Entscheidungsdatum
07.12.2017Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W136 2172200-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. 28.02.1984, StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2017, Zl. 1091004309-151540812, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 12.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Nachweis seiner Identität legte er insbesondere seinen syrischen Reisepass und seinen Personalausweis (ID-Card) vor.
Am 14.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er als Angestellter der dortigen Landesregierung mit der Polizei bzw. dem Militär bei Demonstrationen anwesend gewesen sei. Er habe aber keiner Person (schaden) oder gegen sein Volk schießen oder schlagen wollen. Als Beamter sei er auch ein Feindbild der Opposition gewesen. Weiters werde überall bombardiert und es gebe keine Sicherheit in Syrien. Er würde sich auch sehr große Sorgen um seine Familie machen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat sei wegen dem Krieg sein Leben gefährdet, wobei die Gefahr vom Staat und von der Opposition ausgehen würde. Er werde vermutlich erschossen.
Am 05.04.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er im Wesentlichen aus, dass er seinen Militärdienst in Syrien bereits abgeleistet (XXXX), sich aber an keinen militärischen Aktionen beteiligt habe. Zu seinen Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen vor, dass er ein Beamter der Landesregierung gewesen sei und das Militär sowie die Sicherheitsbehörden gewollt hätten, dass er für sie tätig wird. Er habe sich an den Kämpfen aber nicht beteiligen wollen. Er würde aus XXXX kommen, von wo sehr viele Rebellen kommen würden. Aus diesem Grund sei er bei Straßenkontrollen einige Male aufgehalten und misshandelt worden. Bei einer Rückkehr nach Syrien würde er Angst vor dem Krieg und dem Töten haben. Es würde in seiner Heimat keine Sicherheit geben und sein Leben wäre in Gefahr. Er könnte ins Gefängnis kommen und ihm würde die Todesstrafe drohen.
Am 19.10.2016 legte der Beschwerdeführer der Behörde seinen syrischen Reisepass, seinen Personalausweis sowie sein Wehrdienstbuch jeweils im Original und diverse Kopien vor.
Am 08.02.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache neuerlich niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er zusammenfassend vor, dass er seinen Militärdienst bereits von XXXX abgeleistet habe. Er sei Araber und würde der sunnitischen Glaubensgemeinschaft angehören. Er sei als Schneider tätig gewesen und habe nebenbei auch für die Regierung gearbeitet. Er sei in der Stadtverwaltung als Arbeiter angestellt gewesen und habe u.a. Ausbesserungsarbeiten gemacht. Er habe insgesamt fünf Brüder und vier Schwestern, wobei zwei Brüder in Wien und eine Schwester in Schweden als anerkannte Flüchtlinge leben würden. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass die syrische Regierung ihn zu einem Geheimdienstbüro verlegen habe wollen, da er bei der Stadtverwaltung gearbeitet habe. Er hätte bei Demonstrationen für die Regierung tätig werden sollen, habe sich aber geweigert, daran teilzunehmen und aus dem Auto auszusteigen, als sie ihn dorthin gebracht hätten. Er sei daraufhin geschlagen und misshandelt worden. Weiters würde es Entführungen sowie Bombenanschläge und somit keine öffentliche Sicherheit mehr geben. Ein weiterer Grund für seine Ausreise sei die prekäre familiäre Situation gewesen. Sie seien in Ägypten gewesen und in die Türkei gegangen, wo es ihnen finanziell sehr schlecht gegangen sei und er die Familie nicht mehr versorgen habe können. Sie hätten keine Unterstützung mehr bekommen und es sei ihm nicht möglich gewesen, seine Familie mitzunehmen. Auf Nachfrage wiederholte er, dass sein Leben bedroht gewesen sei, es keine Sicherheit gegeben habe und er für seine Familie nicht (mehr) sorgen habe können. Das seien seine Hauptgründe. Außerdem sei er ein Deserteur, da sie ihn als Verwaltungsbediensteten zum Geheimdienst verlegt hätten und er aber geflohen sei. Wegen seiner Tätigkeit und seiner Verlegung hätten ihn auch die FSA (Freie Syrische Armee) und