TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/29 W169 2177804-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2017
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Entscheidungsdatum

29.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W169 2177804-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. 1172953003-171258593, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hat am 06.11.2017 am Flughafen Wien-Schwechat im Zuge einer Identitätsfeststellung gemäß § 12a des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG) durch Organe der Bundespolizei einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt.

Am 07.11.2017 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos Schwechat die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei führte dieser aus, dass er aus Indien stamme, verheiratet sei, im Heimatland zehn Jahre die Grundschule besucht und als Landwirt gearbeitet habe. Im Heimatland würden seine Eltern, seine Schwester sowie seine Ehegattin und seine beiden Kinder leben. Zum Ausreisegrund brachte der Beschwerdeführer vor: "Wir wollen Khalistan und werden deshalb von Hindus und Moslems geschlagen, sowie von der Regierung misshandelt. Auch meine Familie ist in Gefahr." Weitere Gründe für eine Asylantragstellung habe er nicht. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er, getötet zu werden.

2. Nachdem die Einreise des Beschwerdeführers nicht gestattet worden war, wurde dieser am 14.11.2017 im Rahmen eines Flughafenverfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Flughafen, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er in Nangal Wana geboren worden sei und verheiratet sei. Er könne keine Dokumente vorlegen; seinen Reisepass habe er weggeworfen. Er habe bis Jänner 2016 mit seinen Eltern, seiner Schwester, seiner Ehegattin und seinen Kindern im Heimatdorf im Elternhaus gelebt. Bis August 2017 habe er in Neu Delhi und danach ein Monat in Chennai gelebt. Von Chennai sei er wieder nach Neu Delhi und danach in den Punjab in das Heimatdorf gereist, wo er sich drei Tage aufgehalten habe, um seine Familie zu treffen. Dann sei er nach Neu Delhi und von dort nach Österreich gereist. Im Heimatland würden seine Eltern, seine Ehegattin, seine beiden Kinder und seine Schwester leben. Zu diesen habe er Kontakt. Sie hätten alle dieselben Probleme. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er im Heimatland als Landwirt gearbeitet habe. Jetzt werde seine Familie von seinem Vater versorgt, der auch als Landwirt tätig sei. Der Beschwerdeführer sei kein Mitglied einer politischen Partei, eines Vereines oder einer sonstigen Organisation in Indien gewesen. Er habe im Jänner 2017 den Entschluss gefasst, das Heimatland zu verlassen. Am 05.10.2017 habe er Indien verlassen.

Zum Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer Folgendes aus (VP: nunmehriger Beschwerdeführer, LA: Leiter der Amtshandlung):

"( )

LA: Aus welchen Gründen haben Sie Ihr Heimatland verlassen. Bitte geben Sie alle Gründe ausführlich an, Sie haben dazu ausreichend Zeit!

VP wird nochmals auf seine Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben hingewiesen und auf eine detaillierte Beschreibung.

VP: Wir wollen Khalistan haben. Und deswegen haben wir Probleme mit der indischen Regierung gehabt. Die haben auch auf meinen Kopf geschlagen. Die Polizei hat mich geschlagen. Das ist alles.

LA: Was wissen Sie über die Khalistan-Bewegung?

VP: Singh haben immer Khalistan gehabt und jetzt wollen wir es wieder zurückhaben.

LA: Was meinen Sie mit Singh?

VP: Wir haben einen Guru (gemeint Lehrer) Gobind SINGH und deswegen sind wir auch SINGH.

LA: Beschreiben Sie Ihre Motivation, warum Sie für ein unabhängiges Khalistan sind und diese Bewegung unterstützen?

VP: Punjab ist sehr teuer geworden und deswegen möchten wir Khalistan haben und die Regierung will das aber nicht.

LA: Sie wollen aus wirtschaftlichen Gründen Khalistan?

VP: Ja, weil es so teuer ist und die Singh haben eigene Rechte dort und Sie können Geschäfte machen.

LA: Haben Sie jetzt nicht die Möglichkeit Geschäfte zu machen?

VP: Zuerst wollen wir ein Khalistan haben und dann werden wir Geschäfte machen.

LA: Was für Geschäfte wollen Sie da machen?

VP: Als Landwirt.

LA: Meinen Sie, dass Sie Ihre Produkte aus der Landwirtschaft selber verkaufen könnten?

VP: Ja.

LA: Könnten Sie das jetzt nicht, wenn Sie eine eigene Landwirtschaft hätten?

VP: Wir könnten das schon, aber wir bekommen so wenig. Die Preise sind so niedrig.

LA: Können Sie mir sagen, wer der Anführer dieser Khalistan Bewegung ist?

