TE Bvwg Beschluss 2017/11/17 W150 2150643-1

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Veröffentlicht am 17.11.2017
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Entscheidungsdatum

17.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W150 2150643-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Spruchteil I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2017, Zl. :

XXXX/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_04, den Beschluss:

A)

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wird der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Spruchteiles I. aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 16.08.2015 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 17.08.2015 wurde der Beschwerdeführer durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Zusammengefasst gab er an, dass er vor seiner legalen Ausreise aus Syrien in XXXX gelebt habe. Syrien verlassen habe er aufgrund des Krieges. Man müsse sich ständig fürchten, umgebracht zu werden. Im Falle einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst um seine Zukunft, durch den Krieg sei alles zerstört worden und er fürchte ständig um sein Leben. Vorgelegt wurde ein syrischer Reisepass.

3. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) gab der Beschwerdeführer zusammengefasst Folgendes an:

Er habe Syrien verlassen, da es keine Sicherheit mehr gäbe. Er hätte mit seiner Familie im Stadtviertel XXXX gelebt und die Lage dort sei sehr gefährlich gewesen. Es hätten dort Kämpfe zwischen der Syrischen Armee und der Freien Armee stattgefunden. Ab und zu habe die Armee ihnen die Hälfte ihres Essens weggenommen. Die Lage sei allgemein schlecht gewesen und auch die Kinder seien in Gefahr gewesen. Der Beschwerdeführer habe seinen Militärdienst zwischen 1996 und 1998 in Damaskus abgeleistet, eine Einberufung zum Reservemilitärdienst habe er nicht erhalten. Angegeben hat der Beschwerdeführer, dass er ein Militärbuch besitze und dieses nachreichen werde. Ergänzend gab er an, dass in der Gegend, in der seine Familie lebe, die Lage bedrohlich sei. Sein Sohn sei 15 Jahre alt und man setze ihn ein, um Sandsäcke zu tragen. Das Schulsystem funktioniere auch nicht gut.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.02.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers stellte das BFA Folgendes fest:

Die Identität des Beschwerdeführers stehe fest. Er sei zu seiner Nationalität, Volksgruppenzugehörigkeit und religiösen Gesinnung glaubhaft. Er sei gemäß eigener Angaben syrischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Araber und der moslemischen Glaubensrichtung an. Er sei spätestens am 17.8.2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer aus rein wirtschaftlichen Gründen seinen letzten Aufenthaltsort in Syrien verlassen habe. In seinem Heimatland der Arabischen Republik Syrien herrsche Krieg. Der Beschwerdeführer sei in seinem Herkunftsland nicht politisch oder parteipolitisch tätig gewesen und sei auch nicht wegen seiner politischen Ansichten verfolgt worden. Er habe in seinem Herkunftsstaat keine asylrelevanten Probleme auf Grund seiner Religionszugehörigkeit. Er habe in seinem Herkunftssaat keine asylrelevanten Gründen aufgrund seiner Rasse oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Er habe in seinem Herkunftsstaat keine asylrelevanten Probleme auf Grund seiner Volkgruppenzugehörigkeit oder mit Ämtern und Behörden gehabt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Syrien einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Fluchtgründe, welche in der Genfer Flüchtlingskonvention erschöpfend angeführt seien, habe er in seiner Befragung ausdrücklich verneint. Er habe keine gegen sich selbst gerichtete Verfolgungshandlungen in Syrien vorgebracht. Es hätten sich im Verwaltungsverfahren keine begründeten Hinweise auf eine Flüchtlingseigenschaft ergeben.

Das BFA setze sich nicht mit den Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander, er habe im Stadtviertel XXXX, in dem er sich zuletzt in Syrien aufgehalten habe, aufgrund der Tatsache, dass sich dort sowohl die syrische Armee als auch die FSA befunden hätten, Probleme und Angst um seine Sicherheit gehabt. Es wurden auch keine Ermittlungen zur – bei Bescheiderlassung – aktuellen Situation in XXXX durchgeführt bzw. finden solche keinen Niederschlag im Bescheid.

Weiters traf das BFA keine Feststellungen zu einer möglichen Einberufung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst als Reservist.

Im Bescheid wird als Beweismittel ein "Militärbuch" angeführt, welches sich aber weder im Original noch in Kopie im Akt befindet, womit unklar zu bleiben hat, welche Informationen bzw. Tatsachen sich – allenfalls - aus diesem ergeben haben.

Zur Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten führte das BFA aus, dass keine konkrete Verfolgung oder drohende asylrelevante Verfolgung vorgebracht worden sei. Die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA mit der allgemeinen schlechten Sicherheitslage in Syrien.