die syrische Regierung gesucht, weil er seine Arbeit nicht gemacht habe und geflüchtet sei. Neben diesen Hauptgründen habe es auch Mordversuche ihm gegenüber gegeben. Auf Vorhalt, ob es sich bei den Mordversuchen nicht um einen Hauptgrund handeln würde, berichtete er, dass er selbst verprügelt und mit dem Tod bedroht worden sei, als er sich geweigert habe, auf Verlangen von Mitarbeitern des Geheimdienstes aus dem Bus zu steigen. Wie er dann (doch) ausgestiegen sei, sei von der Opposition auf ihn geschossen worden. Dabei seien Kollegen, die diese Arbeit ebenso gemacht hätten, auch gestorben. Anschließend schilderte er, wie er als Mitarbeiter der Stadtverwaltung zum Geheimdienst gekommen sei, welche Aufgabe dieser allgemein bzw. bei Demonstrationen gehabt habe und berichtete von einem konkreten Einsatz, von Vorfällen, wo er selbst geschlagen worden sei sowie über Folterungen an Oppositionellen. Er sei auf drei Demonstrationen und insgesamt ein Monat dort zwangsweise tätig gewesen. Danach habe er Urlaub bekommen, um seine Eltern zu besuchen, wodurch er offiziell aus Syrien ausreisen habe können. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst, getötet zu werden bzw. dass seine Frau sowie seine Kinder vor seinen Augen umgebracht werden und um seine Eltern. Außerdem fürchte er, von einer Bombe getroffen zu werden. Schließlich sei sein Haus zerstört worden, sodass er obdachlos wäre.
Am 21.08.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache nochmals niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er – nach der Beantwortung von Fragen zu seiner Ortskundigkeit und seiner Familie – zu seinem Fluchtgrund zusammenfassend aus, dass in Syrien Krieg herrschen und es nichts geben würde, was nicht erlaubt sei. Es sei alles möglich, man könnte auf der Straße von einem Scharfschützen erschossen werden. Die Checkpoints seien vom Regime oder der FSA. Er sei damals 29 Jahre alt gewesen und habe Angst gehabt, dass sie ihn einziehen. Jeden Tag würde man hören, dass jemand getötet wird. Die FSA würde das Regime angreifen und umgekehrt und sie seien die Leidtragenden. Zu konkreten Vorfällen führte er aus, dass er rund eineinhalb Monate vor seiner Ausreise geschlagen und mit einer Pistole bedroht worden sei. Diesen Vorfall schilderte er näher. Befragt, warum er diesen Vorfall bisher nicht vorgebracht habe, antwortete er, er habe darauf vergessen. Außerdem seien seine Fluchtgründe dieselben wie bisher, nämlich der Krieg und die Lebensumstände. Zum Militärdienst sei er im XXXX eingezogen und im XXXX wieder entlassen worden. Bei einer allfälligen Rückkehr nach Syrien würde er fürchten, zu sterben.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2017, durch Hinterlegung am 31.08.2017 zugestellt, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 21.08.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Aufforderung nicht in der Lage gewesen sei, ein stichhaltiges, detailliertes und somit nachvollziehbares Vorbringen rund um seinen Fluchtgrund darzulegen. Er habe der Behörde durch seine bloß vagen und abstrakten Angaben keine Verfolgung in Syrien glaubhaft machen können. Es sei ihm nicht möglich gewesen, detailreiche und konkrete Antworten anzuführen. Seine Angaben vor der Behörde seien allgemein gehalten sowie ohne jedwede Substanz gewesen und er sei von sich aus nicht in die Tiefe gegangen, um sein Vorbringen zu untermauern. Für das Bundesamt sei aufgrund des enormen Widerspruches zwischen den in der Erstbefragung und in seinen Einvernahmen angegebenen Fluchtgründen eine Glaubhaftigkeit seines Vorbringens nicht gegeben. Allein die Steigerung seines Fluchtvorbringens sei geeignet, seine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln. Es sei logisch nämlich nicht nachvollziehbar, dass er, wenn er tatsächlich Angst vor einer Abschiebung gehabt hätte, gerade so einen gravierenden Fluchtgrund wie einen Mordversuch oder eine Misshandlung nicht bei der Erstbefragung als Hauptfluchtgrund vorgebracht hätte. Es werde ihm jedoch aufgrund des momentanen innerstaatlichen Konfliktes in seiner Heimat subsidiärer Schutz gewährt.
Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 28.08.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 28.09.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Syrien verlassen habe, weil er von Rebellen und von Angehörigen der syrischen Armee bedroht worden sei. Er habe den Militärdienst abgeleistet und es würde ihm daher die reale Gefahr drohen, als Reservist vom syrischen Staat zwangsrekrutiert zu werden. Außerdem müsste er damit rechnen, wegen seines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich, ins Visier der syrischen Behörden zu geraten, da ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine regimekritische Haltung unterstellt werden könnte. Davon abgesehen sei die belangte Behörde der in §°18 Abs. 1 AsylG 2005 normierten Ermittlungspflicht nicht entsprechend nachgekommen und habe dadurch das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet. Insbesondere habe sie nicht darauf hingewirkt, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben vervollständigt und alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Die Behörde habe es insbesondere zur Gänze unterlassen, Fragen zum Militärdienst bzw. zu der im konkreten Fall naheliegenden Zwangsrekrutierung zu erörtern. Vor allem, wo der Beschwerdeführer seine Befürchtung bezüglich einer Zwangsrekrutierung im Rahmen der Einvernahme am 21.08.2017 noch geäußert habe. Weiters würden die im Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen das palästinensische Gebiet und nicht Syrien betreffen, sodass sie zur Abweisung des gegenständlichen Antrages nicht herangezogen werden könnten. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Rechtsprechung des VfGH verwiesen, nach welcher die Länderfeststellungen nicht nur allgemein gehalten sein dürften, sondern sich mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers befassen müssten. Laut VfGH habe sich die Behörde mit den Gründen auseinanderzusetzen, die für und gegen die von ihr getroffene Entscheidung zu sprechen scheinen, sowie Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag zu geben. Der Verwaltungsgerichtshof würde eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, seiner persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens verlangen, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten verlangen würde. Eine solche Würdigung würde der gegenständliche Bescheid nicht erkennen lassen. Das Bundesamt habe insbesondere den Umstand, dass dem Beschwerdeführer sowohl eine Zwangsrekrutierung als auch Verfolgung und Bedrohung durch das syrische Regime wegen der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz drohen, nicht entsprechend berücksichtigt. Er würde sich ausdrücklich weigern, als Reservist eingezogen zu werden und an der Seite regimetreuer Militärs zu kämpfen bzw. schwerste Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Im Zusammenhang mit der drohenden Zwangsrekrutierung wäre u. a. auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Beschwerdeführer im Jahr XXXX geboren sei. Wie sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.08.2017 ("Syrien, Reservisten mit Geburtsjahr 1984") eindeutig entnehmen ließe, sei es im Oktober 2014 zu einer Generalmobilisierung von Reservisten gekommen, welche im Jahr XXXX oder danach geboren seien. Zu diesem Zweck seien an Checkpoints in ganz Syrien Listen mit Namen von Reservisten aufgelegen, welche mobilisiert werden sollten. Diesen Mobilmachungen seien verstärkte Versuche des Regimes vorausgegangen, tausende ehemalige Wehrdienstleistende zum Reservedienst zu verpflichten. Da sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Generalmobilmachung außerhalb von Syrien befunden habe, würde im vorliegenden Fall faktisch eine Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung vorliegen. Diese würde wiederum seitens der syrischen Regierung als Erklärung einer politischen Opposition bzw. des Unwillens gewertet werden, die Heimat vor einer "terroristischen" Bedrohung zu beschützen. Es sei daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Wiedereinreise nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, von den syrischen Behörden als politischer Gegner angesehen zu werden. Zudem würden die Ausreise aus Syrien und die Asylantragstellung als oppositionelle Gesinnung bewertet werden, da dies ebenfalls als Ablehnung der syrischen Regierung gelten würde. Diese Gefahr würde aufgrund der Befragungen an der syrischen Grenze bzw. aufgrund des gut funktionierenden Informantensystems und der Existenz der sogenannten Suchlisten in Syrien bestehen. Schließlich werden einschlägige Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes auszugsweise angeführt und der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung näher begründet.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 02.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 12.10.2015, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der Volksgruppe der Araber. Er bekennt sich zum sunnitischen Islam.