VP: Wir haben keinen Anführer, wir wollen selber Khalistan haben.

LA: Wie haben Sie das zum Ausdruck gebracht, dass Sie ein eigenes Khalistan wollen? Anmerkung: VP hält inne und denkt nach.

VP: Zum Beispiel, wenn wir eine Demonstration machen, dann haben wir Probleme mit der Polizei.

LA: Haben Sie an Demonstrationen für ein unabhängiges Khalistan teilgenommen?

VP: Ja.

LA: An wie vielen Demonstrationen haben Sie teilgenommen?

VP: Nur an einer und dann habe ich Probleme gehabt.

LA: Wann hat diese stattgefunden?

VP: Im Jahr 2016.

La: Können Sie den Zeitraum etwas einschränken?

VP: Mehr kann ich nicht sagen.

LA: Sie brauchen es nur ungefähr anzugeben. Anfang, Mitte oder Ende 2016?

VP: Das war Anfang 2016.

LA: Wo hat diese Demonstration stattgefunden?

VP: In Jalandhar. Es gibt eine Person, die heißt XXXX , er ist immer noch dort in Indien. Seit eineinhalb Jahren hat er nichts gegessen, er hat nur Wasser getrunken. Aber er lebt immer noch und er will auch Khalistan. Und deswegen hat er diesen Hungerstreik gemacht. Aber die Regierung hört ihn nicht.

LA: Hat das direkt mit Ihrer Fluchtgeschichte zu tun?

VP: Khalistan und XXXX sind meine Fluchtgründe.

LA: Wie viele Personen haben ca. an dieser Demonstration teilgenommen?

VP: Sehr viele.

LA: Bitte geben Sie eine ungefähre Anzahl an!

VP: Ca. 10.000-20.000.

LA: Das war eine Recht große Demonstration. Gibt es dazu irgendwelche Zeitungsberichte, die Sie in Vorlage bringen können?

VP: Sie können das dann im Youtube sehen unter XXXX .

LA: Sie haben an einer Demonstration mit 10.000-20.000 Leuten teilgenommen und das war Ihre einzige Demonstration. Sie können sich aber trotzdem nicht genau daran erinnern, wann diese war?

VP: Genau. Befragt, nicht einmal der Monat ist mir bekannt.

LA: Sie haben angegeben, die Polizei habe Ihnen auf den Kopf geschlagen. Können Sie mir erzählen, wie es dazu gekommen ist?

VP: Ich habe bei dieser Demonstration teilgenommen und die Polizei hat mich geschlagen.

LA: Können Sie bitte detailliertere Angaben zu diesem Vorfall machen. Wer hat Sie genau geschlagen?

VP: Er war ein Polizist. Er hat mich geschlagen und dann bin ich weggelaufen.

LA: Ist er Ihnen hinterher gelaufen?

VP: Ja.

LA: Was ist dann passiert?

VP: Wir sind weiter gelaufen.

LA: Der Polizist war immer noch hinter Ihnen?

VP: Ja.

LA: Was ist dann passiert?

VP: Dann bin ich nach Neu Delhi gelaufen.

LA: Sie sind nach Neu Delhi gelaufen?

VP: Nein, mit dem Reisebus bin ich nach Neu Delhi gefahren.

LA: Gut, Nochmals einen Schritt zurück. Die Polizei ist hinter Ihnen hergelaufen und was ist dann passiert?

VP: Dann habe ich mich versteckt und dann bin ich mit dem Reisebus nach Delhi gefahren.

LA: Wo haben Sie sich versteckt?

VP: In der Busstation. Zwei Stunden habe ich mich versteckt. Dann bin ich mit dem Reisebus nach Delhi gefahren.

LA: Wie hat diese Busstation geheißen?

VP: Jalandhar Busstation. Befragt, dass ist die Hauptbusstation.

LA: Wo hat diese Demonstration stattgefunden?

VP: Auch in Jalandhar

LA: Wo genau?

VP: Jalandhar City.

LA: Können Sie mir eine Straße oder eine genaue Örtlichkeit angeben?

VP: Es war auf der Hauptstraße Richtung Amritsar. Genau auf dieser Straße haben wir die Demonstration gemacht.

LA: Wie lange sind Sie dann weggelaufen, vor diesem Beamten?

VP: 10-15 Minuten.

LA: Sie konnten Ihn abhängen?

VP: Ja.

LA: Zu welcher Uhrzeit hat sich dieser Vorfall ereignet?

VP: Nachmittags.

LA: Wann hat die Demonstration begonnen?

VP: Am Morgen in der Früh. Befragt, wir waren solange dort, bis uns die Polizei geschlagen hat.

LA: Wann ist der Bus abgefahren?

