TE Lvwg Erkenntnis 2017/8/21 VGW-041/036/10317/2016

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Veröffentlicht am 21.08.2017
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Entscheidungsdatum

21.08.2017

Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht
19/05 Menschenrechte

Norm

AVRAG §7d Abs1
AVRAG §7f Abs1 Z3
AVRAG §7i Abs1
AVRAG §7i Abs4 Z1
MRKZP 07te Art. 4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fritz über die Beschwerde des (1976 geborenen) Herrn J. B. in Bl., Pr. (Tschechien), gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 27.06.2016, Zl. MBA ... - S 16216/16, betreffend Übertretungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), nach am 22.11.2016 durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG wird dem Beschwerdeführer kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Unter dem Datum des 27.06.2016 erließ der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, gegen den Beschwerdeführer (Bf) ein Straferkenntnis, dessen Spruch folgenden Wortlaut hat:

„Sie haben als Arbeitgeber mit Firmenstandort in Pr., Bl., Tschechien, entgegen § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG, wonach die Organe der Abgabenbehörden berechtigt sind, in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 7b Abs. 5 und § 7d) Einsicht zu nehmen, Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung dieser Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf der der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind, die Lohnunterlagen (Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung) in deutscher Sprache hinsichtlich folgender in der Zeit von 01.02.2016 bis 09.03.2016 auf der Baustelle in Wien, E.-str., beschäftiger Arbeitnehmer der Abgabenbehörde auf Aufforderung nicht nachweislich bis zum Ablauf des der Aufforderung vom 09.03.2016 zweitfolgenden Werktags, nämlich dem 11.03.2016 übermittelt hat:

1) B. M., geb. 1983, beschäftigt seit 01.02.2016

2) N. A., geb. 1991, beschäftigt seit 15.02.2016

3) P.. R., geb. 1976, beschäftigt seit 01.02.2016

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 7f Abs. 1 Z 3 iVm § 7i Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz - AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 in der geltenden Fassung.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

3 Geldstrafen von je € 750,00, falls diese uneinbringlich sind, 3 Ersatzfreiheitsstrafen von je 1 Tag und 21 Stunden gemäß § 7i Abs. 1 erster Strafsatz AVRAG

Summe der Geldstrafen: € 2.250,00

Summe der Ersatzfreiheitsstrafen: 5 Tage und 15 Stunden

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 225,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 2.475,00.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.“

Die belangte Behörde führte zur Begründung des Straferkenntnisses nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage Folgendes aus:

„Die Ihnen zur Last gelegten und im Spruch näher ausgeführten Verwaltungsübertretungen gelangten der erkennenden Behörde durch eine Anzeige der Finanzpolizei zur Kenntnis.

In Ihrer Rechtfertigung haben Sie die Begehung der Ihnen angelasteten Übertretungen bestritten und Folgendes vorgebracht:

Sie seien nicht als Arbeitgeber tätig, sondern hätten Werkverträge mit Subfirmen, diese seien auch wie verlangt übermittelt worden. Sie hätten keine illegale Beschäftigung angestrebt, sondern Sorge für die notwendigen Unterlagen getragen, Sie hätten auch Fahrzeuge mit Firmenlogos und Stundenlisten, ebenso hätten Sie eine Steuernummer in Österreich beantragt.

Aufgrund des Verdachtes hätten Sie den Auftrag inklusive Geld verloren, Ihnen sei ein finanzieller Schaden entstanden und Sie seien nach dieser Aktion existenzgefährdet.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Aufgrund der von der Finanzpolizei durchgeführten Ermittlungen ist davon auszugehen, dass es sich um Entsendungen von Arbeitnehmern und nicht um selbständige Auftragnehmer handelt.

Die angetroffenen Arbeitnehmer haben angegeben, für Ihre Firma zu arbeiten und von Ihnen Arbeitsanweisungen zu erhalten. Die Arbeitszeit sei vorgegeben, Montag bis Donnerstag je 8 Stunden, es würden Stundenaufzeichnungen geführt. Die Arbeiter würden 10.- € netto pro Stunde erhalten, die Auszahlung erfolge monatlich bar durch Sie, auch die Unterkunft würde durch Sie bezahlt.

Während der Kontrolle wurden Herr N. und Herr B. dabei angetroffen, wie sie gemeinsam im 2. Stock auf dem Balkon Bodendielen verlegt haben. Auch daraus ist abzuleiten, dass für diese Arbeiten weder eine Haftung noch eine Gewährleistung der Arbeiter möglich ist.

Sie haben bei der Kontrolle weiters angegeben, dass Sie den Arbeitern Arbeitsanweisungen geben und die Arbeitseinteilung vornehmen würden. Sie würden auch die Arbeitszeit vorgeben, die Arbeiter müssten sich bei Ihnen melden, wenn sie krank sind oder frei brauchen. Sie würden auch die Ausführung der Arbeiten kontrollieren und für Mängel haften, auch das meiste Werkzeug sei von Ihnen.