Der Beschwerdeführer hat seine Heimat im Jahr XXXX von Damaskus aus legal mit dem Flugzeug in Richtung Beirut (Libanon) verlassen und ist nach Kahera (Ägypten) weitergeflogen, wo er sich sechs Monate aufgehalten hat. Anschließend ist er mit dem Flugzeug nach Istanbul (Türkei) geflogen und nach einem eineinhalbjährigen Aufenthalt mit einem Reisebus nach Marqash gefahren und von dort mit dem Schlauchboot auf die griechische Insel Mytilini gelangt. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung und einem Landesverweis ist er mit dem Schiff nach Athen gefahren und danach mit Zügen und Reisebussen über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn schließlich illegal nach Österreich eingereist, wo er am 12.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Festgestellt wird zunächst, dass es den Länderberichten zufolge an der syrischen Grenze zu einer Befragung von erfolglosen Asylwerbern kommt, wobei die Rückkehrer im Rahmen dieser "Sicherheitsprüfung" über Gründe ihrer (illegalen) Ausreise, über den Aufenthaltszweck und u.U. auch nach politischen Aktivitäten im Ausland gefragt werden. Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, sind dem Risiko einer längeren Haft und Folter ausgesetzt. Aufgrund der besonderen Situation in Syrien ist die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, relativ niedrig.
Es ist daher schon aufgrund seiner Ausreise und seines langen Auslandsaufenthalts während eines staatlichen Ausnahmezustandes zusammen mit seiner Asylantragstellung im Ausland davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr in seine Heimat das Interesse der syrischen Behörden auf sich ziehen und damit in deren Blickfeld geraten würde, wodurch ihm bereits aus diesem Grund von den syrischen Staatsorganen eine regimekritische Haltung unterstellt werden und eine entsprechende Verfolgung drohen könnte.
Dieses Risiko wird durch den Umstand, dass sich u.a. zwei seiner Brüder im Bundesgebiet befinden, entsprechend erhöht. Seinen beiden Brüdern XXXX (geboren am XXXX) und XXXX (geboren am XXXX), wurde mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen einer asylrelevanten Verfolgung in ihrer Heimat zwischenzeitig der Status von Asylberechtigten zuerkannt.
Berichten zufolge gehen die syrischen Sicherheitskräfte bei einer erfolglosen Fahndung nach (möglichen) Regierungsgegnern nämlich dazu über, die Familienangehörigen der betreffenden Person festzunehmen oder zu misshandeln. Die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person werden häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen zugeschrieben. Festgestellt wird, dass auch Familienangehörige von (mutmaßlichen) Regimegegnern mit Verhaftungen bzw. Konsequenzen zu rechnen haben.
Es ist daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass seine Familie bereits dadurch in das Blickfeld der syrischen Behörden geraten ist und als regimefeindlich angesehen wird.
