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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §25;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg gegen den Bescheid des Berufungssenates bei der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 9. November 1993, Zl. 361-4/1993, betreffend fahrlässige Abgabenverkürzung und Abgabenhinterziehung (mitbeteiligte Partei: L, vertreten durch Dr. O und Dr. B, Rechtsanwälte in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Aufhebung des Strafausspruches erster Instanz und seines Ausspruches über die Erteilung einer Verwarnung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Erkenntnis des Spruchsenates des Finanzamtes Feldkirch als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 8. März 1993 wurde die mitbeteiligte Partei wie folgt schuldig erkannt:
"Er hat
a) am 28. Februar 1992 in L (Tankstelle G) fahrlässig 48,69 Liter steuerbegünstigtes Gasöl in den Kraftstoffbehälter des Pkw B Diesel mit dem behördlichen Kennzeichen C eingefüllt und dieses somit gemäß § 2 Abs. 2 Gasöl-StEG, BGBl. Nr. 259/1966 (in der Folge kurz: Gasöl-StEG) verbotswidrig verwendet;
b) am 28. Februar 1992 und an den nächstfolgenden Tagen vorsätzlich steuerbegünstigtes Gasöl zu einem anderen Zweck als zum Verheizen, nämlich zum Betreiben des näher bestimmten Pkw, somit verbotswidrig verwendet (§ 2 Abs. 1 Gasöl-StBG)
und dadurch teils fahrlässig, teils vorsätzlich eine Verkürzung an Bundesmineralölsteuer in der Höhe von S 111,-- bewirkt.
Er hat hiedurch
zu a) das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Gasöl-StEG,
zu b) das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Gasöl-StEG
begangen."
Der Spruchsenat des Finanzamtes Feldkirch hat über die mitbeteiligte Partei hiefür nach § 6 Abs. 3 Gasöl-StBG in Verbindung mit § 33 Abs. 5 FinStrG unter Anwendung des § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG eine Geldstrafe von S 20.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche verhängt.
Die mitbeteiligte Partei erhob Berufung.
Mit Bescheid vom 9. November 1993 gab der Berufungssenat bei der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg der Berufung der mitbeteiligten Partei teilweise Folge, hob den Strafausspruch des angefochtenen Erkenntnisses auf und erteilte der mitbeteiligten Partei für das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Gasöl-StBG und das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Gasöl-StBG gemäß § 25 Abs. 1 FinStrG eine Verwarnung. Darüber hinaus wurde der Berufung keine Folge gegeben.
In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Beweiswürdigung und die darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Erkenntnisses als mängelfrei erwiesen hätten. Auch sei bei der rechtlichen Beurteilung dem Spruchsenat des Finanzamtes Feldkirch kein Fehler unterlaufen. Es könne jedoch das Verschulden der mitbeteiligten Partei noch als gering beurteilt werden. Nachdem die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen habe und weder general- noch spezialpräventive Gründe eine Bestrafung erheischten, werde an Stelle der vom Spruchsenat ausgesprochenen Geldstrafe gemäß § 25 Abs. 1 FinStrG eine Verwarnung erteilt. Selbst die gesetzliche Mindeststrafe von S 20.000,-- wäre in Anbetracht der geringen Höhe des Verkürzungsbetrages unangemessen streng.
Gegen diesen Bescheid - und zwar gegen den Ausspruch über die Erteilung einer Verwarnung an Stelle des Strafausspruches erster Instanz - richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg. Die im Spruch der Rechtsmittelentscheidung "verhängte Strafe der Verwarnung" gemäß § 25 Abs. 1 FinStrG sei auf Grund der darin festgestellten Finanzvergehen, nämlich "der fahrlässigen Abgabenhinterziehung" nach § 34 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit
§ 6 Abs. 1 Gasöl-StBG und der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Gasöl-StBG, ausgeschlossen, weil § 6 Abs. 3 Gasöl-StBG normiere, dass
§ 25 FinStrG auf Abgabenhinterziehungen der im Abs. 1 bezeichneten Art nicht anzuwenden sei.
Mit Beschluss vom 26. Jänner 1996 stellte der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, "im § 6 Abs. 3 des Gasöl-Steuerbegünstigungsgesetzes - Gasöl-StBG, BGBl. Nr. 259/1966, in der Fassung des Art. III der Finanzstrafgesetznovelle 1975, BGBl. Nr. 335, den Halbsatz '; § 25 des Finanzgesetzes ist auf Abgabenhinterziehungen der im Abs. 1 bezeichneten Art nicht anzuwenden', als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu festzustellen, dass diese Bestimmung verfassungswidrig war".
Mit Erkenntnis vom 3. Dezember 1999, G 102/96-10, G 106/96-10, wies der Verfassungsgerichtshof (u.a.) diesen Antrag ab.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet. Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Gasöl-StBG - das Gasöl-StBG wurde mit dem Mineralölsteuergesetz 1995, BGBl. Nr. 630/1994, aufgehoben (vgl. dessen § 63 Abs. 2) - war die Verwendung von steuerbegünstigtem Gasöl zu einem anderen Zweck als zum Verheizen verboten. Nach Abs. 2 durfte steuerbegünstigtes Gasöl nicht in einen Behälter eingefüllt werden, der mit einem Motor in Verbindung steht. Steuerbegünstigtes Gasöl, das sich in einem solchen Behälter befand, galt als verbotswidrig verwendet.
