Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2017 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz P***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 27. Februar 2017, GZ 49 Hv 34/15t-177, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch A erfassten Taten auch nach §§ 147 Abs 1 Z 1 und 148 zweiter Fall StGB, demgemäß auch in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit und im Crina P***** betreffenden Strafausspruch, aufgehoben, und die Sache in diesem Umfang an den Einzelrichter des Landesgerichts Wiener Neustadt verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird Crina P***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Franz P***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – Crina P***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (richtig:) fünfter Fall und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (A), Franz P***** jeweils eines Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, 3 und 4 zweiter Fall StGB (B/II) und des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (B/IV) sowie des Vergehens der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 StGB (B/V) schuldig erkannt.
Danach haben
A/ Crina P***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter wiederholt gewerbsmäßig und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch die Vorspiegelung, zum Bezug von Treibstoff auf Rechnung der Spedition W***** SA berechtigt zu sein, unter Benützung einer Tankkarte dieser Spedition, mithin eines anderen solchen Beweismittels, andere zu Handlungen, nämlich der Ausfolgung von Diesel, welche die genannte Spedition im 5.000 Euro übersteigenden Gesamtbetrag schädigten, verleitet, und zwar
a/ von 29. Juli 2010 bis 24. März 2011 in P***** Verfügungsberechtigte der S***** zur Überlassung von 6.261 Litern Diesel im Gesamtwert von 8.140,02 Euro;
b/ am 2. Dezember 2010 in B***** Verfügungsberechtigte der S***** zur Überlassung von 30 Litern Diesel im Gesamtwert von 39 Euro;
B/ Franz P*****
II/ wiederholt Sachen im Wert von mehr als 5.000 Euro, die Crina P***** durch die zu Punkt A beschriebenen, mit Strafe bedrohten Handlungen gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, an sich gebracht und für sich verwendet, wobei er die Hehlerei gewerbsmäßig betrieb;
IV/ am 20. August 2011 als Polizeibeamter der Polizeiinspektion B***** mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Verfolgung von Verwaltungsübertretungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des „Bundes“ (richtig: Landes [Art 11 Abs 1 Z 4 B-VG]) als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er das Ergebnis einer bei Clemens Sc***** nach § 5 Abs 2 StVO durchgeführten Überprüfung nicht anzeigte, obwohl infolge des positiven Resultats des Alkomattests eine Verwaltungsübertretung (§ 99 Abs 1a StVO) feststand;
V/ im September (richtig [vgl US 16 und 26]) 2011 als Polizeibeamter der Polizeiinspektion B*****, mithin als Amtsträger, für die pflichtwidrige Unterlassung eines Amtsgeschäfts, nämlich der Anzeigeerstattung wegen der von Clemens Sc***** begangenen Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1a StVO von dessen Vater, Joachim Sc***** einen Vorteil, nämlich Vergünstigungen beim beabsichtigten Kauf eines Pkw, für sich gefordert.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von beiden Angeklagten gemeinsam ausgeführten, jeweils aus Z 5 und 9 lit a, von Crina P***** auch aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht im Recht.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Crina P*****:
Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Angaben der bei der Spedition W***** SA beschäftigten Zeugin Viorica Pe***** ohnehin erörtert, diese jedoch nicht als erheblich gewertet (US 23). Zutreffend verwiesen die Tatrichter darauf, dass diese Zeugin mit der Überprüfung von Tankkarten der Spedition nicht befasst war. Mit deren Aussage, ihr sei nie eine missbräuchliche Kartenverwendung aufgefallen (ON 165 S 4 f), mussten sie sich daher im Urteil nicht auseinandersetzen.
Feststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge bekämpfbar, als sie (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) entscheidende Tatsachen betreffen (RIS-Justiz RS0117499). Eine solche spricht die Beschwerdeführerin nicht an, indem sie mangelnde Erörterung von Beweisergebnissen reklamiert, nach welchen der Schaden nicht bei der Spedition W***** SA, sondern (letztlich) beim Lkw-Fahrer eingetreten sei, für den die widerrechtlich benützte Tankkarte ausgestellt worden war (zur Irrelevanz einer Schadensüberwälzung vgl RIS-Justiz RS0094502; Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 60).
Die Kritik fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zum Schädigungsvorsatz der Beschwerdeführerin (US 14) übergeht die entsprechenden Urteilspassagen (RIS-Justiz RS0119370). Die Ableitung dieser Feststellungen „aus dem objektiven Geschehen“ (US 24) begegnet unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS-Justiz RS0116882). Das weitere, in diesem Zusammenhang erstattete Rechtsmittelvorbringen erschöpft sich in einer Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt, indem sie aus vom Erstgericht ohnehin erörterten Prämissen (den Aussagen der Zeugen Cornel D***** und Viorica Pe***** [vgl US 23]) für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlussfolgerungen zieht, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0099674).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zum auf Schädigung und unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz behauptet, dabei aber die genau dazu getroffenen Konstatierungen (US 14 iVm US 34) ignoriert, verfehlt sie den gesetzlichen (tatsächlichen) Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099810).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Franz P*****:
Soweit der Beschwerdeführer zum Schuldspruch B/II (ohne Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen) auf das Vorbringen der Mitangeklagten zum Schuldspruch A verweist und bloß behauptet, mangels Vortat sei „auch der Tatbestand der Hehlerei nicht gegeben“, kann auf die dortige Antwort verwiesen werden.
