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34/01 MonopoleNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Bedenken gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz; kein Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip; Ausgleich zwischen der Effektivität der - im öffentlichen Interesse liegenden - behördlichen Eingriffsbefugnisse und dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen vorgenommen; Unerlässlichkeit der Regelung zur Sicherstellung rasch durchgreifender Maßnahmen zur Hintanhaltung fortgesetzter Verstöße gegen das Glücksspielmonopol; keine Bedenken im Hinblick auf das UnionsrechtSpruch
I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Beschluss nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Bescheid vom 17. Mai 2017 verfügte die Landespolizeidirektion Wien gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft eine teilweise Betriebsschließung gemäß §56a Abs1 GSpG.
2. Im Zusammenhang mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde stellte die beschwerdeführende Gesellschaft einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an das Verwaltungsgericht Wien.
3. Das Verwaltungsgericht Wien wies mit Beschluss vom 10. August 2017 den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurück und begründete dies damit, dass gemäß §56a Abs5 GSpG ordentlichen Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach §56a Abs1 GSpG keine aufschiebende Wirkung zukomme und das Verwaltungsgericht Wien daher keine aufschiebende Wirkung zuerkennen könne.
4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien, mit dem das Verwaltungsgericht Wien den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückwies, richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art56 AEUV wegen Anwendung des als verfassungswidrig erachteten §56a GSpG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird.
Die gesetzliche Regelung der Betriebsschließung gemäß §56a GSpG stelle insbesondere einen unzulässigen und unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit dar und begegne auch in Bezug auf die Berufsfreiheit gemäß Art15 GRC, die unternehmerische Freiheit gemäß Art16 GRC und das Eigentumsrecht gemäß Art17 GRC Bedenken. Die in §56a Abs1 GSpG enthaltene Interessenabwägung könne stets nur zu Ungunsten des Betroffenen ausfallen, weil schon ein Verdacht der Übertretung des Glücksspielgesetzes für die Vornahme einer Betriebsschließung genüge, während von einer Betriebsschließung nur abzusehen sei, wenn andere Maßnahmen mit Sicherheit dazu führten, dass eine weitere Gefährdung der öffentlichen Interessen des Glücksspielmonopols ausgeschlossen werden könne. Der Schutz dieser öffentlichen Interessen vermöge nicht die Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des Betroffenen zu rechtfertigen. Da die Betriebsschließung ohne vorangegangenes Verfahren oder gerichtliche Genehmigung vorgenommen werden könne, verstoße die Bestimmung zudem gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren im Sinne des Art6 EMRK sowie den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG. Das rechtsstaatliche Prinzip werde ebenfalls verletzt, weil dem Betroffenen durch den generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in §56a Abs5 GSpG kein einstweiliger Rechtsschutz zukomme. Es sei nicht richtig, dass dem Rechtsschutzsuchenden, wie es in der Regierungsvorlage zur Erlassung des §56a GSpG heiße, ein rascher Zugang zum Recht gewährt werde, weil der Betroffene frühestens mit der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Rechtsschutz bekommen könne und die Frist zur Zustellung von Betriebsschließungsbescheiden gemäß §56a Abs3 GSpG auf einen Monat verlängert worden sei. Für diese Zeit müsse der Betroffene eine allenfalls rechtswidrige Betriebsschließung und Existenzgefährdung hinnehmen. Die Möglichkeit, einen Antrag auf Aufhebung der Betriebsschließung nach §56a Abs7 GSpG zu stellen, biete keinen Ersatz für den fehlenden Rechtsschutz; eine Säumnisbeschwerde könne erst nach sechs Monaten eingebracht werden. Die allgemeine Regel des §13 Abs2 VwGVG sei jedenfalls ausreichend, um die Interessen des Glücksspielmonopols zu schützen. Es gehe zudem aus der vom Gesetzgeber vorgenommenen Interessenabwägung nicht hervor, weshalb diese von den allgemeinen verfahrensrechtlichen Regelungen abweichende Regelung erforderlich bzw. unerlässlich sei.