VP: Am Abend bin ich abgefahren, aber die genaue Uhrzeit weiß ich nicht. Am Morgen in der Früh war ich dann in Neu Delhi.

LA: Wie viel haben Sie für das Ticket bezahlt?

VP: 385 Rupien.

LA: Wurden nur Sie von der Polizei geschlagen oder andere auch?

VP: Die haben alle geschlagen.

LA: Mit was wurden Sie geschlagen?

VP: Mit einer Holzstange und dann haben Sie heißes Wasser auf unserem Körper verwendet.

LA: Wie meinen Sie das mit dem heißen Wasser, hat man das in die Menge gespritzt?

VP: Die haben auf uns gespritzt.

LA: Auf Sie konkret oder einfach in die Menge?

VP: Überall.

LA: Also nicht direkt auf Sie?

VP: Genau.

LA: War dieser Schlag mit der Holzstange gezielt auf Sie gerichtet, oder waren das einfach Schläge in die Menge?

VP: Die haben alle geschlagen?

LA: Bis auf diesen einen Vorfall, ist es ansonsten zu konkreten Übergriffen auf Ihre Person gekommen?

VP: Nein, wir sind weggelaufen und ansonsten gibt es keine anderen Fälle.

LA: In der Vergangenheit hat es auch nie konkrete Übergriffe auf Ihre Person gegeben? VP: Nein, das war das erste Mal.

LA: Wenn es nur diesen einen Angriff auf Sie gab, warum verließen Sie gleich Ihr Heimatland?

VP: Die Polizisten, die haben uns gekannt und mein Name war auf der Liste.

LA: Auf welcher Liste?

VP: Die haben meinen Spitznamen gewusst und nicht meinen Familienamen.

Frage wird wiederholt VP: Das weiß ich auch nicht.

LA: Sie haben gerade angegeben, dass Ihr Name auf einer Liste steht, aber Sie wissen nicht auf was für einer Liste?

VP: Die haben geschrieben, wegen dieser Khalistan Bewegung aber ich weiß nicht, wo Sie das hingeschrieben haben.

LA: Was ist mit den Personen, die auf dieser Liste sind?

VP: Die werden uns finden und dann töten.

LA: Woher wissen Sie, dass Sie auf einer Liste stehen?

VP: Weil die Polizisten waren in meinem Haus im Punjab. Nicht die Polizei, sondern die Leute von der Polizei. Die haben nicht für die Polizei gearbeitet und die haben gefragt wo ich bin.

LA: Wann war das?

VP: Im Jahr 2016.

LA: Waren Sie da zuhause?

VP: Ich war in Delhi.

LA: Von wem wissen Sie das dann?

VP: Ich habe zuhause angerufen.

LA: Was haben die Ihnen genau gesagt?

VP: Ich habe mit meinem Vater gesprochen und er hat gesagt, die Leute haben dich gesucht und du solltest aufpassen. Dann habe ich nur in Delhi gewohnt und ich habe vorher schon gesagt, dann bin ich nach Chennai gegangen und dann wieder von Chennai nach Delhi und dann bin ich nach Punjab. Dann wieder nach Delhi, dann bin ich nach Österreich gekommen.

VP: Sie haben vorher angegeben, dass Polizisten in Ihrem Haus waren. Dann gaben Sie an, es war nicht die Polizei, sondern die Leute von der Polizei. Die haben nicht für die Polizei gearbeitet. Wer war jetzt in Ihrem Haus, Polizisten oder Leute die nichts mit der Polizei zu tun hatten?

VP: Die Regierung hat Leute geschickt, um mich zu töten. Diese Leute sind immer in zivil. Mehr kann ich nicht sagen.

LA: Diese Leute sind nur einmal zu Ihnen nach Hause gekommen?

VP: Ja, nur einmal.

LA: Wann war das genau im Jahr 2016?

VP: Im Januar.

LA: War das vor oder nach der Demonstration?

VP: Nach der Demonstration.

LA: Das heißt die Demonstration hat im Januar stattgefunden?

VP: Ja.

LA: Warum konnten Sie vorher nicht genau angeben, wann die Demonstration stattgefunden hat?

VP: Ich konnte mich jetzt wieder daran erinnern, wegen diesen Leuten, die mich gesucht haben.

LA: Woher soll Sie die Polizei kennen bzw. diese Personen, die zu Ihnen nach Hause gekommen sind?

VP: Das weiß ich auch nicht, wie die drauf gekommen sind.

LA: Haben Sie ansonsten etwas mit dieser Khalistan Bewegung zu tun gehabt, außer dass Sie ein einziges Mal auf diese Demonstration gegangen sind?

