TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/4 W131 2174958-1

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Veröffentlicht am 04.12.2017
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Entscheidungsdatum

04.12.2017

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28

Spruch

W131 2174958-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde von XXXX, geb XXXX, StA Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2017, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.11.2017, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 28 VwGVG iVm § 3 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dem BVwG wurde im Oktober 2017 ua auch der Beschwerdeverfahrensakt der Beschwerdeführerin (= Bf) vorgelegt und geschäftsverteilungsmäßig der hier erkennenden Gerichtsabteilung zur Entscheidung zugewiesen.

2. Die Bf reiste gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihren drei minderjährigen Kindern nach Österreich und stellte am 20.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.10.2017 wurde der Antrag der Bf auf internationalen Schutz abgewiesen, wobei die belangte Behörde im erstinstanzlichen Verfahren - trotz der Berichte der bei ihr eingerichteten Staatendokumentation und des sich daraus ergebenden notorischen Wissens um die frauenspezifische Situation in Afghanistan - entgegen dem § 18 AsylG keine entsprechenden Ermittlungen angestellt hat, ob die Bf allenfalls eine jener Frauen sein könnte, die den Asylgrund iSv VwGH Zl Ra 2016/18/0388 für sich in Anspruch nehmen könnte.

4. Gegen diesen Bescheid wurde Bescheidbeschwerde erhoben. Darin wurde insbesondere auf die drohende Gefahr der Bf und ihrer Kinder bei einer Rückkehr nach Afghanistan hingewiesen, müssten sie nämlich dort Diskriminierungen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen bzw Personen mit westlichen Werten erleiden.

5. Vor dem BVwG wurde schließlich am 28.11.2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher die belangte Behörde nicht teilnahm und die in den hier interessierenden Teilen wie folgt verlief (Beschwerdeführerin = Bf 1, Richter = R; RV = rechtsfreundlicher Vertreterin):

"[...]

R an Bf1: Warum glauben Sie, dass Sie in Österreich Asyl erhalten können bzw. müssen?

Bf1: Ich möchte wegen meinen Kindern hier Asyl bekommen und hier bleiben.

R an Bf1: Von wo in Afghanistan kommen Sie?

Bf1: Wir kommen aus XXXX.

R: Haben Sie die Aussage Ihres Mannes gehört?

Bf1: Ja.

[...]

R: Wissen Sie, welchen Inhalt bzw welche Angaben in der für Sie verfassten Bescheidbeschwerde stehen?

Bf1: Nein.

R: Wurde mit Ihnen vor der Beschwerdeverfassung besprochen, warum Beschwerde erhoben werden soll?

Bf1: Ich weiß es nicht. Es wurde wegen dem Problem meines Mannes mit den Taliban die Beschwerde verfasst.

R: Haben Sie eine Vorstellung davon, welche Eigenschaften eine Frau hat, die die westliche Lebenseinstellung und Lebensweise einer Frau bevorzugt?

Bf1: Dass man etwas lernt, einen Beruf sich aussucht, dass man frei und gut lebt, meine Kinder Schule absolvieren, dass aus ihnen etwas wird. In Afghanistan kann man als Frau nicht frei leben, man kann das Haus nicht verlassen. Ich möchte hier etwas lernen, einen Beruf aussuchen, ich möchte auch hier arbeiten und ein gutes und freies Leben haben.

R: Wer entscheidet bei Ihnen Zuhause was jeweils getan wird bzw. wie der Tag verbracht wird?

Bf1: Das macht keinen Unterschied, ich und mein Ehemann entscheiden gemeinsam.

R: Wer entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten?

Bf1: Wir sind seit 8 Jahren verheiratet. Zwischen uns ist noch zu keinen Meinungsverschiedenheiten gekommen.

R: Lese ich den Akt richtig, dass Sie Ihrem Mann vor die Wahl gestellt haben, entweder Taliban und Scheidung oder keine Scheidung?

Bf1: Ja, das ist richtig. Ich habe ihm gesagt, dass er entweder die Taliban sich aussuchen soll oder seine Kinder und seine Frau.

R: Wissen Sie, was die freie Meinungsäußerung ist?

Bf1: Das verstehe ich nicht. Ich bin Analphabetin.

R: Finden Sie es gut oder schlecht, wenn Sie im Alltag sagen können, ich will irgendetwas gerade nicht machen und mache es daher nicht?

Bf1: Das ist gut.

R: Sind Sie Muslimin?

Bf1: Ja.