Nach § 6 Abs. 1 Gasöl-StBG in der Fassung des Art. III der Finanzstrafgesetznovelle 1975 machte sich, wer steuerbegünstigtes Gasöl verbotswidrig verwendete (§ 2), wenn er vorsätzlich handelte, einer Abgabenhinterziehung, und wenn er fahrlässig handelte, einer fahrlässigen Abgabenverkürzung schuldig.
§ 6 Abs. 3 Gasöl-StBG in der oben angeführten Fassung hatte, soweit er im Beschwerdefall von Bedeutung ist, folgenden Wortlaut:
"(3) Abgabenhinterziehungen, fahrlässige Abgabenverkürzungen und Finanzordnungswidrigkeiten der in den Abs. 1 und 2 bezeichneten Art sind Finanzvergehen im Sinne des Finanzstrafgesetzes, BGBl. Nr. 129/1958, und nach diesem zu ahnden. Eine Geldstrafe hat jedoch im Falle einer Abgabenhinterziehung mindestens S 20.000,-- und im Falle einer fahrlässigen Abgabenverkürzung mindestens S 5.000,-- zu betragen; § 25 des Finanzstrafgesetzes ist auf Abgabenhinterziehungen der im Abs. 1 bezeichneten Art nicht anzuwenden. ..."
Schon in der Stammfassung des § 6 Abs. 3 Gasöl-StBG war vorgesehen, dass die Geldstrafe im Falle einer fahrlässigen Abgabenverkürzung mindestens S 5.000,-- zu betragen hat. Für den Fall einer Abgabenhinterziehung war eine Geldstrafe von mindestens S 10.000,-- vorgesehen.
Die Regierungsvorlage einer Finanzstrafgesetznovelle 1974 hat in ihrem Art. III eine Neufassung des § 6 Abs. 3 Gasöl-StBG vorgesehen, in der die Mindestgeldstrafe von S 10.000,-- und S 5.000,-- unverändert waren, jedoch die Anwendung des § 25 FinStrG ausgeschlossen werden sollte.
Im Finanz- und Budgetausschuss wurde die Neufassung des § 6 Abs. 3 Gasöl-StBG (mit einer Erhöhung der Mindestgeldstrafe im Falle einer Abgabenhinterziehung auf S 20.000,--) wie folgt begründet (1548 BlgNR, 13. GP, S. 7):
"Der im, Falle einer Abgabenhinterziehung bisher zwingend vorgesehene Verfall von Fahrzeugen, Maschinen und Motoren, in deren Kraftstoffbehälter steuerbegünstigtes Gasöl eingefüllt wurde, hat sich im Hinblick auf den in der Regel hohen Wert dieser Verfallsgegenstände vielfach als eine zu harte Strafe erwiesen. Es sei deshalb die Mindestgeldstrafe für Abgabenhinterziehungen der in § 6 Abs. 1 bezeichneten Art auf S 20.000,-- erhöht worden, die genannten Gegenstände sollen aber dann nicht mehr verfallen, wenn der Täter noch keine Vorstrafe wegen verbotswidriger Verwendung oder Behandlung von steuerbegünstigtem Gasöl erlitten hat. Der in der Regierungsvorlage vorgesehene Ausschluss der Anwendung des § 25 FinStrG in Fällen, in denen steuerbegünstigtes Gasöl verbotswidrig verwendet oder behandelt wurde, soll auf jene Fälle beschränkt werden, in denen eine Abgabenhinterziehung vorliegt."
Anders als der beschwerdeführende Präsident der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg offenkundig meint, bezieht sich im Hinblick auf den diesbezüglich klaren Wortlaut der Regelung der Ausschluss der Anwendung des § 25 FinStrG in § 6 Abs. 3 Gasöl-StBG in der Fassung der Art. III der Finanzstrafgesetznovelle 1975 nur auf Abgabenhinterziehungen (nach Abs. 1) und nicht auch auf fahrlässige Abgabenverkürzungen. Dafür spricht auch die differenzierende Terminologie des FinStrG (vgl. §§ 33 und 34), Entstehungsgeschichte der Regelung sowie ein Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien.
Die belangte Behörde hat im Hinblick auf § 21 Abs. 1 FinStrG sowohl für das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung als auch für das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung einheitlich unter Beseitigung des erstinstanzlichen Strafausspruches eine Verwarnung erteilt. Dieser (einheitliche) Ausspruch war daher als Ganzes aufzuheben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1992, Slg. Nr. 6706/F).
Soweit die mitbeteiligte Partei vorbringt, die §§ 2, 3 und 6 Gasöl-StBG verstießen gegen EWR - Normen, so übersieht sie, dass - abgesehen von der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von EWR - Recht im innerstaatlichen Recht - das EWR - Abkommen erst am 1. Jänner 1994 in Kraft getreten ist (BGBl. Nr. 909/1993).
Der angefochtenen Bescheid war daher in dem im Spruch bezeichneten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 26. Juni 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000170109.X00Im RIS seit
04.03.2003