TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/30 W235 2151812-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.11.2017

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W235 2151812-1/7E

W235 2151817-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX, geb. XXXX, StA. Ghana und 2. XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2017, Zl. 16-1128443202-161209115 (ad 1.) sowie Zl. 16-1128442804-161209099 (ad 2.), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ghana, und die Zweitbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, sind ein Ehepaar und stellten nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.09.2016 die gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass der Erstbeschwerdeführer am XXXX06.2016 und die Zweitbeschwerdeführerin am XXXX07.2016 in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden waren.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurden die Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst übereinstimmend angaben, dass sie an keinen Krankheiten leiden und über keine Familienangehörigen in Österreich sowie im Gebiet der Europäischen Union verfügen würden. Die Zweitbeschwerdeführerin gab darüber hinaus an, dass sie nicht schwanger sei.

Der Erstbeschwerdeführer brachte vor, er sei Mitte 2015 aus Ghana ausgereist und über den Niger nach Libyen gefahren, wo er sich ca. sechs Monate lang aufgehalten habe. In der Folge sei er von Libyen nach Italien weitergereist, wo er erkennungsdienstlich behandelt worden sei. In Italien sei er ca. zwei Monate lang geblieben. Er habe Schmerzen wegen einer Schussverletzung gehabt und sei in Italien nicht gut versorgt worden. Eine Einvernahme habe er nicht gehabt. Er wolle in Österreich bleiben, da man sich hier um ihn kümmere.

In ihrer eigenen Erstbefragung gab die Zweitbeschwerdeführerin ergänzend an, sie habe Nigeria Anfang 2015 verlassen und sei nach Ghana gefahren. Von dort aus habe der Erstbeschwerdeführer die Weiterreise organisiert. In Italien seien sie nicht gut versorgt worden. Sie wolle nicht nach Italien.

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 08.09.2016 auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestützte Aufnahmegesuche an Italien.

Mit Schreiben vom 11.11.2016 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der italienischen Dublinbehörde mit, dass die Zuständigkeit in den Fällen der Beschwerdeführer wegen Unterlassung einer fristgerechten Antwort auf die österreichische Aufnahmegesuche auf Italien übergegangen ist.

1.4. Am 17.02.2017 wurden die Beschwerdeführer unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Englisch vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei sie zunächst angaben, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühlen würden, die Befragung zu absolvieren. Abgesehen von dem jeweils mitgereisten Partner würden sie über keine Verwandten in Österreich verfügten und es bestehe darüber hinaus auch keine Familiengemeinschaft.

Der Erstbeschwerdeführer gab in seiner Einvernahme an, dass er nicht nach Italien wolle. Dort sei er nicht medizinisch behandelt worden. Er sei ca. ein bis zwei Monate lang in einem Flüchtlingslager in XXXX gewesen und habe mehrmals um medizinische Hilfe ersucht. Der Erstbeschwerdeführer habe die Betreuerin gefragt und sei auch mehrmals in der kleinen Ordination im Lager gewesen. Dort habe man ihm nicht geholfen, obwohl er mehrere Krankenschwestern gefragt habe. Dokumente habe er keine bekommen. In ein Krankenhaus sei er nicht gegangen, sondern nur in die Krankenstation des Lagers. Am XXXX04.2016 sei er in Ghana am Oberkörper angeschossen worden und diese Schussverletzung habe man in Italien nicht gut behandelt. Zu den bereits vorab übermittelten Länderfeststellungen zu Italien wolle der Erstbeschwerdeführer keine Stellungnahme abgeben.

Darüber hinaus bzw. ergänzend brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass sie gesund sei. Sie wolle nicht nach Italien, da der Erstbeschwerdeführer dort krank gewesen sei und keine medizinische Versorgung erhalten habe. Seine Schussverletzung, die er sich am XXXX04.2016 in Ghana zugezogen habe, sei nicht behandelt worden. In Italien seien die Beschwerdeführer in einem Lager untergebracht gewesen und hätten dort nach medizinischer Behandlung gefragt. Der Erstbeschwerdeführer sei auch in ein Krankenhaus gegangen und sei auch dort nicht behandelt worden. Zu den Länderfeststellungen des Bundesamtes wolle sie keine Stellungnahme abgeben.