VP: Nein.

LA: Woher haben Sie nun genau die Information, dass Sie auf einer Liste sind? Hat Ihr Vater diese Liste gesehen?

VP: Es gab keine Liste. Ich weiß nicht, wie die Polizisten auf mich gekommen sind.

LA: Sie haben vorhin gerade gesagt, Sie stehen auf einer Liste?

VP: Es gab keine Liste. Aber die haben meinen Spitznamen gewusst.

VP wird vorgehalten, dass er nun die ganze Zeit über die Existenz einer Liste gesprochen hat.

LA: Warum geben Sie nun an, dass es doch keine Liste gibt?

VP: Ich habe bis jetzt die Wahrheit gesagt, es gibt keine Liste.

LA: Sind Sie sicher, dass Sie an dieser Demonstration teilgenommen haben?

VP. Ja.

LA: Können Sie mir erzählen, wie genau diese Demonstration vor sich gegangen ist. Gab es Sprechchöre oder irgendwelche Banner?

VP: Alle waren sehr laut und wir haben nur gesagt, wir wollen Kahlistan haben.

LA: Ansonsten ist nichts geschehen bei dieser Demonstration. Sie waren den ganzen Tag nur laut und haben gesagt, dass Sie Khalistan wollen? Gab es niemanden, der zur Menge gesprochen hat?

VP: Wir haben miteinander gesprochen.

LA: Mit wem haben Sie da gesprochen?

VP: Zu meinen Freunden.

LA: Mit wie vielen Freunden waren Sie dort?

VP: Ich habe nur einen Freund gehabt.

LA: Sie haben die ganze Zeit nur mit diesem einen Freund gesprochen?

VP. Ja.

LA: Wie war das Wetter am Tag der Demonstration?

VP: Das Wetter war ok.

LA: Waren Sie die ganze Zeit am selben Ort oder sind Sie gelaufen?

VP: Wir waren unterwegs Richtung Amritsar.

LA: Bis wohin sind Sie gekommen?

VP: Wir haben bei der Jalandhar Busstation angefangen, dann sind wir in Jalandhar angekommen und dann in Jalandhar haben wir Pause gemacht. Am Nachmittag gab es Probleme mit der Polizei.

LA: Ist die Polizei erst am Nachmittag gekommen oder waren Sie den gesamten Tag schon mit Ihnen unterwegs?

VP: Die waren die gesamte Zeit mit uns.

LA: Warum ist es erst am Nachmittag zu diesen Übergriffen gekommen, ist irgendetwas Bestimmtes vorgefallen?

VP: Das weiß ich selber nicht.

LA: Sie gaben an, vor Ihrer Ausreise nochmals in Ihr Heimatdorf zurückgekehrt zu sein. Ist es zu irgendwelchen Übergriffen gekommen?

VP: Nein, aber mein Vater hat mich gewarnt. Irgendwann werden dich diese Leute töten.

LA: Sie haben angegeben, Sie waren nur bei einer einzigen Demonstration dabei. Warum sollte die Polizei genau hinter Ihnen her sein?

VP: Das weiß ich auch nicht.

LA: Ansonsten haben Sie sich nie irgendwie für die Khalistan Bewegung betätigt?

VP: Nein.

LA: Warum sind Sie erst im Oktober 2017 ausgereist?

VP: Ich habe nicht gewusst, wie ich Indien verlassen soll zu diesem Zeitpunkt.

LA: Weswegen haben Sie das nicht gewusst, wie Sie Indien verlassen können?

VP: Dann später hat meine Familie einen Schlepper gefunden.

LA: Das passt nicht ganz zusammen: Die Demonstration hat Ihren Angaben zufolge im Januar 2016 stattgefunden. Im Januar 2017 haben Sie den Entschluss zur Ausreise gefasst und tatsächlich ausgereist sind Sie erst im Oktober 2017. Nehmen Sie hierzu bitte Stellung.

VP: Im Jahr 2017 habe ich den Entschluss zur Ausreise gefasst. Ich habe solange gewartet, weil ich gedacht habe, dass ich später keine Probleme mehr mit der Regierung haben werde. Aber es war nicht so. Und dann habe ich Indien verlassen.

LA: Sie haben also Indien nach knapp zwei Jahren verlassen?

VP: Ja.

LA: Sie gaben an, dass Sie solange mit Ihrer Ausreise gewartet haben, weil Sie gedacht haben, Sie werden keine Probleme mehr mit der Regierung haben. Welche Probleme meinen Sie genau?

VP: Die Regierung macht sehr viele Probleme und deswegen habe ich Indien verlassen.

LA: Schildern Sie bitte die Probleme, die die Regierung Ihnen konkret gemacht hat!

