TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/27 99/11/0310

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Veröffentlicht am 27.06.2000
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Index

L94409 Krankenanstalt Spital Wien;

Norm

KAG Wr 1987 §4 Abs2 lita idF 1995/009;
KAG Wr 1987 §4 Abs2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Mizner, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der Ärztekammer für Wien, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in 1013 Wien, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 31. August 1999 (Beschlussdatum 30. August 1999), Zl. MA 15-II-H/19/211/98 (Beschlusszahl Pr.Zl.: 0920/99), betreffend Änderung einer krankenanstaltenrechtlichen Errichtungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: F Betriebsgesellschaft m.b.H., W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Kostenersatzbegehren der beschwerdeführenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

Am 22. November 1994 stellte die F Betriebsgesellschaft m.b.H. W (mitbeteiligte Partei) das Ansuchen um Bewilligung zur Änderung des bestehenden selbständigen Ambulatoriums "F", einer Privatkrankenanstalt für Sterilitätsbehandlung, Präventivmedizin, Kosmetische Chirurgie und Schmerzbekämpfung, durch Erweiterung des Anstaltszweckes um das Fach "Chirurgie" zur Vornahme tageschirurgischer Eingriffe. Mit Schreiben vom 8. Februar 1995 führte sie aus, dass in der bestehenden Tagesklinik zur Durchführung der gynäkologisch-chirurgischen und kosmetisch-chirurgischen Eingriffe bereits ein entsprechend ausgestatteter Operations-Eingriffsraum samt den erforderlichen Räumlichkeiten (mit Betten) zur postoperativen Beobachtung vorhanden sei, also die Einrichtung für allgemein chirurgische Operationen schon vollständig bestehe. Es sei der Bedarf für tagesklinisch mögliche chirurgische Operationen gestiegen, wobei besonderer Bedarf für Varizenoperationen, Chirurgie kleiner Hauttumore und endoskopisch-chirurgische Eingriffe bestehe. Da die Sozialversicherungsanstalten und die beschwerdeführende Partei einen Bedarf unter Hinweis darauf, dass die Leistungen auch in den Ordinationen der niedergelassenen Kassenvertragsärzte mit entsprechender Ausstattung vorgenommen würden, verneinten, wobei die beschwerdeführende Partei auch einen Honorarkatalog der Wiener Gebietskrankenkasse für Fachärzte für Chirurgie vorlegte, übermittelte die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 10. Juli 1995 einen Katalog der tagesklinisch durchzuführenden Operationen unter Hinweis auf einen angeschlossenen Auszug aus dem Operationsgruppenschema der Fachgruppe Allgemeine- und Gefäßchirurgie. Sie verwies darauf, dass die überwiegende Anzahl der Operationen in den Ordinationen der niedergelassenen Vertragsfachärzte, die über keine Ausstattung wie sie verfügen, nur mit einem unvertretbaren medizinischen Risiko durchgeführt werden könnten. Der Katalog enthält die Operationsgruppen II bis V (in der Folge auch mit arabischen Ziffern bezeichnet). Dazu äußerte die beschwerdeführende Partei am 13. Juli 1995, dass mit wenigen Ausnahmen die Operationen auch von den niedergelassenen Ärzten vorgenommen würden, was sich ohne weiteres auch mit Hilfe von diesbezüglichen Statistiken auf Grund der verrechenbaren Honorarpositionen bei der Wiener Gebietskrankenkasse feststellen lasse. Am 22. November 1995 erstattete sie eine weitere ergänzende Stellungnahme.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Jänner 1996 wurde die beantragte Erweiterung des Anstaltszweckes um das Fach "Chirurgie" bewilligt. Mit hg. Erkenntnis vom 26. März 1998, Zl. 96/11/0090, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Es wird daher des Näheren auf die Ausführungen in diesem Erkenntnis verwiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31. August 1999 wurde der mitbeteiligten Partei, nachdem zwischenzeitig mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 1999 die Änderung der Bezeichnung "Fertility Center Wien" in "Tagesklinik Wien für Sterilitätsbehandlung, Präventivmedizin, Schmerzbekämpfung, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie plastische Chirurgie" genehmigt worden war, die in Rede stehende Änderung der bestehenden Bewilligung durch Erweiterung des Anstaltszweckes um das Fach "Chirurgie" zur Vornahme tageschirurgischer Eingriffe erteilt.

