TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/27 99/11/0088

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Veröffentlicht am 27.06.2000
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Index

L92055 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Salzburg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
SHG Slbg 1975 §50 Abs2;
SHG Slbg 1975 §50 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. Günther Pullmann, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 9, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 2. Oktober 1998, Zl. 3/01-23.306/16-1998, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seins Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers "vom 7.7.1998" auf Gewährung von Sozialhilfe gemäß den §§ 6, 7, 8, 10, 11, 12, 12a und 50 des Salzburger Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 19/1975 "idgF" (SSHG) abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 des Salzburger Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 19/1975 (SSHG), welches in der hier maßgeblichen Fassung zuletzt mit der Novelle LGBl. Nr. 18/1998 geändert wurde, hat ein Hilfesuchender, der sich im Lande Salzburg aufhält, Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, wenn er den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz leg. cit. ist die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nicht zu gewähren, soweit andere Personen oder Einrichtungen auf Grund gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelung Hilfe leisten.

Gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. ist die Hilfe nur insoweit zu gewähren, als der Einsatz des Einkommens und des verwertbaren Vermögens des Hilfesuchenden nicht ausreicht, um den Lebensbedarf (§ 10) zu sichern. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. gelten als nicht verwertbar Gegenstände, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung angemessener kultureller Bedürfnisse dienen. Gemäß § 8 Abs. 3 leg. cit. darf die Verwertung des Vermögens nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder von einer vorübergehenden zu einer dauernden wird. Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. gehört zum Lebensbedarf u.a. auch der Lebensunterhalt (Z. 1), welcher nach § 11 leg. cit. die nötige Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und andere notwendige persönliche Bedürfnisse sowie im angemessenen Umfang die Pflege und Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben umfasst.

§ 50 leg. cit. hat folgenden Wortlaut:

"Anzeige- und Rückerstattungspflicht

§ 50

(1) Der Empfänger von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes oder dessen gesetzlicher Vertreter hat jede Änderung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse, auf Grund derer Art und Umfang der Hilfe neu zu bestimmen wären oder die Hilfe einzustellen wäre, unverzüglich der Behörde erster Instanz anzuzeigen.

(2) Die durch falsche Angaben, Verheimlichung von für die Leistungspflicht bedeutenden Umstände oder durch Verletzung der im Abs. 1 bestimmten Anzeigepflicht zu Unrecht empfangenen Leistungen sind vom Empfänger zurückzuerstatten. Gleiches gilt, wenn der Empfänger erkennen musste, dass die Hilfeleistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Über die Rückerstattung ist mit Bescheid zu entscheiden. Zuständig hiefür ist jene Behörde, die den Bescheid über die Gewährung der Leistung in erster Instanz erlassen hat.

(3) Die Rückerstattung kann in angemessenen Teilbeträgen bewilligt werden, wenn eine andere Art der Rückerstattung dem Verpflichteten nicht zumutbar ist. Die Rückerstattung kann auch in der Form erfolgen, dass die laufenden Sozialhilfeleistungen um mindestens 20 vH des Richtsatzes vermindert werden. Die Rückerstattung kann auch zur Gänze nachgesehen werden, wenn das Verschulden des Verpflichteten geringfügig ist und die Folgen unbedeutend sind oder durch die Rückerstattung der Erfolg der Sozialhilfe gefährdet wäre.

(4) Über die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 ist der Hilfeempfänger oder dessen gesetzlicher Vertreter anlässlich der Hilfegewährung zu belehren.

(5) Wer sich durch falsche Angaben, Verheimlichung von für die Leistungspflicht bedeutenden Umständen, Unterlassung von Anzeigen gemäß Abs. 1 oder dgl. Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes erschleicht, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geld bis zu 30.000 S oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen. Bei Vorliegen erschwerender Umstände können Geld- und Freiheitsstrafe nebeneinander verhängt werden."