Es ist daher im gegenständlichen Fall von Arbeitsverhältnissen und nicht von einer selbständigen Tätigkeit der Arbeitnehmer auszugehen. Die Beschäftigung wird nicht nach der äußeren Erscheinungsform, sondern nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt beurteilt.

Es wurde kein abgeschlossenes, gewährleistungsfähiges, Werk geschuldet, es kann nicht nachvollzogen werden, welche konkreten Leistungen im Leistungszeitraum von wem erbracht worden sind. Die Abrechnung erfolgte pauschal nach geleisteten Stunden, sämtliche Materialien wurden von der Auftraggeberin, der Großteil des Werkzeugs von Ihnen zur Verfügung gestellt. Laut vorgelegten Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern wurden „Maurerarbeiten“ sowie „Monteur für Trockenbau, Holzverarbeitung“ vereinbart. Es wurde also nicht ein Werk im herkömmlichen Sinne geschuldet, sondern nur die eigene Arbeitskraft der Arbeiter zur Verfügung gestellt, weshalb diese als unselbständige Arbeitskräfte angesehen werden.

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in zahlreichen ähnlich gelagerten Fällen ausgesprochen, dass einfache Arbeiten (unter welche auch die hier zu beurteilenden Tätigkeiten fallen), die im unmittelbaren zeitlichen Arbeitsablauf im Zusammenwirken mit anderen Arbeitern erbracht werden müssen, kein selbstständiges Werk darstellen können.

Der Umstand, dass Arbeiter selbst über Gewerbeberechtigungen verfügen, vermag nichts daran zu ändern, dass sie im konkreten Fall nicht unternehmerisch, sondern zumindest unter ähnlichen Umständen wie ein Arbeitnehmer verwendet wurden.

Bei der Kontrolle wurde Ihnen aufgetragen, binnen 2 Tagen die Lohnunterlagen und die Sozialversicherungsdokumente an die Finanzpolizei zu übermitteln. Dieser Aufforderung sind Sie nur teilweise nachgekommen. Zwischen 10.03.2016 und 11.03.2016 wurden lediglich Stundenaufzeichnungen und Zahlungsbelege auf Tschechisch, sowie die „Vereinbarungen über Leistungsauftrag“ in Deutsch per mail übermittelt.

Die Ihnen zur Last gelegten Übertretungen sind somit in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.“

Der Bf habe kein geeignetes Vorbringen erstattet, um sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Im Übrigen begründete die belangte Behörde ihre Strafbemessung näher.

Gegen dieses Straferkenntnis (und drei weitere Straferkenntnisse) erhob der Bf fristgerecht Beschwerde (von ihm fälschlicherweise als „Einspruch“ bezeichnet). Er brachte vor, die drei namentlich genannten Personen seien nicht seine Mitarbeiter, sondern hätten diese als Selbstständige (Beauftragung mittels Werkauftrages) eine Tätigkeit auf der gegenständlichen Baustelle verrichtet. Er sei in Österreich nicht als Arbeitgeber tätig, sondern habe er mit seinem Subunternehmer einen Werkvertrag gehabt, den er auch an die Behörde geschickt habe. Er habe ihn keinster Weise fahrlässig gehandelt und ersuche daher, die Straferkenntnisse an die einzelnen Subfirmen zu adressieren. Er halte fest, dass diese nicht seine Mitarbeiter seien.

Zu dieser Beschwerde gab die Finanzpolizei ... mit Schreiben vom 21.09.2016 eine Stellungnahme ab.

Über h.a. Ersuchen teilte Frau K. mit, der Auftrag sei laut Angebot erteilt worden, aber vom Bf nicht fristgerecht bis zum 15.03.2016 erfüllt worden. Daher sei nur die Anzahlungsrechnung bezahlt worden. Es sei keine weitere Zahlung erfolgt und werde in Zukunft auch keine weitere Zahlung erfolgen. Der Vorname „Pa.“ sage ihr nichts. Es könnte sich um einen Mitarbeiter der Firma K. GmbH mit dem ähnlichen Namen „Po.“ handeln.

Das Verwaltungsgericht Wien führte (zusammen mit den Verfahren zu den Zlen. VGW-041/036/10315+10319+10321/2016) eine öffentliche mündliche Verhandlung durch (im Beisein einer Dolmetscherin für die tschechische Sprache), an der der Bf und Frau G. als Vertreterin der Finanzpolizei Wien ... teilnahmen und in der Zeugen einvernommen wurden. Der Bf gab bei seiner Einvernahme als Beschuldigter Folgendes an:

„Ich behaupte nach wie vor, dass die drei nicht meine Arbeitnehmer waren.

Ich habe in Tschechien in Bl. eine Baufirma. Ich habe Maurer gelernt. Ich habe in Tschechien keine Arbeitnehmer angemeldet. Die Wohnadresse ist gleich meine Firmenadresse. Ich habe nur einen PKW als Firmenauto (Skoda Octavia).