R: Was halten Sie davon, dass nach Pacic, Islamische Rechtslehre, 202, der Ehemann ein Recht darauf hat, dass seine Frau auf ihn hört?

Bf1: Wenn ein Mann etwas Gutes sagt, sollte man auf ihn hören, wenn nicht dann nicht.

R: Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Sohn Amir Ali, mit 18 Jahren sagt, er wird jetzt Buddhist?

Bf1: Was ist Buddhismus?

R: Buddhismus ist eine Religion, die in Ostasien sehr häufig vorkommt. Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Sohn Buddhist werden will?

Bf1: Ich werde ihm erklären, was unsere Religion ist und dass unsere Religion eine gute Religion ist. Wenn er auf mich hört ist gut, wenn nicht, das ist dann seine Entscheidung. Wenn er sein gesetzliches Alter erreicht hat.

R: Wie bewerten Sie es, wenn man nach bestimmten islamischen Rechtslehren mit dem Tode zu bestrafen ist, wenn man vom Glauben abfällt?

Bf1: Meiner Meinung nach ist das nicht gut. Jeder soll sich selbst über seine Religion entscheiden können.

R: Was halten Sie davon, wenn manche Leute in Afghanistan verlangen, dass Frauen Burka oder Nikab tragen?

Bf1: Meiner Meinung nach ist das nicht gut. Ich habe selbst Burka tragen müssen.

R: Wer wird einmal entscheiden, ob Ihre Töchter mit 10 Jahren ein Kopftuch tragen?

Bf1: Meine Tochter soll selbst entscheiden. Mein Mann sagt mir, dass ich kein Kopftuch tragen soll. Das ist aber meine Entscheidung, dass ich gerne ein Kopftuch tragen möchte.

R: Was würden Sie sagen, wenn einer Ihrer Söhne mit 20 Jahre, wenn er Asyl erhalten würde, mit Freunden in Österreich Bier trinken geht?

Bf1: Mit 20 Jahren ist er kein kleines Kind mehr. Ich werde ihn darauf hinweisen, dass es nicht gut ist, aber entscheiden tut er selbst.

R: Was halten Sie davon, wenn nach Pacic, Islamische Rechtslehre, 241, einem Dieb beim ersten Diebstahl die rechte Hand bis zum Handgelenk amputiert werden soll?

Bf1: Das ist nicht gut. Vielleicht hat er einen Fehler gemacht. Aber man sollte die Hand nicht amputieren.

R: Ein gravierenderes Beispiel: Was halten Sie davon, wenn einem 7 jährigen Mädchen, weil es auf einem Bazar im Iran ein paar Nüsse weggenommen hat, mit einem Auto über die Hand gefahren wird?

Bf1: Sie war ein kleines Kind und sie wusste es nicht. Das ist nicht gut, dass so etwas gemacht worden ist.

R: Wie bewerten Sie es, wenn jemand sagt, dass Gesellschaften mit derartigen Strafen reformiert gehören?

Bf1: Das ist gut.

R: Was würden Sie sagen, wenn Ihre Tochter Yasamin mit 18 Jahren einen österreichischen Christen heiraten will?

Bf1: Ich werde ihr sagen, dass sie ein Moslem ist und der Österreicher ein Christ ist. Von den Religionen passen die beiden nicht zusammen. Wenn sie auf mich hört, dann hat sie halt auf mich gehört, wenn nicht, sie hat ihr gesetzliches Alter erreicht und ich kann sie zu nichts zwingen.

R: Hat Ihnen jemand schon einmal die grundlegenden Unterschiede zwischen Islam und Christentum erklärt oder gibt es keine großen Unterschiede?

Bf1: Nein, niemand hat mir über solche Unterschiede etwas gesagt, ich weiß aber selbst, dass wir als Moslem beten sollen bzw. fasten sollen. Wir sollen auch beten. Wir essen z.B. ein geschlachtetes Fleisch bzw. die Tiere werden geschlachtet, wir essen Haram nicht. Das sind die Unterschiede.

R: Wie viele Imame gibt es bzw. hat es gegeben?

Bf1: Ich weiß es nicht. Wie viele Imame gibt es, es gibt jedenfalls viele.

R: Können Sie die grundlegenden Unterschiede zwischen Schiiten und Sunniten erklären?

Bf1: Wir beten mehrmals am Tag und die Schiiten weniger.

R: Wer sind für Sie die rechtmäßigen Nachfolger des Propheten Mohamed?