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg wies in seinem Bescheid vom 15. Juli 1998 den Antrag des am 22. Oktober 1961 geborenen Beschwerdeführers vom 7. Juli 1998 mit der wesentlichen Begründung ab, dass die Gewährung von Sozialhilfe für Juli 1998 abzulehnen sei, weil der Beschwerdeführer mit S 936,05 über dem "Sozialhilferichtsatz" liege. Es habe eine Richtsatzkürzung von 20 % gemäß § 50 SSHG durchgeführt werden müssen, weil der Beschwerdeführer durch das bisherige Verschweigen seiner Unfallrente einen Sozialhilfeüberbezug verursacht habe.

Aus dem Inhalt der Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer, soweit hier relevant, in der Zeit vom 30. Juli 1997 bis 2. Juni 1998 Sozialhilfe in der Höhe von insgesamt S 24.408,92 bezogen hatte, und dass nach Durchführung einer internen Revision beim Sozialamt des Stadtmagistrates Salzburg festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Salzburg, ab 1.1.1996 eine 25 %ige Dauerrente in der Höhe von S 3.223,10 bezogen hat, welche ab 1. Jänner 1998 auf S 3.266,-- monatlich erhöht wurde.

Die belangte Behörde bestätigte mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Oktober 1998 die erstinstanzliche Entscheidung und führte in der wesentlichen Begründung, nach Darstellung der Rechtslage, aus, dass sich der Lebensbedarf des Beschwerdeführers wie folgt darstelle: Alleinunterstütztenrichtsatz, welcher um 20 % aus dem von der Erstinstanz genannten Grund gekürzt wurde, S 3.880,--, Miete S 3.061,18 und Stromkosten S 204,--, daher insgesamt S 7.145,18. Die eigenen Mittel des Beschwerdeführers seien folgende: Unfallrente S 3.266,--, Notstandshilfe S 4.491,90, Sonderzahlungszwölftel S 323,33, insgesamt daher S 8.081,23. Es sei daher die von der Erstbehörde so genannte "Richtsatzüberschreitung" in der Höhe von S 936,05 gegeben.

Der Behörde sei ausgehend von § 50 Abs 3 SSHG ein Ermessensspielraum gegeben, welcher vom völligen Verzicht auf die gesamte Rückerstattung - bei geringfügigem Verschulden und unbedeutenden Folgen - bis zur sofortigen Fälligstellung des Überbezuges reiche. Die sofortige Fälligstellung wäre im gegenständlichen Fall unzumutbar gewesen und würde mit größter Wahrscheinlichkeit den Erfolg der bisherigen Sozialhilfeleistung zunichte machen. Demgegenüber habe dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die einschlägigen Rechtsbelehrungen, welche jeder Sozialhilfebescheid im Nachhang enthalten habe, klar sein müssen, dass auch Einkommensbezüge, resultierend aus einer Unfallrente im Rahmen der Ermittlung des Sozialhilfeanspruches zu berücksichtigen seien. Von einem lediglich geringfügigen Verschulden und unbedeutenden Folgen im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung könne nach Ansicht der belangten Behörde nicht ausgegangen werden. Es sei daher die Festsetzung der monatlichen Rückzahlungsrate in der Höhe von 20 % des Richtsatzes, somit S 970,--, nicht als rechtswidrig anzusehen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei daher nicht geeignet, an dem durch den Bescheid der Erstbehörde bewirkten Ergebnis, nämlich Ablehnung der Sozialhilfeleistung für den Monat Juli 1998, eine Änderung herbeizuführen.

