Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätinnen Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** S*****, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Univ.-Prof. Dr. M***** M*****, vertreten durch Mag. Gerhard Walzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.203,38 EUR sA und Feststellung (Revisionsinteresse: 5.989,38 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. März 2017, GZ 35 R 133/16t-38, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. April 2016, GZ 55 C 378/14t-31, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, der der Klägerin für eine zahnärztliche Fehlbehandlung einzustehen hat, unter anderem zur Rückzahlung des vereinbarten Honorars von 6.214 EUR an die Klägerin und zum Ersatz der nach den Feststellungen „notwendigen und angemessenen Beträge zur Fehlerbehebung“ von insgesamt 5.989,38 EUR. Diese Entscheidung änderte das Berufungsgericht teilweise ab und wies das auf Ersatz des für die „Fehlerbehebung“ geforderten Betrags gerichtete Begehren zusammengefasst mit der Begründung ab, dass die Klägerin zwar berechtigt sei, das Honorar als nutzlosen Aufwand zurückzufordern, nicht aber zusätzlich die Mängelbehebungskosten fordern könne, weil der Aufwand zur Herstellung des mängelfreien Zustands geringer gewesen sei als das mit dem Beklagten vereinbarte Honorar. Es stehe ihr nicht zu, im Ergebnis die mit den Beklagten vereinbarte Leistung ohne Gegenleistung zu erhalten.
Die Revision erklärte das Berufungsgericht über Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO für zulässig, weil es Zweifel an seiner Auslegung des Begriffs „Fehlerbehebung“ hegte.
Die von der Klägerin erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Weicht das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung ab, begründete dies eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (RIS-Justiz RS0043057; RS0043461; Kodek in Rechberger, ZPO4, § 503 ZPO Rz 11; Zechner in Fasching/Konecny IV2 § 503 ZPO Rz 128).
1.2 Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht seiner Entscheidung Tatsachenannahmen zugrunde legt, die das Erstgericht nicht oder nicht in dieser Ausprägung getroffen hat (vgl RIS-Justiz RS0043026 [T5]). Dass dem Berufungsgericht, das die erstgerichtlichen Feststellungen in dem Sinn verstanden hat, dass die „Fehlerbehebung“ gleichzeitig den vom Beklagten geschuldeten Erfolg herbeiführte, ein solcher Fehler unterlaufen wäre, vermag die Revisionswerberin aber nicht aufzuzeigen.
2. Eine solche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens spricht die Klägerin in Wahrheit an, wenn sie unter den Revisionsgründen der Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend macht, das Berufungsgericht habe den vom Erstgericht festgestellten „notwendigen und angemessenen Aufwand zur Fehlerbehebung“ von insgesamt 5.989,38 EUR als eine Verbesserung der Ausgangssituation qualifiziert und meinte damit offensichtlich, das Berufungsgericht habe diese Kosten nicht als solche zur Beseitigung der mangelhaften Leistung des Beklagten beurteilt. Dazu vertritt sie im Ergebnis den Standpunkt, der Beklagte habe ihr nicht nur das Honorar zurückzuerstatten, sondern auch die für eine fehlerfreie Herstellung der vereinbarten Leistungen erforderlichen Kosten zu ersetzen.
3. Dem von der Revisionswerberin wiedergegebenen Verständnis der Ausführungen des Berufungsgerichts ist zunächst entgegenzuhalten, dass dieses die hier in Rede stehenden Kosten in Übereinstimmung mit den Feststellungen und auch ihrem eigenen Standpunkt ausdrücklich als Mängelbehebungskosten titulierte, mag es auch irreführend festgehalten haben, dass diese Kosten auch bei ursprünglich mängelfreier Leistung des Beklagten angefallen wären. Gemeint ist damit aber nicht das Problem der sogenannten „Sowieso-Kosten“, also jenes Aufwands, der anfiele, gleich ob der Beklagte mangelfrei, mangelhaft oder gar nicht erfüllt hätte (vgl dazu 1 Ob 2144/96t), sondern der Umstand, dass die Klägerin auch bei einer fehlerfreien zahnärztlichen Behandlung des Beklagten einen Betrag (= vereinbartes Honorar) aufwenden hätte müssen, der über dem für die Herstellung eines mängelfreien Zustands geforderten Kosten liegt.
4. Tatsächlich hat die Klägerin, weil der Beklagte die Verbesserung verweigerte, von ihrem Recht auf Wandlung Gebrauch gemacht. Als Wandelnde kann die Klägerin wirtschaftlich aber auch im Wege des Schadenersatzes iSd § 932 Abs 1 Satz 2 ABGB nicht besser gestellt werden als sie stünde, wenn bereits durch den Beklagten ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (vgl Reischauer in Rummel, ABGB3 § 932 Rz 20b). Damit vermag die Klägerin auch in rechtlicher Hinsicht keine Bedenken gegen die Beurteilung durch das Berufungsgericht zu erwecken, zumal sie auch gar nicht geltend macht, dass das mit dem Beklagten vereinbarte Honorar überhöht gewesen wäre oder der Aufwand zur Mängelbehebung den Wert der vereinbarten zahnärztlichen Leistung überstiegen hätte. Damit führt die von ihr angestrebte Ersatzlage entgegen ihrer Ansicht zu der vom Berufungsgericht angenommenen Doppelliquidation und damit zu ihrer Bereicherung, weil sie ohne Rücksicht auf das mit dem Beklagten vereinbarte Honorar, das er ihr nach dem Spruch der Vorinstanzen zurückzuerstatten hat, als Mangelschaden (vgl RIS-Justiz RS0054272) den Ersatz der Kosten für die Erfüllungsersatzlage anstrebt und damit im Ergebnis unentgeltlich eine Leistung erhielte, zu deren Erbringung sich der Beklagte aber nur zum vereinbarten Honorar verpflichtete.
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass dieser Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.
Textnummer
E120210European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00202.17P.1115.000Im RIS seit
03.01.2018Zuletzt aktualisiert am
26.06.2018