Ein Auszug aus dem Gewerberegister wird vorgelegt, dieser wird zum Akt genommen.

Ich bin über einen Bekannten zur Baustelle gekommen und habe ich die Telefonnummer von Frau K. angerufen. Der Bekannte hat dort was gemacht und habe ich mir die Telefonnummer genommen, um zu fragen, ob es dort für mich Arbeit gibt. Ich habe Frau K. angerufen. Frau K. spricht tschechisch und habe ich mit ihr gesprochen. Unterlagen über den Vertrag habe ich keine, diese habe ich alle übergeben. Es ist kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen worden. Ich habe mit Frau K. ausgemacht, dass der Boden auf dem Balkon gemacht wird und verschiedene Maurerarbeiten. Es stimmt, dass mir dann Herr Po. T. auf der Baustelle konkret immer gezeigt hat, was zu machen ist. Ich hätte 7.500,-- Euro bekommen sollen, tatsächlich haben wir nur 5.000,-- Euro bekommen. Wir haben dann aufgehört zu arbeiten. Wir haben jeden Tag gependelt. Wir hatten dort eine Wohnung zur Verfügung gestellt erhalten, um die Jacken abzulegen, zu jausnen etc. Herr T. kam nicht jeden Tag auf die Baustelle. Das Material war von Frau K.. Herr H. war unser Dolmetscher.

Als wir erwischt wurden, habe ich Herrn H. angerufen (ein Freund von mir) und hat er für uns gedolmetscht. Meine damaligen Angaben stimmen so. Ich bin seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr in Österreich gewesen.

M. B. ist mein Bruder.

Ich habe die Seite 57 aus dem Internet runtergeladen und ist es in Tschechien ein normaler Vertrag. Ich habe 10,-- Euro die Stunde ausgemacht. Ich habe glaublich Rechnungen der Herren auch abgegeben.

Die Dolmetscherin gibt an, dass auf Seite 53 z.B. steht, oben: Verputzen der Rillen nach Elektroarbeiten, Vermauern nach den Wasserwerkarbeiten, Türstöcke wurden eingemauert ist der letzte Eintrag. Wenn z.B. Elektroarbeiten beendet wurden, ist dann Herr T. zu mir gekommen und hat mir gesagt, was jetzt im Einzelnen konkret zu machen ist (entweder er oder Frau K.). Ich habe auch gearbeitet. Ich habe auch mitgearbeitet, Mauererarbeiten und alles was zu tun war. Ich habe mich in Tschechien erkundigt und sagte man mir dort, es passt.

Die Dolmetscherin gibt an, z.B. der Betrag der Rechnung auf Seite 56 sind ca. 1.165,-- Euro. Ich verrechne ihnen für die durchgeführten Mauererarbeiten an der genannten Adresse im Monat Februar den genannten Betrag. Unten steht noch, dass die Person nicht mehrwertsteuerpflichtig sei.“

Die Vertreterin der Finanzpolizei gab an, es seien Stundenaufzeichnungen geschickt worden, es seien am 10.03.2016 und am 11.03.2016 E-Mails eingegangen. Weiters wies sie darauf hin, dass bei den A1-Meldungen jeweils selbstständig erwerbstätig angekreuzt gewesen sei.

Herr S. machte bei seiner Einvernahme als Zeuge die folgenden Angaben:

„Die Kontrolle fand statt, weil es zuvor eine Anhaltung bei der Grenze gegeben hast. Es ist dies ein Zinshaus und ist glaub ich Frau K. vom Ganzen die Eigentümerin. Es haben Renovierungsarbeiten stattgefunden. Ich habe einen Arbeiter beim Verspachteln angetroffen. Es wurden dann den Arbeitern Personenblätter gegeben. Ich war auch bei der niederschriftlichen Einvernahme des Bf dabei. Ein Bekannter des Bf ist als Dolmetscher hinzugekommen. Dieser hat die Niederschrift übersetzt. Die Personenblätter wurden selbstständig ausgefüllt und hinten von uns noch Ergänzungen gemacht. Es waren meiner Erinnerung nach keine Unterlagen vor Ort, bezüglich der A1 Unterlagen haben diese die selbständigen Arbeiter betroffen.

<Die Vertreterin der FPO gibt zur Info ein A1 Formular auf Deutsch.>

Es sind dann diverse Unterlagen in den nächsten Tagen übermittelt worden, glaublich Stundenaufzeichnungen und Verträge.“

Die Vertreterin der Finanzpolizei merkte an, wenn allenfalls Unterlagen nicht auf Deutsch vor Ort seien, werde beim Personenblatt vermerkt, dass sie nicht bereitgehalten worden seien, weil dies nicht dem Gesetz entspreche.

