TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/29 W236 2130722-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2017
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Entscheidungsdatum

29.11.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W236 2130722-3/5E

W236 2130720-3/5E

W236 2130721-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerden von

1.) XXXX , geb. XXXX ,

2.) XXXX , geb. am XXXX ,

3.) XXXX , geb. XXXX ,

alle StA. Russische Föderation, alle vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 14.11.2017, Zlen.

1.) 1049608001-171141629,

2.) 1049608110-171141602,

3.) 1049608709-171141653,

zu Recht:

A)

I. Die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden zurückgewiesen.

II. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der jeweils angefochtenen Bescheide werden gemäß § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.

III. Im Übrigen werden die Beschwerden gemäß § 55, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 46 und § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin (alle gemeinsam als Beschwerdeführer bezeichnet). Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und stammen aus XXXX .

1. Verfahren über die ersten Anträge auf internationalen Schutz (in Rechtskraft erwachsen):

1.1. Die Beschwerdeführer reisten (gemeinsam mit dem Bruder der Erstbeschwerdeführerin) im Jänner 2015 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 07.01.2015 ihre ersten Anträge auf internationalem Schutz.

1.2. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe für die Asylantragstellung gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sie (gemeinsam mit ihrem Bruder) seit März 2010 Geld für eine größere Wohnung gespart habe. Davon hätten offensichtlich Banditen erfahren. Am 03.11.2014 sei sie alleine zu Hause gewesen, als drei Banditen geklopft und nach Einlass in die Wohnung nach dem gesparten Geld gefragt hätten. Sie hätten die Erstbeschwerdeführerin gefesselt und sie vergewaltigt, gedroht auch ihre Tochter zu vergewaltigen und im Anschluss das Geld mitgenommen. Danach sei sie etwa zwei Stunden am Boden gelegen, habe sich dann zurechtgemacht, damit die Kinder nichts merken. Am Abend sei sie mit ihrem Bruder zur Polizei gegangen; der Untersuchungsrichter sei noch am selben Abend zu ihnen in die Wohnung gekommen und habe sich umgesehen. Am nächsten Tag sei sie ins Krankenhaus gegangen, damit ihre Verletzungen protokolliert werden. Abends sei der Untersuchungsrichter wiedergekommen und habe gesagt, dass er einen Anruf bekommen habe und sich die Polizei in die Angelegenheit nicht einmischen solle. Da es ein paar Tage später auch noch Drohanrufe gegeben habe und die Frau am anderen Ende des Telefons gemeint habe, dass die Männer vorhätten, wiederzukommen, habe die Familie beschlossen, die Heimat zu verlassen. Ihr Bruder habe eine Übergangswohnung gesucht und sie hätten ihre Wohnung an Bekannte verkauft, um die Flucht finanzieren zu können. Als sie kurz vor der Ausreise noch ihre Dokumente aus der Wohnung holen hätten wollen, sei die Türe aufgebrochen und alle Dokumente gestohlen gewesen. Sie nehme an, man habe damit ihre Ausreise verhindern wollen. Ihre Kinder hätten die gleichen Fluchtgründe wie sie.

1.3. Mit Bescheiden vom 30.06.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die (ersten) Anträge auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.) und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß der §§ 57 und 55 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Das Bundesamt erachtete das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer als nicht glaubhaft.

1.4. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden, wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung mit Erkenntnissen vom 04.11.2016 ab. Auch das Bundesverwaltungsgericht maß dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer keine Glaubhaftigkeit bei. Diese Erkenntnisse erwuchsen am 18.11.2016 in Rechtskraft.

