Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. C*, vertreten durch Bischof Zorn + Partner Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W*, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Wendling GmbH in Kitzbühel, wegen Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Juli 2017, GZ 3 R 64/17h-18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 13. Jänner 2017, GZ 3 C 388/16w-13, infolge Berufung der klagenden Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.883,16 EUR (davon 313,86 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – mangels einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Bis zum Tod der Mutter des Klägers und Ehefrau des Beklagten am 22. 12. 2010 waren der Beklagte und seine Ehefrau Miteigentümer einer Liegenschaft mit darauf errichtetem Wohnhaus (= frühere Ehewohnung). Dem Kläger wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 25. 3. 2011 der Hälfteanteil seiner Mutter eingeantwortet, nachdem er als zum Alleinerben Eingesetzter aufgrund des Testaments vom 23. 3. 2009 eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hatte.
Am 22. 2. 2011 vereinbarten die Streitteile schriftlich im Hinblick darauf, dass der Beklagte, weil er Hälfteeigentümer ist und ihm am anderen Hälfteanteil das Vorausvermächtnis gemäß § 758 ABGB zusteht, die gesamten eigentumsbedingten Kosten der Liegenschaft trägt.
Seit 2012 nützt der Beklagte die gesamte Liegenschaft ausschließlich alleine, nachdem es zu einem Zerwürfnis der Streitteile gekommen war. Zuvor hatte der Kläger mit seiner Familie in den Jahren bis 2011 das Haus mit Erlaubnis des Beklagten regelmäßig zu Weihnachten und zu Ostern, fallweise auch in den Sommerferien jeweils ein paar Tage zum Nächtigen in bestimmten Bereichen benützt.
Mit Übergabsvertrag vom 17. 9. 2015 übertrug der Beklagte seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft seiner Tochter (und Schwester des Klägers). Darin räumte die Tochter dem Beklagten als Gegenleistung für die Übergabe das lebenslängliche Wohnungsgebrauchsrecht am Wohnhaus samt Zubehör ein. Das Wohnungsgebrauchsrecht wurde – wie vereinbart – nicht grundbücherlich eingetragen. Die Übernehmerin möchte nicht, dass der Beklagte das gesamte Haus nicht mehr alleine benützt, und sie wünscht keine Räumung der Liegenschaft durch den Beklagten. Sie ist mit der Nutzung der gesamten Liegenschaft durch den Beklagten einverstanden. Sie redet mit dem Kläger nicht.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage, den Beklagten zur Räumung und zur Übergabe der Liegenschaft an ihn und die andere Miteigentümerin (seine Schwester) zu verpflichten. Der Beklagte benütze die Liegenschaft seit der Übertragung seines Hälfteanteils titellos.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens unter anderem, weil der Kläger nicht aktiv legitimiert sei.
Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts. Dem Beklagten sei schon aufgrund des Testaments seiner verstorbenen Ehefrau und seines Miteigentums das Wohnrecht an der gesamten Liegenschaft zugekommen. Er habe sich schließlich auch bei der Übergabe seines Hälfteanteils an seine Tochter vertraglich das diesen Hälfteanteil betreffende Wohnungsgebrauchsrecht vorbehalten.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Grundsatz, dass an ideellen Teilen einer Liegenschaft kein Wohnungsgebrauchsrecht begründet werden könne, weil dem schlichten Miteigentümer kein Recht auf Nutzung eines bestimmten Liegenschaftsteils zustehe, selbst dann gelte, wenn die Rechtseinräumung durch den einen ideellen Miteigentümer zugunsten des einzigen weiteren ideellen Miteigentümers erfolge.
Rechtliche Beurteilung
Die Entscheidung hängt weder von der vom Berufungsgericht bezeichneten Rechtsfrage noch von den in der Revision bezeichneten Rechtsfragen ab.
1. Fragen der Aktivlegitimation sind weder Thema der Revision noch der Revisionsbeantwortung.
2.1. Mit einer Räumungsklage gegen einen titellosen Inhaber einer Wohnung macht der Eigentümer einen auf sein Eigentumsrecht gestützten Herausgabeanspruch nach § 366 ABGB geltend (RIS-Justiz RS0062419). In solchen Fällen kann der beklagte Sachinhaber ein eigenes dem Eigentümer gegenüber wirksames dingliches oder obligatorisches Recht einwenden. Die Beschränkung der dem klagenden Eigentümer in § 354 ABGB verliehenen Auschließungsmacht hat der Beklagte zu beweisen (RIS-Justiz RS0125784, RS0010849, RS0010310).
2.2.1. Der Beklagte hat aufgrund des gesetzlichen Voraus nach § 758 ABGB (in der Fassung BGBl 1989/656, die hier anzuwenden ist, s § 1503 Abs 7 ABGB) ein obligatorisches Recht auf Innehabung.
2.2.2. Das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB aF gewährt einen schuldrechtlichen Anspruch des überlebenden Ehegatten auf Beibehaltung der Wohnverhältnisse in der Ehewohnung in Gestalt eines Wohnrechts gegen den Erben oder den sonst durch das Vermächtnis Beschwerten (RIS-Justiz RS0012822 [T1], RS0012824). Diese sind verpflichtet, alles zu tun, damit dem überlebenden Ehegatten das Wohnen auf Dauer ermöglicht wird (6 Ob 233/04i). Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Wohnrechts setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass das Recht auf Benützung der Ehewohnung in den Nachlass fällt (RIS-Justiz RS0030723). Diese Voraussetzung ist auch im Fall einer zwischen Ehegatten bestehenden Miteigentümergemeinschaft nicht zu bezweifeln (6 Ob 233/04i).
2.3. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers sind nähere Feststellungen zum Testament der Ehefrau des Beklagten und zu einem darin verfügten Wohnrecht des Beklagten nicht entscheidungserheblich. Da an ideellen Liegenschaftsanteilen kein Wohnungsrecht begründet werden kann (RIS-Justiz RS0011833), hätte die Verstorbene ihrem Ehemann ein derartiges Wohnrecht nicht einräumen können. Im Übrigen konnte das Berufungsgericht, da die Urkunden insoweit unstrittig waren, den Inhalt des Testaments seiner Entscheidung zu Grunde legen (vgl RIS-Justiz RS0121557), ohne dass die Entscheidung dadurch an einem Verfahrensfehler leidet.
2.4. Ob der Beklagte zu Lebzeiten seiner Ehefrau lediglich ein Zimmer benutzte, ist für die Entscheidung nicht relevant, weil der Kläger die Räumung der gesamten Liegenschaft begehrt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Textnummer
E120216European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:E120216Im RIS seit
03.01.2018Zuletzt aktualisiert am
16.05.2022