Herr Se. gab bei seiner Einvernahme als Zeuge Folgendes an:

„Ich bin bei der Kontrolle in die Wohnung hineingegangen und war die Balkontüre offen. Ich konnte wahrnehmen, wir dort zwei Leute zusammen gearbeitet und so Art WPC-Bodendielen (ist Plastik, das ausschaut wie Holz) verlegt hatten. Wir fragten die Leute, für welche Firma sie arbeiten. Sie gaben an (steh auf dem Personenblatt), dass sie für den Bf arbeiten und selbstständig sind.

<Die Vertreterin gibt an, bei den Vermerken wird schon manchmal was auf Deutsch notiert, was vorne in fremder Sprache steht, wenn etwa ein Dolmetsch anwesend ist, damit man bei der Nachbearbeitung weiß, was angegeben wurde.>“

Herr A. N. machte bei seiner Einvernahme als Zeuge die folgenden Angaben:

„Ich habe in Tschechien Monteur für Trockenbau gelernt. Ich kenne den Bf schon länger. Ich wohne in einem kleinen Ort bei Bl.. Ich habe zu Hause gearbeitet und habe der Bf zu mir gemeint, er hätte Arbeit für mich. Ich bin gekommen, um Holzbalkone zu machen, es war aus Holz. Ich habe mit dem Bf einen Werkvertrag gemacht. Es ist dies auf Seite 72. Der Zeuge wird gefragt, warum er glaubt, dass es sich bei Seite 72 um einen Werkvertrag handelt. Ich bin gependelt und habe in Wien nicht gewohnt. Das Material war schon auf der Baustelle. Bei der Kontrolle habe ich zusammen mit Herrn M. B. gearbeitet. Er hat mir geholfen, wir haben uns gegenseitig geholfen. Ich habe etwas weniger als 1.000,-- Euro bekommen. Es ist dies die Rechnung auf Seite 71 (lt. Dolmetscherin 630,-- Euro). Ich verdiene in Tschechien rund 580,-- Euro. Ich arbeite hier für 40 Stunden und verdiene rund 850,-- Euro. Ich war früher selbstständig, jetzt habe ich mich anstellen lassen.“

Herr M. B. gab bei seiner Einvernahme als Zeuge Folgendes an:

„Ich habe in Tschechien Koch und Kellner gelernt. Ich habe dann in Tschechien einen Gewerbeschein als Maurer bekommen. Ich wohne auch in Bl.. Ich verdiene ca. 500,-- bis 600,-- Euro in Tschechien. Mein Bruder hat mich als Selbstständiger angeheuert. Wir haben untereinander den Vertrag auf Seite 57 gemacht. Auf die Frage, was seiner Meinung nach der Unterschied sein soll zwischen Arbeiter und Selbstständiger bei dem hier vorliegenden Vertrag, so gebe ich an, ich kann jeder Zeit aufhören und bin mein eigener Herr. Ich habe meine Arbeit gerade fertig gehabt und habe meinem Kollegen geholfen. Ich habe mit dem Bf kommuniziert und habe dann die Arbeit zugeteilt bekommen. Die Arbeit hat Herr Po. T. verordnet und haben wir dann die Arbeit machen müssen. Ich habe letztlich knapp unter 1.000,-- Euro ausbezahlt bekommen. Ich weiß es nicht mehr so genau. Wir sind immer hin und her gependelt. Ich habe das beim Personenblatt mit der Unterkunft sicher verwechselt.“

Die Vertreterin der Finanzpolizei verzichtete auf die Abgabe eines Schlusswortes. Der Bf gab in seinem Schlusswort an, sie hätten dort nur zwei Wochen gearbeitet.

Die anwesenden Parteien verzichteten auf die mündliche Verkündung der Entscheidungen.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Das AVRAG BGBl. Nr. 459/1993 idF vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/2016, lautet (auszugsweise):

„Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen

§ 7d (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 haben während des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 7b Abs. 4 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z 4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Aufforderung nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die inländische/n Beschäftiger/in. Der/Die Überlasser/in hat dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen.

...

Erhebungen der Abgabenbehörden

§7f (1) Die Organe der Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach §§ 7b Abs. 5 und 7d zu überwachen sowie die zur Kontrolle des dem/der nicht dem ASVG unterliegenden Arbeitnehmer/in unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts im Sinne des § 7i Abs. 5 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und

1.   die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtigen Arbeitsstätten oder Arbeitsstellen sowie die Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer/innen ungehindert zu betreten und Wege zu befahren, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist,

2.   von den dort angetroffenen Personen Auskünfte über alle für die Erhebung nach Abs. 1 maßgebenden Tatsachen zu verlangen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es sich bei diesen Personen um Arbeitgeber/innen oder um Arbeitnehmer/innen handelt, sowie

3.   in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 7b Abs. 5 und 7d) Einsicht zu nehmen, Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung von Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

(2) Die Organe der Abgabenbehörden haben die Ergebnisse der Erhebungen nach Abs. 1 dem Kompetenzzentrum LSDB zu übermitteln und auf Ersuchen des Kompetenzzentrums LSDB konkret zu bezeichnende weitere Erhebungen zu übermittelten Erhebungsergebnissen oder Erhebungen auf Grund von begründeten Mitteilungen durch Dritte durchzuführen.