2. Verfahren über die zweiten Anträge auf internationalen Schutz (in Rechtskraft erwachsen):

2.1. Am 03.12.2016 stellten die Beschwerdeführer ihre zweiten Anträge auf internationalen Schutz. Hinsichtlich der Gründe für die zweite Antragstellung gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass ihre im ersten Asylverfahren geschilderten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien. Sie habe aber bei ihrem ersten Asylantrag nicht auf die nunmehr vorliegenden Beweismittel zurückgreifen können. Mit ihrer damaligen Anzeige hätten die Probleme begonnen, da sie von der Polizei an die Räuber verraten worden sei. Sie werde nunmehr in Moskau auch vom FSB verfolgt. Sie habe einige E-Mails erhalten, in denen sie vom FSB bedroht werde. Ihr ehemaliger Nachbar in XXXX habe ihr einen Brief geschickt, in welchem er darlege, was damals geschehen sei. Im Brief stehe auch geschrieben, dass die Räuber und der FSB sie suchen würden. Eine Kopie des Briefes und einen Auszug der SMS lege sie bei. Sie bekomme immer wieder solche SMS-Nachrichten mit Drohungen. Ihr ehemaliger Nachbar habe ihr erzählt, dass sich die drei Männer zuletzt am 17.11.2016 nach ihnen erkundigt hätten. Sogar die Flüge würden kontrolliert werden, um zu sehen, ob sie gelandet seien. Sie wolle nicht, dass ihr oder ihren Kindern etwas Schreckliches passiere. Der Zweitbeschwerdeführer und die minderjährige Drittbeschwerdeführerin gaben an, nichts von den Fluchtgründen zu wissen, da ihnen ihre Mutter davon nichts erzählt habe.

2.2. Im vorgelegten Schreiben des Nachbarn vom 20.11.2016 wird dargelegt, dass dieser am 03.11.2014 drei Männer an der Wohnungstür der Erstbeschwerdeführerin gesehen habe. Dann habe er gehört, dass diese geschrien und geweint habe. Er habe Angst bekommen und habe sich deshalb nicht eingemischt. Diese Leute würden immer wieder kommen und versuchen, irgendwelche Informationen über die Erstbeschwerdeführerin zu bekommen. Letztes Mal seien sie am 17.12.2016 mit einem Mitarbeiter des FSB gekommen. Sie hätten gemeint, die Erstbeschwerdeführerin zu finden, egal wo sie sei, da sie jeden Flug aus Österreich nach Moskau durch Mitarbeiter des FSB kontrollieren würden. Sie hätten auch gesagt, dass sie mit dem FSB guten Kontakt hätten. Der Verfasser des Schreibens gab schließlich an, schon mehrere Male gesehen zu haben, wie unbekannte Männer Fragen zur Erstbeschwerdeführerin gestellt hätten. Manchmal habe es auch Drohungen an die Nachbarn gegeben.

2.3. Mit Bescheiden vom 14.04.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die zweiten Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und erteilte den Beschwerdeführern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde erneut eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt III.). Die Bescheide wurden im Wesentlichen damit begründet, dass entschiedene Sache vorliege, das Vorbringen der Beschwerdeführer in einem rechtskräftig beendeten Verfahren bereits als nicht glaubhaft erachtet worden sei und die vorgelegten neuen Beweismittel nicht geeignet seien, an dieser Einschätzung etwas zu ändern.

2.4. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnissen vom 16.05.2017 als unbegründet ab. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

3. Gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz:

3.1. Am 06.10.2017 stellten die Beschwerdeführer die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Hiezu wurden die Beschwerdeführerin am 06.10.2017 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 06.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Die Erstbeschwerdeführerin gab zu den Gründen für die neuerliche Asylantragstellung im Wesentlichen an, dass ihre Fluchtgründe aus den Vorverfahren nach wie vor aufrecht seien. Sie stelle einen neuen Antrag, da sie nach Aussage ihres Arztes unbedingt ihre laufende medizinische Behandlung hier in Österreich fertig machen müsse. Außerdem wolle sie ihren Bruder wieder finden. Auch sei es ihr nicht möglich die Anwaltskosten für die Beschwerden gegen die zweiten negativen Bescheide zu tragen, da diese € 270 pro Person ausmachen würden. Im Juli 2017 habe sie von ehemaligen Arbeitskollegen erfahren, dass es für sie sehr bedrohlich werden könne, wenn sie zurückreise. In der Heimat werde sie immer noch von einigen kriminellen Leuten gesucht, mit denen sie Probleme gehabt habe. Die Polizei werde ihr nicht helfen, da sie das von ihr verlangte Bestechungsgeld nicht zahlen könnte. Sie fürchte, dass ihr und ihrer Tochter etwas angetan werde, wenn sie zurückkehren. Sie sei derzeit nicht in ärztlicher Behandlung und nehme auch keine Medikamente.

Die Erstbeschwerdeführerin legte neuerlich die Ausdrucke ihrer SMS-Nachrichten vor, die sie bereits im Zuge ihres zweiten Asylverfahrens vorgelegt hatte.