Festgestellt wird weiters, dass der bewaffnete Konflikt zunehmend konfessionell wird und sunnitische Zivilisten aktuell das Hauptziel der Regimetruppen und von Pro-Regime-Milizen sind. Der Beschwerdeführer gehört der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Eine Verfolgung aus religiösen Gründen ist daher ebenfalls nicht völlig auszuschließen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bürgerkriegssituation in Syrien ist auch nicht damit zu rechnen, dass der syrische Staat – sollte von ihm selbst keine Verfolgungshandlung ausgehen – seine Bürger vor Bedrohungen und Übergriffen seitens bewaffneter Milizen oder sonstiger Gruppierungen ausreichend schützen kann. Der Beschwerdeführer wäre allfälligen Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen von den anderen Kriegsparteien somit schutzlos ausgeliefert.
Schließlich hat der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst in Syrien zwar bereits abgeleistet, befindet sich jedoch nach wie vor im wehrfähigen Alter. Festgestellt wird, dass in Syrien auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen werden.
Aufgrund des aktuellen Ausnahmezustandes in Syrien, wo es wegen Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben und zur erwähnten Einziehung von Reservisten kommt, ist mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass auch Staatsbürger, die ihren Wehrdienst schon vor vielen Jahren abgeleistet haben, erneut eingezogen werden.
Dem Beschwerdeführer droht in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr daher die reale Gefahr, als Reservist zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er ist im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat Syrien unter anderem verlassen, damit er sich seiner Wehrdienstverpflichtung als Reservist entziehen kann (Einvernahme vom 21.08.2017: "Ich war damals 29 und hatte Angst dass man mich zum Militär einziehen könnte. Immer wenn ich durch gegangen bin bei einem Checkpoint, hatte ich Angst, dass sie mich einziehen.").
Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Einreisende Personen werden im Falle einer Abschiebung oder einer Rückkehr ohne Reisedokument einer intensiven Überprüfung unterzogen. Bei Männern im wehrfähigen Alter wird überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Weiters besteht für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein (UK Home 8.2016).
Dahingestellt bleiben kann, ob der Beschwerdeführer tatsächlich gefährdet war, von Angehörigen des syrischen Geheimdienstes verfolgt zu werden.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
"Folter und unmenschliche Behandlung
Die weit verbreitete Anwendung von Folter in Syrien zeigt die Straflosigkeit, mit der die Konfliktparteien agieren. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016).
Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weitverbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Viele der Opfer von Folter sind Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Das Regime foltert jedoch auch Frauen und Kinder, welche sich in Gewahrsam befinden (UNHRC 11.8.2016). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder als die Regierung nicht ausreichend unterstützend wahrgenommen werden. Opfer von Folter werden auch Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen (UNHRC 11.8.2016).
Die syrischen Sicherheitskräfte führen willkürliche Festnahmen durch und lassen häufig Festgenommene in dem weitreichenden Netzwerk an Haftanstalten in Syrien verschwinden. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 13.4.2016).
Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (also solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen und konfessionell motivierte Tötungen von Zivilisten (FH 27.1.2016). Manche Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 13.4.2016). Des Weiteren begehen sie Massaker, Morde, Folter, Geiselnahmen, Verschwindenlassen, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt und setzen Kinder in Kampfhandlungen ein (UKFCO 8.2016).
Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
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AI - Amnesty International (17.8.2016): "It breaks the human":
Torture, disease and death in Syria’s prisons [MDE 24/4508/2016], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471499119_mde2445082016english.PDF, Zugriff 2.12.2016
-
AI - Amnesty International (18.8.2016): Schwere Folter in syrischen Gefängnissen,
http://www.amnesty.de/2016/8/18/schwere-folter-syrischen-gefaengnissen, Zugriff 22.11.2016
-
FH-Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/454885_en.html, Zugriff 22.11.2016
-
HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/318418/443598_en.html, Zugriff 18.11.2016
-
UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (21.7.2016): Human Rights and Democracy Report 2015- Human Rights Priority Country update report: January to June 2016, http://www.ecoi.net/local_link/329304/470272_de.html, Zugriff 22.11.2016
-
UNHRC - United Nations Human Rights Council (11.8.2016): Report of the Independent International Commission of inquiry on the Syrian Arab Republic,
https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1474461066_g1617860.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015-Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016
Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen
Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen (FIS 23.8.2016).
Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht (FIS 23.8.2016).
In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).
Oppositionsgruppen haben ihre eigenen Vorgangsweisen bei der Rekrutierung, und die Situation kann von der jeweils verantwortlichen Person abhängen (FIS 23.8.2016).
Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen. Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre (USDOS 30.6.2016).
Der IS setzt aktiv Kinder - manche lediglich 8 Jahre alt - in Kampfhandlungen ein, teils auch bei der Enthauptung von Soldaten des syrischen Regimes. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 30.6.2016).
Auch die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) rekrutieren Burschen und Mädchen, indoktrinieren sie und bringen sie in Trainings-Camps (USDOS 30.6.2016).
Quellen:
-
CIA - Central Intelligence Agency (19.10.2016): The World
Factbook: Syria,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 27.10.2016
-
FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,
https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016
-
USDOS - US Department of State (30.6.2016): Trafficking in Persons Report 2016 - Country Narratives – Syria, https://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 2.12.2016
Die syrischen Streitkräfte – Wehr- und Reservedienst
Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht (FIS 23.8.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2016). Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016). Berichten zufolge besteht aber auch für – teils relativ junge – Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 10.8.2016).
Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).
Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016).
Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt (FIS 23.8.2016).
Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2016).
Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015, UNHCR 30.11.2016). Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen (UNHCR 30.11.2016).
Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).
Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016).
Quellen:
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DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016
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FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,
https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016
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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:
Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015) [SYR105361.E],
https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 27.1.2016
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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2016): Ergänzende aktuelle Länderinformationenen; Syrien: Militärdienst, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481012908_coi-military-recruitment-syria.pdf, Zugriff 5.12.2016
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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report in International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/328447/469225_de.html, Zugriff 27.10.2016
Wehrdienstverweigerung/Desertion
Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden (FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016). Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht (FIS 23.8.2016). Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).
Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte‘, vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).
Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016).
Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.02.2015).
Quellen:
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AI - Amnesty International (6.2012): Amnesty Journal Juni 2012 - Operation Freiheit,
http://www.amnesty.de/journal/2012/juni/operation-freiheit, Zugriff 5.1.2016
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DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016
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FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,
https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016
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Reuters (20.7.2016): Seeing no future, deserters and draft-dodgers flee Syria,
http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-army-idUSKCN1001PY, Zugriff 27.10.2016
Rückkehr
Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 22.11.2016).
Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert (UK HOME 8.2016).
Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen (IRB 19.1.2016).
Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird (UK Home Office 8.2016).
Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (22.11.2016): Syrien: Reisewarnung, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SyrienSicherheit_node.html, Zugriff 22.11.2016
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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:
Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015),
https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 30.9.2016
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UK HOME - UK Home Office (8.2016): Country Information and Guidance Syria: the Syrian Civil War, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1472706544_cig-syria-security-and-humanitarian.pdf, Zugriff 22.11.2016
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USDOS - US Department of State (13.04.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016
Risikoprofile (Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung aus November 2015)
Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofile wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind. Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.
Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.
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Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.
Risikogruppen
In seinen Richtlinien "zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen" vom Oktober 2014 geht UNHCR u.a. von folgenden "Risikoprofilen" aus:
• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen – darunter fallen auch Wehrdienstverweigerer
• Angehörige ethnischer Minderheiten (u.a. Kurden)
• Mitglieder religiöser Gruppen (u.a. Sunniten)"
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl ve