Bf1: Ich weiß nicht sehr viel über Islam, ich habe Koran nicht gelesen. Das sind Ali, Hassan und Hossain.

R: Haben Sie in Afghanistan oder im Iran einmal in Ihrer Religion Unterricht erhalten?

Bf1: Nein, ich habe bereits gesagt, mein Vater hat mich nicht in die Schule geschickt, ich habe nichts gelernt.

R: Falls Sie Asyl erhalten würden, was würden Sie in den nächsten paar Jahren in Österreich machen?

Bf1: Ich möchte zunächst die Sprache lernen. Dann möchte ich arbeiten.

R: Welchen Beruf möchten Sie wählen?

Bf1: Ich möchte gerne als Friseurin arbeiten und möchte mich auch ausbilden lassen.

R: Wenn Ihr Mann arbeitet und Sie arbeiten, wer würde Ihre gemeinsamen Kinder, wann, wie, betreuen?

Bf1: Die Kinder werde ich in den Kindergarten schicken.

R: Wie bewerten Sie es, wenn in Österreich die Vielehe verboten ist, während nach Pacic, Islamische Rechtslehre, ein Mann bis zu 4 Ehefrauen haben kann?

Bf1: Das ist nicht gut. Warum soll ein Mann eine 2. Frau heiraten, wenn er eine Frau und Kinder hat und ein gutes Zusammenleben führt.

R: Gibt es noch Vorbringen zur westlichen Einstellung der Bf?

RV: Es wird beantragt der Bf1 aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe afghanischer Frauen, in deren Lebensweise die Anerkennung und Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, Asyl zu gewähren. Die Bf nutzt in Österreich die ihr in Afghanistan verwehrten Freiheiten (Bewegungsfreiheit, sie geht alleine hinaus, trifft sich mit Frauen aus ihrer Umgebung, Bildung, Berufswunsch etc.) sowie kleidet sie sich entgegen den Vorschriften denen sie sich in Afghanistan unterordnen müsste. Daran zeigt sich, dass diese Einstellung ein Bestandteil der Identität der Bf1 geworden ist. Diesbezüglich wird verwiesen auf folgende Rechtsprechung VwGH vom 22.03.2017, Ra2016/18/0388. Bei der Würdigung der Angaben der Bf1 ist zu berücksichtigen, dass sie keinerlei Schulbildung hat und ihr das Ausdrücken ihrer Meinung besonders zu abstrakten Konzepten schwer fällt. In ihrer Meinung und Haltung sowie ihrem Verhalten, beispielsweise ihrem Mann gegenüber bringt sie jedoch klar zum Ausdruck, dass sie in ihrer Einstellung für Grundrechte und deren Wahrung eintritt. Dies zeigte sich auch daran, dass die Bf auch bei religiösen Fragen selbst wenn beispielsweise ihre Kinder entgegen ihrer eigenen Überzeugung Handlungen setzen sollten, sie die Freiheit ihrer Kinder auf eigene Entscheidungen und Religionsfreiheit voll respektiert. Zu der mit der Ladung übersendeten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan Frauen in urbanen Zentren sei angemerkt, dass die Bf nicht aus Mazar e Sharif Stadt stammt, sondern dem ländlichen Bereich und sie nicht aus einer Bildungsfamilie stammt. Dadurch käme sie nicht in den Genuss der wohl gemerkt lediglich von einer Quelle in der Anfragebeantwortung beschriebenen Lockerungen der Kleidungsvorschriften für manche Frauen in afghanischen Städten.

[...]"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Über den Verfahrensgang hinaus ist Folgendes festzustellen:

1.1. Zur Person der Bf

Die Bf ist unstrittig im Jahr 1993 geboren. Sie ordnet sich selbst formal der Religion des Islams sunnitischer Ausrichtung zu. Sie ist unstrittig afghanische Staatsangehörige.

Im Zeitpunkt ihrer Antragstellung war die Bf mit ihrem Ehemann, den sie bereits in Afghanistan traditionell ehelichte, unstrittig verheiratet.

Ein Asylausschlussgrund zu Lasten der Bf ist von den Verfahrensparteien weder substantiiert vorgebracht noch sonst wie bekannt geworden.