5. Das Verwaltungsgericht Wien legte die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der belangten Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II. Rechtslage
1. §56a Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl I 118/2016, lautet:
"Betriebsschließung
§56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stillegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
(2) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs1 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs1 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, daß der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.
(3) Über eine Verfügung nach Abs1 ist binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
(4) In einem Bescheid nach Abs3 können auch andere nach Abs1 zulässige Maßnahmen angeordnet werden.
(5) Ordentlichen Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach Abs1 kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
(6) Die Bescheide gemäß Abs3 treten, wenn sie nicht kürzer befristet sind, mit Ablauf eines Jahres außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.
(7) Liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides gemäß Abs3 nicht mehr vor und ist zu erwarten, dass in Hinkunft jene glücksspielrechtlichen Vorschriften, deren Nichteinhaltung für die Maßnahmen nach Abs3 bestimmend war, von der Person eingehalten werden, die die betriebliche Tätigkeit ausüben oder die Betriebsanlage betreiben will, so hat die Behörde auf Antrag dieser Person die mit Bescheid gemäß Abs3 getroffenen Maßnahmen ehestens zu widerrufen."
2. §13 und §22 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I 33/2013, idF BGBl I 24/2017, lauten:
"Aufschiebende Wirkung
§13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.
(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.
(3) Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z4 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
(4) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs2 und 3 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.
(5) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs2 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen."
[…]
Aufschiebende Wirkung
§22. (1) Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z2 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
(2) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß §13 und Beschlüsse gemäß Abs1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben."
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat – aus Sicht des vorliegenden Beschwerdefalls –keine Bedenken gegen die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Rechtsvorschrift des §56a Abs5 GSpG:
1.1. Gemäß Art136 Abs2 letzter Satz B-VG können durch Bundes- oder Landesgesetz vom Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz abweichende Regelungen über das Verfahren der Verwaltungsgerichte getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich – im Sinne von "unerlässlich" – sind oder soweit das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz als kodifizierendes Bundesgesetz im Sinne des Art136 Abs2 B-VG dazu ermächtigt. Eine solche Ermächtigung ist mangels einer vom Gesetzgeber beabsichtigten umfassenden Freistellung von der Prüfung am Erforderlichkeitsmaßstab nicht in §58 Abs2 und 3 VwGVG zu erblicken (VfSlg 19.905/2014, 19.921/2014, 19.922/2014, 19.969/2015). Die für abweichende Regelungen in einem Materiengesetz erforderliche "Unerlässlichkeit" kann sich aus besonderen Umständen oder aus dem Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften ergeben (VfSlg 19.969/2015, 20.008/2015).
Darüber hinaus geht der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art11 Abs2 und Art136 Abs2 B-VG davon aus, dass von den allgemeinen Bestimmungen der Verfahrensgesetze abweichende Regelungen nur dann zulässig sind, wenn sie nicht anderen Verfassungsbestimmungen, wie etwa dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes, widersprechen (vgl. VfSlg 15.218/1998, 17.346/2004, 19.921/2014, 19.922/2014, 19.969/2015, 20.008/2015).
Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass es unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Prinzips nicht angehe, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist; zu berücksichtigen seien in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur seine Position, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse; der Gesetzgeber habe unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig sei (vgl. zB VfSlg 11.196/1986, 17.346/2004 und 18.383/2008).
1.2. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (ErlRV 368 BlgNR 20. GP, 6 f.) führen anlässlich der Einführung des Rechtsinstitutes der Betriebsschließung gemäß §56a GSpG im Zuge der Novelle BGBl 747/1996 Folgendes aus:
"Der neu geschaffene §56a gibt der Behörde die Möglichkeit, Betriebe und betriebsähnliche Einrichtungen, in denen verbotenes Glücksspiel betrieben wird, außer Betrieb zu setzen. Eine ähnliche Regelung enthält zB auch §360 Abs2 GewO, in dem vorgesehen ist, daß eine nicht genehmigte Betriebsanlage von der Behörde ua. auch dann gänzlich oder teilweise geschlossen werden kann, wenn diese eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn hervorruft; vergleichbare Regelungen enthalten zB §69 Arzneimittelgesetz, das Krankenanstaltenrecht (§12 KAG; vgl. auch die Ausführungsgesetze der Länder) und §§23 f Lebensmittelgesetz 1975.