VP: Ich will Khalistan haben und deswegen wollen die mich töten.

LA: Was ist Ihnen jetzt konkret nach diesem Vorfall im Jahr 2016 mit der Polizei noch passiert?

VP: Ich bin nach Delhi gegangen.

LA: Sie sind im Jahr 2017 nach Delhi gegangen?

VP: Ich bin zurückgekommen nach Punjab und dann 2017 wieder nach Delhi gegangen.

LA: Waren ansonsten nochmals irgendwelche Polizisten oder Regierungsleute bei Ihnen zuhause?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Würde Ihnen das Ihr Vater nicht mitteilen?

VP: Er hat zu mir einfach gesagt, ich soll Indien schnell verlassen.

Der VP wird Letter of Guarantee vorgehalten. Bitte nehmen Sie dazu

Stellung:

VP: Ich weiß nicht.

LA: Haben Sie diese Dokumente schon einmal gesehen?

VP: Nein.

LA: Hier steht drauf, dass Sie auf einem Schiff anheuern sollen. Ist Ihnen so etwas bekannt?

VP: Nein, das weiß ich nicht. Der Schlepper hat zu uns gesagt, wir sollen das wegschmeißen.

LA: Wer hat den Schlepper organisiert?

VP: Mein Vater.

LA: Hat Ihnen der Schlepper noch irgendetwas gesagt, außer dass Sie dieses Schriftstück wegschmeißen sollen?

VP: Er hat uns gesagt, wir sollen alle Dokumente zerreißen.

Ich möchte mich nochmals vergewissern, Sie haben gesagt, Sie hatten einen Zwischenstopp in Doha?

VP: Ich weiß nicht, ich war dort irgendwo.

LA: Was heißt irgendwo?

VP: Ich weiß nicht wo, aber wir sind dort geblieben.

LA: Das heißt, das war kein Direktflug von Delhi nach Wien?

VP: Nein.

LA: Hat Ihnen der Schlepper sonst noch irgendetwas gesagt?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie noch irgendwelche Angaben machen?

VP: Nein.

LA wird nochmals darauf hingewiesen, dass dies die letzte Möglichkeit ist und dass er bitte ein entsprechendes Vorbringen erstatten soll, falls Ihm noch etwas wichtig erscheint.

V: Ja, bitte dort wo Sie Oktober geschrieben haben, schreiben Sie September 2017. Das war ein Fehler.

LA: Warum war das ein Fehler?

VP: Nur so.

LA: Sie werden doch wissen, wann Sie ungefähr Ihr Heimatland verlassen haben?

VP: Ja.

LA: Wo waren Sie im September?

VP: Am 27. September habe ich Indien verlassen.

LA: Wohin verlassen?

VP: Von Delhi irgendwohin.

LA: Wo ist irgendwo, Sie werden ja ein Ticket bekommen haben.

VP: Ich weiß wirklich nicht.

LA: Sie waren einen Monat lang irgendwo aufhältig. Sie werden wissen, wo das war?

VP. Ich war dort nicht für einen Monat, sondern maximal 10 Tage.

LA: Wie lange sind Sie geflogen, bis Sie dort waren?

VP: 3 h 50 Minuten.

LA: Sie können mir genau angeben, wie lange Sie geflogen sind aber nicht wohin Sie geflogen sind.

VP: Den Namen weiß ich nicht, ich war nicht in der Schule.

LA: Bei Ihrer Erstbefragung haben Sie angegeben, dass Sie 10 Jahre lang in der Schule waren?

Ja ich war in der Schule aber ich kann kein Englisch sprachen.

VP wird darauf hingewiesen, dass seine diesbezüglichen Angaben sehr widersprüchlich sind und dass ihm nochmals die Gelegenheit gegeben wird, die Wahrheit zu sagen.

VP: Wir waren fünf Personen gemeinsam. Wir waren in Doha, Katar.

LA: Welche fünf Personen waren das?

VP: Wir sitzen oben gemeinsam.

LA: Nennen Sie mir bitte die Namen!

VP: Die Namen weiß ich nicht.

LA: Sie wissen die Namen nicht obwohl Sie jetzt seit mehreren Tagen gemeinsam in derselben Unterkunft sitzen?

VP: Wir nennen uns nur bei den Spitznamen oder sagen Bruder zueinander.

LA: Nennen Sie bitte die Spitznamen?

VP: XXXX . XXXX , er ist aber schon weg von hier, er ist draußen. XXXX und XXXX .

LA: Sie wissen nicht, wie diese Personen im Vornamen heißen?

VP: Nein.

LA: Wo haben Sie sich kennengelernt?