Im Rahmen dieser Einvernahme wurden nachstehende Unterlagen vorgelegt:

* Schreiben einer chirurgischen Abteilung eines Landesklinikums vom XXXX09.2016 betreffend den Erstbeschwerdeführer mit der Diagnose Keloidnarbe [Anm.: das ist eine sich ausbreitende Narbe] nach einer Schussverletzung;

* Ambulanzkarte eines Landeskrankenhauses vom XXXX09.2016, der zu entnehmen ist, dass beim Erstbeschwerdeführer ein Restfaden im oberen Narbenbereich entfernt und eine Kontrolluntersuchung für den XXXX09.2016 vereinbart wurde;

* Bestätigung betreffend die "ambulante Wiedervorstellung" des Erstbeschwerdeführers vom XXXX09.2016, der keine weiteren medizinischen Maßnahmen bzw. Behandlungen zu entnehmen sind sowie

* die medizinischen Behandlungsbegleitblätter für Asylwerber in der Grundversorgung betreffend beide Beschwerdeführer ohne Eintragungen

2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die jeweiligen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig ist.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass in den Fällen der Beschwerdeführer schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. Der Erstbeschwerdeführer habe eine Schussverletzung, befinde sich jedoch diesbezüglich nicht mehr in Behandlung. Die Zweitbeschwerdeführerin sei gesund. Festgestellt werde, dass die illegale Einreise in die Europäische Union über Italien erfolgt sei. Die Zuständigkeit Italiens sei gemäß der Dublin III-VO gegeben und sei Italien auf diesen Umstand hingewiesen worden. Es liege ein Familienverfahren vor und bestehe die Familie aus dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin. Darüber hinaus würden die Beschwerdeführer über keine weiteren familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte verfügen. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführer in Österreich bestehe. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Italien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen seien bzw. diese zu erwarten hätten.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in den angefochtenen Bescheiden Feststellungen zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich keine Hinweise darauf ergeben hätten, dass die Beschwerdeführer an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leiden würden. Die Feststellung zur Verletzung des Erstbeschwerdeführers ergebe sich aus den vorgelegten Befunden. Aufgrund der widerspruchsfreien Angaben der Beschwerdeführer zu ihrem Reiseweg, des Ergebnisses der Eurodac-Abfrage und des Umstandes, dass seitens Italiens keine Ablehnung im Hinblick auf die Zuständigkeit erfolgt sei, stehe fest, dass Italien jenes Land sei, über welches die illegale Einreise in das Territorium der Mitgliedstaaten erfolgt sei. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus den unbedenklichen Akteninhalten ergeben. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben seien aufgrund der nicht anzuzweifelnden Angaben der Beschwerdeführer getroffen worden. Die Feststellungen zu Italien würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren. Aus den Angaben der Beschwerdeführer seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass sie in Italien Gefahr liefen, dass ihnen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen würde. Zum Vorbringen, dass der Erstbeschwerdeführer in Italien nicht behandelt worden sei, werde angemerkt, dass es nicht glaubhaft sei, dass sich in einem Lager eine Krankenstation befinde, die mit mehreren Krankenschwestern besetzt sei und diese dann eine medizinische Behandlung verweigern würden. Zudem habe die Zweitbeschwerdeführerin abweichende Angaben getätigt. Daher werde das Vorbringen betreffend unzureichende medizinische Versorgung in Italien als nicht glaubhaft gewertet.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide, dass sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO formell erfüllt sei. In den vorliegenden Fällen handle es sich um ein Familienverfahren und habe sich für sämtliche Familienangehörige dieselbe aufenthaltsbeendende Maßnahme ergeben, sodass die Einheit der Familie bei der Außerlandesbringung nach Italien gewahrt bleibe. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. von Art. 7 GRC führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesem Aspekt zulässig sei. Italien sei bereit, die Beschwerdeführer einreisen zu lassen und ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen bzw. die sonstigen, Italien treffenden Verpflichtungen den Beschwerdeführern gegenüber zu erfüllen. Weiters sei festzuhalten, dass in Italien als Mitgliedstaat der Europäischen Union mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe daher bei Abwägung aller Umstände nicht erschüttert werden können. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wurde ausgeführt, dass die gegenständlichen Zurückweisungsentscheidungen gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden seien. In der Folge wurde im Bescheid des Erstbeschwerdeführers auf die Judikatur in Zusammenhang mit Überstellungen kranker Personen verwiesen und ausgeführt, dass sich im Fall des Erstbeschwerdeführers der gesundheitliche Leidenszustand durch die Außerlandesbringung nicht derartig verschlechtern werde, dass der Schutzbereich des Art. 3 EMRK dadurch verletzt wäre. In Italien seien zumutbare Behandlungsmöglichkeiten für den Erstbeschwerdeführer vorhanden und zugänglich. Die Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer am 27.03.2017 im Wege ihrer nunmehr ausgewiesenen Vertretung fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und stellten Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer nach wie vor an den Folgen seiner Schussverletzung leide. Von den Ärzten in der Krankenstation in XXXX sei ihm immer wieder versprochen worden, dass er in ein Krankenhaus gebracht werde, was jedoch nicht geschehen sei. Er habe an starken Schmerzen in der Bauchgegend gelitten und habe weder essen noch schlafen können. Nahezu jeden Tag sei er zur Krankenstation gegangen und habe um medizinische Behandlung gebeten.