Anlässlich der am 28.11.2017 vor dem BVwG stattgefundenen mündlichen Verhandlung stellte sich im Rahmen der Befragung der Bf heraus, dass sie zumindest in einer laienmäßigen Parallelwertung glaubhaft jene Werthaltungen vertritt und internalisiert hat, die den Gleichheitsgrundsatz, die Religions- und die Meinungsfreiheit ausmachen. Sie sprach sich im Zuge der entsprechend VwGH Zl Ra 2016/18/0388 gebotenen Erörterung, ob die Bf eine entsprechend den Grundrechten geprägte Lebensweise aufweist, zB auch für die Gleichberechtigung von Mann und Frau aus (die Entscheidung was jeweils getan bzw wie der Tag verbracht wird, wird gemeinschaftlich entschieden) und lehnt die nach islamischen Recht zulässige Vielehe ab: "Das ist nicht gut. Warum soll ein Mann eine 2. Frau heiraten, wenn er eine Frau und Kinder hat und ein gutes Zusammenleben führt."

Auch wenn die Bf zunächst auf die abstrakte Frage, ob sie wisse was die freie Meinungsäußerung sei angab, dass sie Analphabetin sei und die Frage nicht verstehe, sprach sie sich allerdings - anhand eines konkreten Beispiels - positiv dafür aus, dass man im Alltag sagen kann was man will, woraus eindeutig hervorgeht, dass die Bf neben der Gleichberechtigung auch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit sehr positiv bewertete.

Auf die Frage, wie sie reagieren würde wenn ihr Sohn mit 18 Jahren sagen würde, dass er Buddhist werden wolle, antwortete sie - nachdem ihr erklärt wurde, was Buddhismus ist - spontan und glaubhaft, dass dies seine Entscheidung sei und sprach sich stark dagegen aus, dass man nach bestimmten islamischen Rechtslehren mit dem Tode zu bestrafen sei, wenn man vom Glauben abfällt (arg "Meiner Meinung nach ist das nicht gut. Jeder soll [...] selbst über seine Religion entscheiden können.") und proklamierte damit ua auch die Religionsfreiheit für sich bzw ihre Kinder als glaubhaft. Die Bf gab weiters an, dass sie in Afghanistan selbst Burka habe tragen müssen und sprach sich dagegen aus, dass manche Leute in Afghanistan verlangen, dass Frauen Burka und Nikab tragen. Danach befragt, wer einmal entscheiden wird, ob ihre Töchter mit 10 Jahren ein Kopftuch tragen müssen, antwortete die Bf spontan, dass ihre Töchter dies selbst entscheiden sollen. Ihr Mann würde ihr sagen, dass sie kein Kopftuch tragen soll, aber das sei ihre Entscheidung, sie trage ihr Kopftuch gerne. Mit ihren Aussagen hat sie damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre eigenen grundlegenden Grundrechte sehr schätzt.

1.2. Aus dem LIB ist nunmehr themenspezifisch zur Situation in Afghanistan festzustellen:

Zu Rechtsschutz und Justiz:

[...]

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9.2016).

Zu Folter und unmenschlicher Behandlung:

Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Art. 29) (AA 9.2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 9.2016; vgl. OHCHR 11.2.2016).

Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. In jüngerer Vergangenheit wurden im Zusammenhang mit Häftlingen, die im Zuge des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan festgenommen wurden, grobe Missstände aufgedeckt (AA 9.2016).

Im Jänner 2015, startete Präsident Ghani einen Nationalen Aktionsplan zur Eliminierung von Folter; das dafür zuständige Komitee wurde im Mai 2015 gegründet (HRW 27.1.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Im November 2015, war das Justizministerium dabei ein neues Anti-Folter-Gesetz zu erarbeiten. Von diesem wird erwartet, weitläufige Bestimmungen zur Wiedergutmachung für Folteropfer zu enthalten (OHCHR 11.2.2016). Human Rights Watch zufolge, gab es im Jahr 2016 diesbezüglich keine weiteren Entwicklungen (HRW 12.1.2017).

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer gewahrt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass sich afghanische Richter/innen bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: rund 35% der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49% im UNAMA-Bericht von Januar 2013) (AA 9.2016).

[...]

Zur Korruption:

Auf dem Korruptionsindex des Jahres 2015 belegte Afghanistan von 168 Ländern den 166. Platz (TI 12.2016; vgl. FH 27.1.2016). Dem Bericht von Asia Foundation zufolge, sind 90% der Afghan/innen im Alltag Korruption ausgesetzt; angegeben wurde hauptsächlich Bestechungsgelder an Polizei und Regierungsbeamte zu bezahlen (FH 27.1.2016).