Wiewohl in diesen Fällen eine unmittelbare Gefährdung für Leib und Leben gegeben ist, was im Bereich des Glücksspiels zumindest nicht unmittelbar der Fall ist, ist es im ordnungspolitischen Interesse gerechtfertigt, im Glücksspielgesetz eine vergleichbare Regelung zu schaffen. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 12.165 vom 30. September 1989 ausdrücklich bestätigt, daß die Besonderheiten im Glücksspielbereich weitgehende Beschränkungen der Erwerbsfreiheit zu tragen vermögen. Ausdrücklich hat der Verfassungsgerichtshof auf die Gefahr wirtschaftlicher Existenzgefährdung von Menschen und der Gefahr des Eindringens krimineller Kreise in den Glücksspielbereich hingewiesen.
Neben den fiskalischen hat das GSpG ganz überwiegende ordnungspolitische Zielsetzungen. Die bundesweite Ausbreitung illegaler Glücksspielbetriebe dient weder den ordnungspolitischen Interessen des Bundes (Spielerschutz, Hintanhaltung der Geldwäscherei, Vermeidung von Beschaffungskriminalität usw.) noch den fiskalischen Interessen des Bundes auch nur näherungsweise. Insbesondere zum Schutz des Spielerpublikums sowie zur Hintanhaltung krimineller Handlungen sind daher rasch durchgreifende Maßnahmen erforderlich. Dazu kommt, daß sich solche illegal betriebenen Glücksspielbetriebe binnen kürzester Zeit amortisieren und in der Folge hohe Gewinne für die Betreiber abwerfen. Während anhängiger Verfahren lukrieren die Betreiber beträchtliche Gewinne aus der Veranstaltung dem Bund vorbehaltener Glücksspiele. Diese illegalen Glücksspielbetriebe werden im Regelfall von kapitalschwachen juristischen Personen betrieben und ist erkennbar, daß diese nach Beendigung der anhängigen Verfahren – nach mehrjähriger Verfahrensdauer – Insolvenz anmelden werden und weder die verhängten Verwaltungsstrafen noch die Abgabenrückstände einbringlich sein werden. Es ist daher die Zielsetzung des Gesetzgebers, durch eine rasch greifende Betriebsschließungsbestimmung, das Erzielen von Gewinnen durch den illegalen Betrieb von Glücksspielen zu verhindern. Da die vorgesehenen Maßnahmen – insbesondere eine Betriebsschließung – einen erheblichen Eingriff in die Rechte der Betroffenen bedeuten, sieht Abs1 abgestufte Möglichkeiten vor, die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden sind. Die Behörden sind verpflichtet, das jeweils gelindeste noch zum Ziel führende Mittel anzuwenden. Dies bedeutet insbesonders, daß es sich bei der Betriebsschließung um eine Maßnahme handelt, die nur als letztes Mittel angewandt werden darf und daher gastronomische Betriebe, die nicht überwiegend zur Durchführung von dem Bund vorbehaltenen Glücksspielen verwendet werden, von dieser nicht betroffen sind.