Weiters monierte die Beschwerde, dass eine Einzelfallprüfung in den gegenständlichen Fällen von der belangten Behörde nicht durchgeführt worden sei. Ferner seien die Länderfeststellungen zur Situation in Italien unvollständig, veraltet und unausgewogen. In der Folge zitierte die Beschwerde aus einem Bericht von "Ärzte ohne Grenzen" vom März 2016 sowie aus Berichten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom April 2015 und vom August 2016 und führte hierzu verallgemeinernd aus, dass aufgrund der mangelhaften Unterbringungssituation in Italien davon auszugehen sei, dass zahlreiche Asylsuchende obdachlos seien oder in besetzten Häusern unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssten. Weiters zitierte die Beschwerde aus einem Bericht von Amnesty International vom 03.11.2016 und verwies darauf, dass es zu Fällen von Misshandlungen durch die italienische Polizei gekommen sei. Ein Bezug zum Vorbringen der Beschwerdeführer wurde auch hier nicht hergestellt. Unter Verweis auf Entscheidungen deutscher Verwaltungsgerichte vom 22.12.2014, vom 13.01.2015, vom 16.09.2016 und vom 27.04.2015 wurde vorgebracht, dass in diesen Entscheidungen auf Mängel im italienischen Versorgungssystem und auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen hingewiesen worden sei. Ferner verwies die Beschwerde auf zwei Entscheidungen belgischer Verwaltungsgerichte vom 27.04.2015 sowie vom 28.04.2015, in welchen Überstellungen nach der Dublin III-VO nach Italien als unzulässig erklärt und ausgesetzt worden seien, da in diesen Fällen eine reale Gefahr bestanden habe, dass den dortigen Beschwerdeführern aufgrund der schlechten Aufnahmebedingungen in Italien unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde. In der Folge wurde eine weitere Einzelfallentscheidung eines deutschen Verwaltungsgerichtes vom 02.11.2016 zitiert, in dem auf die systemischen Schwachstellen in Italien und auf die Notwendigkeit einer individuellen Zusicherung verwiesen wurde. In weiterer Folge wurde in Zusammenhang mit der Unterbringungssituation in Italien erneut der Bericht von "Ärzte ohne Grenzen" vom März 2016 zitiert. Ein Bezug zum konkreten Vorbringen der Beschwerdeführer wurde auch in diesem Zusammenhang nicht hergestellt, sondern wurde lediglich ausgeführt, dass aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens die Behörde zu dem unrichtigen Schluss gelangt sei, dass sich eine systematische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Italien nicht erkennen lasse. Ferner werde in gegenständlicher Beschwerde dargelegt, dass aufgrund der systemischen Mängel im italienischen Aufnahmesystem sowie aufgrund der mangelnden medizinischen Versorgung im Fall der Überstellung der Beschwerdeführer nach Italien eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte wahrscheinlich sei. Das Verwaltungsgericht Hannover sei in einem Beschluss vom 22.12.2014 zu dem Schluss gelangt, dass auch bei jungen, gesunden, männlichen Asylwerbern individuelle Zusicherungen eingeholt werden müssten.