In ihrer auf § 4 Abs. 6 des Wiener Krankenanstaltengesetzes in Verbindung mit Art. 131 Abs. 2 B-VG gestützten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die beschwerdeführende Partei Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die beschwerdeführende Partei hat eine Äußerung zur Gegenschrift vorgelegt. Die mitbeteiligte Partei hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die wesentlichen Verfahrensmängel, die zur Aufhebung des Vorbescheides vom 18. Jänner 1996 durch das erwähnte Erkenntnis vom 26. März 1998 geführt haben, lagen in Ansehung der Bejahung des Bedarfes an der Erweiterung des Anstaltszweckes der in Rede stehenden Einrichtung der mitbeteiligten Partei im Sinne des § 4 Abs. 2 lit. a des Wiener Krankenanstaltengesetzes (idF der Novelle LGBl. Nr. 9/1995) vor. Der Verwaltungsgerichtshof bejahte zwar zunächst, dass durch die geplante Erweiterung des Anstaltszweckes eine Erleichterung bzw. Förderung der extramuralen ärztlichen Versorgung der Bevölkerung bewirkt würde, vermisste aber ausreichende Ermittlungen und Feststellungen hinsichtlich der Wesentlichkeit dieser Erleichterung bzw. Förderung, welche erst eine Voraussetzung für die Annahme eines Bedarfes im Sinne des Gesetzes gewesen wären. Er vermisste insbesondere Feststellungen hinsichtlich der Zahl der tageschirurgischen Eingriffe, die in einschlägigen Facharztordinationen (mit Kassenverträgen) wegen des damit verbundenen Risikos nicht (mehr) vorgenommen werden können, bei denen es aber einer Aufnahme in stationäre Anstaltspflege nicht bedarf. Sollte es sich dabei nämlich um eine vernachlässigbare Größe handeln, wäre das Vorliegen eines Bedarfes zu verneinen. Andernfalls (d. h. wenn die Zahl der Eingriffe nicht nur vernachlässigbar ist) wäre zu prüfen gewesen, ob der Bedarf an diesen Eingriffen nicht schon durch bestehende Einrichtungen (nämlich kasseneigene Ambulatorien und Vertragseinrichtungen der Kassen) gedeckt sei. Klärungsbedürftig sei auch die Bewertung des "am faktisch gleichen Standort" befindlichen Ambulatoriums D. Weiters sei auch die Frage der Größe des Einzugsgebiets des antragsgegenständlichen Ambulatoriums zu klären, zumal dann, wenn von einem nicht nur auf die nähere Umgebung beschränkten Einzugsgebiet auszugehen sei, der Bedarf in Bezug auf das angenommene weitere Einzugsgebiet zu prüfen sei.

Die belangte Behörde holte im fortgesetzten Verwaltungsverfahren neuerlich Stellungnahmen der beschwerdeführenden Partei und der Sozialversicherungsträger (wobei nur die Wiener Gebietskrankenkasse davon Gebrauch machte) sowie ein Gutachten eines ärztlichen Amtssachverständigen ein. Sie übernahm in der Begründung des angefochtenen Bescheides weitgehend die Ausführungen des Sachverständigen und setzte sich auch mit der Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei auseinander. Sie gelangte abschließend zu den Feststellungen, dass die im Einzugsgebiet der geplanten Einrichtung (im Hinblick auf ihren Standort im 19. Wiener Gemeindebezirk wurden darunter neben diesem Bezirk nur noch der 9., der 18. und der 20. Wiener Gemeindebezirk verstanden) bestehenden Facharztordinationen die im Leistungsangebot aufscheinenden Eingriffe mangels entsprechender Kassenverträge nicht auf Sozialversicherungskosten erbrächten, dass im Einzugsgebiet keine Vertragsambulatorien der Kassen und keine kasseneigene Einrichtungen, die das Leistungsangebot im ambulanten Bereich erfüllten, bestünden, dass mit dem an der derselben Anschrift bestehenden Ambulatorium Döbling für das Leistungsangebot keine Sozialversicherungsverträge bestünden sowie dass sich für die Patienten ein wesentlicher Vorteil aus der ambulanten Durchführung der Eingriffe statt deren stationärer Erbringung ergebe. Dies führe zur Feststellung, dass ein Bedarf an der Erweiterung des bestehenden Anstaltszweckes um das Fach "Chirurgie" bestehe.

Mit Recht rügt die beschwerdeführende Partei neuerlich, dass sich die belangte Behörde mit dem schon im hg. Vorerkenntnis vom 26. März 1998 aufgezeigten Mangel betreffend die Klärung der Frage des Einzugsgebiets des Ambulatoriums nicht auseinander gesetzt habe, obwohl dies eine notwendige Grundlage für die erforderliche Bedarfsprüfung gewesen wäre. Hat doch selbst der im ersten Rechtszug beigezogene medizinische Amtssachverständige in seinem Gutachten am 19. Mai 1995 ausgeführt, das F Center sei ein Privatambulatorium für Personen, die in Erwartung besonderer medizinischer und pflegerischer Leistungen diese Einrichtung in Anspruch nehmen wollen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Einzugsgebiet auf die nähere Umgebung beschränke, sondern es werden Patienten aus ganz Wien und möglicherweise auch darüber hinaus aus den genannten Gründen die Leistungen dieser Privatkrankenanstalt in Anspruch nehmen. Damit haben sich weder der im weiteren Verfahren beigezogene medizinische Amtssachverständige, der ohne Begründung nur auf die Bezirke 9., 18., 19. und 20. abstellt, noch die belangte Behörde auseinander gesetzt. Das Gesetz knüpft nicht an Bezirksgrenzen an; es besteht auch kein Erfahrungssatz des Inhaltes, dass sich Personen, die medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, bei der Wahl der medizinischen Einrichtung an Bezirksgrenzen orientieren. Bei der Prognoseentscheidung, die die Behörde bei der Ermittlung des Einzugsgebietes zu treffen hat, hat sie - auf sachverständiger Basis (gegebenenfalls ausgehend von Erfahrungswerten, die bei entsprechenden Einrichtungen bestehen) - unter Einbeziehung der Verkehrsverhältnisse im Bereich des Standortes, aber ohne Bindung an Bezirks- oder Gemeindegrenzen den Kreis jener Personen zu ermitteln, die das konkrete Leistungsangebot der geplanten medizinischen Einrichtung am konkret in Aussicht genommenen Standort voraussichtlich in Anspruch nehmen werden. Schon allein deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, da im Falle des Zutreffens eines größeren Einzugsgebietes der zur Frage der Bedarfsprüfung heranzuziehende Kreis der betroffenen Einrichtungen und Vertragsärzte ein weitaus größerer wäre.

