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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Quasianlaßfälle; Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Geschäftsverteilung 1997 UVS Wien mit E v 10.10.97, V17/97 ua.Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden des Beschwerdevertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, wurde über die Beschwerdeführerin wegen illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß §15 Abs1 iVm §82 Abs1 Z4 FrG eine Geldstrafe von S 3.000,-- verhängt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Wien gab dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis mit Bescheid vom 2. April 1997 keine Folge.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte - am 22. Juli 1997 rechtzeitig zur Post gegebene und am 23. Juli 1997 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte - Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten - soweit sie nicht dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt worden waren - vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
4. Mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1997, V17/97 ua., hob der Verfassungsgerichtshof die vom Präsidenten des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien erlassene Geschäftsverteilung für das Jahr 1997, UVS - GV/5/96, als gesetzwidrig auf, da sie von einem unzuständigen Organ erlassen worden war.
II. 1. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren zu V17/97 ua. begann am 2. Oktober 1997. Die Beschwerde ist beim VfGH am 23. Juli 1997 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu V17/97 ua. schon anhängig.
Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig befundene Vorschrift an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Anwendung der Verordnung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.
Es ist daher auszusprechen, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt wurde, sowie daß der Bescheid aufgehoben wird (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, 10954/1986, VfGH 14.6.1994, B376/94, VfGH 27.11.1995, B314/95).
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B1275.1997Dokumentnummer
JFT_10019777_97B01275_00