Neben den bereits vorgelegten medizinischen Unterlagen betreffend den Erstbeschwerdeführer und drei Empfehlungsschreiben wurde der Beschwerde ein "Laufzettel" eines Krankenhauses, Abteilung für Unfallchirurgie, vom XXXX03.2017 beigelegt, dem zu entnehmen ist, dass der Erstbeschwerdeführer dieses Krankenhaus aufgrund von Schmerzen im Bereich der Keloidnarbe aufgesucht hat und eine Vorstellung in der allgemein chirurgischen Ambulanz zur weiteren Behandlung empfohlen wird.

4. Mit E-Mail vom 28.04.2017 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannt, dass die Beschwerdeführer am selben Tag auf dem Luftweg komplikationslos nach Italien überstellt worden waren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ghana; die Zweitbeschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria. Die Beschwerdeführer sind miteinander verheiratet. Die Zweitbeschwerdeführerin hat Nigeria Anfang 2015 verlassen und ist nach Ghana gefahren. Mitte 2015 haben die Beschwerdeführer Ghana verlassen und sind über den Niger nach Libyen gereist, wo sie sich ca. ein halbes Jahr aufgehalten haben. Von dort aus sind sie über Italien in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist, wo der Erstbeschwerdeführer am XXXX06.2016 und die Zweitbeschwerdeführerin am XXXX07.2016 erkennungsdienstlich behandelt worden waren. Nach einem ca. zweimonatigen Aufenthalt in Italien sind die Beschwerdeführer weiter illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist, wo sie am 03.09.2016 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 08.09.2016 Aufnahmegesuche an Italien. Aufgrund von Verfristung trat die Zuständigkeit Italiens zur Durchführung der Verfahren der Beschwerdeführer ein, was der italienischen Dublinbehörde vom Bundesamt mit Schreiben vom 11.11.2016 mitgeteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Italiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Überstellung nach Italien Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Aufgrund einer in Ghana erlittenen Schussverletzung am Oberkörper hat sich beim Erstbeschwerdeführer eine Keliodnarbe gebildet, die in Österreich am XXXX09.2016 durch eine ambulante Entfernung eines Restfadens im oberen Narbenbereich behandelt worden war. Am XXXX09.2016 ist eine Kontrolluntersuchung erfolgt und am XXXX03.2017 hat der Erstbeschwerdeführer ein Krankenhaus wegen Schmerzen im Bereich der Keloidnarbe aufgesucht. Dass sich der Beschwerdeführer danach in weiterer ärztlicher und/oder medikamentöser Behandlung befunden hat, kann nicht festgestellt werden. Da die Zweitbeschwerdeführerin gesund ist, kann in einer Gesamtbetrachtung festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leiden, die einer Überstellung nach Italien aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht bzw. entgegengestanden ist. Nicht festgestellt wird, dass dem Erstbeschwerdeführer in Italien die notwendige medizinische Behandlung verweigert worden war.

Es bestehen keine besonders ausgeprägten privaten, familiäre oder berufliche Bindungen der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet.

Am 28.04.2017 wurden die Beschwerdeführer komplikationslos nach Italien überstellt.

1.2. Zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien:

Zum italienischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien wurden in den angefochtenen Bescheiden umfangreiche Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Dublin-Rückkehrer:

Die meisten Dublin-Rückkehrer landen am Flughafen Rom-Fiumicino, einige auch am Flughafen Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Questura für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in IT gestellt hat, kann er dies tun, wie jeder andere auch.