...

Strafbestimmungen

§ 7i (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen § 7d Abs. 1 oder § 7f Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen § 7g Abs. 2 oder § 7h Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.

(2) Wer entgegen § 7f Abs. 1 den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen und auswärtigen Arbeitsstätten oder Arbeitsstellen sowie den Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer/innen und das damit verbundene Befahren von Wegen oder die Erteilung von Auskünften verweigert oder die Kontrolle sonst erschwert oder behindert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro zu bestrafen.

(2a) Wer die Einsichtnahme in die Unterlagen nach den §§ 7b Abs. 5 und 7d verweigert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist für jede/n Arbeitnehmer/in von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro zu bestrafen.

(3) Ebenso ist nach Abs. 2a zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in entgegen § 7g Abs. 2 die Einsichtnahme in die Unterlagen verweigert.

(4) Wer als

1.   Arbeitgeber/in im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder

2.   Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht nachweislich bereitstellt, oder

3.   Beschäftiger/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.

(5) Wer als Arbeitgeber/in einen/e Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Auf Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag beruhende Überzahlungen bei den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgeltbestandteilen sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen. Hinsichtlich von Sonderzahlungen für die in § 7g Abs. 1 Z 1 und 2 genannten Arbeitnehmer/innen liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem ersten Satz nur dann vor, wenn der/die Arbeitgeber/in die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.

(5a) Die Strafbarkeit nach Abs. 5 ist nicht gegeben, wenn der/die Arbeitgeber/in vor einer Erhebung der zuständigen Einrichtung nach den §§ 7f bis 7h die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt nachweislich leistet.

(6) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass

1.   der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet, und

2.   die Unterschreitung des nach Abs. 5 Z 1 maßgeblichen Entgelts unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien gering ist oder

3.   das Verschulden des/der Arbeitgebers/in oder des/der zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1 VStG) oder des/der verantwortlichen Beauftragten (§ 9 Abs. 2 oder 3 VStG) leichte Fahrlässigkeit nicht übersteigt,

...“

Dem gegenständlichen Verfahren liegt eine Anzeige der Finanzpolizei ... vom 24.03.2016 zugrunde. Danach fand am 09.03.2016 gegen 09.00 Uhr eine Kontrolle der Baustelle in Wien, E.-straße, statt. Bei der Kontrolle seien zwei Arbeiter im ersten Stock und zwei weitere Arbeiter im zweiten Stock arbeitend angetroffen worden. Bei den Arbeitern habe es sich um R. P. (sei im ersten Stock beim Verspachteln der Decke angetroffen worden), A. N. (habe im zweiten Stock auf dem Balkon des Top 22 gemeinsam mit M. B. Bodendielen verlegt) und M. B. (habe im zweiten Stock auf dem Balkon im Top 22 gemeinsam mit Herrn N. Bodendielen verlegt) gehandelt. Von diesen drei Personen seien Personenblätter (abgefasst in ihrer Landessprache) ausgefüllt worden. In diesen Blättern hätten sie (sinngemäß) angegeben, selbstständig tätig zu sein, für die Firma J. B. zu arbeiten, Arbeitsanweisungen von J. B. zu erhalten und 10,-- Euro pro Stunde als Lohn zu bekommen; die Bezahlung erfolge in bar durch J. B. und bezahle dieser auch die Unterkunft. Der Bf sei noch während der Kontrolle auf der Baustelle erschienen und sei mit diesem eine Niederschrift (ein Herr H. hat für ihn übersetzt) aufgenommen worden. Dabei gab er Folgendes an:

„Frage: Seit wann arbeiten Sie auf dieser Baustelle bzw. von welcher Firma sind Sie beauftragt worden?

Antwort: Ich arbeite seit Anfang Februar 2016 auf dieser Baustelle. Mein Auftraggeber ist die Fa. K.. Mein Ansprechpartner ist Hr. Po. (Tel.: ...).

Frage: Können sie ein Auftragsschreiben/Werkvertrag vorlegen?

Antwort: Nein, kann ich nicht vorlegen, ich habe an die Fa. K. ein Angebot gelegt, und die Fr. K. hat mir den Auftrag telefonisch bestätigt. Sie kommt auch regelmäßig auf die Baustelle.

Frage: Wer ist ihr Ansprechpartner bei ihrem Auftraggeber der Firma K.?

Antwort: Hr. Po. (...).

Frage: Wie viele Arbeiter werden auf der ggst. Baustelle eingesetzt?

Antwort: Inklusive mir sind derzeit 5 Arbeiter auf der Baustelle. Ich habe 3 Subunternehmer auf dieser Baustelle beschäftigt. Meine Subunternehmer sind ebenfalls seit Anfang Februar 2016 auf dieser Baustelle.

Frage: Welche konkreten Arbeiten werden von ihren Arbeitern ausgeführt?

