sind wir stehen geblieben. Er hat uns dann an der Stirn und den Schultern mit dem Heiligen Öl geschmiert. Das war im Taufunterricht, noch vor der offiziellen Taufe. Er hat auch vorgelesen, dass wir Christen geworden sind und das wir auf diesen Weg bleiben wollen und dass Gott, der Heilige Vater uns hilft. Dann teilte man uns mit dass man für uns eine Taufzeremonie abhalten werde und man hat es auch getan. Am Tag der Taufe war ich ganz weiß gekleidet. Jeder hat eine Kerze bekommen, mit seinen eigenen Namen, dann hat man dort wieder ein Gebet vorgelesen. Wir haben uns alle zusammengetan, wir waren nebeneinander. Ich und eine Iranerin haben eine zuständige Person, eine Mutter dort gehabt, die Iranerin wurde zu meiner Schwester. Danach haben wir die Kerzen angezündet. In dem kleinen Taufbecken befand sich heiliges Wasser. Mit dem Kopf runter, hat man das Wasser über unsere Köpfe geleert, danach war die Taufe zu Ende. Ich musste auch etwas sagen. Man hat uns gefragt, ob man Glauben an Jesus Christus hat, geantwortet haben wir mit ja. Zuerst hat man uns nach den Glauben an den Heiligen Gott gefragt, danach nach Jesus Christus und nach dem Glauben an den Heiligen Geist. Ich habe alles mit ja beantwortet. Das war dann alles, dann hat man uns nochmals mit dem Heiligen Öl beschmiert. Ich habe nichts geschworen. Ich glaube nicht dass ich etwas geschworen habe.

R: Normalerweise schwört man der Kirche Glauben und Treue bis zum Tod.

BF: Es kann sein, dass sie das vorgelesen haben auf Deutsch, oder vielleicht habe ich das nicht bemerkt, ich weiß es nicht.

R: Wie ist es Ihnen bei der Taufe gegangen?

BF: Ich war sehr glücklich. Beruhigt, sowohl körperlich als auch seelisch.

R: Was würden Sie machen, wenn ihre Frau sagt, sie will nicht, dass Sie Christ bleiben?

BF: Seitdem ich in Österreich bin und meine Einvernahme/Interview hatte, habe ich ihr alles bekannt gegeben, sie weiß es schon und sie hat kein Problem damit.

R: Was würden Sie machen, wenn Sie sich zwischen dem Glauben und ihrer Familie entscheiden müssten?

BF: Ich würde meine Religion auswählen und bei meiner Religion bleiben.

R: Haben Sie jemals so etwas wie ein schlechtes Gewissen oder Zweifel gehabt, sich vom Islam abzuwenden?

BF: Nein, ich war sogar glücklich. Nein überhaupt nicht, ich habe ihnen vorher auch gesagt, dass ich Moslem nur dem Namen nach war.

R: Vor dem BFA haben Sie gesagt, dass Sie streng gläubig sind und fasten?

BF: Ich habe das nur gemacht, weil die anderen das auch gemacht haben, ich habe mich gezwungen gefühlt. Ich habe das nicht aus Überzeugung gemacht.

R: Was ist für Sie der Unterschied zwischen den Regeln und Pflichten im Christentum, bei denen auch manchmal "die Freiwilligkeit" fehlt und den Regeln und Pflichten im Islam?

BF: In der Frage geht es darum, was der Unterschied zwischen Islam und Christentum ist?

R erklärt den Inhalt der Frage nochmals.

BF: Der Islam verbietet z.B. bestimmtes Essen, das Christentum ist dagegen.

R: Das Christentum verpflichtet jemand der Christ ist, an einen Gott zu glauben, bis zum Tod dieser Kirche treu zu sein und diese einzige Religion als richtige Religion anzusehen. Der Islam macht dasselbe. Was macht für Sie den Unterschied?

BF: Der Unterschied ist, Jesus Christus, Sohn Gottes verkörpert auf die Erde gekommen, das ganze Elend und Schmerzen; besonders als er gekreuzigt wurde, hat Blut vergossen. Im Islam gibt es so etwas nicht, Männer und Frauen sind außerdem im Islam nicht gleichgestellt, im Christentum aber schon. Im Islam ist Lügen verboten, aber alle Lügen.

R: Im Christentum ist lügen auch verboten und alle Lügen?

BF: Im Christentum ist es im Vergleich zu den Moslems weniger. Der Islam verbietet Sex ohne Ehe, begehen viele.

R: Das Christentum verbietet Sex vor der Ehe, begehen viele.

BF: Im Christentum begegnen alle im Sinne der Brüderlicherkeit, im Islam ist das nicht so. Der Unterschied liegt darin dass unseren Sünden vergeben durch die Kreuzigung Jesu Christi und seine Wiederauferstehung, in keiner Religion gibt es so etwas.

R: Der Unterschied ist die Vergebung der Sünden, sehe ich das richtig?

BF: Ja, das vergeben der Sünden und das neue Leben.

R: Wie oft gehen Sie beichten?