Im besonderen ist zu bemerken, daß Abs1 stets dann Anwendung findet, wenn Glücksspiele im Sinne des §2 Abs1 'veranstaltet' werden. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Unternehmer spezifische Einrichtungen und Gegenstände bereithält, die für die Durchführung von Glücksspielen tatsächlich verwendet werden. Abs1 findet auch dann Anwendung, wenn in einem Betrieb zwar vom Betriebsinhaber keine Glücksspiele veranstaltet werden, wenn aber tatsächlich Glücksspiele in einem das ortsübliche Maß übersteigenden Ausmaß durchgeführt werden. Wird etwa im Rahmen eines Gastgewerbebetriebes ein eigener Raum zur Verfügung gehalten, der ausschließlich oder überwiegend zur Durchführung von Glücksspielen benutzt wird, so ist die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf diesen Raum gegeben; nicht aber dann, wenn – wie dies in verschiedenen Gegenden üblich ist – von Gästen neben ihrer Konsumation die ortsüblichen Spiele gespielt werden. In derartigen Abgrenzungsfragen wird stets entscheidend sein, ob durch die tatsächliche Durchführung von Glücksspielen durch Gäste der eindeutig überwiegende Charakter des Gastgewerbebetriebes erhalten bleibt: Ist dies der Fall, ist §56a nicht anwendbar. Die gänzliche oder teilweise Schließung eines Betriebes wird nur dann Anwendung finden, wenn durch andere geeignete Maßnahmen die Einhaltung des Glücksspielgesetzes nicht sichergestellt ist; derartige andere geeignete Maßnahmen könnten zB auch ein Hausverbot für bestimmte Gäste (etwa Berufsspieler) sein.
Da eine nach Abs1 verfügte Maßnahme einen erheblichen Eingriff in wichtige Rechte des Betroffenen bedeutet, soll Abs3 einen möglichst raschen Zugang zum Rechtsschutzsystem eröffnen. Tritt eine Verfügung gemäß Abs3 außer Kraft, so ist die Behörde nicht daran gehindert – falls die Voraussetzungen vorliegen –, dieselbe Verfügung nochmals zu erlassen.
Der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung ordentlicher Rechtsmittel gegen die Betriebsschließung ist erforderlich, um den Betreibern der Glücksspiele die Möglichkeit zum fortgesetzten Betrieb abzuschneiden. Die Betriebsschließung ist aber gemäß Abs2 von Amts wegen unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, daß der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht."
1.3. Das Rechtsinstitut der Betriebsschließung gemäß §56a GSpG dient der Hintanhaltung von Verstößen gegen das im öffentlichen Interesse liegende Glücksspielmonopol des Bundes (vgl. VfSlg 19.077/2010, 19.717/2012, 19.972/2015) und zielt – wie in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage dargelegt – darauf ab, die Ausbreitung der Veranstaltung oder Durchführung illegaler Glücksspiele – im Interesse des Spielerschutzes und der Bekämpfung von mit dem illegalen Glücksspiel in Zusammenhang stehenden kriminellen Handlungen – zu verhindern.
Die Betriebsschließung ist – wie auch die mehrfach erfolgten Beschlagnahmen in dem mit dem vorliegenden Verfahren im Zusammenhang stehenden Betriebsschließungsverfahren zeigen – das einzig verbleibende Mittel, um dem andauernden rechtswidrigen Zustand an der konkreten Betriebstätte entgegen zu wirken. Die ohnehin das letzte Mittel darstellende Betriebsschließung verlöre ihre Wirksamkeit, käme in weiterer Folge dem dagegen erhobenen Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zu.
Es liegen somit einerseits sachlich gebotene triftige Gründe zur Rechtfertigung der Einschränkung der Effizienz eines Rechtsbehelfes vor. Andererseits hat der Gesetzgeber, wie die abgestufte Regelung des §56a GSpG zeigt, einen Ausgleich zwischen der Effektivität der – im öffentlichen Interesse liegenden – behördlichen Eingriffsbefugnisse in Form der Betriebsschließung und dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen vorgenommen.
§56a Abs5 GSpG steht aus diesen Gründen – entgegen den Behauptungen der beschwerdeführenden Gesellschaft – nicht im Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip.
1.4. Darüber hinaus ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gemäß §56a Abs5 GSpG auch "unerlässlich" im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art11 Abs2 und Art136 Abs2 B-VG. Nur der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde stellt – auch angesichts der großen Anzahl anhängiger Verwaltungsverfahren betreffend Verstöße gegen das Glücksspielgesetz (vgl. VfSlg 17.340/2004, 19.921/2014) – die Effektivität rasch durchgreifender Maßnahmen zur Hintanhaltung fortgesetzter Verstöße gegen das Glücksspielmonopol durch sich schnell amortisierende und ertragsreiche illegale Glücksspielbetriebe umgehend sicher (vgl. VfSlg 17.346/2004) und wirkt der mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahr rasch eintretender wirtschaftlicher Existenzgefährdung von Spielsüchtigen entgegen.