2. Ist das Verfahren des AW noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere AW.

3. Hat er beim ersten Aufenthalt in Italien eine negative Entscheidung erhalten und dagegen keine Beschwerde eingelegt, kann er zur Außerlandesbringung in ein CIE gebracht werden.

4. Wurde das Verfahren des Rückkehrers negativ entschieden, dieser aber nicht informiert (weil er etwa schon weg war), kann er Beschwerde einlegen.

5. Hat der AW Italien vor seinem persönlichen Interview verlassen und erging folglich eine negative Entscheidung, kann der Rückkehrer ein neues Interview beantragen (AIDA 12.2015).

[...]

b). Unterbringung:

Mit LD 142/2015 wurde ein 2-Phasen-Unterbringungssystem eingeführt, das im Wesentlichen dem davor Üblichen entspricht. Die erste Phase bilden die Ersthelfer- und Unterbringungszentren CPSA, Erstaufnahmezentren CPA und Notfallzentren CAS, sowie Unterbringungszentren CARA. In diesen Einrichtungen sollen AW nur temporär untergebracht werden, bis Verlegung in SPRAR möglich ist. Das SPRAR bildet die 2. Phase der Unterbringung. Fremde sind zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen und wenn eine Bedürftigkeit besteht, welche auf Basis von Eigendeklaration festgestellt wird. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung (bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist). Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht das Recht auch bis zu Entscheidung des Gerichts (AIDA 12.2015).

Die Praxis, dass der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der Verbalizzazione (formelle Registrierung des Antrags) gegeben ist, anstatt sofort nach Fotosegnalamento (erkennungsdienstliche Behandlung), bestand laut AIDA aber zumindest bis Ende September 2015 fort. Zwischen diesen beiden Schritten waren, abhängig von Region und Antragszahlen, vor allem in den großen Städten Wartezeiten von Wochen oder gar Monaten möglich. Betroffene AW waren daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen oder es drohte ihnen Obdachlosigkeit. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Auch ist nicht bekannt, wie sich die Situation momentan darstellt. Betroffen waren außerdem nur Personen, die ihren Antrag im Land stellten, keine auf See geretteten AW (AIDA 12.2015).

[...]

Als größtes Problem für Rückkehrer wird die Unterbringungssituation betrachtet. Dublin-Rückkehrer (AW oder Schutzberechtigte), die zuvor in Italien nicht untergebracht waren, haben bei Rückkehr Zugang zu Unterbringung. Eine Aussage darüber, wie lange es dauert bis auch tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich. Berichten zufolge ist es in der Vergangenheit zu Fällen gekommen, in denen Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden konnten und sich selbst unterbringen mussten, mitunter in Behelfssiedlungen (AIDA 12.2015).

Gleichzeitig besagten ältere Berichte, dass ein AW, der dem Unterbringungszentrum ohne Genehmigung über eine bestimmte Frist fernbleibt, seinen Unterbringungsplatz verliert und danach nicht wieder in derselben Struktur untergebracht werden kann (AIDA 1.2015). Angeblich gilt dieses Verbot der erneuten Unterbringung für 6 Monate nach dem Verlassen der Unterbringung (SFH 5.2011).

Um die Unterbringungssituation von Dublin-Rückkehrern zu verbessern, wurden ab 2011 im Rahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds (FER) Projekte nahe der Flughäfen finanziert, an denen diese am häufigsten ankommen (ARCO, ARCA, ASTRA am Flughafen Rom-Fiumicino; STELLA, ALI, TERRA am Flughafen Mailand-Malpensa; und weitere in Venedig, Bari und Bologna) (AIDA 1.2015). Informationen aus dem ital. Innenministerium zufolge, sind diese Projekte mittlerweile alle ausgelaufen und wurden von der EU nicht nachfinanziert. Die Betroffenen sind derzeit durchweg in den national unterhaltenen Zentren untergebracht (CPSA, CDA, CARA, CIE, SPRAR). Die genaue Aufteilung auf die diversen Arten von Einrichtungen ist nicht bekannt, jedoch die Aufteilung nach Region. Am 29.2.2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen Einrichtungen untergebracht (VB 10.3.2016).