Antwort: Hr. P. R. führt Spachtel- und Malerarbeiten durch. Hr. RY. Mi. führt Installationsarbeiten aus. Hr. N. A. macht Holz- und Trockenbauarbeiten. Hr. B. M. führt Maurerarbeiten durch.

Frage: Auf welchen Baustellen werden Ihre Arbeiter noch eingesetzt?

Antwort: Auf keinen anderen Baustellen, habe ich die Subunternehmer eingesetzt.

Frage: Wie und in welchen Intervallen werden die erbrachten Leistungen ihrer Arbeiter abgerechnet?

Antwort: Die Arbeiter (Hr. P., Hr. N. und Hr. B. M.) schreiben ihre geleisteten Stunden auf und ich bestätige diese. Abgerechnet wird nach den geleisteten Stunden. Bis dato wurde erst einmal abgerechnet. Der Stundenlohn beträgt € 10,00 netto.

Mit Hrn. RY. Mi. habe ich kein Auftragsverhältnis, er ist direkt von der Bauherrin beauftragt worden.

Frage: Werden von Ihnen Stundenaufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden ihrer Arbeiter geführt?

Antwort: Die Arbeiter schreiben ihre Stunden selbst auf.

Frage: Wo findet der tägliche Arbeitsantritt für ihre Mitarbeiter statt?

Antwort: Hier auf der Baustelle.

Frage: Werden die Arbeiten von gemischten Teams, also von Arbeiter Ihrer Firma gemeinsam mit Arbeitern der durchgeführt?

Antwort: Grundsätzlich hat jeder Arbeiter seinen Aufgabenbereich. Es kann vorkommen, dass sie sich gegenseitig unterstützen, z.B. beim Material tragen.

Frage: Wer übt die Funktion des Vorarbeiters auf der ggst. Baustelle aus und bei welcher Firma ist dieser beschäftigt?

Antwort: Ich übe die Funktion des Vorarbeiters aus und bin gleichzeitig Firmenchef.

Frage: Wer gibt den Arbeitern ihrer Firma Arbeitsanweisungen und wer führt die Arbeitseinteilung durch?

Antwort: Das mache auch ich.

Frage: Wer bestimmt den Arbeitsbeginn das Arbeitsende und die Pausen auf dieser Baustelle?

Antwort: Die Arbeitszeit gebe ich vor, Pausen machen sie selbstständig.

Frage: Bei wem müssen sich ihre Arbeiter melden, wenn sie erkranken, oder frei brauchen?

Antwort: Sie müssen sich bei mir melden.

Frage: Wer kontrolliert die Ausführung der geleisteten Arbeiten ihrer Mitarbeiter ob diese korrekt sind?

Antwort: Ich kontrolliere die Arbeiten und in weiterer Folge kommt die Fr. K. vorbei und schaut sich auch die geleisteten Arbeiten an.

Frage: Wer trägt die Haftung für die geleisteten Werke?

Antwort: Grundsätzlich hafte ich für Mängel, aber falls etwas passiert, ziehe ich den jeweiligen Arbeiter zur Verantwortung.

Frage: Von wem wird das Werkzeug für ihre Arbeiter zur Verfügung gestellt?

Antwort: Das meiste Werkzeug gehört mir, zusätzlich hat jeder Arbeiter für seine Arbeitsbereich sein eigenes Werkzeug mit.

Frage: Von wem wird das Material zur Verfügung gestellt?

Antwort: Von der Fa. K..

Frage: Sind die Meldungen über die Entsendung nach Österreich (Formular ZKO 3), die Anmeldung zur Sozialversicherung (SV-Dokument A 1) und die Lohnunterlagen (§ 7d AVRAG) auf der Baustelle vorhanden und können diese vorgelegt werden?

Antwort: Die ZKO 3 Formulare können nicht vorgelegt werden, da mir das Magistrat in Tschechien gesagt hat, dass ich für Selbstständige keine ZKO 3 Formulare benötige. Al Formulare (ausgestellt für Selbstständige) konnten mit Ausnahme von Hrn. N. vorgelegt werden.

Lohnunterlagen konnten für keinen Arbeiter vorgelegt werden.

Frage: Möchten Sie noch etwas hinzufügen bzw. weitere sachdienliche Aussagen machen?

Antwort: Die Arbeiter arbeiten nebenbei auch in Tschechien, dadurch kann es vorkommen, dass sie einige Tage auch nicht auf dieser Baustelle sind.“

Die Firma J. B. sei – so heißt es in der Anzeige weiters – für diverse Arbeiten (ein Anbotschreiben vom 01.02.2016 war angeschlossen) auf der gegenständlichen Baustelle von Frau K. beauftragt worden. Aufgrund des Sachverhaltes gehe die Finanzpolizei davon aus, dass es sich hier um Entsendungen von Arbeitnehmern nach Österreich gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG handle und nicht um selbstständige Auftragnehmer.