2. Da Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Wien ausschließlich die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine Betriebsschließung gemäß §56a Abs5 GSpG ist, ist auf die – vom Verfassungsgerichthof bereits in seinem Erkenntnis vom 14. März 2017, E3282/2016, als unbegründet erachteten – Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit unter anderem der die (inhaltlichen Voraussetzungen einer) Betriebsschließung regelnden Bestimmungen des Glücksspielgesetzes wegen Verstoßes gegen die Erwerbsausübungsfreiheit nicht näher einzugehen. Dasselbe trifft auf die von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgebrachten Bedenken hinsichtlich des Fehlens vorangehender richterlicher Ermächtigungen im Zusammenhang mit einer Betriebsschließung zu.
Soweit die beschwerdeführende Gesellschaft der Sache nach vorbringt, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde verstärke den durch eine Betriebsschließung bewirkten Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit, bestehen unter Bedachtnahme auf die unter den Punkten III.1.3. ff. getätigten Ausführungen keine Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des §56a Abs5 GSpG.
3. Im Hinblick auf die von der beschwerdeführenden Gesellschaft im Zusammenhang mit der Effektivität des Unionsrechts vorgebrachte Unionsrechtswidrigkeit des gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gemäß §56a Abs5 GSpG ist – unabhängig von der Frage, ob die Charta der Grundrechte der Europäischen Union im vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist – auf die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2016, E945/2016 ua., umfassend dargestellte Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union zu verweisen (EuGH 6.11.2003, Rs. C-243/01, Gambelli ua., Rz 67; 3.6.2010, Rs. C-258/08, Ladbrokes, Rz 21; vgl. auch EuGH 8.9.2009, Rs. C-42/07, Liga Portuguesa de Futebol Profissional, Rz 61; 8.9.2010, Rs. C-46/08, Carmen Media Group Ltd, Rz 55; 9.9.2010, Rs. C-64/08, Engelmann, Rz 35; 24.1.2013, Rs. C-186/11 ua., Stanleybet International Ltd ua., Rz 27; 30.4.2014, Rs. C-390/12, Pfleger ua., Rz 43; 11.6.2015, Rs. C-98/14, Berlington Hungary Tanácsadó és Szolgáltató kft ua., Rz 64; 30.6.2016, Rs. C-464/15, Admiral Casinos & Entertainment AG ua., Rz 33). Nach dieser Rechtsprechung ist eine das Unionsrecht einschränkende nationale Regelung (betreffend ein Glücksspielmonopol bzw. eine zahlenmäßige Beschränkung der Glücksspielkonzessionen) zulässig, wenn mit ihr zulässige Ziele des Allgemeininteresses verfolgt werden und die nationale Regelung geeignet ist, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.
Wie die Betriebsschließung selbst dient auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in §56a Abs5 GSpG den Zielen des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung. Hiebei handelt es sich um nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union zulässige Ziele des Allgemeininteresses. Für den Verfassungsgerichtshof ist nicht erkennbar, dass §56a Abs5 GSpG der Anforderung widerspricht, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (vgl. auch EuGH 10.7.1990, Rs. C-217/88, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-2879, Rz 25; 21.2.1991, verb. Rs. C-143/88, C-92/89, Süderdithmarschen, Slg. 1991, I-415, wonach einstweiliger Rechtsschutz nicht ausnahmslos zu gewähren ist).
IV. Ergebnis
1. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es ausgeschlossen, dass die beschwerdeführende Gesellschaft in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
2. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Glücksspiel, Glücksspielmonopol, Betriebsschließung, Verwaltungsverfahren, Verwaltungsgerichtsverfahren, Wirkung aufschiebende, Rechtsschutz, Rechtsstaatsprinzip, Bedarfskompetenz, Bedarfsgesetzgebung, EU-RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E3302.2017Zuletzt aktualisiert am
21.03.2019