VP: Hier habe ich Sie kennengelernt, in Schwechat am Flughafen.

LA: Sie haben gerade angegeben, dass Sie alle fünf in Doha, Katar waren. Nehmen Sie hierzu Stellung!

VP: Wir waren fünf Leute, aber ich war alleine.

LA: Das müssen Sie mir jetzt bitte genauer erklären!

VP: Die anderen sind woanders hingeflogen.

LA: Wie meinen Sie das?

VP: Ich weiß nicht in welchem Hotel Sie sind.

LA: Sie meinen Sie haben Sie in Doha getroffen, waren dann aber in Katar alle in unterschiedlichen Hotels und haben sich dann hier in Schwechat am Flughafen wieder getroffen.

VP: Ja richtig.

LA: In Doha am Flughafen haben Sie sie nicht getroffen, obwohl Sie auf demselben Flug waren?

VP: Ja.

VP wird vorgehalten, dass dieses Vorbringen nicht ganz nachvollziehbar ist, dass er diese Personen zwar in Doha gesehen habe, aber dann am Flughafen oder im Flugzeug nicht mehr. Belehrung Wahrheitspflicht.

VP: Wir waren 12 Leute in Doha. Ich habe Sie nicht gekannt. Hier habe ich alle Leute kennengelernt.

LA: Wissen Sie aus welchem Grund die anderen Personen Ihr Herkunftsland verlassen haben?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Das heißt es waren nicht nur 5 Personen, die Sie da in Doha getroffen haben, sondern 12?

VP: Ja.

VP wird nochmals die Möglichkeit gegeben, etwas richtig zu stellen und ebenfalls auf die Wahrheitspflicht hingewiesen. Möchten Sie etwas Richtig stellen?

VP: Nein.

LA: Jetzt möchte ich aber doch noch von Ihnen wissen, weshalb es für Sie so wichtig ist, dass Ihr Ausreisedatum auf den September 2017 umgeändert wird?

VP: Ich konnte mich nicht daran erinnern.

LA: Was würde im Falle Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland geschehen?

VP: Ich habe Angst. Die Regierung will uns töten und deswegen hat mein Vater zu mir gesagt, ich soll Indien verlassen.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alle Ihre Gründe für die Antragstellung vorzubringen oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ja, ich habe alles gesagt.

LA: Haben Sie soweit den Inhalt der Einvernahme verstanden, oder haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen?

VP: Ich habe alles verstanden und keine Fragen mehr.

Ihr Vorbringen zu Ihren Fluchtgründen ist absolut nicht glaubhaft.

Sie schilderten einen Vorfall bei einer Demonstration im Januar 2016, wobei Sie nicht in der Lage waren, irgendwelche Details oder gar Zeitangaben zu diesem Vorfall zu tätigen. Auch Ihre Angaben hinsichtlich des Vorfalls bei Ihnen zuhause waren sehr unsubstantiiert und detaillos und gelang es Ihnen schon nicht, konkrete Angaben zu den Personen zu treffen, die Sie angeblich zu Hause aufsuchten. Darüber hinaus tätigten Sie widersprüchliche Angaben im gesamten Verfahren (zB. bezüglich einer angeblichen Liste, auf welcher Sie stehen würden; zur Ausreise) und haben sich auch ansonsten im Verfahren Ungereimtheiten ergeben. Augenmerkt ist auch auf den großen zeitlich Abstand zwischen den angeblich geschilderten Vorfällen und Ihrer tatsächlichen Ausreise zu legen. Ihre getätigten Ausführungen lassen in einer Gesamtheit sohin jedenfalls nur den Schluss zu, dass Ihr Vorbringen offenbar nicht den Tatsachen entspricht.

Daher ist seitens des Bundesamts beabsichtigt, Ihren Antrag am Flughafen abzuweisen.

Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die LA der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR - Zustimmung von UNHCR - Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren - Beschwerdemöglichkeit an Bundesverwaltungsgericht - abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes - Zurückweisung der LA durch LPD - eventuell Verhängung der Schubhaft usw. - aber auch die jeweiligen Chancen für die LA im Flughafenverfahren

-

keine Zustimmung von UNHCR - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland - oder Stattgebung der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland.

Anmerkung: LA wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch ORS, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw.

-

abermals in Kenntnis gesetzt.

VP merkt an, dass er im Falle einer negativen Entscheidung in Österreich sterben wird.

LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie nun am Ende der Befragung noch weitere Angaben machen oder irgendwelche Ergänzungen anbringen?

VP: Ich habe schon alles gesagt.

LA: Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend Vorbringen?

VP: Ja.

LA an RB: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?