5. Gegen den Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides erhob der Beschwerdeführer - fristgerecht - am 13.03.2017 Beschwerde und begründete diese zusammengefasst wie folgt:

Der Beschwerdeführer habe an dem Verfahren soweit ihm möglich war mitgewirkt und alle Fragen beantwortet. Er sei der Meinung, dass er seiner Mitwirkungspflicht am Verfahren so gut wie möglich nachgekommen sei, die Erstbehörde habe es jedoch verabsäumt, den vorgebrachten Hinweisen von Amts wegen weiter nachzugehen. Der Beschwerdeführer habe während der beiden Einvernahmen angegeben, dass er sich ständig fürchten müsse, dass er umgebracht werde. Der Grund sei, dass er aus dem Stadtviertel XXXX in Damaskus komme und dort Kämpfe zwischen der syrischen und der freien Armee stattgefunden hätten. Die Erstbehörde habe das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht richtig beurteilt bzw. die aktuelle Situation in XXXX nicht in die Entscheidungsfindung miteinbezogen. Die Angaben des Beschwerdeführers waren bei der Bescheiderlassung rund acht Monate alt und die Situation in XXXX habe sich währenddessen geändert. Dieser Umstand sei von der Behörde nicht berücksichtigt worden. Zum Zeitpunkt der Beschwerde sei der IS in XXXX gewesen. Der IS habe den Stadtteil eingenommen, der vorher in der Hand der Opposition gewesen sei. Dieser Stadtteil sei nunmehr abgeschottet, die Grenze könne nicht mehr passiert werden und man komme weder hinein noch hinaus. Da der Beschwerdeführer aus dem Stadtteil XXXX komme, würde ihm bei einer Kontrolle an den Checkpoints unterstellt werden, dass er ein Mitglied des IS oder der Opposition sei. Insbesondere Männer im wehrdienstfähigen Alter (18 – 42 Jahre) seien davon betroffen. Bei einer Kontrolle drohe dem Beschwerdeführer die Festnahme durch den Geheimdienst, was dann passieren würde, das könne man nicht sagen. Die Folgen seien aber mit großer Sicherheit Folter und Demütigung und könnten bis zum Tod reichen. Aus diesem Grund sei es für den Beschwerdeführer nicht möglich auf sicherem Weg in seinen Heimatort zurückzukehren und deswegen bestehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative. Der Beschwerdeführer müsse damit rechnen, dass ihm bei einer Rückkehr nach Syrien eine bestimmte politische Gesinnung unterstellt werde. Die Erstbehörde habe sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht sachgerecht auseinandergesetzt und eine nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung vorgenommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zu Spruchpunkt A)

1.1. Gemäß § 28 Abs. 2 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

1.2. In seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Schritte gesetzt hat oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinne einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand in: Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Verwatlunsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2013, S. 127 und S. 137 bzw. vgl. auch VwGH 25.01.2017, 2016/12/0109, Rz 18ff).

1.3. Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:

Zunächst ermittelte das BFA nicht, wie sich die – zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung – aktuelle Situation in XXXX – dem letzten Wohnort des Beschwerdeführers in Syrien – darstellte. Es ist zu einer Veränderung der Machtverhältnisse gekommen, welche Niederschlag im Bescheid hätten finden müssen. Der Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang auch nicht konkret zu persönlichen Bedrohungsszenarien aufgrund seines Herkunftsortes befragt worden.

Außerdem unterließ es das BFA den Beschwerdeführer näher zu seinem Militärdienst zu befragen. Nur weil zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bzw. respektive zum Zeitpunkt der Flucht des Beschwerdeführers noch keine Einberufung erfolgt ist, heißt dies nicht, dass eine solche nicht mehr erfolgen hätte können. Das BFA hat es unterlassen, den Beschwerdeführer näher zu seinem Ausbildungsstand und seiner Position bzw. Funktion beim Militär zu befragen um sich dadurch ein besseres Bild über eine mögliche Einberufung des Beschwerdeführers als Reservist zu machen.

Es geht aus den vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen hervor, dass zum nunmehrigen Zeitpunkt die syrische Armee vermehrt auf Personalreserven in Form von Reservisten zurückgreift, wenn diese im Rahmen der Absolvierung ihres Wehrdienstes besondere Positionen innehatten bzw. über spezielle Ausbildungen verfügen. Der Beschwerdeführer ist – wie bereits angeführt – in diese Richtung nicht befragt worden und das BFA hat somit notwendige Ermittlungsschritte auch in dieser Hinsicht unterlassen.

Im Bescheid als Beweismittel angeführt wird ein "Militärbuch". Dieses Dokument befindet sich weder im Original noch als Kopie im Akt und es ist somit nicht nachvollziehbar, welche Informationen das BFA aus diesem gewonnen hat bzw. wie diese Informationen in den Bescheid eingeflossen sind.

1.4. Der Sachverhalt ist somit in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben (damit unterscheidet sich auch das gegenständliche Verfahren von jenem, das der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.06.2017, Ro 2017/20/0011, zu Grunde lag). Es ist auch nicht der Fall, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben und das Verfahren ist somit zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

2. Zu Spruchpunkt B)

2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde – wie im vorliegenden Fall – bloß ansatzweise ermittelt, entspricht der unter Punkt A) zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

3. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, politische Gesinnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W150.2150643.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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