[...]

c). Medizinische Versorgung:

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. AW haben dieses Recht ab Registrierung ihres Asylantrages. Das gilt sowohl für untergebrachte als auch für nicht untergebrachte AW. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.);

Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung;

kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. In einem Zentrum Untergebrachte erhalten bei diesem Schritt Hilfe von ihren Betreuern. Nach Ablauf der ersten 6 Monate müssen sich AW offiziell arbeitslos melden, um die Ticketbefreiung behalten zu können. Zum effektiven Zugang zu medizinischer Versorgung für Asylwerber und Schutzberechtigte erklärt AIDA, dass bei den Mitarbeitern im Gesundheitsbereich Desinformation und Mangel an Erfahrung in der Behandlung von Migranten häufig sind. Die Sprachbarriere ist aber das größte Zugangshindernis (AIDA 12.2015).

AW und Schutzberechtigte mit psychischen Problemen (z.B. Folteropfer) haben das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. In der Praxis können sie von spezialisierten Dienstleistungen profitieren, die im Rahmen des Nationalen Gesundheitsdienstes und von spezialisierten NGOs und Privaten angeboten werden. Verschiedene medizinische Zentren und Ärzte, die früher im sogenannten NIRAST (Italian Network for Asylum Seekers who Survived Torture) organisiert waren, arbeiten unter verschiedenen Finanzierungen weiter in der Unterstützung von Folteropfern (AIDA 12.2015).

Irreguläre Migranten haben das Recht auf medizinische Notversorgung und präventive Versorgung zum Schutz der individuellen und kollektiven Gesundheit. Damit haben sie dieselben Rechte wie italienische Staatsbürger (AIDA 12.2015).

Illegal aufhältige Personen können von medizinischen Notdiensten Gebrauch machen. Die Gesetze verbieten es dem medizinischen und Verwaltungspersonal die Polizei bezüglich illegaler Migranten zu informieren (UNHRC 21.7.2014).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Unterbringungs- und Versorgungslage (einschließlich medizinischer Versorgung) von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen - darunter konkret auch in Bezug auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO - samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Italien den Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den Beschwerdeführern, zu ihren Staatsangehörigkeiten, zu ihrem familiären Verhältnis zueinander, zu ihren Ausreisen aus den jeweiligen Herkunftsländern, zu ihrem weiteren, gemeinsamen Reiseweg, zu ihrem Aufenthalt in Libyen sowie zu ihrer illegalen Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten über Italien, zur Dauer ihres Aufenthalts in Italien und zu ihrer illegalen Weiterreise nach Österreich sowie zur Stellung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus den Akteninhalten.

Dass der Erstbeschwerdeführer am XXXX06.2016 und die Zweitbeschwerdeführerin am XXXX07.2016 in Italien erkennungsdienstlich behandelt wurden, ergibt sich zweifelsfrei aus den diesbezüglichen Eurodac-Treffern und wurde auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Beide Beschwerdeführer gaben in ihren jeweiligen Erstbefragungen übereinstimmend an, dass sie in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden waren. Darauf, dass die Zuständigkeit Italiens beendet worden wäre, finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise.

Die Feststellungen zu den Aufnahmegesuchen der österreichischen Dublinbehörde und zum Übergang der Zuständigkeit an Italien aufgrund Verfristung sowie zur diesbezüglichen Mitteilung durch das Bundesamt ergeben sich darüber hinaus aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der diesbezüglichen Korrespondenz der Dublinbehörden im Rahmen der Konsultationsverfahren.

Eine die Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Italien wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt II. 3.2.4.2. des gegenständlichen Erkenntnisses).

