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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §52 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in M, vertreten durch Dr. Heinz Walther, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 23/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 23. Februar 2000, Zl. 14-SV-3220/3/99, betreffend Anerkennung als begünstigter Behinderter, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 25. August 1998 auf Feststellung seiner Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) mit der Begründung abgewiesen, dass der Grad seiner Behinderung 40 v.H. betrage.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen auf das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr. I. vom 15. Oktober 1999. Dr. I. wurde aus dem Kreis der nach § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG) bestellten Sachverständigen auf Grund der Bestimmung des § 14 Abs. 2 BEinstG zur Begutachtung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers herangezogen
Der Beschwerdeführer behauptet, die Bestellung Dris. I. zum ärztlichen Sachverständigen sei rechtswidrig erfolgt. Es hätte seinem Antrag auf Bestellung des zuständigen Amtsarztes (der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau) Folge gegeben werden müssen. Dem Hinweis auf das KOVG im § 14 Abs. 2 BEinstG sei derogiert worden, "u.zw. durch Art. 6 EMRK (fair trial) und § 52 AVG idgF.".
Nach § 14 Abs. 2 erster und zweiter Satz BEinstG hat (wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Nachweis der in Abs. 1 umschriebenen Art nicht vorliegt) auf Antrag des Behinderten das örtlich zuständige Bundessozialamt unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der in § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen (im konkreten Fall einer Behinderung von mindestens 50 v.H.) die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden.
§ 90 KOVG lautet:
"(1) Soweit die Berechtigung von Versorgungsansprüchen von der Beantwortung von Vorfragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen, haben die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen ärztliche Sachverständige zu befragen. Die Sachverständigen werden vom Bundesminister für soziale Verwaltung" (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) "auf Vorschlag der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen auf unbestimmte Zeit bestellt. Ein auf den jeweiligen Stand richtig gestelltes Verzeichnis der bestellten Sachverständigen ist im Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zur allgemeinen Einsicht aufzulegen.
(2) Ein Sachverständiger ist von seiner Funktion zu entheben, wenn er seine Enthebung selbst beantragt oder wenn seine weitere Verwendung nicht mehr geboten erscheint.
(3) Die Auswahl der Sachverständigen aus dem Verzeichnis (Abs. 1) obliegt im Verfahren vor dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen dem Leiter des Amtes auf Vorschlag des leitenden Arztes. Im Verfahren vor der Schiedskommission hat der Vorsitzende die Sachverständigen nach Anhörung des leitenden Arztes jenes Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, das den angefochtenen Bescheid erlassen hat, auszuwählen. Andere als die im Verzeichnis genannten Sachverständigen dürfen nur dann beigezogen werden, wenn Gefahr im Verzug ist oder wenn für ein Fach keine Sachverständigen bestellt sind.
(4) Ist eine zur Abgabe eines Sachverständigengutachtens erforderliche Untersuchung eines Versorgungswerbers durch einen bestellten Sachverständigen nicht oder nur mit Erschwernissen möglich, so kann die Untersuchung auch einem anderen Arzte, bei Unterbringung des Versorgungswerbers in einer Kranken- oder Heilanstalt dem Anstaltsarzt übertragen werden. Die Abteilungsleiter der öffentlichen Krankenanstalten und die Amtsärzte der Bezirksverwaltungsbehörden sind verpflichtet, einem Ersuchen der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen um Durchführung einer Untersuchung eines Versorgungswerbers zu entsprechen. Die Inanspruchnahme eines Amtsarztes einer Bezirksverwaltungsbehörde ist gleichzeitig dem Leiter dieser Behörde anzuzeigen.
(5) Die vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen eingeholten Sachverständigengutachten sind zur Wahrung der Einheitlichkeit der ärztlichen Beurteilung vom leitenden Arzte des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder einem vom leitenden Arzte hiezu bevollmächtigten Arzte zu prüfen und mit einem Sichtvermerke zu versehen. Widerspricht der leitende Arzt oder der von ihm bevollmächtigte Arzt einem Gutachten, so ist der Sachverständigenbeweis durch Beiziehung eines anderen Sachverständigen zu wiederholen. Wenn hiedurch keine Klärung zu erzielen ist, kann der Leiter des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Vorschlag des leitenden Arztes die Stellungnahme des Bundesministeriums für soziale Verwaltung nachsuchen, das, gegebenenfalls nach Einholung einer gutachtlichen Äußerung von hiezu besonders berufenen Sachverständigen, über die strittige Frage gutachtlich befindet.
(6) Wenn ein von der Schiedskommission beigezogener Sachverständiger in seinem Gutachten zu einem Ergebnisse gelangt, das von der Stellungnahme des leitenden Arztes, beziehungsweise des Bundesministeriums für soziale Verwaltung (Abs. 5) abweicht, so hat er die Abweichung ausführlich zu begründen; dem leitenden Arzt ist Gelegenheit zu geben, sich hiezu zu äußern."