Zur Erkennung, Verfolgung und Verhinderung von Korruption existiert kein gesetzlicher Rahmen (TI 10.2016). Trotz umfangreicher Reformvorhaben und aufwendiger Konsultationsmechanismen - oft unter direkter Federführung des Staatspräsidenten oder von ihm beauftragter Gremien - bleiben Qualität und Transparenz der Regierungsführung und der demokratischen Prozesse weiterhin mangelhaft. Die RNE (Einheitsregierung) startete im Mai 2016 eine neue Initiative zur Bekämpfung der Korruption, deren integraler Bestandteil das Anti Corruption Justice Center (ACJC) sein soll. Das ACJC soll Fällen erheblicher Korruption insbesondere auch unter hochrangigen Funktionären der afghanischen Regierung nachgehen, harrt aber noch seines offiziellen Startes (AA 9.2016; vgl. auch TI 10.2016). Die Regierung verfolgte weiterhin Anti-Korruptionsziele - dies beinhaltet die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von großen Korruptionsfällen und die Stärkung des rechtlichen und behördlichen Rahmens (UN GASC 13.12.2016).

Das Gesetz verordnet strafrechtliche Sanktionen für öffentliche Korruption. Die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um; einerseits wurde von öffentlich Bediensteten berichtet, die regelmäßig und ungestraft in korrupte Praktiken involviert waren. Andererseits gab es Korruptionsfälle, die erfolgreich vor Gericht gebracht wurden. Berichte deuten an, dass Korruption innerhalb der Gesellschaft endemisch ist - Geldflüsse von Militär, internationalen Gebern und des Drogenhandels verstärken das Problem (USDOS 13.4.2016).

Die Einheitsregierung hat im Bereich der Korruptionsprävention einige Fortschritte gemacht: Der afghanische Präsident bekräftigte seine Transparenzverpflichtungen, veranlasste eine externe Kontrolle von Beschaffungsprozessen, sowie eine Umstrukturierung des Justizsektors. All dies sind wichtige Schritte des Präsidenten, welche die Bereitschaft signalisieren, Korruption in den Griff zu bekommen (IWA 11.2016).

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, Mohammad Farid Hamidi, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016).

Manch hochrangiger Akteure wurde dennoch strafrechtlich verfolgt - mit wenig abschreckender Wirkung. Der ehemalige Chef der Kabul Bank - Khalil Ferozi - wurde im Jahr 2014 aufgrund schweren Betrugs zu 15 Jahren Haft verurteilt. Berichten zufolge, durfte er das Gefängnis bei Tag verlassen, um seinen geschäftlichen Tätigkeiten nachzugehen. Im November 2015 unterzeichnete er ein Übereinkommen, an einem 900 Millionen US Dollar schweren Projekt mitzuarbeiten. Das Übereinkommen wurde aufgrund des öffentlichen Aufschreis storniert (FH 27.1.2016).

[...]

Zur allgemeinen Menschenrechtslage:

Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9.2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9.2016).

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet - (AI 24.2.2016).

[...]

Zur frauenspezifischen Lage:

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).

[...]

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

[...]

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vgl. auch: AF 7.12.2016).

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

[...]

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9.2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016)

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9.2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).

Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9.2016).

Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9.2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9.2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9.2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW-Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).

[...]

Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).

Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).

Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9.2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt - in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9.2016).

Ehrenmorde

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BfA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).

Legales Heiratsalter:

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich (USDOS 13.4.2016). Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70% (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9.2016).

In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst (USDOS 13.4.2016). Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (AA 9.2016).

Frauenhäuser

USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab (USDOS 13.4.2016).

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden (AA 9.2016).

Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 13.4.2016).

Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).

[...]

1.3. Zusammenfassend fallspezifisch ist daher hier ausdrücklich festzustellen:

Bei der Bf handelt es sich um eine junge afghanische Staatsangehörige, die entsprechend ihren Angaben in der Verhandlung vor dem BVwG den Lebensstil und die Möglichkeiten einer westlichen Frau wie zB in Österreich präferiert bzw diesen dz auch lebt und die - als juristische Laiin - jedenfalls in einer Parallelwertung in der LaiInnensphäre unzweifelhaft jene Werthaltungen bereits als die eigenen angenommen hat, die in den Grundrechten (insb:

Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 20 GRC, Religions- und Meinungsfreiheit) zum Ausdruck kommen.