In weiterer Folge wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Magistrates der Stadt Salzburg, MA 3, Sozialamt, vom 22. Feber 1999 mitgeteilt, dass sich der Überbezug mit S 20.687,67 beziffere, wobei von der ursprünglichen Höhe von S 24.408,92 ein Betriebskosten-Guthaben in der Höhe von S 3.721,25 abgezogen worden sei.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die von ihm bezogene Unfallrente nicht angeführt zu haben, bringt jedoch vor, dass dies weder vorsätzlich geschehen sei, noch sei er sich dessen "in irgendeiner Weise bewusst" gewesen. Dies gehe daraus hervor, dass er auch seine Unterhaltspflicht gegenüber seinem außerehelichen Kind nicht angeführt habe, obwohl ihm dies nützlich gewesen wäre. Damit sei eine der beiden Voraussetzungen für den gänzlichen Nachlass der Rückerstattung des Überbezuges, nämlich ein geringfügiges Verschulden des Verpflichteten, gegeben. Auch die zweite Voraussetzung für ein Nachsehen der Rückerstattung, nämlich unbedeutende Folgen, sei gegeben. Es sei von einem Betrag von S 20.687,67 auszugehen, wobei bei der Beurteilung der Frage, ob dieser Betrag eine bedeutende Folge darstelle oder nicht, "auf die geringe Empfindlichkeit des Schadens für die geschädigte Behörde" Rücksicht zu nehmen sei und auch auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer keine Rückzahlung zu leisten hätte, wenn er nicht ebenso vergessen hätte, seine Unterhaltspflicht für seinen 14-jährigen Sohn anzugeben. Auch würde durch eine Rückerstattung der Erfolg der Sozialhilfe gefährdet sein.

Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde eine ihn treffende Unterhaltspflicht für seinen außerehelichen Sohn behauptet, ist ihm zu entgegnen, dass er sich im Verwaltungsverfahren - wie er selbst zugesteht - auf eine derartige Unterhaltspflicht nicht bezogen hat, sodass seine diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde als unzulässige Neuerungen unbeachtlich sind.

Was das Verschulden des Beschwerdeführers anlangt, unterlässt er es, konkrete Gründe dafür anzuführen, warum er die monatlichen Einkünfte aus der Unfallrente nicht genannt hat. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die an den Beschwerdeführer ergangenen Sozialhilfebescheide und die darin unbestritten aufgenommene Rechtsbelehrung hinsichtlich § 50 SSHG davon ausging, dem Beschwerdeführer hätte bewusst sein müssen, dass auch die Bezüge aus der Unfallrente für das Einkommen des Beschwerdeführers Relevanz haben und deren Nichtangabe nicht auf bloß geringfügiges Verschulden des Beschwerdeführers zurückzuführen ist.

Der Beschwerdeführer vermag auch keine schlüssigen Gründe dafür zu nennen, es sei im Hinblick auf die Höhe des geschuldeten Betrages eine "geringe Empfindlichkeit des Schadens für die geschädigte Behörde" gegeben. Hiebei macht es auch keinen Unterschied, dass durch die Berücksichtigung eines Betriebskostenguthabens von einer zu Unrecht bezogenen Sozialhilfeleistung von insgesamt S 20.687,67 auszugehen ist, weil auch ein Betrag in dieser Höhe nicht als unbedeutend angesehen werden kann und sein dem Gesetz entsprechender Einsatz im Hinblick auf den unberechtigten Bezug durch den Beschwerdeführer verhindert war.

Dennoch kommt der Beschwerde Berechtigung zu. Gemäß § 50 Abs. 2 dritter Satz SSHG ist - wie eingangs dargestellt - über die Rückerstattung mit Bescheid zu entscheiden. Dies bedeutet, dass die Sozialbehörde einen Bescheid zu erlassen hat, dessen Spruch den normativen Inhalt hat, dass der seinerzeitige Empfänger der Sozialhilfe verpflichtet wird, zu Unrecht empfangene Leistungen in bestimmter Höhe - allenfalls, so die Behörde den zweiten Satz des § 50 Abs. 3 SSHG anwendet - innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zurückzuzahlen.

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid über einen Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Sozialhilfe entschieden, der zwar in der Begründung die Auffassung der Behörde zum Ausdruck bringt, der Beschwerdeführer habe zu Unrecht bezogene Leistungen (deren Höhe sich im Übrigen nachträglich geändert hat) zurückzuerstatten, die die Höhe der begehrten Sozialhilfe übersteigen, ohne dass sie jedoch in diesem Bescheid oder einem vorangegangenen Bescheid über den Rückerstattungsanspruch im Sinne des § 50 Abs. 2 dritter Satz SSHG förmlich abgesprochen hätte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Juni 2000

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999110088.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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