Die Behauptung des Beschwerdeführers, § 90 KOVG wäre im vorliegenden Fall nicht anzuwenden gewesen, ist unbegründet; desgleichen die weitere Behauptung, § 90 KOVG und damit der zweite Satz des § 14 Abs. 2 BEinstG seien verfassungswidrig. Die in Rede stehenden Bestimmungen haben einen anderen normativen Gehalt, als ihn der Beschwerdeführer annimmt. Es besteht nämlich keine Bindung der Behörde an die Aussagen des nach § 90 KOVG bestellten Sachverständigen. Eine Bindung besteht nur insofern, als die Behörde bei der Bestellung des Sachverständigen nach § 90 KOVG vorgehen muss. Sie kann aber im Falle, dass ihrer Meinung nach die zu beantwortende Frage einem anderen (anders qualifizierten) Sachverständigen zur Ergänzung oder zur Klarstellung vorzulegen wäre und ein solcher Sachverständiger im Verzeichnis nach § 90 Abs. 1 KOVG nicht aufscheint, einen weiteren Sachverständigen ohne Bindung an dieses Verzeichnis bestellen. Ebenso steht es der Partei frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen; die Behörde hat sich dann mit dem Inhalt dieses Gegengutachtens auseinanderzusetzen (vgl. das auch vom Beschwerdeführer in anderem Zusammenhang zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juli 1997, Zl. 95/09/0062 = ZfVB 1998/5/1621). § 90 KOVG ist eine mit § 52 Abs. 1 AVG in Einklang stehende Regelung, indem nämlich die der Behörde (dem Bundessozialamt, früher Landesinvalidenamt) beigegebenen oder zur Verfügung stehenden Sachverständigen, und damit die Amtssachverständigen, definiert werden. Für eine dem Beschwerdeführer vorschwebende Bestellung des Amtsarztes einer Bezirkshauptmannschaft fehlte der Erstbehörde die rechtliche Möglichkeit, da dieser zwar der Bezirkshauptmannschaft, nicht aber der Erstbehörde im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG "beigegeben" ist.
Im Übrigen besteht im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt dafür, dass die Untersuchung durch einen gemäß § 90 KOVG bestellten Sachverständigen im Sinne dessen Abs. 4 nicht oder nur erschwert möglich gewesen ist. Im Hinblick darauf, dass die vom Beschwerdeführer vermutete Bindung an den Inhalt des nach den Regeln des § 90 KOVG erstellten Gutachtens nicht besteht, kann der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer geäusserten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilen und sieht sich zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG nicht veranlasst.
Dem Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang auch zu entgegen, dass es ihm wie bereits ausgeführt, freigestanden wäre, ein Gegengutachten durch einen ärztlichen (nichtamtlichen) Sachverständigen beizubringen, wenn er das vom Amtssachverständigen erstellte Gutachten für unrichtig gehalten hat, so insbesondere in der Frage, welchen Grad seine Behinderung aufweist (40 v.H. laut Gutachten oder 50 v.H. nach Meinung des Beschwerdeführers).
Nicht verständlich sind die "vorsichtshalber" unter Pkt. 9 des Beschwerdeschriftsatzes ausgeführten Hinweise auf das Behindertenwerkstätten-Vorfinanzierungsgesetz und die Verordnungsermächtigung des § 14 Abs. 3 BEinstG.
Der Beschwerdeführer ist entgegen seinen oben abgehandelten Beschwerdeargumenten damit im Recht, dass sich die Behörde mit den von ihm vorgelegten Gutachten und Befunden auseinandersetzen muss. Das von ihm im Verfahren erster Instanz im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs vorgelegte Schreiben Dris. P. (offenbar eines Arztes für Allgemeinmedizin) vom 1. Juni 1999 wurde der Leitenden Ärztin der Erstbehörde zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Diese hat darin keinen Anlass für eine Änderung der Einschätzung oder eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens gesehen. Dies wurde dem Beschwerdeführer in der Begründung (dem Beiblatt) des Erstbescheides vom 29. Juni 1999 zur Kenntnis gebracht. Er hat in seiner Berufung gegen den Erstbescheid diesen Umstand nicht geltend gemacht. Es kann der belangten Behörde kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf nicht mehr zurückgekommen ist, zumal dieses Schreiben keinerlei Auseinandersetzung mit dem in erster Instanz eingeholten Gutachten enthält.
Die Beschwerde erweist sich als insgesamt unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. Juni 2000
Schlagworte
Amtssachverständiger der Behörde beigegebenBegründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung hinsichtlich einander widersprechender BeweisergebnisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000110093.X00Im RIS seit
27.03.2001Zuletzt aktualisiert am
24.06.2013