RB: Dem Ast droht in Indien Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur religiösen Minderheitengruppe der Sikh. Er hat aufgrund seiner Teilnahme an einer politischen Demonstration bereits Verfolgungshandlungen durch den indischen Staat erlitten. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Ast aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Minderheitengruppe der Sikh unmenschlicher Behandlung in Indien ausgesetzt ist, was eine Verletzung von Art. 2 bzw. 3 EMRK zur Folge hätte. Es wird daher angeregt, der Einreise des Ast zuzustimmen und ihn zum Verfahren zuzulassen.

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Gut.

( )"

3. Am 15.11.2017 wurde das Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Österreich (in der Folge: UNHCR) gemäß § 33 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 um Erteilung der Zustimmung zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz ersucht.

4. Mit Schreiben des UNHCR vom 17.11.2017 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass eine Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt werde, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Unglaubhaft erscheine zunächst in Bezug auf das ausreisekausale Geschehen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, seine angebliche Teilnahme an der von ihm vorgebrachten Demonstration zeitlich einzuordnen. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Demonstration habe der Beschwerdeführer vorerst lediglich rudimentär das Jahr 2016 angegeben und ausgeführt, dass ihm das genaue Monat nicht bekannt sei. Erst im weiteren Verlauf der Einvernahme habe der Beschwerdeführer dann vorgebracht, dass sich dieser Vorfall im Jänner 2016 ereignet habe. Auch die sonstigen Angaben des Beschwerdeführers zu der von ihm besuchten Demonstration und der anschließenden Flucht nach Neu Delhi seien zur Gänze unsubstantiiert und detaillos gewesen. Hinsichtlich der Demonstration habe der Beschwerdeführer lediglich ausgeführt, dass an dieser 10.000 bis 20.000 Personen teilgenommen hätten, es sehr laut gewesen sei und die Demonstrationsteilnehmer miteinander gesprochen hätten. Jemanden, der zur Menge gesprochen habe, hätte es nicht gegeben. Nachdem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Internet unter der Sucheingabe "Demonstration Khalistan Januar 2016" eingegeben habe, hätten sich diverse Videos zu Protesten und Märschen der Khalistan-Bewegung aufrufen lassen und gehe aus diesen hervor, dass gerade bei Veranstaltungen in der vom Beschwerdeführer beschriebenen Größenordnung oft Banner und Fahnen hochgehalten werden würden, Sprechchöre ertönen und einzelne Personen die Menge mittels Mikrofonen anheizen würden. All diese Einzelheiten habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht und sei er somit nicht in der Lage gewesen, der Behörde ein lebendiges und plastisches Bild dieser Demonstration zu vermitteln. Angesichts der diesbezüglichen vagen Angaben des Beschwerdeführers stehe zweifelsfrei fest, dass er jedenfalls nicht an einer solchen Demonstration teilgenommen habe und es sohin aus diesem Grunde auch unerheblich sei, ob im Januar 2016 in Jalandhar tatsächlich eine solche Demonstration stattgefunden habe. Zudem gehe aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht hervor, dass die vom ihm geschilderten Ereignisse derart gravierend gewesen seien und somit Anlass zu einer sofortigen Flucht gegeben hätten. Den Angaben des Beschwerdeführers zufolge hätte die Demonstration in der Früh begonnen und bis zum Nachmittag gedauert, bevor sie von der Polizei zerschlagen worden sei. Die Polizei habe dabei Holzstangen und heißes Wasser verwendet. Zudem sei laut Angaben des Beschwerdeführers die Demonstration die ganze Zeit über von Polizisten bewacht worden und habe sich dennoch kein gezielter Angriff der Polizei auf die Person des Beschwerdeführers ereignet. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer vorerst angegeben, dass es abgesehen von der Demonstration keine weiteren Vorfälle gegeben habe und er auch in der Vergangenheit keinen persönlichen Angriffen ausgesetzt gewesen sei. Erst auf Nachfrage der Behörde, weshalb der Beschwerdeführer wegen eines einzigen Vorfalls sein Heimatland verlassen habe, steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, dass er auf einer angeblichen Liste stehen würde. Die Existenz dieser Liste habe der Beschwerdeführer jedoch am Beginn der Einvernahme mit keinem Wort erwähnt. Auch zu der angeblichen Todesdrohung durch die Polizei bzw. Personen der Regierung habe der Beschwerdeführer vorerst kein Vorbringen erstattet. In diesem Zusammenhang erscheine es zunächst äußerst unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer der Polizei bekannt sei, obwohl er laut eigenen Angaben nur an einer einzigen Demonstration teilgenommen habe. Eine Mitgliedschaft bei einer politischen Partei, einer Organisation oder einem Verein habe der Beschwerdeführer verneint und habe sohin alleine schon aus dem Umstand, dass er somit keiner der vielzähligen Organisation bzw. Parteien angehört habe, die sich für ein unabhängiges Khalistan einsetzen würden, einer besonderen Exponiertheit seiner Person nicht erkannt werden können. Weitere Angaben vermochte der Beschwerdeführer zur "Liste" zudem nicht zu tätigen, außer, dass die Personen, die auf der Liste stünden, getötet werden würden. Im weiteren Verlauf der Einvernahme gab der Beschwerdeführer schlussendlich an, dass es "eine solche Liste" nie gegeben habe. Vollkommen widersprüchliche Angaben habe der Beschwerdeführer dann im weiteren Verlauf zu jenen Personen, die angeblich zu ihm nach Hause gekommen wären, getätigt. Zunächst habe er berichtet, dass die Polizei bei seinem Haus im Punjab gewesen wäre. Diese Ausführungen habe er unmittelbar darauf aber wieder revidiert und erklärt, dass nicht die Polizei bei ihm gewesen sei, sondern nur die Leute von der Polizei, diese aber nicht für die Polizei gearbeitet hätten. In der Folge habe der Beschwerdeführer dann angegeben, dass die Leute von der Regierung geschickt worden seien. Weiters wurde im Bescheid ausgeführt, dass eine Verfolgung des Beschwerdeführers aber bereits deshalb ausgeschlossen werden könne, da nicht davon auszugehen sei, dass eine tatsächlich verfolgte Person noch fast zwei Jahre im Heimatstaat verbleiben würde. Auch erscheine es unwahrscheinlich, dass eine verfolgte Person nach fast zweijährigem Aufenthalt in Neu Delhi bzw. Chennai wieder für mehrere Tage ins Heimatdorf zurückkehre. Darüber hinaus stehe die Demonstration im Jahr 2016 in keinem zeitlichen Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer gefassten Entschluss zur Ausreise im Jänner 2017 und sei auch aus diesem Grund nicht glaubhaft, dass er in Indien Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Zudem sei die tatsächliche Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Heimatland – wie er zunächst offenbar wahrheitswidrig angegeben habe – im Oktober 2017 erfolgt. In Anbetracht der langen Zeitstrecke, die zwischen dem angeblichen fluchtauslösenden Grund und seiner Ausreise liege, sei jedenfalls nicht glaubhaft gewesen, dass dem Beschwerdeführer in Indien die reale Gefahr einer Verfolgung drohe. Die Unglaubwürdigkeit seiner Fluchtgründe zeige sich weiter auch darin, dass er sein Heimatland legal verlassen habe, obwohl er laut seinen Angaben von der Regierung bzw. von der Polizei Verfolgung befürchte. Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich die von ihm behauptete Verfolgung zu befürchten gehabt, hätte er sich sicher nicht der Gefahr ausgesetzt, sein Heimatland legal über den Flughafen zu verlassen. Ebenso habe der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Indien getätigt. Aus all dem ergebe sich sohin, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Diese Ansicht der Behörde sei letztlich auch von UNHCR geteilt worden, was sich aus dem im Akt befindlichen Schreiben vom 17.11.2017 ergebe. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr sei nicht gegeben. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass eine Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG an dem Umstand scheitere, dass sich der Beschwerdeführer nicht im Bundesgebiet aufhalte.

6. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und seine bereits im Rahmen des Verfahrens getätigten Angaben wiederholt. Weiters wurde ausgeführt, dass die dem Beschwerdeführer drohende Verfolgung von staatlichen Akteuren ausgehe und die belangte Behörde daher zu dem Schluss hätte gelangen müssen, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten, zumindest aber der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Schlussendlich wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab, gehört der Volksgruppe der Lubana und der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er reiste am 06.11.2017 mit einer Maschine der Fluggesellschaft Pegasus Airlines, Kurs PC 901 aus Instanbul/Türkei kommend am Flughafen Schwechat an und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer besuchte im Heimatland zehn Jahre die Schule und konnte seinen Lebensunterhalt als Landwirt bestreiten. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Ehegattin, seine beiden Kinder, seine Eltern sowie seine Schwester leben nach wie vor im Eigentumshaus seiner Familie im Heimatdorf. Die Familie des Beschwerdeführers wird vom Vater des Beschwerdeführers, der ebenfalls als Landwirt arbeitet, versorgt. Der Beschwerdeführer ist gesund und im erwerbsfähigen Alter.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage im Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS

2.7.2016) .

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen,

Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India,

http://www.ecoi.net/local link/319831/466697 de.html, Zugriff 5.1.2017

-

BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

-

MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of Stat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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