Der Zweitbeschwerdeführer und die minderjährige Drittbeschwerdeführerin gaben erneut an, nichts von den Fluchtgründen zu wissen, da ihnen ihre Mutter davon nichts erzählt habe. Der Zweitbeschwerdeführer gab lediglich an, vor langer Zeit ein Telefongespräch seiner Mutter mitangehört zu haben und verstanden zu haben, dass sie von jemandem bedroht werden und sie dieser verfolge sowie töten werde, wenn sie zurückkehren. Der Zweitbeschwerdeführer und die minderjährige Drittbeschwerdeführerin gaben auch an, sich nicht zu trauen, die Mutter nach den Fluchtgründen zu fragen, da sie selbstmordgefährdet sei. Sie hätten Angst, dass sich die Mutter etwas antue. Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin gab zudem an, sie habe vor vier bis fünf Tagen ein Gespräch ihrer Mutter mitangehört in dem es – soweit sie dies verstanden habe – darum gegangen sein, dass sie jemand in Russland umbringen wolle.

3.2. Die Beschwerdeführer legten im gegenständlichen Asylverfahren im Wesentlichen folgende Unterlagen vor:

Die Erstbeschwerdeführerin betreffend:

? Beschluss des zuständigen Bezirksgerichtes vom 14.06.2017, über die zulässige Unterbringung im geschlossenen Bereich des LKH XXXX wegen bestehender akuter Suizidalität;

? Kurzarztbrief des LKH XXXX vom 24.07.2017 und ärztlicher Entlassungsbrief des LKH XXXX vom 25.07.2017, wonach bei der Erstbeschwerdeführerin eine schwere reaktive Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bestehe und sie nach stationärer Aufnahme am 10.06.2017 nunmehr, frei von Gefährdungsaspekten, nach Hause entlassen werde;

? Kurzarztbrief des LKH XXXX vom 02.10.2017 und ärztlicher Entlassungsbrief des LKH XXXX vom 06.10.2017, wonach die Erstbeschwerdeführerin am 11.08.2017 einen Suizidversuch durch Medikamenteneinnahme gemacht habe und neuerlich stationär aufgenommen worden sei. Am 02.10.2017 sei sie entlassen worden. Eine Weiterbetreuung beim niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie sowie Psychotherapie werde empfohlen;

? Bestätigung des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) vom 06.06.2017 und vom 25.10.2017, wonach die Erstbeschwerdeführerin seit 22.11.2016 als freiwillige Mitarbeiterin beim Team Österreich Tafel tätig sei und mittlerweile bereits 158 Stunden freiwillig geleistet habe;

? Dienstausweis der Erstbeschwerdeführerin des ÖRK, gültig bis August 2018;

? Erstkontakt beim Verein XXXX wegen Psychotherapie vom 05.10.2017;

? Einstellungszusage der Firma XXXX KG in XXXX vom 27.02.2017, welche die Erstbeschwerdeführerin jederzeit als Vollzeitmitarbeiterin anstellen würde, sobald sie Zugang zum Arbeitsmarkt habe;

? Deutschkursbesuchsbestätigung sowie Zeugnis des Österreichischen Integrationsfonds vom 01.03.2017 über die erfolgreich absolvierte Deutschprüfung Niveau A2;

? Bestätigung des ÖRK vom 18.01.2017 über den Besuch eines Erste-Hilfe-Grundkurses;

? Bestätigung vom 16.03.2017 über die freiwillige Mitarbeit bei der Caritas seit 20.02.2017;

? Unterstützungsschreiben ihrer Deutschlehrerin vom 18.09.2016;

? Hauptwohnsitzbestätigung gemäß § 19a MeldeG bei der Caritas.

Den Zweitbeschwerdeführer betreffend:

? Zertifikat vom 23.06.2017 über die nichtbestandene Deutschprüfung Niveau A2;

? Zertifikat von " XXXX ", VHS XXXX , vom 07.07.2017, wonach der Zweitbeschwerdeführer von 28.11.2016 bis 07.07.2017 in insgesamt 592 Unterrichtseinheiten am Bildungsangebot teilgenommen habe und Deutsch auf dem Niveau A2 beherrsche;

? Teilnahmebestätigung der Volkshochschule XXXX vom 02.10.2017, wonach der Zweitbeschwerdeführer von 02.10.2017 bis 06.07.2018 neuerlich an Kursen der " XXXX " teilnimmt;

? Bestätigung des ÖRK vom 19.05.2017 über den Besuch eines Erste-Hilfe-Grundkurses;

? Meldezettel.

Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin betreffend:

? Schulbesuchsbestätigung einer neuen Mittelschule vom 27.10.2017, wonach die minderjährige Drittbeschwerdeführerin die vierte Klasse besuche;

? Terminerinnerung des LKH XXXX für den 15.11.2017;

? Ambulanter Arztbrief vom 14.11.2017 des LKH XXXX über die Erstvorstellung der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Diese leide an einer depressiven Episode des Jugendalters und leide unter der PTBS ihrer Mutter. Es werde psychotherapeutische und medikamentöse (Fluoxetin Genericum 20mg eine halbe Tablette morgens) Unterstützung empfohlen; Wiederbestellung am 06.12.2017;

? Hauptwohnsitzbestätigung gemäß § 19a MeldeG bei der Caritas.

3.3. Mit den o.a. Bescheiden wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die dritten Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und erteilte den Beschwerdeführern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde erneut eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt III.). Begründend wird darin hinsichtlich der Spruchpunkte I. ausgeführt, dass die Beschwerdeführer kein neues Vorbringen erstattet haben, sondern die gegenständlichen Folgeanträge mit dem schon im ersten und zweiten Asylverfahren ins Treffen geführten Fluchtgründen begründet haben. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Es liege daher entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vor, sodass die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen seien. Lebensbedrohliche oder im Herkunftsstaat nicht behandelbare Erkrankungen der Beschwerdeführer liegen nicht vor. Hinsichtlich der Spruchpunkte II. habe eine der Rückkehr entgegenstehende Integration der Beschwerdeführer ebensowenig erkannt werden können, wie eine der Rückkehr entgegenstehende Situation in der Russischen Föderation.

3.4. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer am 22.11.2017 fristgerecht Beschwerde, in welcher die Bescheide zur Gänze aufgrund unschlüssiger Beweiswürdigung/rechtlicher Würdigung und in Folge dessen mangelhaftem Ermittlungsverfahren in Beschwerde gezogen werden. Ferner wird beantragt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Im Wesentlichen wird darin auf die gute Integration der Beschwerdeführer sowie auf die schlechte psychische Verfassung der Erstbeschwerdeführerin hingewiesen. Da die Familie auch über keine Verwandten mehr in Russland verfüge, wäre diese im Falle der Rückkehr völlig auf sich alleine gestellt, was in Anbetracht des psychischen Zustandes der Erstbeschwerdeführerin eine Gefährdung darstellen würde.

Mit der Beschwerde legten die Beschwerdeführer das im Spruch genannte Vollmachtverhältnis sowie neuerlich eine Bestätigung über die freiwillige Mitarbeit der Erstbeschwerdeführerin bei der Caritas vom 13.11.2017 und ein Empfehlungsschreiben des Klassenvorstands der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin vor.

3.5. Mit Eingabe vom 24.11.2017 legten die Beschwerdeführer eine Bestätigung eines Betriebes, wonach die minderjährige Drittbeschwerdeführerin von 05.02.2018 bis 09.02.2018 die berufspraktischen Tage in diesem Betrieb absolvieren kann, sowie ein Empfehlungsschreiben des Betreuungslehrers des Zweitbeschwerdeführers in der VHS XXXX vor

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der Anträge auf internationalen Schutz, den Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, aufgrund der Bescheide vom 14.11.2017, der dagegen erhobenen Beschwerden vom 22.11.2017, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakte, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer, ihren Fluchtgründen und ihrer Integration:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des (zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährigen, nunmehr volljährigen) Zweitbeschwerdeführers und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation. Ihre Identitäten stehen nicht fest.

Der Ablauf des Verfahrensganges wird festgestellt, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.

Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über die ersten und zweiten Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer kann ebensowenig festgestellt werden, wie eine maßgebliche Änderung der von den Beschwerdeführern bereits im Erst- und Zweitverfahren vorgebrachten Fluchtgründe.

Die Erstbeschwerdeführerin leidet an einer schweren reaktiven Depression und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie hat im Jahr 2017 zwei Suizidversuche unternommen und befand sich von 10.06.2017 bis 24.07.2017 sowie von 11.08.2017 bis 02.10.2017 in stationärer Behandlung eines Landeskrankenhauses. Derzeit nimmt die Erstbeschwerdeführerin keine Medikamente und ist auch nicht in ärztlicher Betreuung.

Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin leidet an einer depressiven Episode des Jugendalters und steht deswegen in psychotherapeutischer Therapie. Sie nimmt täglich morgens eine halbe Tablett Fluoxetin Genericum 20mg.

Festgestellt wird, dass die Erstbeschwerdeführerin und die minderjährige Drittbeschwerdeführerin an keinen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund.

Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.

Die Erstbeschwerdeführerin legte bereits erfolgreich eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 ab. Sie engagiert sich mehrmals wöchentlich ehrenamtlich beim Österreichischen Roten Kreuz und bei der Caritas. Sie verfügt über eine Einstellungszusage als Vollzeitmitarbeiterin in einer Firma.

Der Zweitbeschwerdeführer besuchte ein Polytechnikum und besucht nunmehr bereits das zweite Jahr Bildungslehrgänge auf der Volkshochschule XXXX . Auch er beherrscht die Deutsche Sprache bereits angemessen, bestand eine Prüfung auf dem Niveau A2 zuletzt jedoch nicht.

Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin besucht die vierte Klasse einer neuen Mittelschule und beherrscht die Deutsche Sprache bereits angemessen.

Festgestellt werden kann, dass sich die Beschwerdeführer um Integration in Österreich bemühen, die Sprache lernen und sich in ihrer Gemeinschaft engagieren.

Die Beschwerdeführer waren in Österreich nie erwerbstätig; sie sind nicht selbsterhaltungsfähig. Sie beziehen seit März 2017 keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr. Die Beschwerdeführer sind von Sozialhilfe abhängig (Kindergeld und Wohnbeihilfe).

In Österreich verfügen die Beschwerdeführer über die Kernfamilie hinaus über keine Verwandten. In der Russischen Föderation verfügen die Beschwerdeführer noch über weiter entfernte Verwandte, so zum Beispiel über eine Cousine zweiten Grades in Stavropol.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

1.2. Zur maßgeblichen Lage in der Russischen Föderation (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 21.07.2017):

1.2.1. Politische Lage im Allgemeinen

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen – bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne – sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation – Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

-

CIA – Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

-

EASO – European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

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Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

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RA – Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,

http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017

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Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,

http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

1.2.2. Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind – wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz‘, eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen‘ Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat – also Teufelsstaat – übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens‘, bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS – v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats – festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016).

Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen – der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia – hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017).

Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017).

Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.7.2017b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 21.7.2017

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FAZ (26.4.2017):"Erst der Anfang", http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/anschlag-in-st-petersburg-russland-steht-im-visier-von-terror-14989012.html, Zugriff 21.7.2017

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FP – Foreign Policy (4.5.2017): Putin has a new secret weapon in Syria: Chechens,

http://foreignpolicy.com/2017/05/04/putin-has-a-new-secret-weapon-in-syria-chechens/, Zugriff 21.7.2017

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ICG - International Crisis Group (14.3.2016): The North Caucasus Insurgency and Syria: An Exported Jihad?

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1458642687_238-the-north-caucasus-insurgency-and-syria-an-exported-jihad.pdf, S. 16-18, Zugriff 21.7.2017

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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Mena Watch (10.5.2017): Russland setzt auf sunnitische Soldaten in Syrien,

http://www.mena-watch.com/russland-setzt-auf-sunnitische-soldaten-in-syrien/, Zugriff 21.7.2017

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Standard (25.4.2017): Al-Kaida reklamiert Anschlag auf U-Bahn in St. Petersburg für sich,

https://derstandard.at/2000056544365/Al-Kaida-reklamiert-Anschlag-auf-U-Bahn-in-St-Petersburg?ref=rec, Zugriff 21.7.2017

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SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 21.7.2017

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SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den »Islamischen Staat« (ISIS) in Russland und Nachbarländern, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017

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SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017

1.2.3. Rechtsschutz/Justizwesen

Es gibt in der Russischen Föderation Gerichte bezüglich Verfassung, Zivil, Administrativ und Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet (EASO 3.2017). Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten (lt. Amnesty International in 0,5% der Fälle) zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen. 2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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