Die belangte Behörde hat die Annahme des Bedarfes auf die Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen gestützt. Zutreffend verweist die mitbeteiligte Partei darauf, dass diese Ausführungen nicht in nachvollziehbarer Weise und damit schlüssig erkennen lassen, auf welche Weise der Amtssachverständige zu den Feststellungen, die die Grundlage seines Gutachtens bildeten, gekommen ist. Die beschwerdeführende Partei hat wiederholt darauf verwiesen, dass alle Operationen der Operationsgruppen 1-3 (ausgenommen Laparoskopie der Gruppe 3), aber auch viele der Gruppen 4 und 5, von den niedergelassenen Ärzten durchgeführt würden. Der Akteninhalt lässt nicht erkennen, dass der Amtssachverständige die diesbezüglich erforderlichen Erhebungen bei den in Frage kommenden Personen durchgeführt hätte, um damit den wesentlichen Umstand, welche Zahl der tageschirurgischen Eingriffe in den einschlägigen Facharztordinationen nicht mehr mit einem medizinisch vertretbaren Risiko vorgenommen werden könnten, einer Klärung zuzuführen. Hiebei hätte es der Feststellung aller chirurgischen Leistungen bedurft, da nur dann davon gesprochen werden kann, ob es sich um eine wesentliche oder eine zu vernachlässigende Zahl handelt, dies umso mehr, als durch die erteilte Bewilligung der mitbeteiligten Partei die Durchführung aller Operationsgruppen genehmigt wurde. Nach der Aktenlage hat der Amtssachverständige im Wesentlichen die Behauptungen der mitbeteiligten Partei seinem Gutachten zugrunde gelegt. Dabei fällt auf, dass die mitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme vom 16. November 1998 eine Zahl von 863 (im Jahre 1996 und 1997 durchgeführten) Operationen, die in Facharztordinationen nur mit einem unvertretbaren Risiko hätten vorgenommen werden können, nannte, und zwar unter Anführung einer OP-Liste nach OP-Gruppen, jedoch in ihrer Stellungnahme vom 18. Jänner 1999 unter Anschluss derselben Liste diese Zahl auf 648 verringerte, wobei auch darunter solche in Lokalanästhesie (OP-Gruppen 2 und 3: zusammen 104) aufscheinen. Es findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Amtssachverständige die Stichhältigkeit der Liste durch entsprechende Erhebungen (etwa durch Einsehen der OP-Berichte) einer Überprüfung unterzogen hätte.

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck bringt, für die Bedarfsprüfung seien nur die bestehenden kassenvertraglichen Verpflichtungen ins Kalkül zu ziehen, und nicht etwa auch das Angebot einzelner Ärzte, Leistungen auf Basis privater Honorierung zu erbringen, so übersieht sie, dass es auf das gesamte Leistungsspektrum der in § 4 Abs. 2 lit. a WrKAG 1987 genannten Ärzte und Einrichtungen ankommt. Der vor Konkurrenzierung durch die in der Rechtsform selbständiger Ambulatorien agierende Anbieter ärztlicher Leistungen geschützte Bereich ist nicht darauf beschränkt, welche Leistungen von den Kassen kostenmäßig getragen oder ersetzt werden. Vielmehr ist mangels Differenzierung im Gesetz davon auszugehen, dass auch solche Leistungen, deren Kosten von den Kassen nicht getragen oder ersetzt werden, die aber einen unabdingbaren Bestandteil der Einkünfte der meisten Kassenvertragsärzte erbringen, bei der Bedarfsprüfung jedenfalls zu berücksichtigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 98/11/0280). Im fortgesetzten Verfahren wird aber auch auf das in einer Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde enthaltene Vorbringen der beschwerdeführenden Partei betreffend die Durchführung von Operationen durch die niedergelassenen Kassenvertragsärzte als Belegärzte und dessen Bedeutung für die niedergelassenen Kassenvertragsärzte einer entsprechenden Würdigung zu unterziehen sein.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Das Kostenersatzbegehren der beschwerdeführenden Partei war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999110310.X00

Im RIS seit

17.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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