Am 09.03.2016 sei – so heißt es weiters in der Anzeige – der Bf in der mit ihm verfassten Niederschrift gemäß § 7f AVRAG aufgefordert worden, u.a. die Lohnunterlagen gemäß § 7d AVARG innerhalb der gesetzlichen Frist für die angetroffenen Arbeiter an die Finanzpolizei zu übermitteln. Dieser Aufforderung sei der Bf nur teilweise nachgekommen. Zwischen 10.03.2016 und 11.03.2016 seien lediglich Stundenaufzeichnungen und Zahlungsbelege auf Tschechisch sowie eine Vereinbarung über Leistungsauftrag in Deutsch per Mail übermittelt worden. Es werde daher die Einleitung eines entsprechenden Strafverfahrens beantragt.

Im vorliegenden Fall fand – wie angeführt - am 09.03.2016 auf der Baustelle in Wien, E.-straße, eine Kontrolle statt. Aufgrund dieser Kontrolle stellte die Finanzpolizei ... mehrere Anzeigen. Der Bf wurde mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27.06.2016, Zl. MBA ...-S 16227/2016 schuldig erkannt, er habe als Arbeitgeber entgegen § 7d AVRAG am 09.03.2016 auf der Baustelle in Wien, E.-straße und somit während des Zeitraumes der Entsendung die Lohnunterlagen (Arbeitsvertrag oder Dienstzettel, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen, Unterlagen betreffend die Lohneinstufung) in deutscher Sprache für die drei gegenständlichen Arbeitnehmer nicht bereitgehalten, obwohl die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeitsort zumutbar gewesen sei, weil eine Wohnung für die Arbeitnehmer vorhanden gewesen sei. Der Bf wurde Übertretungen des § 7d Abs. 1 iVm §7i Abs. 4 Z. 1 AVRAG schuldig erkannt und über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Die dagegen erhobene Beschwerde (hg. protokolliert zur Zl. VGW-041/036/10321/2016) wurde als unbegründet abgewiesen. Es ist also davon auszugehen, dass der Bf rechtskräftig wegen der Nichtbereithaltung der Lohnunterlagen (im Sinne des § 7d AVRAG) für die drei Arbeitnehmer auf der Baustelle verurteilt worden ist.

Bei seiner Einvernahme noch während der Kontrolle gab der Bf an, die von ihm beschäftigten Personen seien als Subunternehmer (mittels Werkvertrages) auf der Baustelle tätig. Lohnunterlagen könnten daher für keinen der Arbeiter vorgelegt werden. Wegen dieses Nichtbereithaltens von Lohnunterlagen erging – wie angeführt – das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27.06.2016, Zl. MBA ...-S 16227/2016. Der Bf hat im Verfahren bestritten, dass es sich bei den drei ausländischen Staatsbürgern um entsendete Arbeitnehmer handelt. Er behauptete, es seien Subunternehmer und habe er mit diesen jeweils einen Werkvertrag abgeschlossen gehabt. Aus diesem Grund würde es keine Lohnunterlagen (iSd §7d Abs. 1 AVRAG) geben. Der § 7d AVRAG verpflichtet den ausländischen Arbeitgeber, die zur Ermittlung des den Arbeitnehmern nach österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlichen Unterlagen in deutscher Sprache am Arbeitsort bereitzuhalten (es soll damit in erster Linie Lohn- und Sozialdumping hintangehalten werden). Wenn nun solche Lohnunterlagen (wie hier: weil der Bf ein Werkvertragsverhältnis mit den Personen behauptet hat) nicht vorhanden sind und daher auch nicht auf der Baustelle bereitgehalten werden, sieht § 7i Abs. 4 Z. 1 AVRAG vor, dass der Arbeitgeber (wenn tatsächlich von entsendeten Arbeitnehmern auszugehen ist) eine Verwaltungsübertretung begeht und hierfür zu bestrafen ist.

Die anzeigelegende Finanzpolizei hat nun – weil die Lohnunterlagen für die drei Arbeiter auf der Baustelle nicht bereitgehalten worden sind - den Bf aufgefordert, diese Unterlagen nachzubringen. Die Unterlagen seien bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden. Nachdem dies dann nicht (vollständig) geschehen ist, wurde auch wegen Verstoßes gegen § 7f Abs. 1 Z. 3 AVRAG ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet (siehe das angefochtene Straferkenntnis).

Der Bf wurde (nach der Kontrolle) einerseits bestraft, weil er die erforderlichen Unterlagen entgegen § 7d Abs. 1 AVRAG am 09.03.2016 auf der Baustelle nicht bereitgehalten hat und andererseits, weil er genau dieselben Lohnunterlagen der Finanzpolizei nicht bis zum 11.03.2016 übermittelt hat.

Eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung wird auf Grund des Art 4 des 7. ZP EMRK dann unzulässig, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weiter gehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mit umfasst. Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 09.06.2006, B 735/05, oder das Erkenntnis des VwGH vom 23.05.2002, Zl. 2001/07/0182, mwN, sowie das Erkenntnis des VwGH vom 23.04.2008, Zl. 2005/03/0001; für einen Fall der Spezialität beispielsweise das Erkenntnis des VwGH vom 23.05.2002, Zl. 2001/07/0182).