BF: Üblicherweise einmal im Monat.

R: Wie verständigen Sie sich mit dem Priester?

BF: Es werden mir ein Zettel und ein Kugelschreiber vorgelegt, ich schreibe darauf meine Sünden, der Pater nimmt mir den Zettel wieder weg, ohne einen Blick darauf zu werfen, dann betet er für mich. Dann sagt er mir anschließend, alles was Sie bis jetzt gemacht haben, versprechen sie mir nicht mehr zu tun. Ich schreibe darauf auf Persisch. Danach muss ich Gebete sprechen, mit dem Kreuz in der Hand haltend. Wie ich zuvor gesagt habe, sprechen wir dann ein Gebet.

R: Ich nehme an, Sie leben immer noch im Flüchtlingsheim in N XXXX ? Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Sind Sie ehrenamtlich tätig, in einem Verein oder Arbeiten Sie?

BF: Ja ich wohne noch dort. Meistens helfe ich in meinem Aufenthaltsort. Ich helfe beim Kochen im Quartier, ich reinige die Unterrichtsräume in dem Quartier, da gibt es auch Unterrichte innerhalb des Quartiers. Ich gieße die Blumen. Ich helfe auch in einem Altenheim im St. N XXXX . Wenn es um die ehrenamtliche unbezahlte Arbeit geht, ist das alles was ich bis jetzt erzählt habe. Ich habe keinen Job mit Bezahlung. Ich arbeite nur einmal im Monat im Baubereich als Helfer. Nur einmalig im letzten Monat habe ich in einem Garten gearbeitet. In einem Weingarten, aber sonst nichts.

R: Lebt ein Teil Ihrer Familie in Österreich oder Verwandte?

BF: Ich habe niemanden in Österreich.

R: Haben Sie alles erzählt, was Sie erzählen wollten, warum Sie aus dem Iran wegmussten, oder möchten Sie noch etwas hinzufügen?

BF: Ich habe alles was ich erzählen wollte, erzählt. Ich habe alles gesagt.

R: In der Ladung wurden Sie aufgefordert etwaige Zeugen wie z.B. den Priester mitzunehmen. Warum wurde das nicht beantragt?

BF: Ich habe Pater Erik schon darum gebeten, mich zu begleiten. Er meinte, dass in der Ladung nicht steht, dass ein Priester mitkommen müsse, darum hat er mich nicht begleitet. Das was Sie jetzt gerade sagen, davon erfahre ich erst jetzt, mein Rechtsanwalt hat mir davon nichts gesagt.

RV: Die katholische Bischofskonferenz hat klare Richtlinien für die Aufnahme von Erwachsenen Konvertiten, insbesondere solche aus islamischen Ländern. Für die katholische Kirche ist sehr wichtig, dass der Wert der Taufe nicht dadurch gemindert wird, Leute aufzunehmen, die nur zu ihrem eigenen Vorteil vortäuschen Christen zu sein. Daher ist sowohl die Vorbereitung auf die Taufe, als auch die Beurteilung ob die betreffende Person für die Taufe geeignet ist, durch die zuständigen Pfarrer sehr gründlich. Die zuständigen Personen in der Kirche, die der Beschwerdeführer besucht haben mit ihm wesentlich mehr Zeit verbracht, als es für das Gericht möglich ist und sie haben ihm offensichtlich geglaubt, dass er aus Überzeugung zum Christentum übergetreten ist. Der römisch-katholischen Taufe des Beschwerdeführers kommt daher meines Erachtens zumindest ein sehr hoher Beweiswert zu, hinsichtlich der Frage seiner inneren Überzeugung. Für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan würde die intensive Gefahr bestehen, dass er sowohl Gewalttaten durch private Personen ausgesetzt wäre, als auch Verfolgung durch den afghanischen Staat direkt, aufgrund der Tatsache, dass das afghanische Justizsystem auf der Sharia basiert und der Abfall von Glauben eines der schwersten Verbrechen im Islam darstellt. Auch eine bloß geheime Ausübung seines Glaubens wäre dem Beschwerdeführer in Afghanistan nicht möglich und auch nicht zumutbar. Einerseits weil er automatisch dadurch auffallen würde, dass er die Gebetszeiten nicht mehr einhält, das Freitagsgebet nicht besucht und derartiges. Andererseits weil es keine Kirchen gibt, die er besuchen könnte, keine Möglichkeit andere Christen zu finden um mit ihnen gemeinsam den Glauben zu leben und jederzeit in Gefahr wäre verhaftet oder angegriffen zu werden wenn er eine Bibel zu Hause hat z.B. Davon abgesehen, hat der Beschwerdeführer überhaupt keine familiären oder sozialen Kontakte mehr. Er hat fast sein gesamtes Leben im Iran verbracht und er wäre daher im Falle einer Rückkehr besonders schutzlos. Ich ersuche daher darum, der Beschwerde stattzugeben."