Die Feststellung, dass sich beim Erstbeschwerdeführer aufgrund einer in Ghana erlittenen Schussverletzung eine Keloidnarbe gebildet hat sowie die Feststellungen zur Behandlung dieser Narbe am XXXX09.2016, zur Kontrolluntersuchung am XXXX09.2016 und zum neuerlichen Aufsuchen eines Krankenhauses am XXXX03.2017 ergeben sich aus den diesbezüglich vorgelegten medizinischen Unterlagen vom XXXX09.2016, vom XXXX09.2016, vom XXXX09.2016 und vom XXXX03.2017. Die (Negativ)feststellung, dass nicht festgestellt werden könne, dass sich der Erstbeschwerdeführer nach dem XXXX03.2017 in weiterer ärztlicher und/oder medikamentöser Behandlung befunden hat, gründet sich darauf, dass in der Folge keine ärztlichen Unterlagen bzw. Bestätigungen mehr vorgelegt worden waren. Im vorgelegten "Laufzettel" vom XXXX03.2017 findet sich zwar die Empfehlung zu einer Vorstellung in der allgemein chirurgischen Ambulanz zur weiteren Behandlung, da jedoch in weiterer Folge (bis zur Überstellung am 28.04.2017) weder Unterlagen vorgelegt worden waren, die eine Behandlungsbedürftigkeit indizieren, noch ein diesbezügliches Vorbringen erstattet wurde, war sohin die Feststellung zu treffen, dass der Erstbeschwerdeführer weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leidet, die seiner Überstellung nach Italien aus gesundheitlichen Gründen entgegengestanden ist. Die gleichlautende Feststellung betreffend die Zweitbeschwerdeführerin sowie die Feststellung, dass die Zweitbeschwerdeführerin gesund ist, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben im Verfahren vor dem Bundesamt. Da die Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesamt nicht glaubhaft machen konnten, dass dem Erstbeschwerdeführer in Italien die notwendige medizinische Behandlung verweigert worden war, war die diesbezügliche (Negativ)feststellung zu treffen. Zum einen ist dem Bundesamt betreffend die Angaben der Beschwerdeführer dahingehend Recht zu geben, dass sich diese widersprechen: So gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er mehrmals im Flüchtlingslager um medizinische Hilfe ersucht habe. Er habe die Betreuerin gefragt und sei auch mehrmals in der kleinen Ordination im Lager gewesen, wo man ihm nicht geholfen habe, obwohl er mehrere Krankenschwestern gefragt habe. Er sei nur in die Krankenstation des Lagers gegangen, jedoch nicht in ein Krankenhaus (vgl. AS 179 im Akt des Erstbeschwerdeführers). Demgegenüber brachte die Zweitbeschwerdeführerin in ihrer eigenen Einvernahme vor, dass der Erstbeschwerdeführer auch in ein Krankenhaus gegangen und auch dort nicht behandelt worden sei (vgl. AS 168 im Akt der Zweitbeschwerdeführerin). Eine Steigerung erfuhr dieses Vorbringen durch die schriftlichen Beschwerdeausführungen, in denen nunmehr der Erstbeschwerdeführer statt "mehrmals" "nahezu jeden Tag" um medizinische Hilfe in der Krankenstation ersucht habe. Weiters brachte der Erstbeschwerdeführer in seiner Einvernahme vor, dass in der Krankenstation Krankenschwestern anwesend gewesen seien; hingegen führt die Beschwerde aus, dass es sich um Ärzte gehandelt hätte, die dem Erstbeschwerdeführer versprochen hätten, ihn in ein Krankenhaus zu bringen. Ein derartiges Vorbringen hat der Erstbeschwerdeführer jedoch nicht erstattet. Genauso verhält es sich mit den Angaben in der Beschwerde, der Erstbeschwerdeführer habe aufgrund seiner starken Schmerzen weder essen noch schlafen können. Auch derartige Aussagen tätigte der Erstbeschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt nicht, sodass die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen als stark übertriebene Steigerungen zu werten sind. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführer zwar am 03.09.2016 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben, der Erstbeschwerdeführer jedoch erst XXXX Tage später - nämlich am 08.09.2016 - erstmals in Österreich ein Krankenhaus aufgesucht hat. Hätte der Erstbeschwerdeführer tatsächlich unter so starken Schmerzen gelitten, dass er weder essen noch schlafen hätte können, hätte er wohl unmittelbar nach seiner Ankunft in Österreich um medizinische Hilfe ersucht. Zum anderen ist darauf zu verweisen, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführer zufolge sich der Erstbeschwerdeführer die Schussverletzung in Ghana am XXXX04.2016 zugezogen haben will, die Beschwerdeführer jedoch - ihrem eigenen Vorbringen zufolge - Ghana bereits Mitte 2015 verlassen haben und sich in weiterer Folge ca. ein halbes Jahr in Libyen aufgehalten haben, was eine weitere Ungereimtheit in ihrem Vorbringen darstellt. Aufgrund der dargelegten Widersprüche und Steigerungen ist es den Beschwerdeführern sohin nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass dem Erstbeschwerdeführer in Italien eine notwendige medizinische Behandlung verweigert worden war.