Art. 4 7. ZP EMRK schließt jedoch die Anwendung verschiedener Strafbestimmungen, die zueinander nicht im Verhältnis der Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion stehen, nicht aus (vgl. zur Frage der Identität der "strafbaren Handlung" etwa Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, § 24 Rz 142, oder Thienel/Hauenschild, Verfassungsrechtliches "ne bis in idem" und seine Auswirkung auf das Verhältnis von Justiz- und Verwaltungsstrafverfahren, JBl. 2004, 69 (insbesondere 73 ff)).

Im vorliegenden Fall rechtfertigte sich der Bf in dem gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren nach dem AVARG damit, dass es sich bei den drei ausländischen Staatsbürgern um keine entsendeten Arbeitnehmer gehandelt habe, sondern um selbstständige Subunternehmer, die er mittels Werkauftrag mit bestimmten Arbeiten beauftragt habe. Die im § 7d Abs. 1 AVRAG angeführten Lohnunterlagen seien daher nicht vorhanden und hätten auch nicht im Sinne des § 7d Abs. 1 AVRAG bereitgehalten werden müssen. Wenn nun diese Lohnunterlagen (bei der Argumentation des Bf) gar nicht vorhanden sind, dann folgt zwingend, dass die am Kontrolltag nicht bereitgehaltenen Lohnunterlagen zwei Tage später auch nicht übermittelt werden können. Die im angefochtenen Straferkenntnis ausgesprochene Bestrafung nach § 7i Abs. 1 AVRAG (Unterlassung der Übermittlung der angeforderten Lohnunterlagen in deutscher Sprache) umfasste nun nicht andere Aspekte des tatsächlichen Geschehens als die Gesichtspunkte, die für die Bestrafung des Bf nach § 7d Abs. 1 iVm § 7i Abs. 4 Z. 1 AVRAG (Missachtung der Bereithaltungspflicht der Lohnunterlagen) relevant waren. Im § 7d Abs. 1 AVRAG ist die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Bereithaltung von näher angeführten Lohnunterlagen festgeschrieben. Im Rahmen der von den Abgabenbehörden durchzuführenden Erhebungen sind sie dann (siehe § 7f Abs. 1 Z. 3 AVRAG) zB. berechtigt, Abschriften dieser Unterlagen anzufordern und die Übermittlung von Unterlagen zu fordern.

Zusammenfassend ist somit davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid deshalb als rechtswidrig erweist, weil die belangte Behörde den Bf gleichzeitig (siehe deren Straferkenntnisse zu den Zlen. MBA ...-S 16216/2016 und MBA ...-S 16227/2016) wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen bzw. die Übermittlungsverpflichtung derselben (hier: gar nicht vorhandenen) Lohnunterlagen schuldig erkannt und bestraft hat. Der Unrechts- und Schuldgehalt des Deliktes nach § 7d Abs. 1 AVRAG schließt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien bei der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation den Unrechts- und Schuldgehalt des hier nachfolgenden Verstoßes gegen § 7f Abs. 1 Z. 3 AVRAG mit ein. Damit ist ein Fall von Konsumtion gegeben. Dafür spricht nicht nur der Umstand, dass beide Verstöße gegen ein und desselben Rechtsguts des Hintanhaltens des Lohn- und Sozialdumpings gerichtet sind, sondern auch, dass nicht existierende Lohnunterlagen, die auf der Baustelle deshalb nicht bereitgehalten werden, zwangsläufig auch nicht innerhalb eines Zeitraumes von zwei Tagen übermittelt werden können. Konsumtion liegt vor, wenn zwei Deliktstatbestände in einem typischen Zusammenhang in dem Sinne stehen, dass das eine Delikt notwendig oder doch in der Regel mit dem anderen verbunden ist (siehe das Erkenntnis des VwGH vom 28.02.1992, Zl. 90/10/0052). Eine weitere Bestrafung des Bf, der bereits gemäß § 7d Abs. 1 AVRAG iVm § 7i Abs. 4 Z. 1 AVRAG bestraft wurde, weil die Lohnunterlagen nicht bereitgehalten worden sind, gemäß § 7f Abs. 1 Z. 3 iVm § 7i Abs. 1 AVRAG, weil der Bf die genannten Lohnunterlagen nicht innerhalb eines Zeitraumes von zwei Tagen übermittelt hat, ist daher unzulässig.

Aufgrund der obigen Überlegungen war daher der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren spruchgemäß einzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs. 8 VwGVG.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich keine über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehenden Rechtsfragen stellten.

Schlagworte

Doppelbestrafungsverbot; Scheinkonkurrenz; Spezialität; Konsumtion; Bereithaltung der Lohnunterlagen; Übermittlung der Lohnunterlagen; Unrechts- und Schuldgehalt konsumiert

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.041.036.10317.2016

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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