Der BF legte ein weiteres ÖSD-Sprachzertifikat A2 vor, eine Teilnahmebestätigung des BiB über die Teilnahme am Work-Shop "Berufe vorstellen" sowie ein Schreiben des Dompfarrers der Dom- und Stadtpfarre E XXXX vor.

8. Mit Schreiben vom 20.11.2017 nahm der BF Stellung zu den vorgelegten Länderberichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der am XXXX geborene BF ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er wurde in M XXXX / Iran geboren. Neben seiner Ehefrau F XXXX A XXXX , seinen drei Söhnen M XXXX R XXXX , E XXXX R XXXX , A XXXX R XXXX und seiner Tochter S XXXX R XXXX , leben noch zwei Brüder und eine Schwester im Iran. Herkunftsprovinz Familie in Afghanistan konnte nicht festgestellt werden.

Der BF hat im Iran 12 Jahre lang die Grundschule besucht und war danach im Baubereich im Iran tätig. Der BF steht mit seiner Familie nach wie vor in telefonischem Kontakt.

Der Beschwerdeführer hat im März 2016 den Iran verlassen, nachdem ihm die Aufenthaltspapiere abgenommen wurden und er des Landes verwiesen werden sollte.

Vor seiner Ausreise, gehörte der BF der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an und musste seinen Glauben regelmäßig praktizieren. In Griechenland kam der BF in Kontaktmit den christlichen Glauben und in Österreich angekommen, hat der Beschwerdeführer seine Religion nicht weiter ausgeübt und ist vom muslimischen Glauben abgefallen. Der BF bekennt sich aus innerer Überzeugung zum Christentum Diese Überzeugung wird auch dadurch dokumentiert, dass der BF regelmäßige die katholische Kirche in N XXXX XXXX und in E XXXX besucht und sich am 15.404.2017 taufen ließ. Von dem Glaubensabfall des BF weiß seine Ehefrau.

Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan würde der BF sich nicht wieder zum muslimischen Glauben bekennen und diesen auch nicht wieder ausüben. Der BF wäre in Afghanistan als Apostat, sowohl von staatlicher als auch von privater Seite einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt. Der Abfall vom Islam wird in Afghanistan als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen und gilt als schwerer Verstoß gegen das Werteverständnis der afghanischen Gesellschaft.

Wegen seines Abfalls vom muslimischen Glauben und des Scharia-widrigen Verhaltens drohen dem BF daher grundlegende Beeinträchtigungen seiner Menschenrechte, wenn nicht sogar der Tod von radikalislamischen Personen, wobei der afghanische Staat nicht willens, zumindest aber nicht fähig ist den BF insoweit vor den drohenden Repressionen, verursacht durch die Ausübung der Religionsfreiheit zu schützen, sofern er nicht sogar vom afghanischen Staat selbst wegen seiner Apostasie asylrelevant verfolgt werden würde.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Eine Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative steht dem BF nicht zur Verfügung.

Zur Lage im Herkunftsstaat des BF

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017

Sicherheitslage

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten – gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF – Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA – Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP – Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal‘ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha’ al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Zeitraum 1.9.2015. – 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Rechtsschutz/Justizwesen

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9.2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und –verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9.2016).

Todesstrafe

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen. Es gibt ein Präsidialdekret aus dem Jahre 1992, welches die Anwendung der Todesstrafe auf fünf Deliktarten einschränkt: (vorsätzlicher) Mord, Genozid, Sprengstoffattentate (i.V.m. Mord), Straßenräuberei (i.V.m. Mord) und Angriffe gegen die territoriale Integrität Afghanistans. Dieses Präsidialdekret wurde allerdings in jüngster Zeit nicht beachtet. Unter dem Einfluss der Scharia droht die Todesstrafe auch bei anderen "Delikten" (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen bzw. bestätigt und kann nur mit Zustimmung des Präsidenten vollstreckt werden. Die Todesstrafe wird durch Erhängen vollstreckt. In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig wahrgenommenen Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können (AA 9.2016).

Im Jahr 2015 wurde die Todesstrafe weiterhin verhängt - oft nach unfairen Verfahren. Die von Präsident Ghani im Jahr 2014 angeordnete Überprüfung von fast 400 noch nicht vollstreckten Todesurteilen war Ende 2015 noch nicht abgeschlossen (AI 24.2.2016).

Obwohl Präsident Ghani sich zwischenzeitlich positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert hatte und Gesetzesvorhaben auf dem Weg sind, die eine Umwandlung von Todesstrafen in eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, werden weiter Todesurteile vollstreckt. Im Mai 2016 fand die Hinrichtung von sechs verurteilten Terroristen statt. Die Vollstreckung der bereits rechtskräftigen Todesurteile war Teil einer von Präsident Ghani angekündigten härteren Politik im Kampf gegen Aufständische und folgte als Reaktion auf öffentliche Vergeltungsrufe nach einem schweren Taliban-Anschlag. Zuvor wurden 2014 und 2012 sechs bzw. 16 Todesstrafen verurteilter Straftäter vollstreckt (AA 9.2016).

Religionsfreiheit

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Bahai und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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