Die Bf wäre mit dieser Einstellung und einer danach ausgerichteten Lebensweise entsprechend dem LIB in Afghanistan hinreichend wahrscheinlich naheliegend multiplen sozialen und religiösen Konflikten und Diskriminierungen in der mehrheitlich konservativ islamisch geprägten Bevölkerung und letztlich naheliegend damit als Verfolgungshandlungen gegen ihre Person zu bewertenden gesellschaftlichen Reaktionen ausgesetzt, ohne dass der afghanische Staat beim derzeitigen Entwicklungsstand rücksichtlich rechtsschutzmäßig markanter Defizite samt einem gemäß LIB sehr korrupten Staatsgefüge die Bf dz ausreichend vor diesen Handlungen zu Lasten der Bf schützen könnte bzw würde. Dies insb auch wegen der teils ineffizienten Justiz.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan müsste die Bf, um einer asylrelevanten Verfolgung im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan entgehen zu können, ihre vor dem BVwG glaubhaft zum Ausdruck gebrachte Gutheißung der grundlegenden menschlichen Grundrechte insb von Frauen sowie der Gleichberechtigung von Mann und Frau trotz der ihr insoweit zuzubilligenden Überzeugung unterdrücken.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt und insb dem aktuellen LIB bzw aus den aktuellen Angaben der Bf in der Verhandlung vor dem BVwG, die nicht substantiiert bestritten wurden und dem Gericht zudem auf Grund des authentischen und insb spontanen Aussageverhalten der Bf glaubwürdig erschienen. Die Bf hat nämlich nach jeweils gestellter Frage nicht lange überlegt, was sie antworten soll, sondern nach übersetzter Frage jeweils unumwunden und idR unter Aufrechterhaltung des Blickkontakts zum Richter bzw zur Dolmetscherin zügig geantwortet, so dass gerade nicht davon auszugehen war, dass sie sich ihre Antworten irgendwie "aus dem Raum gegriffen zusammenreimen" müsste. Das Aussageverhalten stellte sich für das Gericht daher derart dar, dass die Bf das sagte, was sie weiß bzw eben meint.

2.2. Dass die Bf zB die Situation der Frauen in islamisch dominierten Staaten wie insb der islamischen Republik Afghanistan zutreffend einschätzt, wird zB durch das LIB, wie oben wiedergegeben bestätigt. Dies insb auch unter Berücksichtigung, dass radikalislamische Gruppierungen wie zB die Taliban bzw der IS lt LIB die Sicherheit in Afghanistan permanent gefährden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Allgemeines und Zuständigkeit

Gemäß § 6 VwGVG hat das BVwG gegenständlich in Einzelrichterbesetzung zu entscheiden, wobei mangels gesetzlicher Sonderverfahrensvorschriften subsidiär das VwGVG und danach das AVG anzuwenden waren bzw sind.

Da sich der Sachverhalt, der der Entscheidung des BfA zu Grunde gelegt wurde, entgegen § 18 AsylG - im Punkte des notorischen Asylgrunds der "Frauen, die Gestaltung eines Lebens entsprechend einer westlich orientierten Frau bevorzugen", amtswegig nicht entsprechend ermittelt wurde, war das grundsätzlich im Asylverfahren geltende Neuerungsverbot gemäß § 20 BfA-VG nicht anzuwenden.

3.2. Die hier interessierenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (= AsylG) lauten:

Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt

1. die Zuerkennung und die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich;

[...]

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. die Genfer Flüchtlingskonvention: die Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, in der durch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, geänderten Fassung;

2. die EMRK: die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958;

[...]

9. die Statusrichtlinie: die Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9;

[...]

11. Verfolgung: jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie;

12. ein Verfolgungsgrund: ein in Art. 10 Statusrichtlinie genannter Grund;

13. ein Antrag auf internationalen Schutz: das - auf welche Weise auch immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten;

14. ein Asylwerber: ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens;

15. der Status des Asylberechtigten: das zunächst befristete und schließlich dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt;

16. der Status des subsidiär Schutzberechtigen: das vorübergehende, verlängerbare Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt;

17. ein Herkunftsstaat: der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes;

18. ein Mitgliedstaat: jeder Staat, der Vertragspartei des EU-Vertrages (Z 6) ist;

19. ein EWR-Staat: jeder Staat, der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist;

20. ein Drittstaat: jeder Staat, außer ein Mitgliedstaat des EWR-Abkommens oder die Schweiz;

20a. Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt;

20b. Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist;

20c. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;

21. EWR-Bürger: jedermann, der Staatsangehöriger eines EWR-Staates (Z 19) ist;

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat;

dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat;

[...]

2. Hauptstück

Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten

1. Abschnitt

Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BfA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr [...].

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

[...]

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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