Zum Schuldspruch B/IV nimmt die Behauptung der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), das Erstgericht habe die Feststellung, Clemens Sc***** habe sein Auto alkoholisiert in Betrieb genommen (was den Beschwerdeführer zu einer Amtshandlung nach § 5 Abs 2 StVO veranlasst habe), ausschließlich auf die Aussage des Zeugen Martin K***** gestützt, nicht Maß an der Gesamtheit der tatrichterlichen Erwägungen (erneut RIS-Justiz RS0119370), die insoweit auch die Aussagen der Zeugen Joachim und Clemens Sc***** und den Umstand, dass dieser den Messstreifen (des Alkomattests) unterschrieben habe, anführten (US 24 f). Im Übrigen ist der Verweis auf die – zu Recht als eindeutig qualifizierte (US 25 iVm ON 145 S 54 ff) – Aussage des Zeugen Martin K***** unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Erhebliche, im Urteil mit Stillschweigen übergangene Passagen derselben vermag die Rüge (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) nicht aufzuzeigen. Auch sie erschöpft sich in unzulässiger Beweiswürdigungskritik.
Gleiches gilt, soweit die (im Übrigen keineswegs unbegründete [US 25 f]) Einschätzung des Erstgerichts von der Unglaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen Tobias R***** kritisiert wird.
Dem Einwand der zum Schuldspruch B/V ausgeführten Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider begründeten die Tatrichter die Feststellung zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerung nicht mit der subjektiven Meinung und Schlussfolgerung des Zeugen Joachim Sc***** (vgl RIS-Justiz RS0097545), sondern dessen Schilderung des Gesprächswortlauts, also dessen sinnliche Wahrnehmungen über Tatsachen (US 26). Dass diese Äußerungen des Beschwerdeführers auch anders interpretiert werden können, stellt den geltend gemachten Begründungsmangel nicht her.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt, indem sie zu den Schuldsprüchen B/IV und V jeweils ohne Auseinandersetzung mit dem Urteilssachverhalt pauschal Rechtsfehler mangels Feststellungen behauptet, erneut die prozessförmige Darstellung (RIS-Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zur amtswegigen Maßnahme:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von einem nicht geltend gemachten Subsumtionsfehler (Z 10) zum Nachteil der Angeklagten Crina P*****, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Nach dem vom Erstgericht zum Schuldspruch A festgestellten Urteilssachverhalt, habe Crina P***** – von ihrem Vorsatz umfasst – bei den inkriminierten Tankvorgängen eine Tankkarte der Spedition W***** SA zur Bezahlung verwendet, ohne dazu berechtigt zu sein. Die Tatrichter sahen die Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 (gemeint:) fünfter Fall StGB begründet, weil Crina P***** ein „anderes solches Beweismittel benützt“ habe (US 34). Die für eine solche Subsumtion erforderlichen (vgl RIS-Justiz RS0127023, RS0104980; Kirchbacher in WK2 StGB § 147 Rz 29 und 38 f) Konstatierungen, dass dieses Beweismittel falsch oder verfälscht gewesen sei, hat das Erstgericht indes nicht getroffen (vgl US 14, 23 und 34).
Da die Entscheidungsgründe auch keine Anhaltspunkte dafür enthalten, dass die angelasteten Betrugshandlungen (zumindest teilweise) je für sich wertqualifiziert (§ 147 Abs 2 StGB) waren, ermangelt auch die Subsumtion nach § 148 zweiter Fall StGB sowohl im Hinblick auf die Täterintention, jeweils schweren Betrug wiederkehrend zu begehen (vgl RIS-Justiz RS0122009, RS0094708), als auch hinsichtlich der in § 70 Abs 1 Z 2 oder 3 erster Fall StGB normierten Voraussetzungen (vgl RIS-Justiz RS0130965) einer ausreichenden Sachverhaltsgrundlage.
Bleibt anzumerken, dass Tankkarten keine unbaren Zahlungsmittel sind (RIS-Justiz RS0120525 [T4]), weshalb eine Subsumtion nach § 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB (der die Benützung solcher – auch [bloß] entfremdeter – Tatmittel erfasst) vorliegend nicht in Betracht kommt.
Die Aufhebung der fehlerhaften Subsumtion einschließlich der zu Punkt A gebildeten Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (richtig:) fünfter Fall und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und des Crina P***** betreffenden Strafausspruchs schon bei der nichtöffentlichen Beratung war daher unumgänglich (§§ 285e, 290 StPO). Da der verbleibende Anklagevorwurf in die Zuständigkeit des Einzelrichters fällt, wurde von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an diesen zu verweisen (RIS-Justiz RS0100271).
Im weiteren Verfahren wird neben der Frage, ob die benützte Tankkarte, bei der es sich um eine Urkunde handelt (vgl 11 Os 106/15w [11 Os 107/15t, 11 Os 110/15h, 11 Os 121/15a]; Kienapfel/Schroll in WK2 § 223 Rz 88 und 106), ge- oder verfälscht wurde, zu prüfen sein, ob Crina P***** durch Unterfertigung der im Urteil erwähnten „Gegenscheine“ (US 23) vortäuschte, Inhaberin der Karte zu sein, und dadurch ein § 147 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB subsumierbares Verhalten setzte (vgl RIS-Justiz RS0120654, RS0093311; Kirchbacher in WK2 StGB § 147 Rz 22).
Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Franz P***** ergibt sich aus der Zurückweisung seiner Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit der amtswegigen Maßnahme verbundenen Kosten (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).
Schlagworte
Strafrecht;Textnummer
E120186European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00020.17W.1212.000Im RIS seit
29.12.2017Zuletzt aktualisiert am
29.12.2017