Die Feststellung zum Nichtvorhandensein besonders ausgeprägter privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der Beschwerdeführer in Österreich ergibt sich aus den eigenen Angaben der Beschwerdeführer in ihren jeweiligen Verfahren. Gegenteiliges ist auch den sonstigen Akteninhalten nicht zu entnehmen. Sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt gab beide Beschwerdeführer dezidiert an, keine familiären Beziehungen in Österreich zu haben.

Letztlich ergibt sich die Feststellung, dass die Beschwerdeführer am 28.04.2017 nach Italien überstellt wurden, aus einem E-Mail des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag.

2.2. Die Feststellungen zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den im angefochtenen Bescheid angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Italien ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Quellen nach wie vor aktuell bzw. mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Italien ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die auf alle entscheidungswesentliche Fragen eingehen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, haben die Beschwerdeführer nicht dargelegt. In ihren jeweiligen Einvernahmen vor dem Bundesamt gaben sie lediglich an, dass sie zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen keine Stellungnahmen abgeben wollen. Zu den Beschwerdeausführungen, die vom Bundesamt herangezogenen Länderfeststellungen seien unvollständig, veraltet und unausgewogen, ist auszuführen, dass dieses Vorbringen lediglich unsubstanziiert in den Raum gestellt wurde. Zum einen wurde nicht ausgeführt, welche Teile die Beschwerdeführer als unvollständig bzw. unausgewogen betrachten. Zum anderen ist darauf zu verweisen, dass die Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden in ihrer letzten Überarbeitung vom 26.01.2017 stammen und sohin jedenfalls aktueller sind als die in der Beschwerde zitierten Berichte, die sämtlich aus den Jahren 2016 und 2015 stammen. Wenn in der Beschwerde unter Anführung der oben angeführten Berichte von Menschenrechtsorganisationen ausgeführt wird, dass es zu Fällen von Misshandlungen durch die italienische Polizei gekommen sei und, dass zahlreiche Asylsuchende obdachlos seien - sohin auf die "systemischen Mängel" im italienischen Asylverfahren verwiesen wird - ist dem entgegenzuhalten, dass die Beschwerde jedoch nicht ausführt, gegen welche Punkte in den Feststellungen sich die Kritik richtet. Hinzu kommt, dass diese Ausführungen lediglich allgemein gehalten sind und keinen Bezug zu den Beschwerdeführern bzw. zu ihrem Vorbringen aufweisen; beispielsweise wurde weder eine Misshandlung durch die italienische Polizei noch wurden Probleme bei der Unterbringung der Beschwerdeführer in Italien vorgebracht, sondern - im Gegenteil - gaben die Beschwerdeführer an, dass sie während ihres ca. zweimonatigen Aufenthalts in einem Flüchtlingslager in Bari untergebracht waren. Hingegen zeichnen die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid durchaus ein differenziertes Bild und nehmen ebenso auf die Situation von Dublin-Rückkehrern Bezug. Mangels konkretem Vorbringen sind die Beschwerdeausführungen daher nicht geeignet, die durch tatsächlich aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu entkräften.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) [...]

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnisse, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Art 22 Antwort auf ein Aufnahmegesuch

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.

(2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.

(3) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien gemäß den in den Buchstaben a und b dieses Artikels festgelegten Kriterien aufgeführt sind, fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

a) Beweismittel:

i. Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;

ii. Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung;

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten